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Seine Augen

 
 
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Taugenichts
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Alter: 38
Beiträge: 1201



Beitrag23.12.2007 21:17
Seine Augen
von Taugenichts
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Folgende Geschichte liegt mir sehr am Herz und ich bräuchte ein wenig Lektoration, da ich mit vielen Formulierungen unzufrieden bin, aber nichts fand, was besser klingt!




Seine Augen


Ich arbeitete als Buchhändler in einer kleinen, dunklen Buchhandlung irgendwo in Kölln. Seit etwa zwei Monaten mittlerweile und vor etwa einem halben Jahr war ich hierher in die mir fremde Stadt gezogen. Alles hatte mit einer Frau begonnen und meiner liebesblinden Entscheidung zu ihr zu ziehen. Aber Berlin lag hinter mir und ich vermisste es auch nicht allzu sehr, da ich nie sonderlich viele oder gar enge Freunde gehabt hatte und auch das Verhältnis zu meinen Eltern konnte man, ohne ein allzu schlechtes Gewissen zu bekommen, als hoffnungslos bezeichnen. Meine Kollegen verstanden mich nicht, aber das war ich gewohnt, ich hatte einfach eine ganz spezielle, eigene Art, die obwohl sie eigentlich von Zurückhaltung und sogar Schüchternheit durchwachsen war, die meisten Menschen vor den Kopf zu stossen schien.
Die anderen Mitarbeiter, insgesamt ganze sechs an der Zahl, mieden mich und ich hatte nichts dagegen. Ich machte meine Arbeit, still und verträumt, war freundlich zu den Kunden und hielt mein Sortiment auf einem hohnen Niveau das mir, wenn auch nicht der Buchhandlung, entsprach.
Was mich irritierte war, dass in unserem kleinen sozialen Biotop Konkurrenzdruck herrschte. Sticheleien und Lästereien, nicht nur gegen mich, es war ein regelrechtes Jeder gegen Jeden. Völlig grundlos. Doch spätestens seit vor einem Monat Laura plötzlich festgestellt hatte, dass wir doch nicht als Paar funktionierten, konnte ich das Ganze amüsiert verfolgen. Es berührte mich nicht, vielleicht auch gerade weil ich mich in einer fremden Stadt befand. Niemand kannte mich, also hatte ich auch nicht das Gefühl jemanden enttäuschen zu können.
All die kleinen Macken, ich studierte sie aufmerksam und konnte mir oft ein kleines Grinsen nicht untderdrücken. So zum Beispiel bei der Marotte die drei von den fünf weiblichen Kolleginnen an den Tag legten. Sie redeten immer, besonders wenn sich niemand mit ihnen unterhielt. Es war faszinierend. Sie kommentierten ihre eigene Arbeit, beschrieben was sie gerade Taten oder regten sich über Bücher oder Mitarbeiter auf, die den Laden bereits verlassen hatten. Es war ihnen vollkommen unmöglich auch nur für wenige Minuten zu schweigen, als wäre die Stille für sie etwas grauenerregendes, dass es um jeden Preis zu verhindern ging.
Mich störte es aber nicht weiter, da ich so schweigen konnte und trotzdem nie das Gefühl hatte allein zu sein.
Der Chef des kleinen Ladens, Herr Sibelius, hingegen, hatte eine unangenehmere Eigenart. Er pflegte nach jedem beendeten Satz auf eine überaus affenähnliche Art und Weise zu schmatzen. Dabei zog er sowohl Unter- als auch Oberlippe nach vorne, presste beide fest aufeinander und drückte dann einen kurzen Stoss Luft hindurch, wodurch sich beide Lippenpartien mit leichtem Flattern aufblähten und dann ein fast anstößiges Geräusch erzeugten, während sich sein Mund wieder entspannte.
Auch die Kunden hatten diverse Schrulligkeiten, die ich aber oft dazu nutzte mir einen Spass daraus zu machen. Zum Beispiel war es fast sicher, dass wenn ich jemandem sagte, er solle kurz darauf warten, dass ich ihm das gewünschte Buch hole, er mir folgen würde. Fast nie wartete der Kunde tatsächlich an Ort und Stelle. Also lief ich einfach ziellos im Laden umher, umrundete die Tische oder lief einfach von der Kasse zur Tür und wieder zurück, bis die Kunden stehenblieben und ich endlich in Ruhe das Buch suchen konnte.
Abgesehen von meinen kleinen Spielen aber, verrichtete ich alle mir aufgetragenen Arbeiten nach bestem Wissen und Gewissen und doch hatte Laura mich in einer Art ständigen Konfusion hinterlassen. Noch mehr als ich diese sowieso schon mein Eigen nannte, so dass ich oft in kurze Tagträume glitt und unkonzentriert war.
Trotzdem fühlte ich mich alles in Allem hier tatsächlich wohler, als ich es in Berlin getan hatte, ganz einfach weil ich hier zu nichts verpflichtet war. In Berlin hatte mich immer das Gefühl geplagt eingesperrt zu sein. Ich hatte eine große Wohnung und für die musste ich Geld verdienen und auch das Essen und ab und zu ein paar nutzlose Annehmlichkeiten wollten von irgendetwas bezahlt werden. Also musste ich arbeiten und da das Geld genau dafür reichte war auch kein Ende abzusehen. Arbeiten zu gehen, weil ich arbeiten musste löste in mir immer ein Gefühl von Ausweglosigkeit aus, das ich in Kölln nicht mehr empfand. Der Gedanke einfach gehen zu können machte mich frei. Ich musste mir nur vorstellen, wie ich einfach nach Hause ging und nie mehr wieder kam, um mich wohl zu fühlen. In Berlin hatte ich mir immer gewünscht, dass mich einmal jemand dafür loben würde, dass ich jeden Morgen aufstand. Einfach so, ohne einen Sinn darin zu sehen. Jeden Morgen stand ich auf und es wurde behandelt, als wäre das ganz selbstverständlich. Ich persönlich hingegen bewunderte jeden Menschen dafür, dass er das tat, sich nicht einfach in der sich tunnelartig ausdehnenden Leere des Daseins ausstreckte und verschnaufte. Liegenblieb.
Es war ein Mittwoch, das weiss ich noch, weil ich mich daran erinnere am Abend meine Lieblingsserie verpasst zu haben. Ich war sehr unkonzentriert, weil ich in der Nacht von Laura geträumt hatte und machte andauernd Fehler beim auspacken der bestellten Bücher. Für eines fand ich keinen Bestellzettel und ich fragte Frau Markowski ob sie einmal versuchen könnte ihn für mich zu finden. Nach wenigen Sekunden drehte sie sich mit einem bodenlos geringschätzigen Gesichtsausdruck zu mir um und reichte mir den gesuchten Zettel, der genau in der Mitte des Tisches gelegen hatte. Dann stolzierte sie, ungewöhnlicher Weise ohne ein Wort zu sagen, zur Kasse zurück.
Einige Minuten danach hörte ich zufällig, wie sie bei einer anderen Kollegin über mich schimpfte und so etwas sagte wie: "So viele Haare auf dem Kopf, aber keine Augen drin." Was ich für eine ungewöhnlich geistreiche Lästerei hielt.
Ich ignorierte es und machte weiter meine Arbeit. Am Nachmittag hatte ich eine nette Kundin, die ein Buch für ihre kranke Mutter suchte. Ich empfahl ihr ausführlich verschiedene gute Bücher und sie bedankte sich mit einem ganz ehrlichen, lieben Lächeln. Kurz bevor sie ging streifte mein Blick das Fenster und ich entdeckte auf dem wolkig-blauen Himmel einen Regenbogen. Ich fragte sie ob sie schöne Himmel möge und als sie mit einem "Ja, sehr" antwortete zeigte ich ihr den blassen Regenbogen. Eine von den zwei netten Kolleginnen kam auch noch dazu und zu dritt schauten wir den Himmel an. Dann ging die Kundin zahlen und die Kollegin machte sich wieder an das aufräumen ihres Tisches. Nachdem die Kundin weg war hörte ich noch von der anderen Seite des Ladens, wie die Kollegin vom Morgen zur anderen sagte:
"Aber für so etwas hat er dann Augen was?",
worauf diese mit einem Grinsen antwortete:
"Er hat halt ganz besondere Augen".
Am Abend rief mich Laura an, kurz bevor meine Serie anfing. Ich weiss das alles noch so genau, weil es eine von diesen Serien war, bei denen man nie wieder hinein kam, wenn man eine Folge verpasste und ich sie mir dann auch danach nie wieder angesehen habe. Sie sagte mir, dass sie in ihrem monatlichen Horoskop gelesen hatte, dass sie vergangenen Monat einen schweren Fehler gemacht habe, den sie ausbügeln müsse und sie der Meinung war, dass unsere Trennung dieser Fehler gewesen sei.
Als ich nichts dazu sagte, fragte sie mich ob ich glaubte, dass ich sie auch angesprochen hätte, wenn sie nur eine normale Kundin im Buchladen gewesen wäre, die ich noch nie gesehen hätte. Ich antwortete ihr, dass das eine blöde Frage sei, weil ich es ganz einfach nicht wissen konnte, worauf sie sauer war und ich auflegte.
Danach holte ich mir ein Bier aus der Küche und schaltete den Fernseher ein. Genau zum Abspann meiner Lieblingsserie.

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Enfant Terrible
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Ein Fingerhut voller Tränen - Ein Gedichtband
Beitrag23.12.2007 21:44

von Enfant Terrible
Antworten mit Zitat

Deinem Wunsch nach einem Lektorat komme ich gerne nach, zumal ich ein richtiger Fan deiner Texte geworden bin.

Bitte sei nicht enttäuscht, dass ich gleich an deiner allerersten Formulierung ein bisschen was auszusetzen habe:
Zitat:
Ich arbeitete als Buchhändler in einer kleinen, dunklen Buchhandlung

Doppelt-gemoppelt versus Logik, eine schwere Entscheidung. Lautet nicht eine wichtige Regel beim Schreiben, dem Leser ein bisschen Denkarbeit zuzutrauen? Irgednwie ist es klar, dass dein Ich-Erzähler nicht in der Buchhandlung putzt, deswegen würde ich die kursive Erklärung weglassen. Kannst du handhaben, wie du willst, aber dieser Zusatz wirkt auf mich ein bisschen überflüssig. Wenn du unbedingt diese Berufserklärung reinbringen möchtest, würde ich wenigstens "Verkäufer" nehmen, damit es sich nicht so nach Wiederholung liest.

Zitat:
Seit etwa zwei Monaten mittlerweile und vor etwa einem halben Jahr war ich hierher in die mir fremde Stadt gezogen

Das liest sich wirklich nicht optimal. Mein Vorschlag wäre, den Satz anders aufzuziehen, am besten mit dem vorherigen zu fusionieren, etwa so: Seit nunmehr zwei Monaten arbeitete ich in einer kleinen, dunklen Buchhandlung irgendwo in Köln, eine für mich fremde Stadt, in die ich vor etwa einem halben Jahr gezogen war. Wie liest sich das?

Zitat:
da ich nie sonderlich viele oder gar enge Freunde gehabt hatte und auch das Verhältnis zu meinen Eltern konnte man, ohne ein allzu schlechtes Gewissen zu bekommen, als hoffnungslos bezeichnen. Meine Kollegen verstanden mich nicht, aber das war ich gewohnt, ich hatte einfach eine ganz spezielle, eigene Art, die obwohl sie eigentlich von Zurückhaltung und sogar Schüchternheit durchwachsen war, die meisten Menschen vor den Kopf zu stossen schien. Die anderen Mitarbeiter, insgesamt ganze sechs an der Zahl, mieden mich und ich hatte nichts dagegen. Ich machte meine Arbeit, still und verträumt, war freundlich zu den Kunden und hielt mein Sortiment auf einem hohnen Niveau das mir, wenn auch nicht der Buchhandlung, entsprach.

Vielleicht klingt meine Kritik jetzt ein bisschen hart, aber dieser Part hat mir nicht gefallen, weil er so ein bisschen nach Allgemeingejammer klingt, Passagen, wie sie zu oft und zu unmotiviert vorkommen. Den Ansatz, dass der Protagonist sich selbst in seiner Art gefällt, fand ich jedoch interessant und traue dir zu, dass du es schaffst, die gesamte Information weniger klischeehaft, erfrischender zu verpacken.

Zitat:
Was mich irritierte war, dass in unserem kleinen sozialen Biotop Konkurrenzdruck herrschte

Vielleicht liegt es an mir, dass mir solche Formulierungen wie das Kursive missfallen. Aber ich finde es ein bisschen umgangssprachlich und ungeschickt. Was hältst du von Mich irritierte vor allem er Konkurrenzdruck, der in unserem kleinen Biotop herrschte Sagt vielleicht nicht haargenau das aus, was du betonen wolltest, aber liest es sich nicht flüssiger?

Zitat:
Es berührte mich nicht, vielleicht auch gerade weil ich mich in einer fremden Stadt befand. Niemand kannte mich, also hatte ich auch nicht das Gefühl jemanden enttäuschen zu können.

Gefällt! Bringt die Einstellung deines Protags gut zum Ausdruck, kann mich mit identifizieren. Mach was du willst, aber das musst du unbedingt lassen! Daumen hoch

Zitat:
Der Chef des kleinen Ladens, Herr Sibelius, hingegen, hatte eine unangenehmere Eigenart. Er pflegte nach jedem beendeten Satz auf eine überaus affenähnliche Art und Weise zu schmatzen. Dabei zog er sowohl Unter- als auch Oberlippe nach vorne, presste beide fest aufeinander und drückte dann einen kurzen Stoss Luft hindurch, wodurch sich beide Lippenpartien mit leichtem Flattern aufblähten und dann ein fast anstößiges Geräusch erzeugten, während sich sein Mund wieder entspannte.

*wegkugel vor Lachen* Bin ich froh, dass ich noch nicht arbeiten muss!  Laughing

Zitat:
Trotzdem fühlte ich mich alles in Allem hier tatsächlich wohler

Nicht nur, weil "alles in allem" falsch geschrieben ist, plädiere ich dafür, es wegzulassen. Zusammen mit dem "tatsächlich" bildet sich eine unangenehme Füllwörterhäufung, die du eig. nicht brauchst. Entweder das eine oder das andere, am besten keins.  Wink

Zitat:
Also musste ich arbeiten; und da das Geld genau dafür reichte, war auch kein Ende abzusehen. Arbeiten zu gehen, weil ich arbeiten musste, löste in mir immer ein Gefühl von Ausweglosigkeit aus, das ich in Kölln nicht mehr empfand. Der Gedanke, einfach gehen zu können, machte mich frei. Ich musste mir nur vorstellen, wie ich einfach nach Hause ging und nie mehr wieder kam, um mich wohl zu fühlen. In Berlin hatte ich mir immer gewünscht, dass mich einmal jemand dafür loben würde, dass ich jeden Morgen aufstand. Einfach so, ohne einen Sinn darin zu sehen. Jeden Morgen stand ich auf und es wurde behandelt, als wäre das ganz selbstverständlich. Ich persönlich hingegen bewunderte jeden Menschen dafür, dass er das tat, sich nicht einfach in der sich tunnelartig ausdehnenden Leere des Daseins ausstreckte und verschnaufte. Liegenblieb.

Kommafehler habe ich ausgebessert. Hier wiederholst du dich im Ausdruck, aber das Ende des Absatzes gefällt mir, es klingt authentisch. Jetzt musst du noch den Rest genauso hinkriegen, aber für dich doch kein Problem!
Ich musste mir nur vorstellen, wie ich einfach nach Hause ging und nie mehr wieder kam, um mich wohl zu fühlen
Ich würde das "Wohlfühlen" an den Anfang setzen, weil die Logik ansonsten ein bisschen auseinander gerissen wird. Zuerst dachte ich, er geht nach Hause, um sich wohlzufühlen, eher ich begriff, dass es die Vorstellung war, die fürs Wohlfühlen sorgte... naja, you get me.

Fazit: Stilistisch bedarf die Geschichte einiger Verbesserungen, im Prinzip ist sie ganz ok. Begeistert mich zwar nicht so, was aber eher an meiner Abneigung gegen alltägliche Geschichten liegen könnte. Ich verstehe nicht ganz, was du damit sagen wolltest. Ich hoffe, ich konnte dir mit meiner Kritik - die du hoffentlich nicht zu harsch findest - halbwegs weiterhelfen.


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Taugenichts
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Beitrag24.12.2007 00:47

von Taugenichts
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Danke! Das waren die Art Hilfen, die ich brauchte, auch wenn ich denke, dass da noch mehr zu verbessern ist! Andere?
Hab das meiste von dir angesprochene nochmal überarbeitet!
Das mit den alltäglichen Geschichten finde ich schade. Das Leben ist die einzig wahre Geschichte. Phantastik kann für mich gut geschrieben sein, aber niemals große, wahre Literatur werden, es sei denn, sie versucht einen Spiegel zum wahren Leben darzustellen.
Das Altägliche unaltäglich sehen, dass macht für mich den Künstler aus. Das Große im Kleinen finden.



korrektur:




Seine Augen

Ich arbeitete seit nunmehr zwei Monaten in einer kleinen, dunklen Buchhandlung irgendwo in Kölln, obwohl ich noch bis vor einem Jahr in Berlin gelebt hatte, dass ich dann aber überstürzt verliess. Alles hatte mit einer Frau begonnen und meiner liebesblinden Entscheidung zu ihr zu ziehen. Aber Berlin lag hinter mir und ich vermisste es auch nicht allzu sehr, da ich nie sonderlich viele oder gar enge Freunde gehabt hatte. Und auch das Verhältnis zu meinen Eltern konnte man, ohne ein allzu schlechtes Gewissen zu bekommen, als hoffnungslos bezeichnen. Meine Kollegen verstanden mich nicht, aber das war ich gewohnt, ich hatte einfach eine ganz spezielle, eigene Art, die obwohl sie eigentlich von Zurückhaltung und sogar Schüchternheit durchwachsen war, die meisten Menschen vor den Kopf zu stossen schien.
Die anderen Mitarbeiter, insgesamt ganze sechs an der Zahl, mieden mich und ich hatte nichts dagegen. Ich machte meine Arbeit, still und verträumt, war freundlich zu den Kunden und hielt mein Sortiment auf einem hohnen Niveau das mir, wenn auch nicht der Buchhandlung, entsprach.
Was mich irritierte war, dass in unserem kleinen sozialen Biotop Konkurrenzdruck herrschte. Sticheleien und Lästereien, nicht nur gegen mich, es war ein regelrechtes Jeder gegen Jeden. Völlig grundlos. Doch spätestens seit vor einem Monat Laura plötzlich festgestellt hatte, dass wir doch nicht als Paar funktionierten, konnte ich das Ganze amüsiert verfolgen. Es berührte mich nicht, vielleicht auch gerade weil ich mich in einer fremden Stadt befand. Niemand kannte mich, also hatte ich auch nicht das Gefühl jemanden enttäuschen zu können.
All die kleinen Macken, ich studierte sie aufmerksam und konnte mir oft ein kleines Grinsen nicht untderdrücken. So zum Beispiel bei der Marotte die drei von den fünf weiblichen Kolleginnen an den Tag legten. Sie redeten immer, besonders wenn sich niemand mit ihnen unterhielt. Es war faszinierend. Sie kommentierten ihre eigene Arbeit, beschrieben was sie gerade Taten oder regten sich über Bücher oder Mitarbeiter auf, die den Laden bereits verlassen hatten. Es war ihnen vollkommen unmöglich auch nur für wenige Minuten zu schweigen, als wäre die Stille für sie etwas grauenerregendes, dass es um jeden Preis zu verhindern ging.
Mich störte es aber nicht weiter, da ich so schweigen konnte und trotzdem nie das Gefühl hatte allein zu sein.
Der Chef des kleinen Ladens, Herr Sibelius, hingegen, hatte eine unangenehmere Eigenart. Er pflegte nach jedem beendeten Satz auf eine überaus affenähnliche Art und Weise zu schmatzen. Dabei zog er sowohl Unter- als auch Oberlippe nach vorne, presste beide fest aufeinander und drückte dann einen kurzen Stoss Luft hindurch, wodurch sich beide Lippenpartien mit leichtem Flattern aufblähten und dann ein fast anstößiges Geräusch erzeugten, während sich sein Mund wieder entspannte.
Auch die Kunden hatten diverse Schrulligkeiten, die ich aber oft dazu nutzte mir einen Spass daraus zu machen. Zum Beispiel war es fast sicher, dass wenn ich jemandem sagte, er solle kurz darauf warten, dass ich ihm das gewünschte Buch hole, er mir folgen würde. Fast nie wartete der Kunde tatsächlich an Ort und Stelle. Also lief ich einfach ziellos im Laden umher, umrundete die Tische oder lief einfach von der Kasse zur Tür und wieder zurück, bis die Kunden stehenblieben und ich endlich in Ruhe das Buch suchen konnte.
Abgesehen von meinen kleinen Spielen aber, verrichtete ich alle mir aufgetragenen Arbeiten nach bestem Wissen und Gewissen und doch hatte Laura mich in einer Art ständigen Konfusion hinterlassen. Noch mehr als ich diese sowieso schon mein Eigen nannte, so dass ich oft in kurze Tagträume glitt und unkonzentriert war.
Trotzdem fühlte ich mich hier tatsächlich wohler, als ich es in Berlin getan hatte, ganz einfach weil ich hier zu nichts verpflichtet war. In Berlin hatte mich immer das Gefühl geplagt eingesperrt zu sein. Ich hatte eine große Wohnung und für die musste ich Geld verdienen und auch das Essen und ab und zu ein paar nutzlose Annehmlichkeiten wollten von irgendetwas bezahlt werden. Also musste ich arbeiten und da das Geld genau dafür reichte war auch kein Ende abzusehen. Arbeiten zu gehen, weil ich arbeiten musste löste in mir immer ein Gefühl von Ausweglosigkeit aus, das ich in Kölln nicht mehr empfand. Der Gedanke einfach gehen zu können machte mich frei. Wenn ich mich aufmuntern wollte, dann stellte ich mir vor, wie ich einfach nach Hause ging und nie mehr wieder kam. In Berlin hatte ich mir immer gewünscht, dass mich einmal jemand dafür loben würde, dass ich jeden Morgen aufstand. Einfach so, ohne einen Sinn darin zu sehen. Jeden Morgen stand ich auf und es wurde behandelt, als wäre das ganz selbstverständlich. Ich persönlich hingegen bewunderte jeden Menschen dafür, dass er das tat, sich nicht einfach in der sich tunnelartig ausdehnenden Leere des Daseins ausstreckte und verschnaufte. Liegenblieb.
Es war ein Mittwoch, das weiss ich noch, weil ich mich daran erinnere am Abend meine Lieblingsserie verpasst zu haben. Ich war sehr unkonzentriert, weil ich in der Nacht von Laura geträumt hatte und machte andauernd Fehler beim auspacken der bestellten Bücher. Für eines fand ich keinen Bestellzettel und ich fragte Frau Markowski ob sie einmal versuchen könnte ihn für mich zu finden. Nach wenigen Sekunden drehte sie sich mit einem bodenlos geringschätzigen Gesichtsausdruck zu mir um und reichte mir den gesuchten Zettel, der genau in der Mitte des Tisches gelegen hatte. Dann stolzierte sie, ungewöhnlicher Weise ohne ein Wort zu sagen, zur Kasse zurück.
Einige Minuten danach hörte ich zufällig, wie sie bei einer anderen Kollegin über mich schimpfte und so etwas sagte wie: "So viele Haare auf dem Kopf, aber keine Augen drin." Was ich für eine ungewöhnlich geistreiche Lästerei hielt.
Ich ignorierte es und machte weiter meine Arbeit. Am Nachmittag hatte ich eine nette Kundin, die ein Buch für ihre kranke Mutter suchte. Ich empfahl ihr ausführlich verschiedene gute Bücher und sie bedankte sich mit einem ganz ehrlichen, lieben Lächeln. Kurz bevor sie ging streifte mein Blick das Fenster und ich entdeckte auf dem wolkig-blauen Himmel einen Regenbogen. Ich fragte sie ob sie schöne Himmel möge und als sie mit einem "Ja, sehr" antwortete zeigte ich ihr den blassen Regenbogen. Eine von den zwei netten Kolleginnen kam auch noch dazu und zu dritt schauten wir den Himmel an. Dann ging die Kundin zahlen und die Kollegin machte sich wieder an das aufräumen ihres Tisches. Nachdem die Kundin weg war hörte ich noch von der anderen Seite des Ladens, wie die Kollegin vom Morgen zur anderen sagte:
"Aber für so etwas hat er dann Augen was?",
worauf diese mit einem Grinsen antwortete:
"Er hat halt ganz besondere Augen".
Am Abend rief mich Laura an, kurz bevor meine Serie anfing. Ich weiss das alles noch so genau, weil es eine von diesen Serien war, bei denen man nie wieder hinein kam, wenn man eine Folge verpasste und ich sie mir dann auch danach nie wieder angesehen habe. Sie sagte mir, dass sie in ihrem monatlichen Horoskop gelesen hatte, dass sie vergangenen Monat einen schweren Fehler gemacht habe, den sie ausbügeln müsse und sie der Meinung war, dass unsere Trennung dieser Fehler gewesen sei.
Als ich nichts dazu sagte, fragte sie mich ob ich glaubte, dass ich sie auch angesprochen hätte, wenn sie nur eine normale Kundin im Buchladen gewesen wäre, die ich noch nie gesehen hätte. Ich antwortete ihr, dass das eine blöde Frage sei, weil ich es ganz einfach nicht wissen konnte, worauf sie sauer war und ich auflegte.
Danach holte ich mir ein Bier aus der Küche und schaltete den Fernseher ein. Genau zum Abspann meiner Lieblingsserie.


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Ein Fingerhut voller Tränen - Ein Gedichtband
Beitrag24.12.2007 09:34

von Enfant Terrible
Antworten mit Zitat

Ich freue mich, dass du nicht wütend bist wegen meinem Verriss, aber:
Taugenichts hat Folgendes geschrieben:
Phantastik kann für mich gut geschrieben sein, aber niemals große, wahre Literatur werden, es sei denn, sie versucht einen Spiegel zum wahren Leben darzustellen

Was ich meinte, war keine Phantastik. Auch im "realen" Leben gibt es ungewöhnliche Ereignisse, die es zu umschreiben lohnt - gewusst wie.
Merry X-Mas!


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TiWi
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Beitrag24.12.2007 12:05

von TiWi
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Heilige Grüße!
Ich hab mal versucht, deine Worte, ein wenig Leben einzuhauchen.
Allerdings nur der erste Abschnitt. Ich denke, es reicht um zu sehen, was man alles machen kann.




Alles begann mit einer Frau und meiner, von Hormonen gesteuerte Entscheidung, ihre Nähe zu spüren. Diese Liebe spülte mich nach Kölln, wo ich seit zwei Monaten in einer kleinen Buchhandlung versuchte, selbst die extremsten Wünsche der Kunden zu erfüllen. Hier ging alles über den Ladentisch, was es zwischen Vorlesealter und Erwachsenenlektüre zu lesen gab.
Mein vergangenes Leben in Berlin lag hinter mir, dass ich auch nicht vermisste.
Was sollte ich auch in einer Welt leben, in der ich nur wenige Freunde besaß und es keinen gab, den ich als Kumpel bezeichnen könnte?
Dort gab es nur meine Eltern, die froh waren, wenn sie mich von Weitem sahen.
Und Arbeitskollegen? Die bissen die Zähne zusammen, wenn ich ihnen mit meinen Ideen konfrontierte.  Aber vielleicht lag es auch an meiner Art der Zurückhaltung, manche nennen es Schüchternheit, weshalb sie sich vor dem Kopf gestoßen fühlten. Ich weis es nicht!
Diese besonderen Mitarbeiter, sechs an der Zahl, machten einen großen Bogen um mich, als ob ich die Pest hätte, mir war es egal gewesen.
Die Arbeit macht mir Spaß, das war für mich das Wichtigste!
Ich beriet meine Kunden freundlich, besonders wenn sie hübsch waren, und hielt mein Sortiment auf hohem Niveau.

Wer übernimmt den nächsten Abschnitt? Very Happy

Gruß
TiWi
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Taugenichts
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Beitrag24.12.2007 16:17

von Taugenichts
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Eigentlich freue ich mich tatsächlich über fast jede Kritik, aber du hast es tatsächlich geschafft, dass ich mich richtig auferegt habe!
So ein Schwachsinn!
Die Geschichte ist kein Pointenplatzender Poetry-Slam Comedy Unsinn!
Wenn du die Geschichte mit offenen Augen gelesen hättest, wäre dir wohl aufgefallen, dass das lyrische Ich einen bestimmten Charakter hat. Einen sehr wohl durchdachten und gewollten Charakter. Sie ist nicht biographisch, herrgott.
Es wird ein Charakter aufgebaut, der wohl kaum solchen Schund berichten würde, wie du ihn fabriziert hast!
Oder wenn du dir die Mühe gemacht hättest anderes von mir anzulesen, dann wäre dir auch aufgefallen, dass ich durchaus zu einer gewissen Wortgewalt fähig bin, die hier aber ebend völlig fehl am Platze wäre!
Gerade weil ich diesmal versucht habe einen möglichst nüchternen, schnörkellosen Berichtston zu halten fielen mir diverse Formulierungen schwer!

Ausserdem kann ich dir nur empfehlen, mal ein paar neue wirklich Meister der Kurzgeschichte zu lesen, wie Ingo Schulze oder Miranda July! Dann würdest du vielleicht lernen, dass zu einer guten Geschichte, keine dämliche Witz oder Metaphern-Dichte gehört.

Danke


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TiWi
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Beitrag24.12.2007 17:05

von TiWi
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Na dann würde ich mal sagen, schreibe eine Kurzgeschichte und keine Abhandlungen von Sätzen, die keiner liest.
Hier ist die Abteilung Belletristrik!
Wenn du experimentieren willst, bist du hier falsch.

ENDE
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Dr.Trash
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Beitrag24.12.2007 17:20

von Dr.Trash
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TiWi hat Folgendes geschrieben:

Wer übernimmt den nächsten Abschnitt? Very Happy


Ich hoffe niemand.
Der Text gefällt mir in der Originalversion deutlich besser. Eine leise, schöne Geschichte, die auf Effekthaschereien verzichtet.
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woertchen
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Beitrag24.12.2007 17:32

von woertchen
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An sich gefällt mir die Story, aber etwas kürzere Sätze wären besser zu lesen. Du scheinst ein Freund von Kommata zu sein? wink
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MosesBob
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Beitrag25.12.2007 03:00
Re: Seine Augen
von MosesBob
Antworten mit Zitat

Hallo Taugenichts!

Ich gehe hier nur auf einige Punkte ein, die mir aufgefallen sind, hoffe aber, dass ich sie umfangreich genug schildern konnte, um dir behilflich zu sein.

Taugenichts hat Folgendes geschrieben:
Doch spätestens seit vor einem Monat

Streichen.

Taugenichts hat Folgendes geschrieben:
Sie kommentierten ihre eigene Arbeit, beschrieben was sie gerade Taten oder regten sich über Bücher oder Mitarbeiter auf, die den Laden bereits verlassen hatten.

1. „Auf“ sollte hinter „Bücher“ stehen, da sonst auch die Bücher den Laden verlassen würden.
2. Ein paar Beispiele würden der Eintönigkeit hier mehr Farbe verleihen. Beispiel:

Herbert Neururer zum Beispiel, der Prokurist, war ein bewährtes Ziel ihrer gehässigen Attacken. Er trug seine Cordhose wieder zu hoch im Schritt – der Hosenbund musste knapp unterhalb seiner Brustwarzen sitzen –, und die Schwitzflecken unter seinen Armen reichten wie überdimensionale Lungenflügel bis zu den Hüften hinab.

Oder: Da war Olga Kloczek, die sexuell frustrierte Mittfünfzigerin aus der Buchhaltung, die sich jeden Tag schminkte wie eine Prostituierte und auch nach mehr als zwanzig Jahren Aufenthalt in Deutschland keinerlei Gespür für Interpunktion und Orthografie besaß. Heute trug sie ein besonders hässliches Rüschenkleid, das all das betonte, was man bei einer Frau ihres Alters und ihrer Statur ums Verrecken nicht sehen wollte.

Das sind keine Paradebeispiele. Sie sollen nur die Richtung vorgeben. Das Ziel dieser Mission: Niemand empfindet etwas, wenn man ihm sagt, dass die Weiber tratschen und lästern. Du solltest schon einige Beispiele nennen, um dem Leser das Kaliber näherzubringen, mit dem diese Weiberarmada schießt. Je nach dem, welches Bild der Leser von ihnen bekommen soll, entscheidest du die Derbheit ihrer Lästereien.

Taugenichts hat Folgendes geschrieben:
Der Chef des kleinen Ladens, Herr Sibelius, hingegen, hatte eine unangenehmere Eigenart.

Hier müsste vor „unangenehmere“ ein „noch“ stehen, damit das Wort „hingegen“ eine Berechtigung hat: Der Chef des kleinen Ladens, Herr Sibelius, hingegen hatte eine noch unangenehmere Eigenart.

Taugenichts hat Folgendes geschrieben:
Er pflegte nach jedem beendeten Satz auf eine überaus affenähnliche Art und Weise zu schmatzen.

„Überaus“ ist ein unnötiges Füllwort. Wenn jemand affenartig schmatzt, dann bedarf das keiner Steigerung.

Taugenichts hat Folgendes geschrieben:
Dabei zog er sowohl Unter- als auch Oberlippe nach vorne, presste beide fest aufeinander und drückte dann einen kurzen Stoss Luft hindurch, wodurch sich beide Lippenpartien mit leichtem Flattern aufblähten und dann ein fast anstößiges Geräusch erzeugten, während sich sein Mund wieder entspannte.

Beschreibe das Geräusch und streiche „fast“. Wenn es so klingt, wie ich vermute – eine Mischung aus Rülpsen und Furzen –, dann klingt das Geräusch anstößig. Das Wörtchen „fast“ würde ich auch deswegen streichen, weil …
 
Taugenichts hat Folgendes geschrieben:
Zum Beispiel war es fast sicher, dass wenn ich jemandem sagte, er solle kurz darauf warten, dass ich ihm das gewünschte Buch hole, er mir folgen würde. Fast nie wartete der Kunde tatsächlich an Ort und Stelle.

… es kurz darauf zwei weitere Male fällt. Das zweite „fast“ kannst du zum Beispiel durch ein „selten“ ersetzen: Selten wartete der Kunde tatsächlich an Ort und Stelle.

Taugenichts hat Folgendes geschrieben:
Abgesehen von meinen kleinen Spielen aber, verrichtete ich alle mir aufgetragenen Arbeiten nach bestem Wissen und Gewissen und doch hatte Laura mich in einer Art ständigen Konfusion hinterlassen.

Das Verrichten der Arbeit nach bestem Wissen und Gewissen ist eine hässliche – und nicht sehr vorteilhafte – Floskel aus einem Arbeitszeugnis, die ich hier tunlichst vermeiden würde.

Taugenichts hat Folgendes geschrieben:
Noch mehr als ich diese sowieso schon mein Eigen nannte, so dass ich oft in kurze Tagträume glitt und unkonzentriert war.
Trotzdem fühlte ich mich alles in Allem hier tatsächlich wohler, als ich es in Berlin getan hatte, ganz einfach weil ich hier zu nichts verpflichtet war.

Einfacher: Alles in allem fühlte ich mich wohler als in Berlin, ganz einfach, weil ich hier zu nichts verpflichtet war. Ich habe den Satz um sieben Wörter reduziert, ohne dass er von seiner Bedeutung einbüßt oder irgend etwas vorenthält. Das hier ist nur ein Beispiel für deine in diesem Text auffällige Art, Nebensätze einzuschieben und Informationen unterzuschmuggeln, die einfacher und präziser geschrieben werden können. Du schreibst die Sätze, als würde dir erst beim Schreiben klar werden, was der Satz aussagen und beinhalten soll. Dadurch wirkt das alles zerstückelt und unkoordiniert. Dann kommen noch unnötige Füllwörter hinzu.

Taugenichts hat Folgendes geschrieben:
Ich persönlich hingegen bewunderte jeden Menschen dafür, dass er das tat, sich nicht einfach in der sich tunnelartig ausdehnenden Leere des Daseins ausstreckte und verschnaufte.

1. "hingegen" kann gestrichen werden. Es ergibt sich aus "ich persönlich".

2. Ein tunnelartiges Ausdehnen kann ich mir nicht vorstellen, weil es paradox klingt. Das Wort „tunnelartig“ hat einen eher begrenzenden Touch („Tunnelblick“). Anders sieht das aus, wenn sich etwas tunnelartig erstreckt – dann zieht es sich in die Länge. Ein Ausdehnen jedoch geht auch in die Breite und Höhe.

Taugenichts hat Folgendes geschrieben:
Ich antwortete ihr, dass das eine blöde Frage sei, weil ich es ganz einfach nicht wissen konnte, worauf sie sauer war und ich auflegte.

Könne (weil es auch eine blöde Frage sei)




Fazit: Ich vermute, du hast wild drauflosgeschrieben. Die wenigen Details, die du nennst, erzeugen keine Atmosphäre und dort, wo Details bitternötig wären, verzichtest du auf welche (Stichwort Lästereien). Mir kommt das alles eher vor wie ein Praktikumsbericht in gewollter aber leider misslungener Erzählform. Dir schossen noch während des Schreibens zu viele Gedanken durch den Kopf, die du bis dato noch nicht sortiert hast. Das macht deine Sätze teilweise zu regelrechten Monstern, und der Umstand, dass die Kommasetzung alles andere als souverän erfolgt, macht diese Biester leider nicht schöner. Nichts gegen lange Sätze, aber du zerpflückst sie und verkomplizierst Klang und Rhythmus.

Alter, das kannst du besser. Versuch mal, dir deine Sätze exakt durchzulesen und genau zu überlegen, ob die Konstellation nahtlos ineinandergreift. Hinterfrage die Sätze in Bezug auf ihre Wörter: Welche braucht der Satz wirklich und welche sind Lückenfüller, Füllwörter? Ach ja, und welche Serie ist deine Lieblingsserie?

Grüße,

Martin


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Taugenichts
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Beitrag25.12.2007 13:08

von Taugenichts
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@Bob

Genau deswegen habe ich mich neulich mockiert, dass du mich so selten verreist ^^ Deine Verrisse sind so überaus lehrreich.
Ein paar Worte zum Text... Das Problem lag bei diesem Text daran, dass ich in letzter Zeit öfter versuche gegen meinen natürlichen Stil zu schreiben. Bestimmte Formen zu halten. Hier wollte ich eben, wie du anmerktest, einen nüchternen Berichtston halten, allerdings entspricht dieser eben nicht meiner gewohnten Informationsdichte, weswegen ich oft versuche zu viel in den Sätzen unterzubringen. Du kennst bestimmt Ingo Schulze und sein Glanzstück Handy, an dem ich mich stilistisch ein wenig orientieren wollte.
Nun zur Art wie der Text entstanden ist. Ich habe ihn keineswegs heruntergeschrieben. Was aber diesen leichten zerstückelten EIndruck erweckt ist, denke ich, die Tatsache, dass ich mir verschiedene Teile und Informationsbrocken notiert habe und diese dann in einzelnen Teilen zu vertexten versucht habe. Das Zusammenfügen dieser Teile ist mir teilweise nicht gut gelungen.
Ich werde deine Anmerkungen intensiv durchsehen und dann die Korrektur on stellen!
Und meine Lieblingsserie? Die Geschichte nimmt keinen direkten Bezug auf eine ganz bestimmte Serie, die Ereignisse sind vollständig fiktiver Natur. Allerdings hatte ich zugegebener Maßen "Lost" im Hinterkopf beim schreiben.
Meine Lieblingsserie aber..... hm. Ich würde sagen Scrubs!


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MosesBob
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Beitrag25.12.2007 13:36

von MosesBob
Antworten mit Zitat

Mahlzeit!

Taugenichts hat Folgendes geschrieben:
Genau deswegen habe ich mich neulich mockiert, dass du mich so selten verreist ^^ Deine Verrisse sind so überaus lehrreich.

Danke, aber bei der Vielzahl der Geschichten und Mitglieder hier kann oder will ich es mir nicht erlauben, jemanden zu bevorzugen. Ich muss wirklich aufpassen, dass ich nicht noch mehr Stunden von meiner privaten Zeit abzweige, sonst komme ich niemals zu Potte.

Taugenichts hat Folgendes geschrieben:
Ein paar Worte zum Text... Das Problem lag bei diesem Text daran, dass ich in letzter Zeit öfter versuche gegen meinen natürlichen Stil zu schreiben. Bestimmte Formen zu halten. Hier wollte ich eben, wie du anmerktest, einen nüchternen Berichtston halten, allerdings entspricht dieser eben nicht meiner gewohnten Informationsdichte, weswegen ich oft versuche zu viel in den Sätzen unterzubringen. Du kennst bestimmt Ingo Schulze und sein Glanzstück Handy, an dem ich mich stilistisch ein wenig orientieren wollte.

Ingo Schulze? Nie gehört. Viel wichtiger ist aber die Frage, warum zu versuchst, gegen deinen Stil zu schreiben. Liegt es daran, dass er dir nicht gefällt oder daran, dass du ihn tatsächlich noch nicht gefunden hast? Ich kann mir vorstellen, dass du dich vielen Einflüssen hingibst und dich von ihnen inspirieren lässt. Das sind alles Zutaten, die im Ofen vor sich hin köcheln. Manchmal braucht es einfach einige Zeit, bis das Ganze essbar und genießbar ist. Ich glaube, meinen eigenen Stil habe ich auch erst vor drei oder vier Jahren gefunden. Jetzt muss ich zusehen, dass ich ihn ein wenig routiniere, damit ich das Werkzeug nach Belieben einsetzen kann. Will sagen: Lass dich ruhig ordentlich inspirieren, aber verliere deinen eigenen Stil nicht aus den Augen.

Taugenichts hat Folgendes geschrieben:
Und meine Lieblingsserie? Die Geschichte nimmt keinen direkten Bezug auf eine ganz bestimmte Serie, die Ereignisse sind vollständig fiktiver Natur. Allerdings hatte ich zugegebener Maßen "Lost" im Hinterkopf beim schreiben.
Meine Lieblingsserie aber..... hm. Ich würde sagen Scrubs!

"Lost" kommt aber montags, nicht mittwochs. lol Und Scrubs ... ja, schade, dass die aufhören. Die Serie hatte so einen herrlich stumpfen Parker-Lewis-Humor (kennst du die Serie noch?) und hatte trotzdem ihre seriösen Momente.

Aber zu deiner Geschichte: Dass du keinen direkten Bezug auf die Serie nehmen willst, spielt keine Rolle. Man muss sich in solchen Dingen die Frage stellen, warum, um alles in der Welt, man die Serie nicht beim Namen nennt. Gibt es dafür einen besonderen Grund? Nein! Also, was hält dich davon ab, sie zu nennen? Zweimal sprichst du in deiner Geschichte von deiner Lieblingsserie. Da interessiert es mich als Leser, um welche es sich handelt. Wozu es verschweigen? Natürlich ist es eine Kleinigkeit, die mit deinem Text nicht das Geringste zu tun hat, aber beim Lesen hat sich bei mir der Verdacht eingeschlichen, dass dich irgend etwas dazu bewegt, sie zu verschweigen. Und dazu besteht kein Anlass.

In Stephen Kings "Das Spiel" erwähnt er etliche Male eine Serie namens "Twilight Zone", die ich nicht kenne. Diese Serie hat er so oft genannt, zum Teil auch für metaphorische Zwecke, dass ich mich irgend wann gefragt habe: "Junge, fällt dir denn nichts eigenes ein?!" Das hat mich gestört. Der Name fiel zu häufig. Aber von einer Lieblingsserie zu sprechen, ohne zu sagen, welche es ist, stört mich ebenso. Das ist wie klitorales Stimulieren und anschließend die Finger wegziehen: Das gehört sich einfach nicht. Laughing

Grüße,

Martin


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Gast







Beitrag25.12.2007 20:39

von Gast
Antworten mit Zitat

"Twilight Zone" ist schon ziemlich gut gewesen manchmal, ich habe da auch ein oder zwei Ideen geklaut. smile

@Taugenichts: Ich weiß, Du wolltest einen Bericht schreiben, aber an den Stellen, wo die Leute direkt miteinander reden, fehlen mir einfach die Dialoge. Ich hasse indirekte Rede. Ich fände, wenn Du den Berichtston hältst, aber an ein paar Stellen Dialoge einbaust, würde sich der Text nicht groß verändern, aber er würde lesbarer und lebendiger, denn das mit den langen Sätzen ... das wurde ja schon gesagt.

Ach: Frage: Welche Stadt ist Kölln? Wo liegt die? Oder meinst Du Köln? Da ich in Köln aufgewachsen bin, hat mich die Schreibweise die ganze Zeit irritiert, aber vielleicht meinst Du ja eine Stadt namens Kölln, die ich nicht kenne.
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