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Nihil { }
Moderator Alter: 34 Beiträge: 6039
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22.10.2009 19:04 IV. e) Asiatische Gedichtformen von Nihil
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Die Ghasel
Die Ghasel ist eine, aus dem arabischen Sprachraum stammende Gedichtform, die im Zuge der Romantik auch in den deutschen Sprachraum Eingang fand. Man interessierte sich damals für diesen „mystischen“ Kulturkreis, genau wie man in der Romantik das Mittelalter zu einem goldenen Zeitalter erhob. Wer sich damit beschäftigen möchte, der möge sich mit Goethes weltbekannten Gedichtband „Westöstlicher Divan“ beschäftigen (Divan ist der Begriff für einen Gedichtband im arabischen Sprachraum), wobei die Ghasel selbst nicht oft darin zu finden ist. Die Form darin war Goethe zu streng. Das Reimschema ist nämlich folgendes:
a a
b a
c a
d a
e a
f a
g a usw,
Im Deutschen wurde dabei meist mit fünfhebigen Jamben gearbeitet. Ich habe mir erlaubt, das Beispiel selber zu schreiben. Es ist nicht ganz ernst zu nehmen, ich hab es mit meiner jungen Cousine geschrieben. Aber wir hatten eine Menge Spaß.
Wohin der treue Jägersmann auch sieht,
In Flammen steht das ganze Waldgebiet.
Doch irgendwo in Mitten dieses Rauchs
Vernimmt er leis von Fern ein Klagelied.
Es knistert laut in Feuersbrunst und Glut.
Wenn er nicht hilft, dann stirbt der Eremit,
Der dort lebt seit vielen, vielen Jahrn
In einer Hütte tief im Waldgebiet
Doch jetzt schlägt Feuer aus dem Blätterdach.
Der Jäger hört es schrein: „Mein Herr ich biet
Mein Leben dem, der kommt und mich befreit.
Ich bin ein Mensch, ein armer Eremit.“
Das Rufen schwindet und verstirbt dann ganz.
Der Jägersmann weiß nicht, wie ihm geschieht.
Hilflos steht er vor der Feuerwand
Und schreit noch einmal auf, bevor er flieht.
Zwar lyrisch nicht sonderlich wertvoll, aber als kleines Experiment ganz nett, wie ich finde.
Das Haiku
Das Haiku (俳句 ) ist eine japanische Gedichtform und bedeutet wörtlich übersetzt „lustiger Vers“. Mit Humor hat das Haiku jedoch weniger zu tun, vielmehr stellt es eine Art meditativer Momentaufnahme der Natur dar. Stilmittel jeglicher Art, etwa Metaphern, Inversionen, sind ebenso wie Abstraktion verboten. Lediglich naturalistische Schilderungen sind erlaubt. Es ist übrigens auch die kürzeste Gedichtform der Welt, denn es verfügt nur über drei Verse mit 5, 7 und wieder 5 Silben.
Hier ergibt sich für Nichtjapaner jedoch ein Problem. Das Japanische besteht aus Silben wie ka, shi und tsu, die jeweils einer [url=http://de.wikipedia.org/wiki/Mora_(Einheit)]Mora[/url] entsprechen. Das Deutsche ist phonologisch nicht so gleichmäßig aufgebaut wie das Japanische, z. B. entspricht das Wort „schlecht“ mindestens drei Moren. Streng genommen müsste man also die Zeit der Verse messen und nicht die Silben. Es ist für Europäer daher schwierig, die Ruhe und Gleichmäßigkeit durch den Klang auszudrücken, wie es ein Japaner kann.
Deswegen zunächst ein paar original japanische Gedichte:
秋の道
日かげに入りて
日に出でて
Aki no michi,
hikage ni irite,
hi ni idete
Herbstweg.
Ich gehe hinein in den Schatten,
gehe hinaus in die Sonne.
松風に
誘はれて鳴く
蟬一つ
Matsukaze ni,
sasowarete naku,
semi hitotsu
Eingeladen vom Wind,
der in den Kiefern weht,
es zirpt eine Grille.
Und im Vergleich zwei „original“ deutsche Haikus:
Im Frühling grast ein Reh.
Der Tau fällt platschend nieder.
Zwei Ohren zucken.
Gelbes Gerstenkorn.
Die roten Blätter wirbeln.
Der Wind weht kälter.
Das Senryû
Eine Variation des Haikus ist das Senryû. Dieses hat die gleiche äußere Form wie das Haiku, befasst sich aber weniger mit der Natur, sondern mit dem Persönlichen, Emotionalen. Stilmittel sind hier erlaubt.
Beispiele:
Gedanken leben
Beide Lider sinken tief
Im Kopf ein Sterben
Liebe ist geheim
Das Herz ist wie ein Bunker
Offen nur bei Krach
Jeder soll für sich urteilen, welche Möglichkeiten ihm das Haiku / Senryû bietet bzw. sich die Frage stellen, ob ein Haiku im außerjapanischen Sprachraum überhaupt Sinn macht.
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Nihil { }
Moderator Alter: 34 Beiträge: 6039
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27.09.2010 13:06
von Nihil
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Wenn ihr Haikus und Senryûs üben möchtet, gibt es dafür einen Bereich in unserer Übungsecke:
Lyrik -> Gedichtgattungen -> Das Haiku
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