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[rom] Noch so ein Ding, was in der Mache ist

 
 
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Ralphie
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Beitrag21.04.2007 09:51
[rom] Noch so ein Ding, was in der Mache ist
von Ralphie
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Kapitel 1

Dr. Rüegli hat mir absolute Ruhe verordnet, doch ich weiß haargenau, daß ich bis zum Ende meiner Tage keine Ruhe mehr finden werde. Meine Uhr ist abgelaufen. In meinem Leben hat ein Ereignis stattgefunden, das so ungeheuerlich, so unvorstellbar ist, daß sich selbst die Tastatur meines Laptops dagegen zu wehren scheint, diese Angelegenheit meiner Textverarbeitung anzuvertrauen. Die Affäre ereignete sich nicht gestern oder vorgestern und auch nicht im vergangenen Jahr. Sie liegt mehr als fünfunddreißig Jahre zurück. Die allermeisten Beteiligten an diesem Drama haben inzwischen das Zeitliche gesegnet oder sind auf dem allerbesten Wege, es zu tun, und auch ich sieche dahin.
Mein Name ist Timothy D. Rowland. Meine Freunde, wenn ich denn welche besitze, nennen mich Tim. Ich sitze an den Rollstuhl gefesselt und in eine sandfarbene Flanelldecke gehüllt auf der Hochterrasse einer weltberühmten Privatklinik außerhalb Luzerns und genieße das strahlend schöne Wetter und das grandiose Panorama, das mir die Dächer der Stadt, die noch berühmtere Kapellbrücke über die Reuss, die Alpen und der Vierwaldstätter See von hier oben bieten. Es ist gerade »Luzerner Mäss«, ein Volksfest wie das Oktoberfest in München, nur sehr, sehr viel überschaubarer. Eine Dampforgel pfeift, der süßliche Duft von gebrannten Mandeln umschmeichelt meine Nase. Auf dem gegenüberliegenden Ufer des Luzerner Sees dreht sich ein Riesenrad. Menschen mit Zuckerwatte und rot kandierten Äpfeln in den Händen schlendern gemütlich an den vielen Los- und Süßigkeitsbuden entlang. Auf dem Bahnhofsvorplatz wirbelt ein Kettenkarussell Kreise um die eigene Achse. Das Kreischen der Kinder hallt verzerrt bis zu mir herauf.
Dr. Rüegli, eine Koryphäe auf seinem Gebiet, ist offen zu mir: Bei unserem letzten Gespräch hat er mir noch drei oder vier Monate gegeben, im allerbesten Fall ein halbes Jahr ? eine Frist, die wohl kaum für mich ausreichen wird, um mit Gott und der Welt ins Reine zu kommen.
Schwester Elisabete betritt die Terrasse und kredenzt mir auf silbernem Serviertablett eine Tasse Kamaya-Tee. Mit ihrer freundlichen Erscheinung voll weiblicher Anmut ist sie die Zierde des ganzen Hauses und hebt sich von den anderen Krankenpflegerinnen ab wie ein Schwan unter lauter Fröschen. Sie trägt weiße Gesundheitsschuhe und besitzt diese schlanken, sich zur Nasenwurzel hin leicht verdickenden Augenbrauen, die schöne Frauen auszeichnen.
Wie es mir an diesem Nachmittag gehe, will sie in ihrer gewohnt liebevollen Art von mir wissen. Die Chemotherapie hat mich meiner letzten Haare beraubt, ich bin zum Skelett abgemagert, quäle mich unablässig mit diesem eigenartigen Gefühl herum, im Zeitlupentempo von einem Wolkenkratzer in die Tiefe zu stürzen, Dr. Rüegli hat eine neue Metastase an mir diagnostiziert, und Schwester Elisabete erkundet sich in ihrem perfekten, fast schon amerikanisch angehauchten Englisch nach meinem werten Wohlbefinden!
Doch ich bin ihr nicht wirklich böse. Sie meint es ja gut mit mir. Die Schweizer im allgemeinen und Schwester Elisabete im besonderen sind eben liebenswerte Leute, und die kleinbusige, dunkelblonde Krankenschwester kümmert sich rührend um mich.

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monosoph
Geschlecht:männlichEselsohr

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Beitrag21.04.2007 10:10

von monosoph
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Ein interessanter Text...ich werde mich ihm heute Nachmittag in aller Ruhe widmen...heute Vormittag ist es hier ein bisschen stressig...

Gehetzte Grüße,
Lukas


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Eireena
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Beiträge: 360



Beitrag21.04.2007 11:16

von Eireena
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Hallo Ralphie,

finde den Text sehr gut, so wie er ist. Da ich eher als blutiger Anfänger spreche und Du schon Profi bist, kann ich naturgemäß keine weiteren Verbeserungsvorschläge machen. Der Anfang machst neugierig darauf, was damals passiert ist und Du führst schön beiläuig in der aktuellen Situation ein, dass dort ein totgeweihter Krebspatient spricht.

Aufgefallen ist mir lediglich eine Wortwiederholung, die ich persönlich weggelassen hätte. Gehe aber davon aus, dass Du dies bewusst so gemacht hast:

Zitat:
Dr. Rüegli hat mir absolute Ruhe verordnet, doch ich weiß haargenau, daß ich bis zum Ende meiner Tage keine Ruhe mehr finden werde.


Der Satz hat es mir besonders angetan:
Zitat:
In meinem Leben hat ein Ereignis stattgefunden, das so ungeheuerlich, so unvorstellbar ist, daß sich selbst die Tastatur meines Laptops dagegen zu wehren scheint, diese Angelegenheit meiner Textverarbeitung anzuvertrauen.


LG
Eireena


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nantik
Gast






Beitrag21.04.2007 11:42

von nantik
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Lieber Ralphie,

na, bei so einem guten Stück Text machst Du es einem aber verdammt schwer, nicht einfach nur begeistert in die Hände zu klatschen. Mit gefallen die Beschreibungen, die Schlichtheit, mit der sich der Protagonist in sein bitteres Schicksal fügt und vor allem natürlich den herrlich persönlichen Stil. Und ich hatte sogar kurzzeitig den Geruch von gebrannten Mandeln in der Nase!

Ein Haar in der Suppe habe ich dann aber doch gefunden. Ich stolper hier ein wenig drüber:
Zitat:
Dr. Rüegli hat eine neue Metastase an mir diagnostiziert

Wenn Tumore streuen, also in nebenliegendes Gewebe wuchern, dann nennt man das Metastasen. Kann man davon nur eine einzige diagnostizieren? Und ist dann eine einzige Metastase relevanter als der eigentliche Tumor? Ich gehe einfach mal davon aus, dass Du recht hast, aber ich bin beim Lesen eben mit diesen Gedanken drüber gestolpert, was den Fluss minimal beeinträchtigt hat.

Ansonsten aber:

Gruß,
Nicole
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monosoph
Geschlecht:männlichEselsohr

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Beitrag21.04.2007 13:04

von monosoph
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Hallo ralphie,

Da alle dir hier Honig ums Maul schmieren, möchte ich hiermit mit meine Unabhängigkeit kundtun. Niemand steht hier außerhalb des Gesetzes der Kritik, Rang und Name haben keine Bedeutung. Nicht einmal bei unserem Guru Martin. Und es ist bekannt, dass ausschließlich positive Kritik unzufrieden macht...wink

Zitat:
Dr. Rüegli hat mir absolute Ruhe verordnet, doch ich weiß haargenau, daß ich bis zum Ende meiner Tage keine Ruhe mehr finden werde.


Eireena hat Recht: Streich das zweite "Ruhe", das hört sich geschliffener an. Und wie spricht man den Doktor aus? Rü-egli? Rüegli? Ist das "e" nach dem "ü" also geplant?

Zitat:
  Meine Uhr ist abgelaufen.


Gewöhnlich heißt es: "Meine Zeit ist abgelaufen". aber gewöhnlich wollen wir nicht. Andererseits wirkt die Redewendung aufgrund der hohen Ähnlichkeit etwas abgenutzt. "Meine Uhr tickt, geht immer langsamer, hat aufgehört zu gehen, ticken usw." scheint mir die elegantere Lösung. Ansonsten aber ein klassisch gutes Element.

Zitat:
In meinem Leben hat ein Ereignis stattgefunden, das so ungeheuerlich, so unvorstellbar ist, daß sich selbst die Tastatur meines Laptops dagegen zu wehren scheint, diese Angelegenheit meiner Textverarbeitung anzuvertrauen.


Ist eine gute Einleitung...ABER: "Tastatur", "Textverarbeitung" und "Laptop" sind zu moderne Begriffe, um sie in diesem, eigentlich zeitlosen Kontext zu verwenden. Alles und gerade Ungeheuerlichkeit hat eine größere Ausdruckskraft, wenn sie nicht durch "Fachvokabular" konkretisiert und verweltlicht wird.

Zitat:
Die Affäre ereignete sich nicht gestern oder vorgestern und auch nicht im vergangenen Jahr. Sie liegt mehr als fünfunddreißig Jahre zurück. Die allermeisten Beteiligten an diesem Drama haben inzwischen das Zeitliche gesegnet oder sind auf dem allerbesten Wege, es zu tun, und auch ich sieche dahin.


"Affäre" klingt so nach Seitensprung...wenn das hier gemeint ist, ok. Wenn nicht, passt "Angelegenheit" oder "Geschichte" besser. "Allermeisten" hat einen Hauch von "maßgeschneiderten Maßanzügen" wink. "Allerbesten" ebenso.

Zitat:
Mein Name ist Timothy D. Rowland. Meine Freunde, wenn ich denn welche besitze, nennen mich Tim. Ich sitze an den Rollstuhl gefesselt und in eine sandfarbene Flanelldecke gehüllt auf der Hochterrasse einer weltberühmten Privatklinik außerhalb Luzerns und genieße das strahlend schöne Wetter und das grandiose Panorama, das mir die Dächer der Stadt, die noch berühmtere Kapellbrücke über die Reuss, die Alpen und der Vierwaldstätter See von hier oben bieten.


Deine Liebe zum Detail ist herrlich...und gefällt mir wirklich gut smile extra Aber wenn die Klinik schon weltberühmt ist, dann sag doch besser "die" statt "einer". Ich persönlich kenne mich in Luzern nicht so gut aus, als dass ich die Richtigkeit der aufgezählten Sichtungen bestätigen oder widerlegen könnte...

Zitat:
Es ist gerade »Luzerner Mäss«, ein Volksfest wie das Oktoberfest in München, nur sehr, sehr viel überschaubarer.


Erstens wirkt der Satz so: "Ist genauso wie, nur anders." Zum Zweiten ist es der elegantere Weg, dem Leser diese Tatsache durch die folgenden Beschreibungen näherzubringen. Wenn du es schon in einem Satz darbringen musst dann eher: "eine kleinere Version des Oktoberfestes", von dem jeder weiß, dass es in München ist und du es deshalb nicht nocheinmal erwähnen muss. Vermeide auf jeden Fall einen Vergleich gefolgt von einer Einschränkung!

Zitat:
Eine Dampforgel pfeift, der süßliche Duft von gebrannten Mandeln umschmeichelt meine Nase. Auf dem gegenüberliegenden Ufer des Luzerner Sees dreht sich ein Riesenrad. Menschen mit Zuckerwatte und rot kandierten Äpfeln in den Händen schlendern gemütlich an den vielen Los- und Süßigkeitsbuden entlang. Auf dem Bahnhofsvorplatz wirbelt ein Kettenkarussell Kreise um die eigene Achse. Das Kreischen der Kinder hallt verzerrt bis zu mir herauf.


Ich liebe gebrannte Mandeln... smile extra
Tolle Beschreibung...du hast nur die immer gleiche Musik vergessen....

Zitat:
Dr. Rüegli, eine Koryphäe auf seinem Gebiet, ist offen zu mir: Bei unserem letzten Gespräch hat er mir noch drei oder vier Monate gegeben, im allerbesten Fall ein halbes Jahr ? eine Frist, die wohl kaum für mich ausreichen wird, um mit Gott und der Welt ins Reine zu kommen.


Dieser Kniff zu zeigen, wieviele Leichen da noch im Keller des Timothy liegen, ist brilliant!!! Und da dein Stil sonst sehr von Konkretisierung lebt, würde ich das Fachgebiet des lieben Arztes hier spezifizieren.

Zitat:
Doch ich bin ihr nicht wirklich böse.


Und unwirklich? Das ist ein Anglizismus (von "not really"), der zur Herkunft des Protagonisten passen würde, aber hier sicherlich nicht beabsichtigt scheint (es sind nämlich sonst überhaupt keine vorhanden).

Zudem kann ich die Sache mit den Metastasen, die mein Zwilling angesprochen hat, unterstreichen. Wenn schon unbedingt neue, dann im Plural.

Den Rest, den ich hier jetzt nicht zitiert habe, segne ich an dieser Stelle als für sehr gut befunden ab. Bis auf diese kleinen Sachen, die aber nur unwesentlichen Einfluss auf den Lesefluss haben, ein herrlich stimmungsvoller Text....

Eben gewohnt qualitativ smile extra

Mandelappettithabende Grüße,
Lukas


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MosesBob
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Beitrag21.04.2007 14:16

von MosesBob
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monosoph hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Dr. Rüegli hat mir absolute Ruhe verordnet, doch ich weiß haargenau, daß ich bis zum Ende meiner Tage keine Ruhe mehr finden werde.


Eireena hat Recht: Streich das zweite "Ruhe", das hört sich geschliffener an.

Sehe ich nicht so. Mir gefällt beides. Wortwiederholungen fallen nur dann negativ auf, wenn man den Eindruck hat, dem Schreiber gingen die Worte aus. Den Eindruck habe ich in diesem Satz nicht. Ganz Im Gegenteil: Ich würde sogar sagen, dass die Betonung und der Schwerpunkt dieses Satzes auf dem zweiten "Ruhe" liegen.

Den Rest habe ich mir aus altbekannten Gründen noch nicht durchgelesen. Nur dieser Punkt stach mir eben ins Auge.


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Ralphie
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Beitrag21.04.2007 16:17

von Ralphie
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@Mono, ich überarbeite das ohnehin noch mal, das Rüegli ist geplant, weil es ein Schweizer Name ist, den ich in Luzern gelesen habe, und das mit der Uhr bleibt auch so stehen. Er kann ja eine Sanduhr meinen.  Very Happy  Er schreibt seine Memoiren auf einem Laptop, also bleibt das auch. Und die Affäre ...  Embarassed  Embarassed
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monosoph
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Beitrag22.04.2007 00:07

von monosoph
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*grummel* Da gibt man sich einmal Mühe, nicht den Heerscharen der Moderatoren als Halbgötter verehrenden Kritiker zu folgen und wie wird es einem gedankt????  cry

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Beitrag05.05.2007 16:57

von Ralphie
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@Eireena und Monosoph ..., auf die Kraft der Wiederholung komme ich in der Schreibwerkstatt noch zu sprechen.  Very Happy
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monosoph
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Beitrag05.05.2007 17:08

von monosoph
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Man kann alles, wenn man nur will.....Man kann alles, wenn man nur will....Man kann alles, wenn man nur will... wink

Da bin ich jetzt schon gespannt.


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Ralphie
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Beitrag05.05.2007 18:21

von Ralphie
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@Mono ..., das brauchst du nicht. Es gibt in der deutschen Sprache kein Wort, das ein haargenaues Synonym besitzt (siehe Gesicht und Antlitz), deshalb wiederholen wir das Wort, um einem Satz Kraft und Genauigkeit zu verleihen. Oder hättest du es lieber so:

"Dr. Rüegli hat mir absolute Ruhe verordnet, doch ich weiß haargenau, daß ich bis zum Ende meiner Tage keine Muße/Stille/Erholung mehr finden werde."  

Twisted Evil
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monosoph
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Beitrag05.05.2007 20:26

von monosoph
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Ich möcte "Frieden" haben  Razz

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Peter Bochanan
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Beitrag06.05.2007 09:31

von Peter Bochanan
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Ich finde aber auch diese Umschreibung nicht schlecht


"Dr. Rüegli hat mir absolute Ruhe verordnet, doch ich weiß haargenau, daß ich bis zum Ende meiner Tage eine solche nicht mehr finden werde."


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Eireena
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Beitrag06.05.2007 09:51

von Eireena
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Hallo,

an ein Synonym anstatt einer Wordwiederholung hatte ich auch nicht gedacht..   Rolling Eyes
Hätte eventuell gar nichts geschrieben, allerdings kommt hier zugegeben die Bedeutung der Ruhe nicht wirklich raus, was für die Wortwiederholung spricht ...

Zitat:
Dr. Rüegli hat mir absolute Ruhe verordnet, doch ich weiß haargenau, daß ich bis zum Ende meiner Tage keine mehr finden werde.


Irgendwelche Umschreibungen, wie "eine solche" schwächen meiner Meinung nach eher die Aussage.

LG
Eireena


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Ralphie
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Beitrag06.06.2007 17:25

von Ralphie
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Hi!

Hier noch eine Szene aus diesem Roman, an der ich im Augenblick verzweifle. Lest sie bitte. Was meint ihr: Ist sie depressiv genug, um sie auf die Menschheit loszulassen? Was könnte ich möglicherweise noch ändern bzw. hinzufügen, ohne dass es kitschig wird.

Ich muß unwillkürlich an meine Mutter denken. In ihrem Testament hatte sie verfügt, daß ihr Leichnam eingeäschert und in einer Urne neben dem Grab meines Vaters auf dem Urnenfriedhof von Gainesville beerdigt wird. Mams ist nur noch Asche. Ich leide an einer neurotischen Depression, konstatiert Dr. Rüegli. Das beschleunige mein Siechtum, behauptet er.
Seine Diagnose stört mich nicht.
Der große Jack Palance ist gestorben. Ich merke, daß mir trotz des Trimineurins Tränen in die Augen treten, als ich die Nachricht von seinem Tod in den Nachrichten höre. Denver Pyle, Jack Elam oder Hank Worden, die unvergeßlichen Charakterdarsteller aus den Filmen von John Ford: Die alte Garde – sie macht sich bereit für den Ritt in die Ewigkeit.
»Sie weinen ja, Mr. Rowland«, bemerkt Schwester Elisabete und reicht mir ein Papiertaschentuch.
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reißwolf
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Beiträge: 138



Beitrag07.06.2007 10:08

von reißwolf
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Hallo Ralphie!

Schon wieder fängst du mich mit dem authentischen Plaudern eines Ich-Erzählers ein. Es ist ein absolut glaubwürdiger Tonfall, ich höre förmlich die Stimmlage des Protas. Vor diesem Hintergrund wäre es auch heikel, unbedacht alle sprachlichen "Unarten" zu streichen. Denn bei Ich-Erzählern ergibt sich da ein Konflikt:

Gehobenes, handwerklich lupenreines Beschreiben steht hier der Authenzität des Umgangssprachlichen gegenüber. Vor allem, wenn der Ich-Erzähler ein Durchschnittstyp sein soll und nicht - wie etwa bei Felix Krull - ein virtuoser Sprachjongleur, muß man ihm schon den einen oder anderen Anglizismus, die eine oder andere unoriginelle Floskel zugestehen. Und ich finde, diesen Spagat vollziehst du ausgezeichnet, indem du einen Trick anwendest:
Der Prota erzählt zwar in der Tat sehr gekonnt, weit besser als ein Durchschnittstyp es authentischerweise täte. Jedoch versteckst du diese Tatsache vor dem Leser. Die Wortwahl bleibt unauffällig, und das wirkliche Können steckt im scheinbar "aus Versehen" erfolgenden Spannungsaufbau.

Ergo: Was mich betrifft laß sowohl den Anglizismus drin (zumal Leute, die Timothy mit Vornamen heißen, normalerweise englisch sprechen), als auch die (von mir sonst nicht sehr geliebten) gängigen Sprachbilder, wie: "das Zeitliche gesegnet", "an den Rollstuhl gefesselt" oder den Duft, der die Nase etwas abgedroschen "umschmeichelt".

Ach, und die Wortwiederholung mit "Ruhe" stößt mir überhaupt nicht auf, und zwar aus folgendem Grund: Die zweite "Ruhe" ist ja nur ein Aufgreifen der ersten, vom Doktor verordneten "Ruhe". Der Witz liegt ja gerade darin, daß genau das, was der Doktor verodnet, nicht zu finden ist. Also ist es völlig legitim, ja sogar ratsam, auch dasselbe Wort zu verwenden.

In einem Punkt muß ich jedoch Monosoph recht geben: Spezifiziere das Fachgebiet des Doktors, schreibe etwas wie: "eine Koryphäe auf dem Gebiet der Polyamphitaminologie".

Zu deinem zweiten Text schreibe ich was, wenn ich etwas mehr Zeit habe.

Gruß, Reißwolf
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Ralphie
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Beitrag07.06.2007 10:27

von Ralphie
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Die Ich-Form benutze ich, weil mir da am wenigsten in die Erzählperspektive hineinpfuschen kann, denn eigentlich mag ich sie nicht.
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reißwolf
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Beiträge: 138



Beitrag08.06.2007 00:51

von reißwolf
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Morgen Ralphie,

Zitat:
Ich leide an einer neurotischen Depression, konstatiert Dr. Rüegli. Das beschleunige mein Siechtum, behauptet er.
Seine Diagnose stört mich nicht.

Das "leide" (hier im Konjunktiv I, Präsens) muß wegen der Verwechslungsgefahr mit Indikativ Präsens in den Konjunktiv II Präsens geändert werden: "Ich litte...". Wenn das für die Sprache des Protas zu geschraubt klingt, könnte man auch umgangssprachlich auf Konjunktiv II, Futur I gehen: "Ich würde leiden..." (Ok, das war jetzt nur geliehene Schläue: Ich habe gegoogelt...)

Allgemein:
Ob der Text deprimierend genug ist, weiß ich nicht. Wie hätten's denn gern? So bedrückend wie möglich? Dann ist da noch was drin, denke ich. Angst vor Kitsch würde ich da noch nicht haben. Die deprimierendste Stelle ist für meinen Geschmack der letze Satz im obigen Zitat, also die Gleichgültigkeit. Das ist die nächsthöhere Depressionsstufe nach Tränen.

Da du gesagt hast, daß du im Moment nicht weiterkommst, und da ich oben ohnehin schon geschlaumeiert habe, maße ich mir mal an, ein bischen zu erzählen, wie ich in meinen Romanen deprimierende Szenen konzipiere:

Ich würze sie mit Beklemmung. Und die kommt zustande, wenn man ein Mißverhältnis zwischen a) den deprimierenden Umständen und b) der Reaktion von betroffenen Figuren herstellt. Genauer: Wenn die Figuren „unangemessen“ auf etwas Deprimierendes reagieren. Würden sie einfach nur Tränen vergießen, wäre ja alles in gewohnter Ordnung und der Leser würde nicht weiter belastet.

Gleichgültigkeit angesichts schrecklicher Umstände ist schon eine deutlich beklemmendere Reaktion. Die gleichgültige Figur verweigert dem Leser nämlich das stellvertretende Ausleben der Emotion, der Leser wird mit dem Gefühl allein gelassen, er bleibt - im Wortsinne – trostlos.
 
Ich weiß ja nicht, wie weit du den Bogen spannen willst, aber richtig fürchterlich wird es, wenn du das Schreckliche gar mit völlig unangemessener Fröhlichkeit koppelst. Das funktioniert nicht? Denk dir mal folgende Szene: Ein Flüchtlingslager in Afrika, Seuchen, sterbende Menschen, Hunde bellen, Babys schreien. Und jetzt lenkt die Kamera (oder der Autor) den Blick auf ein gleichförmig seilhüpfendes Mädchen, was immer wieder dieselbe Strophe aus "somewhere over the rainbow" singt. Kitschig? Nein, denn es ist echt. Kinder toben, spielen und singen immer und überall, selbst in KZs haben sie es getan. Apropos: Lies dir nochmal die Todesfuge durch, wo das Unfassliche mit Assoziationen aus Schönheit, Spiel und Ästhetik gekoppelt wird. Und dann dieser geradezu tanzende Rhythmus... Angesichts dieses beklemmenden Kontrastes bleibt einem sogar das Schlucken im Halse stecken.

Sehr gelungen finde ich in diesem Zusammenhang übrigens auch diesen Text aus unserem Forum. Das langsame Sterben des Vaters wird mit dem Abspielen eines fröhlichen Super8-Films aus der Kindheit kontrastiert. Keine Träne fließt, alles ist in eine fast unerträglich trostlose Gleichgültigkeit getaucht. Das verstehe ich unter "deprimierend" (Wenn dieser Text nicht als "gelungenste Sterbeszene" nominiert wird, muß man sich dringende Sorgen um die Urteilskraft der Forumsmitglieder machen...)

Ich habe mich mal über zwei Jahre um eine Szene herumgedrückt, von der ich sicher war, daß ich an ihr schriftstellerisch scheitern würde: Ich mußte die emotionale Subjektive eines Mädchens beschreiben, kurz nachdem es vergewaltigt wurde (ich bin übrigens männlich). Mit dem oben beschriebenen Konzept habe ich mich dann endlich getraut und das Ganze in einer Nacht runtergeschrieben. Ich bin zwar nicht zufrieden, aber wenigstens konnte ich auf diese Weise vermeiden, daß sie unfreiwillig verharmlosend wurde, wie mir Testleserinnen versichern.

Ok, genug geschwafelt, es geht schließlich um deinen Text. Vielleicht sind meine Anregungen und Hinweise auf Dritttexte (Oh Gottt!), sofern sie überhaupt etwas Neues für dich enthalten, wenigstens ein bischen inspirierend.

Gruß, Reißwolf
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Ralphie
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Beitrag27.12.2007 18:51

von Ralphie
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So, das Ding kommt jetzt Anfang Januar with a little help from MosesBob, SylviaB, Brynhilda und Terror heraus. Falls ich jemand vergessen habe, darf er/sie mich zum Essen einladen.  lol

Den Titel verrate ich euch, sobald ich ihn selber weiß. Smile
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Gabi
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Beiträge: 1216
Wohnort: Köln


Beitrag27.12.2007 19:02

von Gabi
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Hey Super! Gratuliere!

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Ralphie
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Beitrag27.12.2007 19:58

von Ralphie
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Danke. Inzwischen hat Esmeralda sich dran gewöhnt.  Very Happy
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MosesBob
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Administrator
Alter: 44
Beiträge: 18339

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Beitrag27.12.2007 20:53

von MosesBob
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Veröffentlicht wird der Roman dann unter dem Akronym Dieter Samuel Fosters-Ohlmann.  Laughing

_________________
Das Leben geht weiter – das tut es immer.
(James Herbert)

Die letzte Stimme, die man hört, bevor die Welt untergeht, wird die eines Experten sein, der versichert, das sei technisch unmöglich.
(Sir Peter Ustinov)

Der Weise lebt still inmitten der Welt, sein Herz ist ein offener Raum.
(Laotse)
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