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elsistmama
Erklärbär
E Alter: 75 Beiträge: 2
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E 01.10.2009 09:19 Er ist wieder da von elsistmama
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Er ist wieder da
© Elke Link
Plötzlich stockt mein Atem, während dessen ich mich im Badezimmerspiegel beobachte.
Ich habe mit mir selbst Blickkontakt und erkenne Sprachlosigkeit und eine aufkommende Angst in meinen Augen. Die Unheimlichkeit dieser Situation lässt - für einen Moment - alle meine weiteren Bewegungen einfrieren.
Ich weiß, dass ich alleine im Hause bin. Wie jeden Abend habe ich die Fensterläden geschlossen und die Haustüre mit dem Sicherheitsschloss verriegelt.
Vorsorglich habe ich, bevor es dunkel wurde, nochmal von innen am Garagentor gerüttelt, um mich zu vergewissern, dass es zu ist.
Seitdem ich alleine bin, habe ich Angst vor der Nacht, Angst alleine zu sein.
Und nun höre ich Geräusche, nicht irgendwelche undefinierbaren Geräusche, sondern ganz spezielle aus dem oberen Stockwerk meines Hauses.
"Das Badewasser rauscht", stelle ich mit Erschrecken fest. "Und mit welcher Macht schießt es im oberen Badezimmer in die Wanne hinein!"
"Es ist außer mir niemand im Hause - oder?", ist mein nächster Gedanke.
Mittlerweile stehe ich am Fuße der Treppe, die in die obere Etage führt und bin auf alles gefasst. Jetzt bemerke ich, dass jemand mittlerweile das Badewasser abgedreht haben muss, ich höre ein Plätschern und, was mich noch mehr erzittern lässt, eine vertraute Männerstimme, die leise vor sich hin singt.
"Jo - er ist wieder da", ist mein nächster Gedanke.
Es ist kaum zu fassen, dass ER da sein soll. Wir haben ihn doch letzten Monat zu Grabe getragen. Er kann nicht oben in der Badewanne sitzen und singen.
Vorsichtig und kaum zu hören, steige ich auf Zehenspitzen Treppenstufe für Treppenstufe nach oben. Mein Blick fällt auf die, nur ein ganz klein wenig geöffnete Badezimmertür, durch die ein Lichtstrahl, ein ganz schwacher dünner, nach draußen zu mir dringt.
Wieder diese furchtbare Angst, die mir den Hals rauf steigt und mir den Boden unter den Füßen wegzuziehen droht.
Und nun höre ich Musik, leise Musik, und ein "Komm doch herein, Kleines", veranlasst mich, ganz langsam die Türe zu öffnen.
Die Badewanne ist leer. Ich starre auf das Wasser, auf welchem ein rotes Rosenblatt schwimmt. Nur die Wellen, die Jo verursacht, plätschern an die Badewannenwand.
Ich entkleide mich langsam, hebe meinen Fuß über den Rand der Badewanne und steige in das Wasser, ganz vorsichtig, um IHM so wenig wie möglich Platz wegzunehmen.
Nun liege ich ganz ruhig in diesem Wasser, fühle seinen Blick, der auf mir ruht, beobachte die Wellen, die mir so viel erzählen, dazu seine Stimme, die singt ...
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MosesBob
Gehirn²
 Administrator Alter: 43 Beiträge: 20123
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 01.10.2009 21:37
von MosesBob
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Hallo Elke und herzlich willkommen im DSFo!
Zunächst möchte ich zur Audioversion sagen, dass du ein paar sehr schöne Betonungen auf die Worte legst, wobei die Geschichte mit Sicherheit noch flüssiger und souveräner vorgelesen werden kann. Deine Stimme ist jedenfalls sehr angenehm, wenn auch noch etwas zaghaft und defensiv. Zur Geschichte selbst, also in der geschriebenen Version, muss ich leider sagen, dass sie mich nicht überzeugen konnte. Der Spannungsaufbau schwächelt, weil es dir kaum gelingt, Atmosphäre aufzubauen. In kaum einem Satz kann ich wirklich in die Psyche der Protagonistin eintauchen und nachempfinden, was in ihr vorgeht. Ich erfahre es nur anhand vager Worte, anhand der Darstellungen, nicht aber am eigenen Leib. Hinzu kommt, dass die inneren Monologe den Eindruck erwecken, aufdringliche Stichwortgeber für die weitere Handlung zu sein; außerdem klingen sie etwas gekünstelt (Beispiel: "Und mit welcher Macht schießt es im oberen Badezimmer in die Wanne hinein!" - hier finde ich die Wortwahl überzogen). Das macht die Geschichte vorhersehbar. Sie birgt keine große Überraschung und ermöglicht somit auch kein Mitfiebern, obwohl dir der sentimentale Schluss ganz gut gelungen ist. Nur der Aufbau wirkt leider mau. Die Geschichte geht mit jedem Satz voran, aber sie beschleunigt ihren Puls nicht und führt mich nicht in die Tiefe. Ich bleibe an der Oberfläche. Kein sanftes Gruseln im Vorwege, kein Mitreißen - und folglich auch leider keine Empathie zum Schluss.
Bitte nicht böse sein, aber das ist mein Eindruck.
Viele Grüße,
Martin
_________________ Das Leben geht weiter – das tut es immer.
(James Herbert)
Die letzte Stimme, die man hört, bevor die Welt untergeht, wird die eines Experten sein, der versichert, das sei technisch unmöglich.
(Sir Peter Ustinov)
Der Weise lebt still inmitten der Welt, sein Herz ist ein offener Raum.
(Laotse) |
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BlueNote
Stimme der Vernunft

Beiträge: 7670 Wohnort: NBY

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 03.10.2009 18:03
von BlueNote
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Hallo Elke,
ich habe deinen Text angehört und dabei mitgelesen - auf diese Weise hat er mir sehr gut gefallen. Wie er wirkt, wenn man ihn nur liest, kann ich also gar nicht mehr sagen. Mir gefällt gerade das Karge bzw. dass du beim Erzählen nicht so dick aufträgst. Ich könnte mir den Text gut im Nachtradio vorstellen bzw. dass man ihn kurz vor dem Einschlummern hört - vielleicht unterlegt mit der passenden Musik. Danach kann man wahrscheinlich erst einmal nicht mehr einschlafen.
Doch, dein Text hat mir gut gefallen ... Ich fand's spannend!
BlueNote
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elsistmama
Erklärbär
E Alter: 75 Beiträge: 2
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Klaus
Eselsohr
K Alter: 72 Beiträge: 247 Wohnort: Irgendwo im Nirgendwo
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K 21.10.2009 08:54
von Klaus
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Hallo Elke,
zwanzig Jahre? Dreißig Jahre? Manchmal genügt schon ein Tag, eine Stunde oder weniger, um Vertrautheit zu schaffen, von der es sich jedoch immer irgendwann gilt zu verabschieden. Bemessen können hier meist nur die, die solch einen endgültigen Abschied schon einmal erlebt haben.
Empfindungen beim Lesen:
Eine Reflexion der eigene Gedankenwelt, ein sich im Text wieder finden, sich bestätigt fühlen, nicht allein sein mit diesen Emotionen. Es gibt also auch noch andere, die genau so fühlen.
Dieses "feeling" in Worte und Sätze zu verpacken ist dir doch zunächst einmal, finde ich, gelungen. Es wäre, denke ich, nicht einmal notwendig gewesen hier einen Spannungsbogen aufzubauen. Texte solcher Art brauchen das nicht. Sie entfalten ihre Wirkung allein in ihrer inneren Konsistenz.
Nicht immer muss sich ein entwickelter oder ein sich entwickelnder Schreibstil dem Leser anpassen. Wo bliebe sonst die eigene Note?
Ein Text muss also nicht unbedingt die Voraussetzung erfüllen allen zu gefallen. Zunächst muss er dir gefallen und erst in zweiter Linie dem Leser. Vorausgesetzt natürlich, dass du eben nicht irgendwelchen Gesetzen des Marktes verplichtet bist. Schreibst du für einen Verlag und hier für eine bestimmte Lesergruppe wirst du, wenn dir Erfolg wichtig ist, dich in deinem Schreibstil anpassen müssen. Ich sehe diese Notwendigkeit hier bei diesem Text aber nicht.
Gern gelesen.
Gruß von
Klaus
Wortwiederholungen vermeiden oder umschreiben:
"Mittlerweile"
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MT
Reißwolf
 Alter: 51 Beiträge: 1182 Wohnort: Im Süden (Niedersachsens)
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 21.10.2009 09:55
von MT
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Hallo zusammen,
ich habe die Geschichte erst gelesen und dann angehört. Mir gefällt beides! Es fehlt für mich auch nicht etwa Atmosphäre, der Text gewinnt gerade dadurch, dass er nicht die Badeinrichtung, die Haarfarbe, die konkrete Gefühlswelt beschreibt. Dem Leser bleibt genug Raum, um sich sein eigenes Bild zu verschaffen. Das ist gut.
Ja, die Geschichte ist schnell vorhersehbar. Das schadet ihr aber nicht. Denn ein letzter Zweifel bleibt, was hinter der Tür bzw. in der Badewanne los ist.
Eine Frau, die vor kurzem ihren Mann/ihre Liebe zu Grabe getragen (schöne Formulierung übrigens) hat: Ich konnte mit ihr fühlen.
Sehr gern gelesen.
MT
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