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Mammon


 
 
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Mana
Mensch

Alter: 39
Beiträge: 2227
Wohnort: Düsseldorf


Apollon
Beitrag09.10.2009 13:31
Mammon
von Mana
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Mammon

In jedem von uns schlummern Dämonen, die uns auf dem Pfad durch unser inneres Labyrinth prüfen. Wir blicken in die schwarzen Flammen unserer Seele, und sehen dort die peitschende Bestie. Doch in ihren Augen sehen wir nicht die grässliche Gestalt, die sie ist. Jeder sieht etwas anderes, dass herab blickt. Einige sehen Schuld, und werden von ihrer Sünde verschlungen. Manche sehen einen falschen Gott, und kommen vom Weg ab. Doch nur wenige sehen Hoffnung, und in ihnen entflammt ein Funke der Erlösung.

Joel spürte wie die Aufregung und Panik, die als kalter Schweiß seinen Nacken herunter rann, begann sich zu legen. Sein Hinterkopf schmerzte, aber wenigstens hatte die Welt aufgehört hin und her zu schwanken. Da war eine Frage die Joel sich stellen wollte, die ihn unentwegt zu fesseln schien. Aber sie hatte sich irgendwo in seinem Verstand verirrt. Sie war nun kaum mehr als ein verschwommenes Bild. Eine Fata Morgana.

Aber da war noch das, was Joel sah: Wo einst Stahltürme die Wolken streiften, waren nun Ruinen, begraben unter Sanddünen aus Staub und Asche. Er schaute in das Bildnis der Apokalypse. Pechschwarze Wolken zogen über den Sternenhimmel, gleich einem dunklen Drachen, und ein zinnoberroter Mond drohte auf die zerstörte Welt zu stürzen. Gelegentlich ein Rabenkrächzen.

Dann regte sich sein Verstand, ein Zahnrad begann zu knirschen. Er erinnerte sich wieder an die Frage, die ihn so verrückt machte. Hatte Joel nicht seinen Dämon gebändigt? Wo war dann sein Frieden? Er hatte sich doch in den Kopf geschossen, um es zu Ende zu bringen. War dies die Hölle? Dennoch spürte er immer noch die Hoffnung in den Augen seines Dämons. Selbst hier, wo alles unter einem Mantel aus Eiseskälte, Stille und Ödnis lag, gleich einer Wüste der Dunkelheit.

Ein stummer Wind huschte umher und trieb den modrigen Geruch von Tod in Joels Nase. Er war ein Pilger, in einer Welt, in der alles Heilige längst zerfallen, und lediglich das gottlose übrig geblieben war. Obgleich er sich wohl mehr als Streuner sah, denn seit jeher gab es keinen Ort, an dem er Geborgenheit oder Glück fand. Es war wie ein Fluch, der ihn von Geburt an begleitete, und in der Nacht flüsterte er gelegentlich: “brenne.”

Der Pilger erinnerte sich noch an eine Welt voller Lärm und Smog. Wirres Menschgetümmel zwischen Götzen aus Stahl und Glas. Neid, Gier und Hass. Apollon war eine Stadt aus Sünde. Aber diese Welt war vergangen. Nun herrschte ein neuer Monarch, und sein Name war Tod. Aus seine Augen traten Tränen aus purpurnen Blut, die zwischen den schwarzen, schuppigen Furchen seiner Haut herab floßen. Joel wusste nicht was mit dieser Welt geschehen war, wie sie zerstört wurde, oder wie er überlebt hatte. Und die Frage nach dem wann, kam ihm nicht in den Sinn, so schien selbst die Zeit verloren.

Eine Windböe kratzte über seine nackte Brust und überraschte ihn. Eine seltsame Nervosität stieg aus seiner Brust und krabbelte über seinen Rücken, wo sie ihm eine Gänsehaut bescherte. Joel konnte nicht wissen was mit seinen Augen war, aber irgendwie ahnte er es. Das Weiß in ihnen war verschwunden und erschreckender Schwärze gewichen. Er stand auf den Trümmern eines zerfallenen Wolkenkratzers, wo er bis zum Horizont nichts als Zerstörung sah, als plötzlich in der Ferne, inmitten der schwarzen Schwaden, eine Gestalt hin und her huschte. Einige Augenblicke vergingen, dann zogen weitere Gestalten umher. Joel war, als würden die Schatten, wie Jagdhunde, gehetzt vom Teufel persönlich, auf ihn zutreiben. Sein Herz schlug schneller. Er atmete tief ein, presste die Luft in seine Lungen, und als er ausatmete rauschte eine Hitzewelle von seinem Körper in alle Richtungen. Das verbliebene Blau in seinen Augen begann zu brennen.

____________________________________________________________

Ich habe mich die letzten Tage wieder meinem Lieblingsprojekt zugewandt. Ursprünglich sollte dies am Ende stehen, aber ich frage mich, ob man das auch ganz am Anfang, quasi als erstes Kapitel verwenden kann. Mich würde eure Meinung interessieren.



_________________
Der Verstand schreibt mit Tinte, das Herz mit Leidenschaft...

Wissenschaft ist ein stahlharter Metalldildo zum umschnallen.- Vince Masuka

Mein Lieblingsepigramm:
"Ich selbst bin Ewigkeit, wenn ich die Zeit verlasse
Und mich in gott und gott in mich zusammenfasse." von Johannes Scheffler
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Felix
Geschlecht:männlichEselsohr
F

Alter: 36
Beiträge: 338



F
Beitrag09.10.2009 17:51

von Felix
Antworten mit Zitat

Moin Mana,

ich kenne den Rest der Geschichte nicht, an deren Anfang/Ende dieser Textabschnitt stehen soll, also kann ich eigentlich ganz unvoreingenommen antworten.
Meiner Meinung nach würde sich der Text prima als Einstieg eignen. Schon die ersten Zeilen führen den Leser in die Geschichte ein, wohingegen sie am Ende einer Geschichte auf mich wie eine etwas offensichtliche Moral wirken würden (aber ich kenne die Geschichte ja nich). Außerdem wirft der Abschnitt ja genug Fragen auf, die durchaus Spannung erzeugen und einen die Antwort erfahren lassen wollen.
Warum hat sich Joel erschossen? Was hat es nun mit der Welt auf sich?

Zumindest sind das die Fragen, die ich mir gerade stelle, aber dürfte wohl vielen so gehen wink. Ganz abgesehen davon, dass dein Stil äußerst bildhaft ist und eine lebendige Szenerie vor dem inneren Auge entstehen lässt. Was besseres gibt es ja eigentlich nicht für einen Einstieg.

mfg

Felix


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F.S. Fitzgerald
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Alogius
Geschlecht:männlichKinnbeber

Alter: 47
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Die Goldene Bushaltestelle Goldene Feder Prosa (Anzahl: 2)


Vom Verschwinden der Muse
Beitrag09.10.2009 18:14

von Alogius
Antworten mit Zitat

Hi,

ich lese den Text auch als einen Anfang:
Es werden zahlreiche Fragen aufgeworfen - angefangen mit der Frage, warum genau er sich erschossen hat (denn die Erklärung ist ja zur Zeit noch eher vage - was für einen Einstieg spricht), bis zur Frage nach der Gestalt der Welt. Und nicht nur die: Was ist passiert bzw. ist das, was er nun sieht und erlebt überhaupt real? Kann es real sein, wenn er doch tot sein müsste?
Du siehst, da stecken auch einige philosophische Fragen drin.
Interessanter Ansatz.

Der Start ist sehr bildhaft, und die Bilder sind auch stimmig. Sie schaffen einen spannenden Einstieg, der auch sprachlich ansprechend umgesetzt ist. Vielleicht wäre es interessant, den Kopfschuss darzustellen - den Moment. Gäbe einen intensiveren Beginn, wenn es nicht nur als eine Art Nebensächlichkeit in einer Rückschau dargestellt wäre - kann sein, dass das noch kommt, dann habe ich nichts gesagt.
Interessant ist die Verwendung des Wortes "Pilger", was natürlich weitere Assoziationen wecken dürfte.

Diese Passage will sich mir noch nicht recht erschließen:
Zitat:
Der Pilger erinnerte sich noch an eine Welt voller Lärm und Smog. Wirres Menschgetümmel zwischen Götzen aus Stahl und Glas. Neid, Gier und Hass. Apollon war eine Stadt aus Sünde. Aber diese Welt war vergangen. Nun herrschte ein neuer Monarch, und sein Name war Tod. Aus seine Augen traten Tränen aus purpurnen Blut, die zwischen den schwarzen, schuppigen Furchen seiner Haut herab floßen. Joel wusste nicht was mit dieser Welt geschehen war, wie sie zerstört wurde, oder wie er überlebt hatte. Und die Frage nach dem wann, kam ihm nicht in den Sinn, so schien selbst die Zeit verloren.

->
Der erste Teil wirkt sehr moralisierend. Die Welt ist ja jetzt nicht unbedingt besser, so sie real ist. Verdiente Strafe, könnte man sagen. Es genügt vielleicht ein Umformulieren: "Götzen", "Neid, Gier und Hass" sind die Reizworte, die man vielleicht subtiler verteilen könnte. Ebenso die "Sünde".
Der zweite Teil (ab "Aus seineN Augen...") wirkt (a) sehr rätselhaft, obwohl man natürlich bei der Erwähnung von Purpur assoziieren kann und (b) dann sehr einfach ("Joel wusste nicht..."): Hier fehlt die Sorgfalt der anderen Textpassagen etwas.
Die verlorene Zeit wiederum drückt auch sehr schön aus, was er da erlebt.

Insgesamt ein lohnenswertes Projekt. Einige Feinheiten könnte man ausbessern, wie oben angemerkt.
Mich würde mehr interessieren!

Danke
Gruß
Tom


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Aus einem Traum:
Entsetzter Gartenzwerg: Es gibt immer noch ein nullteres Fußballfeld. Wir werden viele Evolutionen verpassen.
Busfahrer: Tröste dich. Mit etwas Glück sehen wir den Tentakel des Yankeespielers, wie er den Ereignishorizont des Schwarzen Loches verlässt.
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Mana
Mensch

Alter: 39
Beiträge: 2227
Wohnort: Düsseldorf


Apollon
Beitrag09.10.2009 21:48

von Mana
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Lieber Felix, lieber Alogius,

ich freue mich über eure Kommentare, besonders da ihr die Vorgeschichte ja nicht kennt. Beim Festival der flinken Finger ist mir nämlich eine große Schwäche von mir aufgefallen: Ich brauche ewig, bis die Leser kapieren worauf ich hinaus will. Da hab ich mir gedacht, warum dann nicht damit direkt anfangen, einfach Peng drauf los, kein drumherum Gebrabbel.

Warum, und wie Joel sich den Kopfschuss setzt ist doch superwichtig... sowas werd ich nimmernich aus lassen.

Mir gings hier um einen Ansatzpunkt, und den habe ich, denke ich gefunden. Viel Arbeit und Zeit werde ich hier auf jeden noch investieren, schließlich arbeite ich seit fast zehn jahren an dem Unding. Da werd ich nichts verschenken.
Zitat:

Der erste Teil wirkt sehr moralisierend. Die Welt ist ja jetzt nicht unbedingt besser, so sie real ist. Verdiente Strafe, könnte man sagen. Es genügt vielleicht ein Umformulieren: "Götzen", "Neid, Gier und Hass" sind die Reizworte, die man vielleicht subtiler verteilen könnte. Ebenso die "Sünde".

Das verdiente Strafe ist genau mein Ansatz, wird es auf große dauer nicht vielleicht ein gewinn für die Erde sein, wenn wir nicht mehr sind? In Zeiten der globalen Erwährmung, und Umweltverschmutzung, meiner Ansicht nach eine berechtigte Frage. Das mit dem subtiler wäre wohl aber wirklich etwas geschickter, der Leser sollte lieber selbst entdecken was an der vorhergegangenen Welt so schlecht war. Wenn ich so ein Schild davorsetze: "hier die waren schlecht", dann wirke ich zu sehr wie ein Moralprediger, der zu sehr schwarz und weiß sieht.

Gruß Ralf


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Alogius
Geschlecht:männlichKinnbeber

Alter: 47
Beiträge: 3206

Die Goldene Bushaltestelle Goldene Feder Prosa (Anzahl: 2)


Vom Verschwinden der Muse
Beitrag10.10.2009 09:21

von Alogius
Antworten mit Zitat

Zitat:
Das mit dem subtiler wäre wohl aber wirklich etwas geschickter, der Leser sollte lieber selbst entdecken was an der vorhergegangenen Welt so schlecht war. Wenn ich so ein Schild davorsetze: "hier die waren schlecht", dann wirke ich zu sehr wie ein Moralprediger, der zu sehr schwarz und weiß sieht.


Genau das meinte ich. Nicht weglassen, sondern "schleichender" verpacken. wink


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Enfant Terrible
Geschlecht:weiblichalte Motzbirne

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Beiträge: 7278
Wohnort: München


Ein Fingerhut voller Tränen - Ein Gedichtband
Beitrag10.10.2009 09:58

von Enfant Terrible
Antworten mit Zitat

Auch ich muss zugeben, dass mir die Moral in deinen Formulierungen manchmal zu "gewaltig" ist, der Zeigefinger droht mich zu erschlagen. Hier hätte ich mir statt des prophetenhaften Heraufbeschwörens immer düsterer Bilder ein schleichendes Grauen gewünscht, das einen direkt ins innere Labyrinth hineinversetzt. Lass den Leser die Welt von innen heraus entdecken, fälle nicht für ihn Urteil über die Schlechtigkeit, steige nicht ein mit einem (gewiss wohlformulierten, aber dennoch bindenden) "Damit das klar ist, hier kommt eine knallharte Dystopie".

Im Detail:

Zitat:
In jedem von uns schlummern Dämonen, die uns auf dem Pfad durch unser inneres Labyrinth prüfen.

Kein außergewöhnlich origineller, aber allemal packender Einstieg. Du könntest ihn eventuell straffer formulieren, etwas zusammenziehen, denn der Pfad und der Labyrinth sind ein bisschen zuviel. Ich hätte es etwa so umgeschrieben: Das innere Labyrinth eines jeden ist von Dämonen bevölkert. An jeder Kreuzung lauern sie, uns zu prüfen.

Zitat:
Wir blicken in die schwarzen Flammen unserer Seele, und sehen dort die peitschende Bestie. Doch in ihren Augen sehen wir nicht die grässliche Gestalt, die sie ist. Jeder sieht etwas anderes, dass herab blickt. Einige sehen Schuld, und werden von ihrer Sünde verschlungen. Manche sehen einen falschen Gott, und kommen vom Weg ab. Doch nur wenige sehen Hoffnung, und in ihnen entflammt ein Funke der Erlösung.

Das ist mir eindeutig zu überladen. Schwarze Flammen, peitschende Bestien, grässliche Gestalt ... du wirfst mit Schreckensbildern nur so um dich, das mit dem falschen Gott finde ich wieder viel zu fingerzeigend. Deine Aussage ist aber, dass für jeden dieser innere Dämon eine eiegene Gestalt abnimmt, dass jeder seine eigene Sünde hat. Könntest du das nicht ein wenig straffer formulieren? Völlig unglaubwürdig wirkt danach der Funke der Erlösung. Vorhin schreibst du ja, dass man in den schwarzen Flammen der Seele die Beste erblickt. Wo soll da Platz für Erlösung sein? Die Verbindung ist unlogisch.

Zitat:
Joel spürte wie die Aufregung und Panik, die als kalter Schweiß seinen Nacken herunter rann, begann sich zu legen.

Der Satz läuft wegen der Konstruktion "begann sich zu legen" nicht ganz rund, zumal Letzteres nicht zu der Schweiß-Umschreibung passt. Beziehe dich stärker auf das Bild, etwa so: Langsam verdunstete die Angst, die als kalter Schweiß Joels Nacken hinabrann.

Zitat:
Da war eine Frage die Joel sich stellen wollte, die ihn unentwegt zu fesseln schien. Aber sie hatte sich irgendwo in seinem Verstand verirrt. Sie war nun kaum mehr als ein verschwommenes Bild. Eine Fata Morgana.

Den kursiven Abschnitt finde ich ebenfalls holperig; du könntest ihn eigentlich weglassen, zumal der nächste Halbsatz bei inhaltsgleicher Aussage viel stärker formuliert ist. Ich habe mir die Freiheit genommen, auch das Folgende ein bisschen umzuschreiben: Es gab eine Frage, die Joel unentwegt fesselte. Aber sie hatte sich irgendwo in seinem Verstand verwirrt, sich zu einem verschwommenen Bild aufgelöst. Einer Fata Morgana.

Zitat:
Aber da war noch das, was Joel sah: Wo einst Stahltürme die Wolken streiften, waren nun Ruinen, begraben unter Sanddünen aus Staub und Asche. Er schaute in das Bildnis der Apokalypse. Pechschwarze Wolken zogen über den Sternenhimmel, gleich einem dunklen Drachen, und ein zinnoberroter Mond drohte auf die zerstörte Welt zu stürzen. Gelegentlich ein Rabenkrächzen

Eines vorweg: Ich liebe alles Dystopische, Apokalyptische. Aber das ist selbst für meinen Geschmack einfach zu viel. Du packst in einen Absatz den ganzen apokalyptischen Ballast, die gesamten allzu typischen Bilder, die es gibt. Eines alleine für sich wäre schon zuviel; die Summe ist kaum genießbar, weil weit zu überladen. Dieses übertrieben Wuchtige zerstört jede Stimmung.
Viel beängstigender fände ich eine Vision, die dem "Gigantischen" abschwört. Kleinere, persönlichere Bildnisse der Zerstörung wären um einiges eindringlicher als anonyme Stahltürme, Ruinen oder dergleichen. Zerstörung wird durch den Menschen ausgelöst und hat den Menschen auch als Ziel - deswegen sind all diese abgedroschenen Bilder viel zu anonym, um zu wirken. Verstehst du, was ich meine?

Zitat:
Dann regte sich sein Verstand, ein Zahnrad begann zu knirschen. Hatte Joel nicht seinen Dämon gebändigt? Wo war dann sein Frieden? Er hatte sich doch in den Kopf geschossen, um es zu Ende zu bringen. War dies die Hölle?

Wie schon im ersten Absatz, der sich um die Frage dreht, würde ich hier auch straffen, das schwächere einleitende Bild zugunsten des stärkeren streichen: In seinem Verstand nahm ein Zahnrad knirschend seine Arbeit auf.
Dafür, dass die unbekannte Frage ein bedeutendes Spannungselement war, ist mir die Auflösung viel zu einfach, weil dieses "Hat er seinen Dämon besiegt" eigentlich gar keine wirkliche Frage ist.

Zitat:
Selbst hier, wo alles unter einem Mantel aus Eiseskälte, Stille und Ödnis lag, gleich einer Wüste der Dunkelheit.

Wieder melden all meine Sensoren Kitschalarm.

Zitat:
Ein stummer Wind huschte umher und trieb den modrigen Geruch von Tod in Joels Nase. Er war ein Pilger, in einer Welt, in der alles Heilige längst zerfallen, und lediglich das gottlose übrig geblieben war. Obgleich er sich wohl mehr als Streuner sah, denn seit jeher gab es keinen Ort, an dem er Geborgenheit oder Glück fand. Es war wie ein Fluch, der ihn von Geburt an begleitete, und in der Nacht flüsterte er gelegentlich: “brenne.”

Diesen Absatz finde ich eindrucksvoll. Hier stimmt die Bildkomposition, es liest sich eindringlich und zum ersten Mal steigt unter dem Bombast echte Kälte auf, die beim Lesen berührt.
Nur ein kleiner Rechtschreibfehler: So wie das Heilige, musst du auch das Gottlose groß schreiben.

Zitat:
Der Pilger erinnerte sich noch an eine Welt voller Lärm und Smog. Wirres Menschgetümmel zwischen Götzen aus Stahl und Glas. Neid, Gier und Hass. Apollon war eine Stadt aus Sünde. Aber diese Welt war vergangen. Nun herrschte ein neuer Monarch, und sein Name war Tod. Aus seine Augen traten Tränen aus purpurnen Blut, die zwischen den schwarzen, schuppigen Furchen seiner Haut herab floßen. Joel wusste nicht was mit dieser Welt geschehen war, wie sie zerstört wurde, oder wie er überlebt hatte. Und die Frage nach dem wann, kam ihm nicht in den Sinn, so schien selbst die Zeit verloren.

Hier kommt der düstere Kitsch nicht mehr ganz so unbeholfen daher, allerdings würde auch diese Passage erst durch Abspecken volle Wirkung entfalten. Den kursiven Satz würde ich streichen, es ist ein völlig überzogenes, dabei nichts sagendes Bild.

Der letzte Absatz gefällt mir im Großen und Ganzen, weil hier Stimmung und ein Bild aufgebaut wird.
Diese Leseprobe krankt allerdings sehr stark an dem Übertriebenen der Darstellungen von Zerstörung. Du bleibt vage, steigerst die Bilder dabei weit jenseits des Glaubwürdigen. Fast bin ich versucht, hier das böse Wort "Geschwafel" auszuspucken. Ich finde es traurig, dass du eine sehr gute, eindringliche Kernidee unter Allgemeinplätzen begraben hast. Mein Tipp wäre, die Handlung mehr voranzutreiben und sich auf Joel zu konzentrieren, seine Innenwelt, seine Gefühle - ist hier nicht die größte Zerstörung zu verzeichnen?


_________________
"...und ich bringe dir das Feuer
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