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Tiefgang
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Und ständig fließt Musik aus meiner Stromgitarre
Beitrag13.09.2009 22:42
Vielleicht irgendwann
von Tiefgang
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Es ist stickig, der Wind bläst gleichmäßig sanft von Osten. Optimale Voraussetzung, denkt Dave, der mit Daumen und Zeigefinger in seiner Bartwolle krault. Heute schaff ich das restliche Feldstück. Ein letzter Zug, bevor Dave seine Kippe an der Schuhsohle ausdämpft, sie ins dürre Gras wirft und saumselig mit dem leeren Wellblechkanister hin zu seinem Truck schlendert, der knapp außerhalb der Rodungsfläche parkt. Langsam schweift sein Blick über die weite Ebene, bis er in der Spiegelung der Rücksitzscheibe hängen bleibt.

Jenny fuhr einen blausilbernen Ford Pickup mit rotem Schriftzug, also genau genommen fuhr ihn Dave und Jenny fuhr bloß mit. Sie hatte die Riesenkarre bei einem Red Bull Preisausschreiben gewonnen und obwohl sie ihn nur ungern behalten wollte, wäre ein Verkauf mit all dem Steuerkram letztlich Schwachsinn gewesen. Und Jenny war nun mal nicht unüberlegt. Immer wieder betonte sie, dass sie ihn ja hätten weggeben können, aber mit der Zeit einfach zuviele Erinnerungen an das Auto gebunden seien. Der weiße Fleck, der sich wie eine Gewitterwolke durch die Rückbank zog, störte sie nicht, er erinnerte sie vielmehr an den Ausflug an die Ostküste und an das brennende Verlangen, das beide überkam und dazu führte, dass Dave mit klitschnasser Surfshorts auf dem dunklen Rücksitz landete, wo Jenny rücklings auf ihm kniete und mit gierigen Impulsen das Salz aus seiner Hose presste. Als es dann vorbei war, entlud sich der Himmel mit einem durchdringenden Donner. Es klarte auf und eine angenehm kühlende Strömung blies über ihre befreiten Körper und zerfiel in einer wärmenden Zufriedenheit. Unter ihnen vermischte sich das salzige Wasser mit dem Schweiß und verquoll in ihren Poren und sickerte in den Bezug.

Ein gleichmäßiges Glucksen schallt aus dem randvollen Kanister. Dave beobachtet inzwischen wie eine Weißfußmaus einen erlegten Hirschkäfer über den trockenen Boden zerrt und dann in einer Felsspalte verschwindet. Ein wenig von dem Benzingemisch schwappt über und landet plätschernd auf der Ladefläche. Dave zuckt mit den Brauen und fast wirkt es, als ob ihn etwas aus einer Blase gezogen hätte. Er greift das Auslaufrohr des Behälters und stöpselt es auf das Dünnblech. Mit den Fingern stopft er etwas Copenhagen Kautabak in seine Unterlippe – beim Roden wird nicht geraucht – und schlürft zurück auf das verwachsene Feldstück. Dort schweben einige Raubvögel über den löchrigen Büschen, vielleicht Aasgeier. Aus der Ferne dringt schwächlich das Getöse vom Highway in die gemächliche Ruhe, die auf dem Boden liegt. Unbeirrt steigt Dave zuerst über einen wuchtigen morschen Ast und schlängelt danach an aschgrauen Sträuchern hindurch zum Ende der Lichtung. Als er seinen Finger mit den Lippen benetzten will, dringt ein lautes Knacken aus den Sträuchern und eine Wildsau läuft grunzend am Waldrand entlang. Kurz überlegt Dave, seine Schrotflinte zu holen, steckt dann aber erneut den Finger in den Mund und hält ihn anschließend in den Wind. Er blickt sich um, geht dann einige Meter nach vorne und zieht dabei eine schlangenförmige Linie aus Benzin aufs hintere Ende der Rodungsfläche.

Immer wieder wurde er von Jenny zurechtgewiesen. Ihr gefiel einfach nicht, wie Dave sein Leben organisiert oder besser unorganisiert hatte. Während Jenny gern ihren Haushalt in Schuss hielt, Theaterstücke besuchte und auf Reisen ging, lebte Dave eher jeden Tag so als wäre es sein letzter gewesen. Er hauste im Pickup, von Kunst hielt er nichts und für andere Länder hatte er ohnehin nicht viel und schon gar kein Geld übrig. Jenny hatte Wirtschaft studiert und war von Anfang an darum bemüht gewesen, Dave die nötigen Arschtritte zu versetzten, denn Talent war ausreichend vorhanden. So entwickelte sich eine Beziehung aus Harmonie und Gegensatz, in der jeder bekam, was er brauchte; Jenny ein Ventil für den Tatendrang und Dave seinen ganz persönlichen Wegweiser.

Unter der Sonne löst sich einer der Vögel aus dem gleißenden Licht und setzt zum Sturzflug an. Dave stellt den Kanister ab und fummelt in seiner Hosentasche nach Streichhölzern. Bedächtig kickt er einige Kiesel zur Seite, wischt mit dem Zündkopf seitlich über die Schachtel und wirft das Holzstäbchen ans Ende des benzingetränkten Feldstreifens. Es zischt, eine mehrfarbige Flamme erhebt sich, folgt den Wellenlinien und verebbt dann in der Breite. Der Vogel hat sich inzwischen auf einem zerfetzten Kadaver niedergelassen – wohl doch ein Aasgeier – und wühlt mit dem Schnabel in den Überresten. Dave spuckt einen dunklen Strahl Kautabak ins Feuer, spricht halblaut zu sich und blickt dabei zufrieden auf das flimmernde Stück Erde. Der Anfang ist immer heikel.

Als Jenny wegging, um in Austin zu studieren, blieb Dave auf der Ranch zurück. Die weiten Flächen, die spontane Jagd, die ungezügelte Freiheit, das alles hätte Dave nicht missen wollen. Dann lieber Jenny vermissen, dachte er. In jeder Woche, in der Jenny fort war, ging Dave zu den großen Fangnetzen am oberen Ende des Hügels und befreite einen Vogel aus den Auffangtaschen der fein gewebten Netze. Irgendjemand brauche ich doch um mich rum, rechtfertigte er sein Hobby vor Jenny. Den ersten Fang benannte Dave  nach ihr. Danach fing er an, den Vögeln Kosenamen zu geben, die während der gemeinsamen Tage fielen. Desto mehr er jedoch Jenny vermisste, desto weniger kreativ wurde er damit. Pieps der Dritte, ein Kolibri, wurde schon während der Woche wieder freigelassen, Pieps der Achte, ein Sperling, flog gegen den Gartenzaun und Pieps der Vierundzwanzigste, eine Taube, bekam zu spüren, dass Jenny nicht immer gut zu Dave war.

Die schmale Brandfläche knistert sachte, ein kurzer Windstoß wirbelt Asche auf. Ein gelöstes Gefühl überkommt Dave, der schon die Hälfte des nächsten Streifens, der circa doppelt so groß wie der erste ist, mit Benzin begossen hat. Besser nichts überhasten. Feldstück für Feldstück arbeitet er sich gegen die Windrichtung vor und vergrößerst so die dahinterliegende Pufferzone. Die Brusttasche seines Flanellhemds vibriert. Dave hebt ab.
"Yo."
"Wie läufts, schon fertig?"
Sein Chef, also eigentlich sein Auftraggeber, klingt besonnen ruhig.
"Sieht gut aus, gib mir noch eine Stunde, ich fahre dann bei dir rum."
Danach beendet Dave das Gespräch und blickt auf das übrige Stück Wildwuchs.

Das Unwetter begann plötzlich. Sie liefen direkt ins Stockdunkel. Einzig das Wetterleuchten bot wenige Augenblicke der Orientierung. Dave stapfte voraus, Jenny hinterher, die Hände nach vorne gestreckt. Nach einigen Metern ins flackernde Nichts hielten sie an einer Betonfläche, vor ihnen nur das weite Land, das einzig durch eine wuchtige Eiche geteilt wurde. Es donnerte. Die Zeitabstände, in denen der Horizont hell aufleuchtete, verkürzten sich und mündeten in einem rastlosen Flackern. Ein Wildschwein rannte grunzend aus einem nahe gelegenen Busch und verschwand hinter einem anderen. Das Firmament glühte. Jenny ließ sich rückwärts auf den warmen Beton nieder, breitete die Arme aus und versank in dem Treiben. Ein Reh querte ihren Blick, ein Eisengatter schepperte, es donnerte. Dave lag neben ihr und hielt ihre Hand. Sie redeten nicht. Es wirkte, als ob ihre Körper im Lichtwechsel nach und nach verschmelzen würden.

Im Kreisflug beobachtet ein Falke wie Dave ein neues Streichholz aus der Schachtel fingert. Er zögert und lässt etwas aufgeweichten Tabak aus dem Mundwinkel fließen, der breiig in seinen Bartlocken kleben bleibt. Dave hat die Augen weit geöffnet, zwischen seinen Lippen eine Selbstgedrehte. Fast wirkt es, als würde er nun sein Handeln selbst aus der Perspektive des Falken verfolgen. Für einen Moment lang scheint die Umgebung still zu stehen; der Geier hat seinen Schnabel aus den Innereien erhoben und blickt mit unschuldig großen Augen zu Dave, kein Lärm ist zu hören und der Wind weht leicht aus der immer gleichen Richtung. Nichts auf dieser Erde bewegt sich in diesen Sekunden.

Der Wind dreht, wirft Dave aus der Thermik und beendet den Flug. Er lächelt, führt den entflammten Zündkopf zur Kippe und dreht dann murmelnd ab. Den Rest erledige ich ein anderes Mal.



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Beitrag14.09.2009 16:46
Re: Vielleicht irgendwann
von MrPink
Antworten mit Zitat

[quote="Tiefgang"]Es ist stickig, der Wind bläst gleichmäßig sanft von Osten. Optimale Voraussetzungen, denkt Dave, der mit Daumen und Zeigefinger in seiner Bartwolle krault. Heute schaff ich das restliche Feldstück. Dave zieht an seiner Kippe, wirft sie ins dürre Gras und schlendert saumselig(noch nie gehört, klingt aber gut) mit dem leeren Wellblechkanister(Bei Wellblech denke ich eher an ein Dach/Blechkanister?) hin zu seinem Truck, der knapp außerhalb der Rodungsfläche parkt. Langsam schweift sein Blick über die weite Ebene, bis er in der Spiegelung der Rücksitzscheibe hängen bleibt.

Jenny fuhr einen blausilbernen Ford Pickup mit rotem Schriftzug, also genau genommen fuhr ihn Dave und Jenny fuhr bloß mit. Sie hatte die Riesenkarre bei einem Red Bull Preisausschreiben gewonnen und obwohl sie ihn nur ungern behalten wollte, wäre ein Verkauf mit all dem Steuerkram letztlich Schwachsinn gewesen. Und Jenny war nun mal nicht unüberlegt. Immer wieder betonte sie, dass sie ihn ja hätten weggeben können, aber mit der Zeit einfach zuviele(ich glaube wird auseinander geschrieben: zuviel - zu viele) Erinnerungen an das Auto gebunden seien. Der weiße Fleck, der sich wie eine Gewitterwolke durch die Rückbank zog(der muss ja groß sein, ist den Alles daneben gegangen?Embarassed Die Gewitterwolke hat zwar Bezug zum Folgenden, aber muss es sein? Vorschlag: Der weiße Fleck, der wie eine Signatur der Leidenschaft die Rückbank zierte), störte sie nicht, er erinnerte sie vielmehr an den Ausflug an die Ostküste und an das brennende Verlangen(3x an: an den Ausflug zur Ostküste und das brennende..), das beide überkam und dazu führte, dass Dave mit klitschnasser Surfshorts auf dem dunklen Rücksitz landete, wo Jenny rücklings auf ihm kniete und mit gierigen Impulsen das Salz aus seiner Hose presste. Als es dann vorbei war, entlud sich der Himmel mit einem durchdringenden Donner. Es klarte auf und eine angenehm kühlende Strömung blies über ihre befreiten Körper und zerfiel in einer wärmenden Zufriedenheit. Unter ihnen vermischte sich das salzige Wasser mit dem Schweiß und verquoll in ihren Poren und sickerte in den Bezug. (gefällt mir)

Ein gleichmäßiges Glucksen schallt(klingt mir zu laut und Glucksen etwas ungeschickt - aber das Bild funktioniert, nur nicht, wenn er randvoll ist, dann läuft er doch über, dann eher was mit "überschwappen" oder so) aus dem randvollen Kanister. Dave beobachtet inzwischen wie eine Weißfußmaus einen erlegten Hirschkäfer über den trockenen Boden zerrt und dann in einer Felsspalte verschwindet.(schönes Detail) Ein wenig von dem Benzingemisch schwappt über und landet plätschernd auf der Ladefläche(da hast es eh schon drin, dann kannste das Glucksen doch einfach rauslassen?). Dave zuckt mit den Brauen und fast wirkt es, als ob ihn etwas aus einer Blase gezogen hätte(versteh ich nicht). Er greift das Auslaufrohr des Behälters und stöpselt es auf das Dünnblech. Mit den Fingern stopft er etwas Copenhagen Kautabak in seine Unterlippe(die Finger würd ich hier aus dem Spiel lassen, ist doch eh klar) – beim Roden wird nicht geraucht – und schlürft(hat bei uns eher mit Trinken oder Suppe zu tun - schlurft passt besser) zurück auf das verwachsene Feldstück. Dort schweben einige Raubvögel über den löchrigen Büschen, vielleicht Aasgeier(Der Satz könnte etwas mehr Atmosphäre vertragen: Ein paar Vögel zeichnen sich schemenhaft gegen die Sonne ab, vielleicht Aasgeier..oder so). Aus der Ferne dringt schwächlich das Getöse vom Highway in die gemächliche Ruhe, die auf dem Boden liegt. Unbeirrt steigt Dave zuerst über einen wuchtigen morschen Ast und schlängelt(sich) danach an aschgrauen Sträuchern hindurch(eher: vorbei oder er schlängelt sich durch sie hindurch) zum Ende der Lichtung. Als er seinen Finger mit den Lippen benetzten will, dringt ein lautes Knacken aus den Sträuchern und eine Wildsau(klingt irgendwie so unamerikanisch) läuft grunzend am Waldrand entlang. Kurz überlegt Dave, seine Schrotflinte zu holen, steckt dann aber erneut den Finger in den Mund und hält ihn anschließend in den Wind. Er blickt sich um, geht dann einige Meter nach vorne und zieht dabei eine schlangenförmige Linie aus Benzin aufs hintere Ende der Rodungsfläche.
(Hier würde ich komprimieren: Er verwirft den Gedanken, seine Pumpgun zu holen, erkundet mit befeuchtetem Zeigefinger die Windrichtung und gießt eine geschlängelte Benzinspur ans Ende der Rodungsfläche...oder so)

Das war´s erstmal. Rest folgt. Ich hoffe, ich habe nicht zu sehr reingepfuscht.

andi


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Tiefgang
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Und ständig fließt Musik aus meiner Stromgitarre
Beitrag14.09.2009 17:09

von Tiefgang
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Danke andi! Deine Anmerkungen haben mir allesamt sehr geholfen. Ich habe sie teils übernommen oder daraus etwas völlig Neues gemacht - jedenfalls sehr, sehr hilfreich, diese Art des Feedbacks.

Bin schon auf den Rest gespannt.


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Beitrag14.09.2009 18:21
Re: Vielleicht irgendwann
von MosesBob
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Moin Gerold!

Ich finde den Text nicht gut. Die erzählerischen Schwenker zwischen Gegenwart und Rückblende kommen am Anfang zu hastig. Schwierig, da mitzukommen. Schon der erste Übergang kommt so plötzlich, dass ich mich gefragt habe, was überhaupt passiert. Wo bin ich? Wo ist meine Gegenwart? An welchen roten Faden kann ich mich klammern?

Tiefgang hat Folgendes geschrieben:
Langsam schweift sein Blick über die weite Ebene, bis er in der Spiegelung der Rücksitzscheibe hängen bleibt.

Jenny fuhr einen blausilbernen Ford Pickup mit rotem Schriftzug, also genau genommen fuhr ihn Dave und Jenny fuhr bloß mit.

Vielleicht lasse ich auf meine alten Tage etwas nach im Kopf – aber in was für einer Spiegelung in der Rücksitzscheibe (meinst du eigentlich die Heckscheibe oder die Seitenscheibe?) bleibt Dave da hängen? Was soll mir diese Spiegelung sagen? Sitzt Dave schon auf dem Truck oder steht er noch draußen? Spiegelt er sich in der Scheibe oder die Landschaft – oder gar eine Erinnerung? Aus Sicht eines unbescholtenen Lesers: Der beinahe unauffällige Wechsel vom Präsens ins Präteritum reicht nicht aus, mir hier klar zu machen, dass gerade eine Rückblende stattfindet. Das begreife ich erst nach und nach. Und kaum dass ich es begriffen habe, wechseln wir schon wieder ins Präsens – und ich frage mich, was mir diese Rückblende nun wichtiges vermitteln wollte. Das ist alles zu konfus. Ich habe den Eindruck, auf unterschiedliche Puzzleteile zu blicken, die zusammengehören sollen, es aber nicht tun.

Hinzu kommt ein sehr merkwürdiger Erzählstil, wo ich selber erstmal gucken musste, was mich daran stört. Einen Übeltäter habe ich sofort gefunden: Zu viele überflüssige Adjektive! Du meinst es zu gut und zwängst mich als Leser ins Korsett deiner Vorstellungen. Dabei hätte ich unheimlich gerne mehr Spielraum für mein eigenes Kopfkino. Weiterhin finde ich die Sprache manchmal nicht klar – ich kann dir beim Erzählen nicht folgen.

Beispiele:

Tiefgang hat Folgendes geschrieben:
Ein letzter Zug, bevor Dave seine Kippe an der Schuhsohle ausdämpft, sie ins dürre Gras wirft und saumselig mit dem leeren Wellblechkanister hin zu seinem Truck schlendert, der knapp außerhalb der Rodungsfläche parkt.

Das sind alles Adjektive. Die sind zwar nicht alle überflüssig, aber mindestens zwei davon halte ich für absolut verzichtbar: Muss ich wirklich wissen, dass das Gras dürr ist? Nö. Dave steht an einer Rodungsfläche. Saftig grün wird das Gras da bestimmt nicht sein, oder? „Dürr“ würde ich also streichen, um den Satz zu entlasten. „Saumselig“ dagegen würde ich streichen, weil es doppelt gemoppelt ist. Dave schlendert. Wenn jemand schlendert, assoziiere ich damit ganz automatisch eine Saumseligkeit, Gelassenheit, Trägheit. Hast und Eile assoziiere ich damit jedenfalls nicht.

Tiefgang hat Folgendes geschrieben:
Es klarte auf und eine angenehm kühlende Strömung blies über ihre befreiten Körper und zerfiel in einer wärmenden Zufriedenheit. Unter ihnen vermischte sich das salzige Wasser mit dem Schweiß und verquoll in ihren Poren und sickerte in den Bezug.

Die beiden „und“ gehören gestrichen. Dass die Lake in ihren Poren verquoll, ist eine verzichtbare Information, die für sich allein genommen zwar schön klingt, hier aber zu viel des Guten ist – wie übrigens auch die wärmende Zufriedenheit. Was zerfiel eigentlich in die wärmende Zufriedenheit? Das sind zwei Puzzleteile, die einfach nicht einrasten, so sehr ich auch drauf rumhämmer.

Tiefgang hat Folgendes geschrieben:
Der weiße Fleck, der sich wie eine Gewitterwolke durch die Rückbank zog, störte sie nicht, er erinnerte sie vielmehr an den Ausflug an die Ostküste und an das brennende Verlangen, das beide überkam und dazu führte, dass Dave mit klitschnasser Surfshorts auf dem dunklen Rücksitz landete, wo Jenny rücklings auf ihm kniete und mit gierigen Impulsen das Salz aus seiner Hose presste.

Der Satz wird ab der fett markierten Stelle zum Monster. An diesem Absatz gefällt mir nur der unterstrichene Teil, der aber hervorragend.

Tiefgang hat Folgendes geschrieben:
Ein gleichmäßiges Glucksen schallt aus dem randvollen Kanister.

Hier harmonieren die Wörter nicht miteinander. Ein Glucksen ist für mich ein kurzer laut, der natürlich gleichmäßig ist. Dass dieses Glucksen aus dem Kanister schallt, ist übertrieben, was anhand der Duden-Erklärung vielleicht noch deutlicher wird: schallen – laut u. weithin vernehmlich [u. nachhaltend] tönen, weithin hörbar sein Dass der Kanister inzwischen randvoll ist, will ich mal so hinnehmen. Irritiert hat es mich nur, weil du am Anfang deiner Geschichte noch extra mit einem Adjektiv betontest, dass er leer ist. Und da du sonst so emsig darum beflissen bist, jede Handlung zu beschreiben, war ich kurz irritiert.

Tiefgang hat Folgendes geschrieben:
Dave beobachtet inzwischen wie eine Weißfußmaus einen erlegten Hirschkäfer über den trockenen Boden zerrt und dann in einer Felsspalte verschwindet. Ein wenig von dem Benzingemisch schwappt über und landet plätschernd auf der Ladefläche.

„Inzwischen“ kann weg. Die beiden Sätze fluchten nicht ineinander: Du erzählst von der Maus, die ihre Beute wegschleppt. Dann schwappt der Kanister über. Das wirkt zusammenhanglos und angeleimt.

Tiefgang hat Folgendes geschrieben:
Aus der Ferne dringt schwächlich das Getöse vom Highway in die gemächliche Ruhe, die auf dem Boden liegt.

Wenn das Getöse aus der Ferne kommt, wird es nicht mehr laut sein. Dass die Ruhe gemächlich ist, erschließt sich von selbst. Und warum sie auf dem Boden liegt, muss du mir noch erklären.

Tiefgang hat Folgendes geschrieben:
Unbeirrt steigt Dave zuerst über einen wuchtigen morschen Ast und schlängelt danach an aschgrauen Sträuchern hindurch zum Ende der Lichtung. Als er seinen Finger mit den Lippen benetzten will, dringt ein lautes Knacken aus den Sträuchern und eine Wildsau läuft grunzend am Waldrand entlang. Kurz überlegt Dave, seine Schrotflinte zu holen, steckt dann aber erneut den Finger in den Mund und hält ihn anschließend in den Wind. Er blickt sich um, geht dann einige Meter nach vorne und zieht dabei eine schlangenförmige Linie aus Benzin aufs hintere Ende der Rodungsfläche.

Es wird zunehmend langweiliger. Bis hierhin kann ich mir noch immer nicht so richtig vorstellen, was Dave für ein Mensch ist und worin genau eigentlich seine Aufgabe besteht. Das erfahre ich erst im Nachhinein. Vorschlag: Ich würde die Geschichte damit beginnen, dass er das Feld rodet. Pack in diesen Anfang alle Beschreibungen der Umgebung. Und erst wenn wir uns ein Bild von Dave geschaffen haben, kannst du die Rückblende angehen – vielleicht sogar mit einigen Dialogen, die diesen drögen Erzählstil sicherlich aufpeppeln. Du hast sehr viele Details darauf verwendet, einzelne Handlungen zu beschreiben, dabei aber das Erzählen vernachlässigt. Es plätschert vor sich hin. Diese parallele Erzählweise ist meiner Meinung nach eine Nummer zu groß für dich. Das klappt nicht.

So hart es klingt, aber ich würde den kompletten Anfang in dieser Form nicht beibehalten und mindestens 90% davon über Bord werfen. Mit den restlichen 10% würde ich einen Neuanfang starten. Dave rodet! Das ist nun kein Allerweltsjob. Die Tätigkeit allein ist Stoff genug, den Leser für deinen Text und für den Charakter Daves zu interessieren. Plaudere ein wenig über seinen Blowjob, indem du erzählst, anstatt zu beschreiben.

Dabei möchte ich es erstmal belassen. Vielleicht denkst du dir ja, der Moses, der ist so hohl, der hat den Schuss doch nicht gehört.  Shocked

Beste Grüße,

Martin

PS: Talentschmiede?


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Beitrag14.09.2009 18:30

von Ralphie
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Der Text ist im Präsenz. Wen willst du damit erreichen?
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Tiefgang
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Und ständig fließt Musik aus meiner Stromgitarre
Beitrag15.09.2009 15:34

von Tiefgang
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Hey MoBo,

danke für deine ausführlichen Anmerkungen. Schiebs mal in die Talentschmiede bitte.

Hallo Ralphie,

leider verstehe ich deine Frage nicht bzw. bin mir nicht sicher, was du mich genau fragen willst. Wenn du mir damit implizit sagst, dass du Prosa im Präsens per se abstempelst, dann sind wir ganz einfach unterschiedlicher Grundauffassung, denn ich mag Präsens-Prosa sehr gerne. Falls du aber was ganz anderes meinst, dann bräuchte ich, um antworten zu können, noch eine kleine Hilfestellung bzw. Konkretisierung.


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