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Das Glockenspiel


 
 
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Norhild
Geschlecht:weiblichLeseratte

Alter: 38
Beiträge: 157
Wohnort: London


Beitrag19.10.2009 04:21
Das Glockenspiel
von Norhild
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo zusammen,  smile
ich habe beschlossen, an dieser Stelle einen Beitrag  (Kurzgeschichte) für einen längst vergangenen Wettbewerb zu veröffentlichen.
Ich habe ihn nie eingereicht. Aus gutem Grund. wink
Vorgaben waren:
1. 3 DINA4-Seiten, übliches Format
2. Bezug zur Region Eifel
3. Thema: Abgehauen - Untergetaucht


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Das Glockenspiel

Der Morgen überfiel mich wie ein Meuchelmörder.
Meine dunkel umrandeten Augen schmerzten im ungnädigen Frühlicht, das sich tapfer durch die Eichenwipfel kämpfte.
Die letzte Nacht hatte nichts weiter als eine süße Erinnerung und einen bitteren Geschmack auf meiner Zunge hinterlassen.
Wo hatte mich dieser Dreckskerl nur abgesetzt?
Ich ließ meine Hände prüfend über die Knopfleiste meiner buntgeblümten Bluse gleiten. Wenigstens hatte er so viel Anstand besessen, meinen Rausch nicht gänzlich auszunutzen.
Als er mich in meinem desolaten Zustand mitten in der Einöde mit seinem blitzenden Mercedes aufgelesen hatte, war ich von meiner latenten Beklemmung dazu genötigt worden, nach der gewünschten Gegenleistung zu fragen.
„Bezahlen Sie mich in Naturalien“, hatte mein eleganter Chauffeur gescherzt.
Eine Anspielung auf meinen Beruf, wie sich herausstellte. Der Fremde schien sich in einem außerordentlich kultivierten Metier herumzutreiben.
Er hatte mich eine Arie nach der anderen trällern lassen, als seine persönliche Nachtigall.
 Ich erinnere mich, wie ihm die Begeisterung in das glatte Gesicht geschrieben stand.
Meine begehrten Naturalien.
Meine Stimmbänder, nach denen sich all die ausgehungerten Kulturwütigen verzehrten.
 „Was wäre das Konzerthaus ohne Dich, Marie? Ein nichtiges Nichts!“ Zu eindringlich dröhnte die Stimme meines Vorgesetzten in meinem Schädel.
Die ganze Szene baute auf ein einziges Fundament, eines aus Eis- mich.
Doch eine plötzliche Hitze war in mir ausgebrochen, der Schweiß war aus den Poren gequollen wie Wasser aus einem brechenden Damm.
„Unsere Hoffnung wächst mit Dir, Marie!“
Die Hoffnung kauerte augenblicklich in einem Erdloch, kroch durch den Staub eines sommerschwülen Eichenwaldes.
Wenigstens bescherte mir dieser Ort eine köstliche Linderung:
Die Vögel sangen für mich, sie tirilierten fröhlich von den knorrigen Ästen herunter.
Ich hingegen erstickte, wenn ich sang, verschluckte mich an den üppigen Noten und würgte die Melodie herauf wie die Eule das Gewölle.
 „Deine Stimme fließt wie klarer Honig, sie tönt so hell, wie die schönsten Glocken!“

 Mein Kopf schwirrte, also lief ich los.
Ich rannte, bis ich keuchend in einen Ortskern stolperte.
Ein rüstiger Greis erteilte mir bereitwillig Auskunft.
 „Sie sind hier in Schalkenmehren, junge Frau! Vulkaneifel, gibt viel zu sehen!“
 Mein Blick blieb auf den ächzenden Fachwerkhäusern heften, die sich gegenseitig wie müde Riesen zu stützen schienen.
Kein Glanz, keine Gloria.
Eine Wohltat! Es war möglich zu atmen, kein seidenes Korsett, das einem die Luft abschnürte. Keine Bühne.
Erdiges Leben, raues Stimmengewirr und würzige Düfte erfüllten diesen Ort.
Eine Art Dorffest schien im Gange zu sein, denn Menschentrauben tummelten sich an Holzbuden, die Kunsthandwerk, allerlei Leckereien und Spielsachen darboten.
Ich drängte mich an einen Stand, der momentan nur von einem engelsgleich dreinblickenden Burschen besetzt wurde.
Mit seinen bernsteinfarbenen Augen funkelte er mich freundlich an.
Glockengießerei seit 1620.
Der Kleine hüpfte von seinem Holzschemel, trat neben mich, und zupfte an meinem Hosenbein.
 „Sei nicht traurig! Ich schenke dir etwas. Öffne deine Hand!“
Eine kleine Glocke aus Bronze glitt in meine Handfläche.
Sie kühlte meine Haut und wärmte mein Herz.
 „Vielen Dank, mein Junge!“
 Ich wollte diesen Augenblick bewahren, also suchte ich die Einsamkeit.

 Es dämmerte bereits, als der Boden unter meinen Füßen schmatzte und das Gras meine Waden kitzelte.
Ich war allein im Grünen und vor mir tat sich ein klares Maar auf.
 Die Böschung am Ufer war von glimmenden Schwaden verlockend aufleuchtender Irrlichter verhangen. Ich trat näher an das Wasser heran.
Mir kroch eine Note feuchten Friedens in die Nase, von reglos treibenden Hölzern und sich im Winde wiegendem Seegras.
Stille umschloss mich mit ruhigen Armen, eine fürsorgliche Mutter, die ihr Kind in den Schlaf wiegte.

Wochenzeitschrift „Die Grelle“, Schlagzeile vom 16. Juli:
Opern-Star Marie de Vree seit einer Woche spurlos verschwunden.
Konzerthausdirektor Winkler meldet Zusammenbruch des Tagesgeschäfts.
De Vree sei unverzichtbar.
Die Polizei ermittelt.

Tageszeitung „Blickfeld“, Schlagzeile vom 18. Juli:
Opernguru Winkler erhielt ominöse Post aus der Eifel.
In einem unscheinbaren Briefumschlag ohne Absender befand sich eine kleine Glocke.
Alarmierend: Eine beigefügte Notiz unbekannten Inhalts ließ Winkler auf die verschwundene Marie de Vree schließen.

Wochenzeitschrift „Die Grelle“, Titelstory vom 23. Juli:
Marie de Vree ist tot.
Spaziergänger entdeckten ihre Leiche, die auf einem Maar in der Vulkaneifel trieb. Bewohner der Ortsgemeinde Schalkenmehren zeigen sich schockiert.
De Vrees Kehle weist grobe Schnittwunden auf.
Ein Mord ist nicht ausgeschlossen.

Onlinemagazin „Heute aktuell“, Newsflash vom 24. Juli:
Winkler bricht das Schweigen.
Inhalt der ominösen Nachricht ist bekannt.
„Nun habt ihr mich wieder! Gezeichnet: Ein nichtiges Nichts“
Bedeutung weiter ungeklärt.

In der herrlichen Stille des Maares habe ich auch mich endlich zum Schweigen gebracht.

-------------------------------------------------------------------------------------

Danke für's Lesen!
Herzlich,
Isabel



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Einherjer
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Beitrag19.10.2009 15:39

von Einherjer
Antworten mit Zitat

Hallo Norhild.

Ja, bei dem Wettbewerb habe ich auch mitgemacht. Leider bevor ich mich aktiv in diesem Forum beteiligt habe.

Nach den Rückmeldungen auf meine ersten Texte ist mir das Werk, dass ich da, mit dem festen Wissen zu gewinnen, eingeschickt habe fast peinlich.
Aber das Siegergeld war damals schon fest verplant... verdammt war ich naiv. Aber das ist jetzt ja auch schon fast sieben Monate her. smile

Ja, genug davon... zu deinem Werk.


Sprachlich finde ich deinen Beitrag durchaus gelungen, vielleicht etwas zu viele Adjektive.
Schwächen sehe ich eher im inhaltlichen Bereich. Wo ist die Spannung, wo ist das Verbrechen?
Eine junge Frau wacht morgens auf, erinnert sich schemenhaft an die vergangene Nacht und rennt dann den Lokalbezug deiner Geschichte ab.
Sie ist überfordert von der Rolle die ihr in ihrem Opernhaus(?) aufgebürdet wird und bringt sie sich deshalb allen Anschein nach um.

Eine menschliche Tragödie, aber kein Krimi.

Auch die letzten Zeilen, die Meldungen in den Zeitungen, lesen sich eher als ob du versucht hättest hier deine Geschichte zu kürzen, um innerhalb des geforderten drei-Seiten-Maximums zu bleiben.


Vielleicht poste ich in der nächsten Zeit mal meinen Beitrag.


Gruß

Einherjer


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Norhild
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Beiträge: 157
Wohnort: London


Beitrag19.10.2009 15:53

von Norhild
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hei Einherjer,

du hast genau die Punkte herausgegriffen, aufgrund welcher ich den Beitrag einfach ad acta gelegt und ihn nicht eingereicht habe.
Mir liegen Krimis überhaupt nicht, deswegen habe ich hier eher ein sehr minimales psychologisches Bild eines Protagonisten zu zeichnen versucht.

Die Adjektive stellen mein ewiges Feindbild dar.  Rolling Eyes
Ich persönlich liebe Adjektive, auch wenn sie in einem prosaischen Text in gehäufter Weise störend und starr wirken.
Gott sei Dank konnte ich den exzessiven Gebrauch von Adjektiven in meinen wirklich wichtigen Texten ausmerzen. (Die kann ich hier leider nicht posten  Sad )
Das hier war eine Spielerei und ein Ausprobieren.  Confused

Es würde mich sehr interessieren, wie du an die Sache herangegangen bist. Der Gewinnertext überzeugt mich absolut gar nicht- ich konnte nichtmals die stoische Gelassenheit aufbringen, ihn bis zum Ende durchzulesen.  Rolling Eyes

Vielen Dank fürs Lesen und die Bekräftigung meiner Zweifel!  Mr. Green

Herzlich,
Isabel


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Einherjer
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Beiträge: 545



Beitrag19.10.2009 16:03

von Einherjer
Antworten mit Zitat

Geht mir mit dem Gewinnertext genauso.
Liest sich extrem zäh, obwohl die Autorin die unerhörte Begebenheit ja gleich zu Anfang ankündigt.
Der Satzbau stört einfach, nach drei Sätzen hat man das Gefühl, alle Satzbaufähigkeiten der Autorin gelesen zu haben.

Naja, zumindest scheint sie den Nerv der Jury getroffen zu haben, jedenfalls ist mir auch die Lust vergangen die anderen Beiträge zu lesen. Und das, obwohl ich die meisten der Vorjahresbeiträge äußerst gelungen fand.


Zitat:
Es würde mich sehr interessieren, wie du an die Sache herangegangen bist.

Ja, bin noch am überlegen, ob ich meinen Text unverändert unter "Mein erstes Mal" einstelle oder ihn überarbeite und in die bellestrische Prosa setze.

EDIT: Eingestellt unter "Mein erstes Mal".

Gruß

Einherjer


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