Flug nach Sydney

[Mana]

Flug nach Sydney

Dr. Allyn Joyce betrachtete die Wolken, die langsam an ihr vorbeizogen. Sie war keine von den Menschen, die zwanghaft versuchten irgendwelche Formen in den Wolken zu erkennen. Vielmehr war sie ein Mensch, der immer eine rationale, meist sogar wissenschaftliche Erklärung parat hatte. Ihr war bewusst, dass Wolken nichts weiter als Wasserdampf waren. Allyn war vertraut mit den Gesetzen der Physik, die man sich zunutze machte, um ein Passagierflugzeug, dessen maximale Startmasse 204.500 kg betrug, grazil durch die Luft fliegen zu lassen. Sie kannte sämtliche öffentlich bekannten technischen Daten über das Flugzeug, und sogar ein paar geheime. Sie rief sich kurz Spannweite, Länge, Tragfläche und Leergewicht ins Gedächtnis. Nur fiel ihr keine glaubwürdige Erklärung ein, warum sie immer wieder, vergeblich versuchte sich mit all diesen Fakten, von ihrer Flugangst abzulenken. Noch weniger kannte sie den Grund für ihre Angst. Sie hatte bereits zahlreiche Versuche unternommen ihre Panik zu bekämpfen. Mehrere Gruppentherapien, Hypnose, und sogar Medikamente halfen nicht. Es war durchaus ein ernst zu nehmendes Problem, da sie beruflich viel auf Reisen war. Allyn rückte ihr Sitzkissen zurecht, und genoss die Annehmlichkeiten der ersten Klasse. Am meisten genoss sie dabei die Ruhe, die verbunden war mit einem Einzelplatz. Das Fenster direkt an ihrem Platz war angesichts ihrer Flugangst nicht die beste Wahl, aber sie wollte nicht, dass ein irrationales Gefühl ihr Leben bestimmt. Einen Platz woanders als am Fenster, hätte für sie bedeutet, gegen ihre Angst verloren zu haben. Das konnte sie auf keinen Fall akzeptieren.

Sie ah sich um, dabei bemerkte sie ein paar Reihen vor ihr ein Mädchen, das sie anlächelte. Das Mädchen war vielleicht zehn oder elf Jahre alt, und huschte ihrer Mutter hinterher. Das Kind winkte Allyn im vorbeigehen zu, und erst als das Mädchen sich einige Meter weiter noch mal zu ihr umdrehte, winkte sie zurück. Allyn schaute nervös an die Decke, und zählte die kybernetischen Grundgesetze auf, die in jedem künstlichen Gehirn vorhanden waren, und deren eigentlichen Intellekt ausmachte. Sie helfen dabei soziales Verhalten von Menschen zu studieren, und sie in bestimmte Kategorien einzuordnen, um es gegebenenfalls zu imitieren, oder das eigene Verhalten darauf abzustimmen. Allyn dachte noch eine Weile darüber nach, ob sie selbst auch in Regelkreisen denken würde. Flughöhe wirkte verstärkend auf ihre Angst, aber ihre Angst hatte keinerlei Einfluss auf die Flughöhe. Vielleicht war ihre Machtlosigkeit, die Tatsache, dass sie selbst nicht am Steuer saß, der Grund für ihre Angst.

Nach einem geistigen Vortrag über die evolutionäre Veranlagung von Menschen zu bestimmten Verhaltensweisen, die auch bestimmte Ängste mit einbezogen, stand Allyn auf. Sie griff in das Fach über ihrem Platz und holte eine weiße Kunststoffplatte und eine Lesebrille aus ihrem Handgepäck hervor. Sie setzte sich wieder, dann legte sie die dünne Platte, die kaum größer war als ein Blatt Papier, auf den Tisch vor ihr. Eine gegen den Uhrzeigersinn gerichtete Bewegung auf der Oberfläche der Platte aktivierte es. Eine kurze Melodie ertönte. Allyn legte die Brille an, die es ihr ermöglichte, das dreidimensionale Benutzerhologramm des Computers zu sehen. Dann bewegte sie die Finger ihrer rechten Hand einige Zentimeter über der Platte, als würde sie auf einem unsichtbaren Klavier spielen. Während sie mit ihren Fingern herumwirbelte registrierten hochempfindliche Sensoren in der Platte jede Fingerbewegung, und ordneten sie achtundsechzig möglichen Eingaben zu. So konnte sie mit bestimmten Fingerstellungen Buchstaben, Zahlen und Befehle eingeben.

Nachdem sie einen kleinen Reisebericht für ihr Tagebuch verfasst hatte, schaute Allyn in ihr Postfach. Fünf Nachrichten. Die erste Mail war von ihrer Mutter, die sie bereits gelesen hatte, aber noch nicht beantwortet. Die nächste Mail war von ihrer Firma, sie enthielt wichtige Daten, deren Inhalt sie gerade auf ihre Festplatte zog. Dies gelang indem sie das dreidimensionale Icon, dass den Anhang darstellte, mit Zeige- und Mittelfinger berührte. In dem Augenblick als sie ihren Daumen an ihre Hand anlehnte, flackerte das Icon kurz auf. Nun zog sie das Icon nach oben auf ein anderes Symbol, dass ihre Festplatte darstellte. Als sie den Daumen wieder zurückzog flackerte das Icon wieder auf, und die Anlage aus der Mail wurde auf ihre Festplatte kopiert. Die nächste Mail in ihrem Postfach war von einem Hotel in Sydney. Es war eine Reservierungsbestätigung und die Benachrichtigung, dass ein Mietwagen für sie am Flughafen bereitstehen würde. Auf der nächsten Mail stand der Name eines türkischen Arztes. Dr. Seyfi Orhan. Allyns Augenbrauen zogen sich kurz zusammen, es war wie ein ungewolltes Zucken, dass zuviel verriet. Dann verschob sie die Mail in den Papierkorb, ohne sie zu lesen.

Die nächste Mail war von einem Kollegen, mit dem sie die letzten Wochen zusammen gearbeitet hatte. Sie enthielt einen kurzen Abschlussbericht von ihrem Aufenthalt in der Türkei. Die erste Modellreihe von Androiden, an deren Programmierung Allyn beteiligt war, wurde erfolgreich in den Büros der türkischen Regierung in Betrieb genommen. Es gab kaum Demonstrationen oder andere Zwischenfälle, die ein sensibles Projekt wie dieses gefährdet hätten. Die meiste Zeit arbeitete Allyn für ihre Firma an Projekten wie dieses. Durch ihre Position als Angestellte einer offiziellen Behörde, die sowohl von verschiedenen Regierungen, als auch privaten Firmen finanziert wurde, genoss sie ganz besondere Einblicke in das Weltgeschehen. So war sie fast überall in der Welt an der Aufklärung von Kriminalfällen beteiligt, bei denen ein Missbrauch von hoch entwickelter Technologie stattfand. Oftmals wurden Intelligenzen infiltriert und neu programmiert. Dadurch hatte Allyn schon Erfahrung mit Mord, Geiselnahmen, und sogar internationalen Terrorismus. Eine Durchsage des Piloten informierte die Passagiere darüber, dass das Flugzeug im Landeanflug war. Allyn atmete kurz auf und schob das Haar aus ihrem Gesicht.

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Dies ist ein Ausschnitt aus meiner "Maschinen"-Geschichte. Ich habe lange an diesem Charakter gefeilt, und bin offen für eure Gedanken und Kommentare... Danke fürs lesen.

Edit: Auf Wunsch Manas habe ich den ursprünglichen Text duch eine neue Version ersetzt, in der er die in den bisherigen Diskussion aufgelaufenen Vorschläge und Anregungen eingearbeitet hat.
Stand: 23.10.2009  16:01Uhr  - Merlinor

[m-chen]

Yay, erste.

Okay, ich bin eigentlich kein Sci-Fi (darf ich es Sci-Fi nennen?)-Fan, aber ich fand diesen Ausschnitt recht nett.

Ein paar Sachen, die mir aufgefallen sind:

[Felix]

Moin Mana,

die Charakterisierung deines Protas ist dir eigentlich ziemlich gut gelungen, man merkt, dass du dir da einige Gedanken gemacht hast.
Wirklich gestört hat mich auch nur die "Abhandlung" über die kybernetischen Gesetze. M-chen hat recht, dieser erklärende Einschub wirkt an dieser Stelle fehl am Platz, reißt einem aus dem bisherigen Lesefluss heraus und klingt eher nach Fachliteratur.
Denselben Eindruck hatte ich auch bei deiner Beschreibung der Benutzeroberfläche des Labtops. Deine Idee kommt rüber, und sie ist gut, aber irgendwie wirkt die Beschreibung noch etwas hölzern. Ich muss allerdings gestehen, dass mir auf Anhieb auch keine bessere Art einfällt es zu erklären, insofern darf ich da gar nicht zu viel sagen.

Die Idee mit den ersten in der Türkei gebauten Androiden ist wirklich interessant. Gibts nen bestimmten Grund für die Türkei? Schätze mal das wird in der weiteren Geschichte geklärt

mfg

Felix

[BlackRider]

Allyn Joyce = Dr Susan Calvin?

Ich glaube, ich darf da gar nicht viel sagen, weil ich auch zu sowas neige... aber hast Du da nicht etwas viel technischen klrimskrams und etwas zuwenig Handlung drin?

Also, anfangen darfst Du so gar nicht. Wenns mal mittendrin ist, dann waere ich persoenlich sogar heiss auf solche kleinen Ausfluege in die Technik von morgen

Schwer zu sagen, ohne den groesseren Rahmen zu kennen, aber das klingt hier schon etwas geballt nach schoen ausgedachter Welt, aber keine Geschichte. Postense doch mal etwas Handlung

[Michael Zima]

Servus Mana,

du schreibst selbst, es ist ein Ausschnitt. In mir, dem Leser, hast du das Interesse geweckt, mehr darüber zu erfahren.

Ich konnte rasch in deinem Text versinken. Die ausführliche Beschreibung der Regelkreise hat mich nicht gestört, allerdings war ich bei den technischen Beschreibungen überfordert und in Versuchung, einige Zeilen zu überfliegen.
Du musst dir vorstellen, ich lese deine Geschichte, sehe Allyn vor mir, im Flugzeug, weiß über ihre Flugangst Bescheid – versinke in deinem Text- dann kommt das Mädchen… plötzlich bin ich mit einer Bedienungsanleitung eines technischen Gerätes konfrontiert, bin aus dem Lesefluss gerissen und hab mühe den Beschreibungen zu folgen.

Die Beschreibung der Flugangst und wie Allyn versucht damit fertig zu werden, wirkt auf mich zu technisch – kalt – kein Gefühl, aber vielleicht ist das so in deinem Sinne und Allyn ist durch und durch, eine eiskalte, berechnende Frau.

[Mana]

Liebe Chen,

erstmal dank ich dir fürs lesen.

[Pütchen]

Hallo Mana,

dein Schreibstil gefällt mir
Tariq hatte ich ja auch angelesen, nun muss ich doch endlich hier auch mal kommentieren

Ich konnte mich gut in Allyn hineinversetzen, sie ist gut beschrieben. Auch die scheinbare Kälte hat mich eigentlich nicht gestört, denn man verdrängt doch gerne mal etwas und wirkt dadurch vielleicht nach außen hin kalt

Ich denke, zu der "Übertechnisierung" der kinetischen Energie brauch ich nix mehr zu sagen. Die Botschaft kam an.

Ansonsten hab ich ein paar Kleinigkeiten:

[Mana]

Liebes Pütchen,

vielen Dank fürs lesen, und für die netten Worte.
Ob es weiter geht? Na klar. Nur wohl eher so um Weihnachten rum.

Zur Tragflügelfläche: Wie es genau dazu kommen konnte kann ich nicht mehr sagen. Hatte wohl Flügelspannweite und Tragefläche vermischt^^

[Mana]

Hab den Text jetzt aktualisiert, ein paar Kleinigkeiten werd ich die nächsten Tage noch bereinigen.