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ELsa Reißwolf
Alter: 74 Beiträge: 1398
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08.11.2009 11:04 Helene in Oberammergau (Auszug-Episodenroman) von ELsa
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In Oberammergau
Eine Woche Ferien nur mit der Mutter, die sich nicht allein auf die Reise zu den Passionsspielen traute. Helene hat auf das Mansardenzimmer in der Frühstückspension bestanden. Allein. Die Mutter schläft einen Stock tiefer mit einer leeren Betthälfte neben sich, denn der Vater „will so einen heiligen Dreck nicht sehen“. Heute Abend haben sie Moses und die Sache mit dem goldenen Kalb gespielt. Helene sagt die zehn Gebote auf und starrt auf die Dachschräge aus hellem Holz, die nur ein paar Zentimeter über ihrer Stirn beginnt. Sie legt den Kopf auf dem Kissen in den Nacken und streckt die Zunge heraus. Leckt das Holz ab. „Du sollst keine Unkeuschheit treiben“, sagt sie undeutlich. Morgen wird die Kreuzigung Jesu aufgeführt. Helene hat schon gesagt, dass sie nachher in die Diskothek geht. Ihre Mutter wollte es verbieten, da hat Helene geschrien: „Das kannst du nicht! Ich bin siebzehn!“
Aus Angst, dass Helene die ganze Pension zusammenschreit, gab sie nach.
Beim letzten Abendmahl beschließt Helene, mit Jesus zu schlafen. es ist dann aber Judas, der in der Disko auftaucht. Eigentlich findet sie ihn sowieso hübscher. Hinterm Holzstoß, der später als Mitsommerfeuer angezündet wird, machen sie es. Helenes Slip ist klebrig. Sie wirft ihn ins Klo, bevor sie wieder tanzen geht. Sie hat ihn geliebt, er war aus altrosa Seide.
by ELsa
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Biggi Klammeraffe
Alter: 52 Beiträge: 782 Wohnort: BY
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08.11.2009 16:33
von Biggi
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Hallo ELsa,
schön, dass Du uns wieder Häppchen auf den Tisch stellst! Du wurdest wirklich vermisst und da spreche ich, glaube ich, nicht nur für mich.
Jeffery Deavers Kurzkrimis liebe ich dafür, dass sie (für mich) nicht vorhersehbar enden und immer mit fein dosierter Ironie gewürzt sind.
Du hast das in Deinem Metier drauf. Spitze.
Sehr gern gelesen. Und ich verkrümel mich dann mal wieder und lerne von Dir .
Liebe Grüße,
Biggi
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ELsa Reißwolf
Alter: 74 Beiträge: 1398
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08.11.2009 18:23
von ELsa
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Liebe Biggi,
Zitat: | schön, dass Du uns wieder Häppchen auf den Tisch stellst! Du wurdest wirklich vermisst und da spreche ich, glaube ich, nicht nur für mich. | Das finde ich jetzt wirklich sehr lieb. So viel bin ich ja nicht da, schreibe auch nicht allzuviele Kommentare *schäm*, danke!
Und fein, dass dir der Auszug gefällt!
Lieben Gruß
ELsa
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Alogius Kinnbeber
Alter: 47 Beiträge: 3206
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08.11.2009 18:48
von Alogius
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Moin ELsa,
das ist ein sehr faszinierender Text, denn er verknüpft mehrere Ebenen. Da wäre die Erotik (keine Liebe) und natürlich ebenfalls die Darstellung religiöser Dogmen anhand einer kurzen Episode. Das Leben in seltsamen, ungesunden Zwängen, dazu die Auflehnung - die im Prinzip auch nicht unbedingt viel Hoffnung schafft.
Sprachlich ist das sehr gut, weil viel schlicht dargestellt wird und jedes Wort sitzt, nichts zu viel wäre.
Sehr gern gelesen!
Gruß
Tom
_________________ Aus einem Traum:
Entsetzter Gartenzwerg: Es gibt immer noch ein nullteres Fußballfeld. Wir werden viele Evolutionen verpassen.
Busfahrer: Tröste dich. Mit etwas Glück sehen wir den Tentakel des Yankeespielers, wie er den Ereignishorizont des Schwarzen Loches verlässt. |
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ELsa Reißwolf
Alter: 74 Beiträge: 1398
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08.11.2009 20:12
von ELsa
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Lieber Tom,
Danke für deine feine Replik. Man soll ja Texte nicht unbedingt erklären als AutorIn, aber hier steige ich gern drauf ein:
Ja, da wären die "Sünde", Jesus und Judas.
Schon immer faszinert das Dunkle (Böse) viel mehr als das Hehre und Gute. Und junge Menschen sowieso. Da muss man sich einfach auflehnen, die Zwänge durchbrechen. Hoffnung hat man ja weniger, das stimmt schon, daher gibt es Sturm und Drang-Zeiten
Lieben Dank auch fürs Lob des Textes.
Gruß
ELsa
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gepuzzelt Eselsohr
G
Beiträge: 289 Wohnort: Australien
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G 08.11.2009 21:21
von gepuzzelt
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Liebe ELsa,
dein Text spricht mich auch sehr an, und zwar aus den gleichen Gründen wie Alogius, von daher, tut mir leid, sag ich da nichts Neues.
Nur ein paar kurze Bemerkungen habe ich:
Zitat: | Helene hat auf das Mansardenzimmer in der Frühstückspension bestanden. |
Das müsste ein "dem" sein.
Zitat: | Sie legt den Kopf auf dem Kissen in den Nacken und streckt die Zunge heraus. |
Das fand ich erstmal schwer, mir das vorzustellen.
"den Kopf in den Nacken legen", ist, was mir im ersten Moment nicht klar erschien und mich im Text innehalten ließ. "Sie beugt den Kopf zum Nacken" vielleicht? Ein "strecken" hätte mir auch eher gefallen, aber dann gibt's eine Kollision mit dem "Zunge herausstrecken".
Oder, wenn du es nicht als so problematisch erachtest, fände ich eine Umstellung besser: "auf dem Kissen den Kopf in den Nacken".
Zitat: | Beim letzten Abendmahl beschließt Helene, mit Jesus zu schlafen. es ist dann aber Judas, der in der Disko auftaucht. |
Ich muss zugeben, ich habe generell meine Probleme mit dem Präsens als Erzähltempus. Mir gefällt der Präteritum grundsätzlich besser. Aber das ist schlechterdings Geschmacksache.
In dem Fall hier würde ich aber auf jeden Fall das "beschließt" zugunsten eines "beschloss" aufgeben, weil es sich hier eindeutig um zwei verschiedene Zeitebenen handelt.
Kleiner Flüchtigkeitsfehler im Eifer des Fingerrasens über die Tastatur: Das "es" bräuchte einen Großbuchstaben.
Zitat: | Eigentlich findet sie ihn sowieso hübscher. Hinterm Holzstoß, der später als Mitsommerfeuer angezündet wird, machen sie es. |
Ebenfalls das Zeitenproblem. Das "angezündet wird" braucht meines Erachtens noch ein "werden".
Zitat: | Helenes Slip ist klebrig. Sie wirft ihn ins Klo, bevor sie wieder tanzen geht. Sie hat ihn geliebt, er war aus altrosa Seide. |
Für mich fassen diese Sätze sehr gut die völlige Emotionslosigkeit des zu einem sexuellen Akts reduzierten "Liebe-machens" (was für ein verquerer Begriff) zusammen. Wie da das "er war aus altrosa Seide" hinein passt, ist mir nicht ganz klar, zumal mir Helene eher wie eine aufgebrachte und rebellierende Jugendliche vorkommt.
Mir gefällt die Metapher gut, aber ich bekomme es nicht ganz mit meinem Eindruck von Helene überein. Ich hoffe, du verstehst, was ich da meine.
Die Häufung der "sie" würde ich vielleicht noch einmal überdenken.
Fazit:
In der rebellischen Figur Helenes, deren Verhalten im Angesicht der Prozessionsspiele geradezu provokant wird, kann ich sehr gut nachvollziehen, mehr noch mich darin wiederfinden.
Ist dieser Text nur ein Ausschnitt aus einem längeren Stück? Du machst mich zumindest auf eine weitere Rahmenhandlung neugierig.
Liebe Grüße
gepuzzelt
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ELsa Reißwolf
Alter: 74 Beiträge: 1398
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08.11.2009 22:48
von ELsa
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Herzlichen Dank für das fein Gepuzzelte, freut mich sehr!
Ich werde deine Vorschläge gleich mitnehmen
Zitat: | Zitat:
Sie legt den Kopf auf dem Kissen in den Nacken und streckt die Zunge heraus.
Das fand ich erstmal schwer, mir das vorzustellen. | Vielleicht könnte es so gehen: Den Kopf in den Nacken beugend?
Präsens/Präteritum: Die klassische Erzählform ist durchaus das Präteritum, diese Geschichte lebt allerdings von "Spontanaktionen", daher steht sie im Präsens.
Beschließt/beschlossen: da werd ich noch was machen, ja.
Zitat: | Zitat:
Eigentlich findet sie ihn sowieso hübscher. Hinterm Holzstoß, der später als Mitsommerfeuer angezündet wird, machen sie es.
Ebenfalls das Zeitenproblem. Das "angezündet wird" braucht meines Erachtens noch ein "werden". | Vielleicht ist das grammatikalisch korrekter, aber ich werde es so lassen, denn ich finde, da es Helenes Gedankengang ist, kann sie das schon so formulieren.
Der rosarote Slip war mir wichtig als Hinweis, dass auch Helene - so schnoddrig sie sich gibt - ein romantischen Mädchen ist.
Danke auch für sein "Fazit", schön!
Es ist eines der kurzen Kapitel aus dem Leben eines Kindes, das zur Frau wird und sehr merkwürdige Fantasien entwickelt, weil ihr etwas im Leben fehlt. Was das ist, stellt sich im Lauf des kleinen Romans heraus.
Liebe Grüße
ELsa
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Einherjer Klammeraffe
Beiträge: 545
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10.11.2009 21:23
von Einherjer
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Hallo ELsa!
Ein kurzer aber unglaublich inhaltsvoller Text.
Ein Text der Rebellion, gegen die Mutter, gegen die christlichen Dogmen, gegen die letzten Reste ihrer Kindheit und gegen sie selbst.
Hat mir sehr gefallen.
Ein kleines POV Problem hatte ich an folgender Stelle:
Zitat: | Morgen wird die Kreuzigung Jesu aufgeführt. Helene hat schon gesagt, dass sie nachher in die Diskothek geht. |
Wenn du Helene namentlich erwähnst, bekomme ich den Eindruck jemand anders berichtet über sie.
Eindeutiger fänd ich hier folgende Formulierung:
Sie hat ihrer Mutter schon gesagt, dass sie nachher in die Diskothek geht.
Auch wenn die Zeiten für mich merkwürdig klingen.
Mainstream halt.
Lieben Gruß
Einherjer
_________________ Stil ist die Fähigkeit, komplizierte Dinge einfach zu sagen - nicht umgekehrt (Jean Cocteau)
Der Unterschied zwischen dem richtigen Wort und dem beinahe richtigen ist der gleiche wie zwischen einem Blitz und einem Glühwürmchen. (Mark Twain) |
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ELsa Reißwolf
Alter: 74 Beiträge: 1398
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11.11.2009 22:02
von ELsa
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Lieber Einherjer,
Danke fürs Lesen und Mitgehen.
Zitat: | Ein kleines POV Problem hatte ich an folgender Stelle:
Eindeutiger fänd ich hier folgende Formulierung:
Sie hat ihrer Mutter schon gesagt, dass sie nachher in die Diskothek geht. | Grrr... immer wieder passiert mir das mit dem POV, du hast völlig recht, danke dafür, ich bessere es bei mir gleich aus.
Zitat: | Auch wenn die Zeiten für mich merkwürdig klingen.
Mainstream halt. | Öhmm.... genau. Man passt sich an, nech?
Liebe Grüße
ELsa
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gepuzzelt Eselsohr
G
Beiträge: 289 Wohnort: Australien
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G 12.11.2009 00:57
von gepuzzelt
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Ach herrje Elsa,
weißt du, was mir gerade aufgefallen ist, wie es zu meiner Verwirrung der altrosa Seide gekommen ist?
Zitat: | Hinterm Holzstoß, der später als Mitsommerfeuer angezündet wird, machen sie es. Helenes Slip ist klebrig. Sie wirft ihn ins Klo, bevor sie wieder tanzen geht. Sie hat ihn geliebt, er war aus altrosa Seide.
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Ich dachte, der letzte Satz bezöge sich auf "Judas", denn hatte sie ihn nicht hinter dem Holzstoß "geliebt", oder "Liebe gemacht". Daher dachte ich, das "er" bezöge sich auf ihn.
Mir ist jetzt erst aufgegangen, dass sich die "Seide" auf den Slip bezieht.
Ich glaub die Sonne und die Hitze hat mein Hirn verbrannt, aber vielleicht liegt die Verwirrung auch in der Häufung der Personalpronomen.
Lass mich noch einmal auf einen Kritikpunkt zurückkommen:
Das "hinterm Holzstoß machen sie es" spielt in der Gegenwart und der "Holzstoß" wird später als Mitsommerfeuer angezündet werden. Daher besteht keine Gleichzeitigkeit und das Passiv "werden" bedarf meines Erachtens eines "Futur- werdens". Ich bin mir nicht sicher, dass ich das oben vernünftig erklärt habe, und daher führe ich das Argument noch einmal an.
Mit den besten Grüßen
puzz
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ELsa Reißwolf
Alter: 74 Beiträge: 1398
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12.11.2009 01:12
von ELsa
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Liebe Puzz,
fein, das wir die Sache mit dem Slip geklärt haben
Zum "werden", du hast natürlich recht, es sollte dann heißen: Hinterm Holzstoß, der später als Mitsommerfeuer angezündet werden wird?
Das liest sich eigentlich scheußlich Oder?
Liebe Grüße
ELsa
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Andrea F. Leseratte
A
Beiträge: 154 Wohnort: München
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ELsa Reißwolf
Alter: 74 Beiträge: 1398
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13.11.2009 20:39
von ELsa
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Liebe Andrea,
Fein, dass du den Text magst!
Und ich danke dir inniglich für DIE Holzstoßlösung, ja, das ist es.
Frohe Grüße
ELsa
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ELsa Reißwolf
Alter: 74 Beiträge: 1398
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13.11.2009 20:41
von ELsa
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Und hier kommt die Überarbeitung, danke nochmals für die Hilfe!
In Oberammergau
Eine Woche Ferien nur mit der Mutter, die sich nicht allein auf die Reise zu den Passionsspielen traute. Helene hat auf das Mansardenzimmer in der Frühstückspension bestanden. Allein. Die Mutter schläft einen Stock tiefer mit einer leeren Betthälfte neben sich, denn der Vater „will so einen heiligen Dreck nicht sehen“. Heute Abend haben sie Moses und die Sache mit dem goldenen Kalb gespielt. Helene sagt die zehn Gebote auf und starrt auf die Dachschräge aus hellem Holz, die nur ein paar Zentimeter über ihrer Stirn beginnt. Sie beugt den Kopf auf dem Kissen in den Nacken und streckt die Zunge heraus. Leckt das Holz ab. „Du sollst keine Unkeuschheit treiben“, sagt sie undeutlich. Morgen wird die Kreuzigung Jesu aufgeführt. Sie hat ihrer Mutter schon gesagt, dass sie nachher in die Diskothek gehen wird. Als sie ihr das verbieten wollte, hat Helene geschrien: „Das kannst du nicht! Ich bin siebzehn!“
Aus Angst, dass Helene die ganze Pension zusammenschreit, gab sie nach.
Beim letzten Abendmahl beschloss Helene, mit Jesus zu schlafen. Es ist dann aber Judas, der in der Disko auftaucht. Eigentlich findet sie ihn sowieso hübscher. Hinterm Holzstoß, der für das Mitsommerfeuer aufgerichtet ist, machen sie es. Ihr Slip ist klebrig. Helene wirft ihn ins Klo, bevor sie wieder tanzen geht. Sie hat ihn geliebt, er war aus altrosa Seide.
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