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III. b) Traditionelle Versformen

 
 
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Nihil
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Beiträge: 6039



Beitrag15.09.2009 18:46
III. b) Traditionelle Versformen
von Nihil
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Die Versformen

Bevor wir zu den verschiedenen Gedichtgattungen kommen, ist es hilfreich, sich zuvor mit etwas Einfacherem zu beschäftigen: den Versformen. Diese wurden hauptsächlich in antiken und klassischen Dramen verwendet, wenn man beispielsweise an griechische Tragödien wie „Elektra“ denkt, die durchgängig im jambischen Sechsheber verfasst wurden oder an Shakespeares Dichtung, in denen er häufig bis ausschließlich den Blankvers verwendet. Natürlich werden die Versformen auch in der Lyrik verwendet, einige Gedichtarten zeichnen sich sogar gerade durch den Gebrauch gewisser Versformen aus.


Alexandriner

Der Alexandriner wurde in Frankreich entwickelt und war dort lange Zeit der vorherrschende Vers in der Dramendichtung und der Poesie. Er besteht aus insgesamt sechs Jamben und in seiner Mitte ist eine deutliche Zäsur (= rhytmischer Einschnitt) bemerkbar.

Bsp.:
Du siehst, wohin du siehst, // nur Eitelkeit auf Erden.
Was dieser heute baut, // reißt jener morgen ein:
Wo itzund Städte stehn // wird eine Wiese sein,
Auf der ein Schäferskind // wird spielen mit den Herden.

[Gryphius]


Blankvers

Der Blankvers findet vor allem bei Shakespeare Verwendung. Nicht nur in dessen Dramen, sondern natürlich auch in seinen Sonetten. Der Blankvers (oder im Englischen „blank verse“) wird aus fünf Jamben gebildet. Sein Name rührt daher, dass er als frei stehender, reimloser Vers konzipiert wurde. Nichtsdestotrotz findet man auch bei Shakespeare Blankverse, die sich reimen. Man kann ihn also relativ locker gebrauchen.

Bsp.:
CARLOS
Hochwürdger Herr – ich habe sehr viel Unglück
Mit meinen Müttern. Meine erste Handlung,
Als ich das Licht der Welt erblickte, war
Ein Muttermord.

DOMINGO Ists möglich, gnädger Prinz?
Kann dieser Vorwurf Ihr Gewissen drücken?

[Schiller]

Hier erkennt man deutlich, dass ein Blankvers im Drama auch auf mehrere Sprecher aufgeteilt werden kann.

Bsp.:
He was my friend, faithful and just to me;
But Brutus says he was ambitious,
And Brutus is an honorable man.
He hath brought many captives home to Rome,
Whose ransoms did the general coffers fill.

[Shakespeare]

Und diese Strophe zeigt, dass auch im Blankvers Zäsuren möglich sind, wenn diese sparsam eingesetzt werden. Der erste und letzte Vers weichen vom jambischen Fünfheber ab.

Hexameter/ Pentameter

Der Hexameter wurde vor allem in der griechischen Dichtung verwendet und später in der Klassik von Goethe und Schiller wieder aufgegriffen. Er setzt sich aus sechs Dakylen zusammen, wobei im Deutschen die ersten vier davon vereinzelt durch Trochäen (oder - für die deutsche Sprache eher ungewöhnlich - Spondeen) ersetzt werden können. Der letzte Daktylus ist zudem für gewöhnlich um die letzte Silbe verkürzt, besteht also nur aus einer Hebung und einer Senkung.

Bsp.:
Sage mir, Muse, die Taten des vielgewanderten Mannes,
Welcher so weit geirrt nach der heiligen Troja Zerstörung.

[Homer]

Auf einen Hexameter folgt vor allem in der griechischen Dichtkunst häufig der Pentameter. Trotz des Namens besteht dieser ebenfalls aus sechs Hebungen.

- v v - v v - // - v v - v v -

Die beiden - durch die Zäsur getrennten Teile - sind absolut gleich aufgebaut. In der Mitte treffen zwei Hebungen aufeinander. Man nennt dies Hebungsprall. Die ersten beiden Daktylen können vereinzelt durch Trochäen (oder Spondeen) ersetzt werden.

Bsp.:
Und an der Schwelle noch, streng; // rief er zurück sein Geschenk.


Vers Libre / Endecasillabo / Freier Vers

Im französischen und italienischen Sprachraum hat sich eine andere Form der Metrik und damit auch der Versformen durchgesetzt. Hier unterschied man nicht zwischen Hebungen und Senkungen, sondern hat lediglich die Silben gezählt. Der vers libre (zu deutsch: freier Vers) besteht aus zehn Silben. Der Endecasillabo zählt dagegen elf Silben, wobei die zehnte Silbe immer betont wird.


Bsp.:
O diletti d'amor dubbi e fugaci (11)
O speranza che s'alza e cade spesso, (11)
E nasce e more in un momento istesso; (11)
O poca fede, o poco lunghe paci! (11)

[Stampa]

Der vers libre darf nicht mit dem deutschen Begriff „freier Vers“ verwechselt werden. Dieser unterliegt nämlich nicht einmal mehr der Regel der zehn Silben, sondern ist sowohl rhythmisch als auch die Silbenanzahl betreffend frei.

Bsp.:
Wie im Morgenglanze (6)
du rings mich anglühst, (5)
Frühling, Geliebter! (5)
Mit tausendfacher Liebeswonne (9)
sich an mein Herz drängt (5)
deiner ewigen Wärme (7)
heilig Gefühl, (4)
unendliche Schöne! (6)

[Goethe]


Knittelvers

Der Knittelvers war im 16. Jahrhundert in der deutschen Dramatik vorherrschend. Im Prinzip ist seine rhythmische Struktur frei, so dass er sich letztlich nur noch durch die Verwendung des Paarreims hervorhebt.

Es ist gewiss, dass, wenn man viel lacht,
man sich dadurch viele Freunde macht.

Zum Schluss noch eine kleine Buchempfehlung. Lehr- und hilfreich in jeder Hinsicht. Dazu nicht allzu teuer: Einführung in die Verslehre:

http://www.amazon.de/Einf%C3%BChrung-die-Verslehre-Hans-Dieter-Gelfert/dp/315015037X/ref=sr_1_1?ie=UTF8&s=books&qid=1253189285&sr=8-1
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Nihil
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Moderator
Alter: 34
Beiträge: 6039



Beitrag27.09.2010 13:56

von Nihil
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Wenn ihr diese Versformen praktisch üben möchtet, könnt ihr das in unserem Übungsbereich tun:

Lyrik -> Form -> Traditionelle Versformen
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