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Roland von Melt - Des Inquisitors Abendlied (1 und 2)


 
 
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Alogius
Geschlecht:männlichKinnbeber

Alter: 47
Beiträge: 3206

Die Goldene Bushaltestelle Goldene Feder Prosa (Anzahl: 2)


Vom Verschwinden der Muse
Beitrag05.09.2009 14:37
Roland von Melt - Des Inquisitors Abendlied (1 und 2)
von Alogius
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Dieser Text ist Teil einer Figurenentwicklung, aber so eigenständig und abgeschlossen, dass ich ihn hier einstellen möchte. Möglich, dass er sich von meinen anderen Texten etwas unterscheidet. Erwartet aber keinen generellen Stilwechsel demnächst.^^ Kommentare erwünscht.
--------------

Roland von Melt

Des Inquisitors Abendlied


„Erscheint mir geeignet, Magnus. Meinst du nicht?“
„Ganz bestimmt. Ich warte an der Wegscheide.“

I

Die Mönche blickten verstohlen aus ihren Verstecken heraus. Schon bevor man anfangen konnte, hatten sie ihre Nischen und Winkel aufgesucht, um aus möglichst sicherer Entfernung das Schauspiel zu betrachten.
Vor einigen Tagen hatten ihre Mühen dafür Sorge getragen, die Angeklagte zu stellen. Im ganzen Dorf, auch in den Landstrichen der Umgebung, hatten sie ihre Untersuchungen angestellt, damit die hohen Herren aus der nächsten Stadt sogleich mit dem Werk beginnen könnten. Heute aber verbargen sie sich, denn man sagte dem Inquisitor nach, er sei kein Mann, der sich viel Zeit nahm, bis er den peinlichen Weg einschlug, das Urteil zu finden.
 
Roland von Melt betrat den großen Saal, wo man sich bereits versammelt hatte. Der Vogt zu Keilhus hatte Schärler aus seiner Bauernmiliz zur Verfügung gestellt. Die Hünen betraten hinter dem Inquisitor die Halle. Sie waren einfach bewaffnet; keine Hellebarden wie die Soldaten des Bachtaler Landgrafen trugen sie, sondern einfache Knüppel und Speere. Man hatte Herrn von Melt auch die Bachtaler Hellebardiere empfohlen, aber der groß gewachsene Mann hatte abgelehnt.
Offenbar, glaubten die verborgenen Mönche, war er sich seiner Sache wieder einmal sehr sicher. Roland von Melt galt als einer der blutrünstigsten Inquisitoren, doch ebenso lobten die Geistlichen seinen ungetrübten Scharfsinn, der hinter beinahe schwarzen Augen lauerte.
Fand von Melt einen Diener des Höllenfürsten, so bestätigte er seine spitzfindigen Aussagen und Fragen stets mit einem Lächeln auf den schmalen Lippen, die unter einem dichten Bart lagen.

Die Angeklagte, ein Mädchen mit roten Haaren, war die Tochter eines Wunderheilers. Da der Aberglaube in den Orten des Erzgebirges besonders in den letzten Jahren große Verbreitung gefunden hatte, war es keine Überraschung gewesen, dass der Wunderheiler Martin Squenz auch in Keilhus seine Kundschaft bekommen hatte.
Gemeinsam mit seiner Tochter Margaretha hatte er den Menschen aus der Hand gelesen, während sie ihnen die Zukunft aus einer Kristallkugel erzählt hatte. Auch lagen dem Inquisitor Berichte vor, wonach Herr Squenz bereits oben in Fichtelstieg, aber auch im ferneren Bachtal als Proktophantasmist gearbeitet hatte, eine besonders abscheuliche Art der Weissagung.
Seine Kräfte als Wunderheiler, so Martin Squenz, habe er nach einem Besuch des fernen Orients gewonnen, am Hofe eines mächtigen Kalifen.

Roland von Melt, der große Bewunderung für die Kreuzfahrer hatte, empfand nun tiefen Abscheu, als er die Berichte der Mönche las. Sie erkannten es an der Art seines Seufzens, das tief aus der Kehle kam, und an der Weise, wie seine dichten Augenbrauen sich weit über die Augen wölbten. Seine tiefe Narbe unter dem rechten Auge schien zu pochen. „Fangen wir an“, sprach er mit dunkler Stimme.



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Aus einem Traum:
Entsetzter Gartenzwerg: Es gibt immer noch ein nullteres Fußballfeld. Wir werden viele Evolutionen verpassen.
Busfahrer: Tröste dich. Mit etwas Glück sehen wir den Tentakel des Yankeespielers, wie er den Ereignishorizont des Schwarzen Loches verlässt.
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EdgarAllanPoe
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Alter: 32
Beiträge: 2356
Wohnort: Greifswald
Bronzene Harfe Die Goldene Bushaltestelle
Goldene Feder Lyrik


Die Tauben
Beitrag05.09.2009 15:02

von EdgarAllanPoe
Antworten mit Zitat

Zwar genügt dieser Ausschnitt mir nicht, einen bleibenden, gefestigen Eindruck von Roland von Melts Persönlichkeit zu bilden, aber ich kann nur betonen, dass es sich leicht lesen ließ und dass ich mich auch gerne einer Fortsetzung zuwenden würde. Trotz der mittelalterlichen Thematik und der damit verbundenen Sprache schaffst du es, den Inhalt in unseren heutigen Zeitraum zu transportieren und damit den Leser zu fesseln. Längen habe ich keine feststellen können, aber eine Frage hätte ich: Was genau ist ein "Proktophantasmist"? Das hört sich bedrohlich und spannend zugleich an.

Danke,

Eddie


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DasProjekt
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Beitrag05.09.2009 15:04

von DasProjekt
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Moin Alogius,

Eine Sache ist mir aufgefallen.
Gerade in einer dialogfreien Passage finde ich die Variierung der Satzlänge wichtig. In Dialogen kommt das meist von allein, in Erzählpassagen muss man sich oft dazu zwingen. Ich nehme mich selbst da nicht aus - Schachtelsätze muss ich mir immer wieder vorwerfen lassen. Ich habe in diesem Text leseflussmäßig keinen einzigen Satz ohne Komma registriert.


Aber ansonsten, was Wortwahl, Erzeugung von Gefühlen etc angeht, schön gemacht, leicht lesbar und sicher auch Interesse weckend, wenn auch:

Nicht unbedingt mein Gebiet, da ich eine Übersättigung des Histo-Marktes an Hexenthemen schon länger registriere und mich daher auch von Büchern, in denen es um Hexenverfolgung geht, prinzipiell fernhalte. Man könnte argumentieren, dass es damals "dazugehörte". Könnte man. Aber wenn ich mir meine Recherchen zum Leben in einer frühneuzeitlichen Kleinstadt im Harz ansehe, dann sind Hexenprozesse wahrscheinlich seltener gewesen, als wir heute glauben. Oftmals wurden Berichte, die noch im 18. oder 19. Jahrhundert dazu auftauchten, dann im 20. als Fälschungen oder Übertreibungen entlarvt.

Von dir würde ich gerne öfter mal (pseudo)historischen lesen (statt experimentelles  Wink ), dann kämen wir mit Sicherheit "übereinander"  Laughing


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Alogius
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Vom Verschwinden der Muse
Beitrag05.09.2009 16:08

von Alogius
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Danke an Euch beide. smile

@Eddie:
Das ist ein Steißgeisterseher und eine auf realen Vorbildern basierende Wortschöpfung Goethes. wink Arschleser!
In der zweiten Hälfte wird etwas Enthüllendes zu Roland folgen.

@DasProjekt:
Am Anfang ist einer ohne Komma. Razz
Ok, verstehe diese Bedenken. Mal schauen.
Warte den zweiten Teil ab, bis Du Dir ein Urteil bildest, was diesen kleinen Prozess angeht. wink
Danke für Dein Lob. Ab und an schreibe ich auch Unverschwurbeltes. wink

Danke
Gruß
Tom


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Enfant Terrible
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Ein Fingerhut voller Tränen - Ein Gedichtband
Beitrag05.09.2009 16:38

von Enfant Terrible
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Tut mir leid, lieber Tom.
Vielleicht ist es meine Scheuklappenmentalität, die mein Misstrauen gegen jegliches "Mal was anderes" schürt, aber mit diesem Text kann ich nicht so viel anfangen. Schlecht geschrieben ist er in meinen Augen nicht, da beherrscht du dein Handwerk zu gut ... aber eben nicht überragend.
Beim Lesen konnte sich für mich keine rechte Spannung aufbauen, weil für meinen Geschmack der Schreibstil hier doch ein wenig zu erzählerisch ist. Ist ja auch verständlich - du musst viel erzählen, erklären, um den Leser in diese historische Epoche zu versetzen. Allerdings leiden darunter Spannungs- und Atmosphäreaufbau deutlich; das Besondere der Geschichte geht verloren. Alles wirkt eben ein wenig gewollt, ein wenig zu sehr vom Kopf her.
Nur mein Eindruck, der sich allerdings bei mehrmaligem Lesen gefestigt hat. Kein schlechter Text, aber keiner, der sich in die Synapsen einzubrennen weiß.


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Alogius
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Vom Verschwinden der Muse
Beitrag05.09.2009 16:44

von Alogius
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Du musst Dich doch nicht entschuldigen!  Shocked

Mir ist klar, dass ich in dem Text viel erklären und erzählen MUSS, weshalb die von Dir genannten Dinge teilweise auch zutreffen.
Nicht jedem kann oder darf alles gefallen - da würde dann etwas nicht stimmen, denke ich.
(Dennoch danke ich für das Miniloben, was die Schreibe an sich betrifft.)

Mal sehen, den zweiten Teil werde ich eher morgen hier posten.

(Der Text ist, um lynchistisch zu werden, meine "Straight Story", ganz ohne Schnörkel, Metapher, Bilderreigen. Geradeaus.)


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Enfant Terrible
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Ein Fingerhut voller Tränen - Ein Gedichtband
Beitrag05.09.2009 16:45

von Enfant Terrible
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Alogius hat Folgendes geschrieben:
(Der Text ist, um lynchistisch zu werden, meine "Straight Story", ganz ohne Schnörkel, Metapher, Bilderreigen. Geradeaus.)

Bist du dir da wirklich sicher?  Very Happy


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DasProjekt
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Beitrag05.09.2009 16:47

von DasProjekt
Antworten mit Zitat

Ich habe hier aber doch das Gefühl, es sollte Teil von "etwas längerem" werden. Und "etwas längeres" verträgt nicht nur den langen Anlauf, es braucht ihn auch. Bei "etwas längerem" kann man den leuten ja nicht pausenlos die Atemnot um die Ohren hauen ...

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Alogius
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Vom Verschwinden der Muse
Beitrag05.09.2009 16:50

von Alogius
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DasProjekt hat Folgendes geschrieben:
Ich habe hier aber doch das Gefühl, es sollte Teil von "etwas längerem" werden. Und "etwas längeres" verträgt nicht nur den langen Anlauf, es braucht ihn auch. Bei "etwas längerem" kann man den leuten ja nicht pausenlos die Atemnot um die Ohren hauen ...


Um genau zu sein:
Es ist eine Art Vorgeschichte oder Prolog zu einem sehr langen Text, den ich zur Zeit verfasse (der aber aus mehreren Gründen hier nicht gepostet wird).
Dieser längere Text spielt in der gleichen Umgebung, Roland und Margaretha sind in diesem ebenso die Hauptfiguren.

@EnfantTerrible:

Ich glaube ja...  Razz


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Alogius
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Vom Verschwinden der Muse
Beitrag06.09.2009 13:32

von Alogius
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II

„Das ist ein Brustreißer“, grollte er, als er dem Mädchen eine riesige Zange aus Eisen demonstrierte.
An beiden Enden waren zwei große Haken angebracht.
„Damit, unschwer zu erraten, wird man dir die Brüste vom Leib ziehen, bevor du gerichtet wirst. Ich mag mir dein Geschrei und das ganze Blut gar nicht vorstellen“, sagte Roland von Melt mit offensichtlich gespieltem Bedauern.
Das Mädchen betrachtete die Zange mit leeren Augen. Ihr langes Haar lag wild durcheinander.
Die Territion ging weiter. Der Inquisitor hielt nun einen eisernen Trichter in der Hand.
„Damit sperren wir dein lästerliches Maul weit auf. Du wirst Pisse und Kot schlucken, vielleicht sogar das Blut aus deinen eigenen verderbten Lenden, mit denen du den Büttel verführt hast, dass er die gottlosen Praktiken deines Vaters verbreitet.“

Da ging selbst unter den Mönchen einen Raunen umher. Herr von Melt ließ keinen Zweifel, dass er die angedrohten Folterungen auch umsetzen würde. Das Mädchen hingegen sagte kein Wort und starrte ihn an.
„Damit bricht man dir den Kiefer. Vielleicht reißt man dir auch dein schäbiges Geschlecht auf, damit alles an Verderbnis und Scham deinen Leib verlassen kann“, sprach Roland von Melt, und er zeigte dem teilnahmslosen Mädchen die Mundbirne.
Der Inquisitor lachte schallend, nachdem er dem Mädchen noch weitere Instrumente gezeigt hatte. Sein riesiger Bauch bebte, so dass er ihn mit beiden Pranken halten musste.
Schließlich blätterte er nunmehr ohne Rührung in einer Kladde, die zusammen mit den Instrumenten auf einem Eichentisch lag. Er würdigte die Rothaarige keines Blickes.
Die Mönche konnten nur vermuten, dass er auf diese Weise der Ketzerin die Gelegenheit bot, ihre Lage zu überdenken, um zum einzig wahren Weg zurück zu finden.

Stille Bewunderung, aber ebenso Furcht durchfuhr die Geistlichen, als Herr von Melt plötzlich ein Lied pfiff. Es war ein altes Wanderlied, derart unpassend und fern der Lage, dass selbst die Wachen ratlos schauten.
Doch es fehlte nicht an Wirkung, denn Margaretha Squenz, die ihren Vater schon verloren hatte, schluchzte leise. Der Inquisitor gab ruhig und andachtsvoll sein Lied, aber nach einigen Augenblicken wurde er übertönt vom Gejammer des Mädchens.
„Bitte, Herr, tut mir nichts an, ich will ja gestehen!“, schrie sie.
Er aber war ganz vertieft im Wanderlied.
„Herr, bitte, ich gestehe! Ich bin eine Ketzerin, ich diene dem Bösen!“
Plötzlich fuhr er herum. Seine Augen zuckten.
„Du bist bereit, dem Teufel abzuschwören, dein Leben zu überdenken und dich in Gottes Dienst zu stellen? Voller Buße und Reue?“, fragte er triumphierend.
„Ja!“, rief sie laut.
Erleichterung überkam die Mönche.
„Ich glaube dir nicht. Das ist ein Narrenspiel des Teufels“, urteilte Roland von Melt enttäuscht.
„Seht nur, wie ihre Augen uns auslachen, wie ihr der Schleim aus lügnerischen Lippen rinnt!“, rief er.
Tatsächlich sahen die Mönche und Wachen, wie das Mädchen sich anschließend zu einem irren Gelächter zappelnd über den Boden wälzte. Ihr Geschrei war sicher weit außerhalb der Mauern noch zu hören. Herr von Melt hob bedauernd die Schultern, während die Hände gefaltet unter dem Bauch ruhten.
„Ich übernehme das selbst. Alle hinaus“, sagte er leise.

Die Mönche dankten dem Herrn, dass sie dies nicht anschauen mussten. Die verdutzten Wachen folgten ihnen hinaus. Die Geräusche von brechenden Knochen, gespreiztem Metall und platzendem Fleisch verfolgten sie bis in den Hof.
Erst nach einer Stunde verließ Roland von Melt den Saal, trat in den Hof und fasste sich ans Herz.
„Sie ist ihren einzig möglichen Weg gegangen. Verbrennt ihre Überreste“, murmelte er.
An seinen Händen war viel Blut. Die Wachen trugen die verstümmelten Reste von Margaretha Squenz in den Hof. Man schichtete bereits Holz auf.

Als die Leiche in Flammen stand, wanderte Roland von Melt bereits zu seinen nächsten Aufgaben. Er pfiff sein Wanderlied, und eine zweite Stimme kroch unter dem Gewand hervor.
„Das wäre geschafft“, sagte Margaretha.
Roland lächelte zufrieden, während er das falsche Haar und den Pferdebart in eine Ledertasche stopfte. Magnus, ein Leichenfledderer aus dem Ruhrtal, erwartete beide schon an der Wegscheide.

Die Leiche der Fremden, die Roland in einem der verlassenen Feldlager am Fuße des Fichtelberges aufgelesen hatte, verbrannte indes vollständig. „Halleluja!“, riefen die Mönche, denn wieder einmal wurde das Böse vertilgt.


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Beitrag06.09.2009 13:46

von DasProjekt
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Gut reingelegt  Wink

Ich hätte das Haar wirr hängen lassen, nicht liegen ...

Und die Sache mit dem Trichter, hast du dich dazu genauer informiert, ab wann diese Methode angewandt wurde? Denn eigentlich ist das der sogenannte "Schwedentrunk", der - angeblich! - erst im 30jährigen Krieg aufkam. (Wobei das natürlich davon abhängig ist, wann dein Text "stattfindet" ...)
Wasserfolter ist so alt wie Folter an sich, aber die "Extra-Würze" des Schwedentrunkes kam wohl erst später auf ... und wurde anfangs auch "nur" von Soldateska und marodierenden Söldnern angewandt, nicht bei peinlicher Befragung, das war denen wohl zu "schmierig" ...

Hat mich nur ein wenig aus dem Lesefluss geworfen, weil diese Folter "bei mir" auch ein Thema ist und ich aus diesem Grund recht viel darüber gelesen habe ...

Ansonsten, wieder gern gelesen.  Daumen hoch


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Murmel
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Beitrag06.09.2009 14:11

von Murmel
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Ich bewundere deine Fähigkeit so verschiedenartige Texte zu produzieren. Ich kann solche Kuge und Ministories nicht, da meine Geschichten und Charaktere viele Seiten brauchen.

Der Text gefällt mir gut, allerdings ist mir nicht klar, was das Ganze sollte.


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Alogius
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Vom Verschwinden der Muse
Beitrag06.09.2009 14:41

von Alogius
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Danke Euch fürs Lesen und Kommentieren. smile

Zitat:
Gut reingelegt


Danke... Ich hatte Sorge, dass das zu schnell deutlich wird.

Zitat:
Und die Sache mit dem Trichter...


Ja, stimme Dir da zu. Genau ist es nicht. Mir schien dieses Gerät aber sehr reizvoll, weshalb ich mir die Freiheit nehmen musste. wink

Zitat:
Ansonsten, wieder gern gelesen.


Das freut mich. smile

Zitat:
Ich bewundere deine Fähigkeit...


Danke...

Zitat:
Der Text gefällt mir gut, allerdings ist mir nicht klar, was das Ganze sollte.


Ja. Dieses Mal ist es einfach "nur eine Geschichte". Dahinter liegt innertextlich kein tieferer Sinn. Mir war daran gelegen, wenigstens einmal (vorerst einmal) einfach eine Geschichte zu schreiben, die mir nur gefällt und die nicht mehr Sinn hat als in den Zeilen steht.
Sie ist, wie ich sagte, Teil einer persönlichen Ideenfindung für einen sehr langen Text. Aber ich dachte mir, sie ist auch abgeschlossen und gut genug, sie zu posten. wink

Danke

Tom


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splaQ
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Beiträge: 14



S
Beitrag06.09.2009 16:33

von splaQ
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hui, der zweite Teil ist wirklich toll geworden.

Den ersten fand ich so lala, wohl aus den von Enfant terrible genannten Gründen. Den Anfang kann man aber wahrscheinlich nicht anders darstellen. Was muss, das muss.

Der Brustreißer war für mich Mal was Neues - und sehr abstoßend. Habe aber keine Zweifel daran, dass sie so ein krankes Instrument damals wirklich verwendet haben. Das hat also gleich zu Anfang einen gewissen Eindruck auf mich gemacht.
Sehr, sehr stimmig fand ich außerdem den Absatz, indem er in der Folterkammer sein Lied zu pfeifen beginnt.

Schöne Geschichte.

Kleine Anmerkungen:
Zitat:
Da ging selbst unter den Mönchen einen Raunen umher.


Ein(!) Raunen, da hast du dich verschrieben.

Zitat:
sprach Roland von Melt, und er zeigte dem teilnahmslosen Mädchen die Mundbirne.


Das sind meiner Meinung nach zwei gleichwertige Hauptsätze, die nicht durch Komma getrennt werden. Das ,,er'' könnte man vielleicht streichen.
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Alogius
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Beitrag06.09.2009 16:46

von Alogius
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Hi,

Danke Dir fürs Lesen und Kommentieren. smile

Ja, der Brustreißer ist ein übles Ding, das es so auch gab... echt gemeines Werkzeug!

Schön, wenn es gefällt. Bei dem Verschreiber gebe ich Dir natürlich ganz zweifellos Recht! wink

Danke
Tom


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Murmel
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Beitrag07.09.2009 15:03

von Murmel
Antworten mit Zitat

Alogius hat Folgendes geschrieben:


Zitat:
Der Text gefällt mir gut, allerdings ist mir nicht klar, was das Ganze sollte.


Ja. Dieses Mal ist es einfach "nur eine Geschichte". Dahinter liegt innertextlich kein tieferer Sinn. Mir war daran gelegen, wenigstens einmal (vorerst einmal) einfach eine Geschichte zu schreiben, die mir nur gefällt und die nicht mehr Sinn hat als in den Zeilen steht.
Sie ist, wie ich sagte, Teil einer persönlichen Ideenfindung für einen sehr langen Text. Aber ich dachte mir, sie ist auch abgeschlossen und gut genug, sie zu posten. wink



Du mich mistverstanden hast. Warum habe die zwei die Schau abgezogen? Wurde sie gefangen oder hatte es einen anderen Hintergrund.


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Alogius
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Vom Verschwinden der Muse
Beitrag07.09.2009 15:15

von Alogius
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Oh, dann erklären ich werde:

Der Hintergrund der beiden wird an anderer Stelle, außerhalb dieser Geschichte, erzählt.

Kurz:
Roland war mit ihrem Vater bekannt, aber kam zu spät, diesen zu retten. Margaretha kannte er bis dahin nur flüchtig, aber es war natürlich dann sinnvoll, sie zu retten.
(Das war jetzt SEHR kurz!)


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