18 Jahre Schriftstellerforum!
 
Suchen
Suchabfrage:
erweiterte Suche

Login

Jetzt erhältlich! Eine Anthologie von und mit unseren Usern. Jetzt bestellen! Die erste, offizielle DSFo-Anthologie! Lyrikwerkstatt Das DSFo.de DSFopedia


Deutsches Schriftstellerforum Foren-Übersicht -> Prosa -> Werkstatt
Der Boskop Apfel


 
 
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen
 Vorheriges Thema anzeigen :: Nächstes Thema anzeigen  « | »  
Autor Nachricht
sweety1610
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen

Alter: 49
Beiträge: 47
Wohnort: 48496


Beitrag27.08.2009 21:16
Der Boskop Apfel
von sweety1610
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hier ein weiterer Kurztext...

Der Boskop-Apfel

Mary knetete ihren Hefeteig am liebsten mit bloßen Händen, so konnte sie genau fühlen, wann er die richtige Konsistenz hatte. Sie backte gerne und verwendete am liebsten Obst aus ihrem eigenen Garten. Sie gab noch etwas Mehl in die große Rührschüssel und walkte die Masse kräftig durch. Mit ihrer mehligen Hand wischte sie sich eine dunkle Haarsträhne aus dem Gesicht. Aus dem Garten ertönte lautes Kindergeschrei, der Hund bellte. „Nicht so laut“, rief sie über die Schulter in Richtung Terrassentür. Wo war denn Tom, ihr Mann pflückte im Garten Äpfel für den Kuchen, bei ihm war Benni immer außer Rand und Band. Mary wischte sich die klebrigen Teighände an ihrer knallroten Schürze ab und blickte auf die Küchenuhr über der Türe, die sie mit ihrem Sohn letzte Woche selbst gebastelt hatte. Es war ein buntes, schiefes Etwas geworden, aber die Zeit konnte man dennoch sehr gut ablesen. Noch war Mittagsruhe, sie wollte die Nerven der Nachbarn nicht überstrapazieren. Zwar hatten alle das frisch zugezogene Paar mit dem 5-jährigen blonden Wildfang freundlich aufgenommen, aber trotzdem war sie darauf bedacht, sich an die Regeln der Nachbarschaft zu halten. Mary trat aus dem schattigen Haus auf die Terrasse und blinzelte der Sonne entgegen. Mit ihrer Hand beschattete sie ihre Augen und konnte sich im letzten Moment vor dem heran zischenden Ball ducken. Boris, der junge Schäferhundrüde der Familie setzte dem Ball nach und gab ihr einen weiteren Schubs, der sie endgültig aus dem Gleichgewicht brachte. Sie landete inmitten ihres neu angelegten Rosenbeets und schrie wütend auf. Tom eilte ihr zu Hilfe. Sie ergriff die Hand ihres Mannes und wurde aus den Rosenbüschen befreit. Wütend schnaubte Mary auf. „Was ist denn hier draußen los? Wo ist Benni?“ rief sie. Tom zuckte schuldbewusst mit den Schultern „Wahrscheinlich im Baumhaus, gerade war er noch bei mir.“ Mary stöhnte auf, sie rieb sich ihre verschrammten Unterarme. Boris trottete um die Hausecke, mit gesenktem Kopf rollte er sich auf seinem Platz vor dem großen Terrassenfenster zusammen. Wo war ihr kleiner Bengel bloß?
 „Benni!“ rief sie, aber die Antwort blieb aus. Hoffentlich hatte er nicht wieder etwas angestellt. Sie blickte empor und sah ihren Mann vorwurfsvoll an. Er sollte auf ihn aufpassen und wieder war er ihm entwischt. Tom gab ihr resignierend den Korb mit den gerade gepflückten Äpfeln. „Du backst weiter und ich suche ihn.“ Seine Frau hatte ja Recht, aber der kleine Racker war ihm manches Mal einfach zuviel. Er machte auf dem Absatz kehrt, winkte Boris zu, der sofort begeistert aufsprang und voraus lief. Mary sah ihnen lächelnd hinterher wie sie um die Hausecke verschwanden, ihr Groll war bereits verflogen. Mit einem letzten wehmütigen Blick auf ihre ramponierten Rosenpflanzen kehrte sie in die Küche zurück und machte sich wieder an die Arbeit. Der Hefeteig ruhte abgedeckt in seiner Schüssel. Sie schälte einen Boskop nach dem anderen. Diese Sorte wählte sie am liebsten für ihren Apfelkuchen, die Säure der Äpfel passte perfekt zu dem süßen Hefeteig. Mary drehte sich Richtung Fenster, von hier aus konnte sie auf die Straße blicken. Auf der anderen Seite sah sie ihre Familie stehen, Tom mit Benni und Boris. Ihr Herz quoll beinahe über vor Liebe, dort war der Schlingel also gewesen. Sie nahm sich vor, abends mit Tom zu sprechen, er musste einfach besser aufpassen. Sie liebte die jugendliche, sorglose Art ihres Mannes aber in Bezug auf ihren gemeinsamen Sohn sollte er mehr Verantwortungsbewusstsein an den Tag legen. Tom setzte Benni seine Baseballkappe gerade verkehrt herum auf den Kopf und knuffte ihn gegen die Schulter, worauf Benni sich kichernd wand. Mary schüttelte leicht den Kopf als sie die Matschflecken auf der Bluejeans und dem T-Shirt ihres Sohnes entdeckte. So etwas konnte nur Benni gelingen, selbst an einem so sonnigen, trockenen Tag, fand er noch die letzte Schlammpfütze. Benni zog eine Grimasse als er herzhaft in den großen, roten Boskop biss. Seine Mutter unterdrückte ein Lachen und verzog ebenfalls das Gesicht, bei dem Gedanken an den sauren Geschmack. Diese Äpfel waren für Kompott oder Kuchen perfekt aber zum so essen eigneten sie sich nicht. Sie wandte sich vom Fenster ab und wollte ihre unterbrochene Arbeit zu Ende bringen. Es ging alles so schnell und doch nahm sie jedes Detail wie in Zeitlupe wahr.
 Der Apfel flog durch die Luft, tippte einmal, zweimal auf der Straße auf, Boris sprang hinterher. Sie hätte Tom das „NEIN“ von den Lippen ablesen können, wenn sie den Aufschrei ihres Mannes nicht auch durch das geschlossene Fenster gehört hätte. Ihr Blick war fest auf ihren Sohn geheftet, während Tom sich einzig auf den Hund konzentrierte und das viel zu schnell größer werdende Auto. Mary sah zu, wie Benni hinter dem Hund auf die Straße rannte. Sie trommelte gegen die Küchenscheibe, kreischte hysterisch. Warum sah Tom das nicht, warum passte er nicht besser auf. „Das ist ein Alptraum, ich will aufwachen. Tom! Ben!“. Knall, Quietschen, Schreie von ihr selbst oder anderen, keine Ahnung! Das Auto kam schliddernd im Seitengraben zum Halt, aber keiner beachtete das Fahrzeug. Mary rannte aus dem Haus, noch den Schäler in der linken und den halbnackten Boskop in der rechten Hand. Ihr Sohn, oh Gott, ihr Sohn. Tom rannte von der anderen Straßenseite ebenfalls los. Was war eigentlich geschehen, dachte er. Leute rannten umher, zogen ihn und Mary von dem leblosen Kinderkörper zurück. Jemand begann mit Herzmassage, ein anderer schritt mit Handy am Ohr auf und ab. Unser Sohn, oh Gott, unser Sohn! Was war nur geschehen? Tom blickte aus der Hocke hoch, suchte Marys Blick, doch sie wandte den Kopf ab. Der Schmerz war unerträglich.
Heute regnete es, vor einem Jahr schien die Sonne, sie legte die Blumen nieder auf den kalten, glatten Stein. Wischte über die Inschrift „Ruhe in Frieden“. Ich vermisse dich so sehr, dachte sie und bittere, heiße Tränen rannen ihr über die Wangen. Neben ihr lag der zottige, schwarze Schäferhundrüde und seine Nase berührte den rotleuchtenden Boskopapfel, der auf dem kleinen Kindergrab lag.

Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden Skype Name
Traumtänzerin
Fähnchen Fieselschreib

Alter: 30
Beiträge: 1178



Beitrag28.08.2009 08:41
Re: Der Boskop Apfel
von Traumtänzerin
Antworten mit Zitat

Hallo sweety1610,

ich habe deinen Text mit Interesse gelesen und im Folgenden ein paar Dinge, die mir aufgefallen sind:

sweety1610 hat Folgendes geschrieben:

Sie backte gerne und verwendete am liebsten Obst aus ihrem eigenen Garten.

Ist die Vergangenheitsform von "backen" nicht "er/sie/es buk? Ich weiß, das klingt seeeeeehr gewöhnungsbedürftig und altertümlich, aber ich hatte es so in Erinnerung.

sweety1610 hat Folgendes geschrieben:
Wo war denn Tom, ihr Mann pflückte im Garten Äpfel für den Kuchen, bei ihm war Benni immer außer Rand und Band.

Eine Frage in einem Aussagesatz? Vorschlag: Tom, ihr Mann plückte [...]

sweety1610 hat Folgendes geschrieben:
„Du backst weiter und ich suche ihn.“
[...] Mit einem letzten wehmütigen Blick auf ihre ramponierten Rosenpflanzen kehrte sie in die Küche zurück und machte sich wieder an die Arbeit.

Sagt dieses "Du backst weiter und ich suche ihn" Spricht da Tom oder sie? Das würde ich etwas deutlicher darstellen, beispielsweise mit "sagte er/sie" etc. Sonst ist der Leser etwas verwirrt, wenn - falls sie es sagt - Tom gar nicht weiter backt, sondern sie. wink

sweety1610 hat Folgendes geschrieben:
Knall, Quietschen, Schreie von ihr selbst oder anderen, keine Ahnung!

Das ist etwas umgangssprachlich und außerdem passt es nicht zur Perspektive, was hältst du von: "sie konnte es später nicht mehr sagen"?

sweety1610 hat Folgendes geschrieben:
Das Auto kam schliddernd im Seitengraben zum Halt, aber keiner beachtete das Fahrzeug.

Ich denke, das müsste schlitternd und nicht schliddernd heißen.

sweety1610 hat Folgendes geschrieben:
Mary rannte aus dem Haus, noch den Schäler in der linken und den halbnackten Boskop in der rechten Hand.

Das Wort "halbnackt" ist eher ein Ausdruck für Personen, was hältst du von der Alternative: "den halbgeschälten Boskop"?

sweety1610 hat Folgendes geschrieben:
Ihr Sohn, oh Gott, ihr Sohn. Tom rannte von der anderen Straßenseite ebenfalls los. Was war eigentlich geschehen, dachte er. Leute rannten umher, zogen ihn und Mary von dem leblosen Kinderkörper zurück. Jemand begann mit Herzmassage, ein anderer schritt mit Handy am Ohr auf und ab. Unser Sohn, oh Gott, unser Sohn! Was war nur geschehen?

Mir gefällt, wie du aus ihrer in Toms Perspektive und dann in die "Wir-Perspektive" (wohl eher das Wir-Denken) wechselst.

sweety1610 hat Folgendes geschrieben:
Heute regnete es, vor einem Jahr schien die Sonne, sie legte die Blumen nieder auf den kalten, glatten Stein. Wischte über die Inschrift „Ruhe in Frieden“. Ich vermisse dich so sehr, dachte sie und bittere, heiße Tränen rannen ihr über die Wangen. Neben ihr lag der zottige, schwarze Schäferhundrüde und seine Nase berührte den rotleuchtenden Boskopapfel, der auf dem kleinen Kindergrab lag.

Die gesamte Passage würde ich in den Präsens setzen, damit der Zeitsprung deutlicher wird (bis auf "...vor einem Jahr schien die Sonne", dort wäre "hatte die Sonne geschienen" meiner Meinung nach besser).

Insgesamt ein sehr schöner Text, der flüssig zu lesen ist. Mir gefällt dein Schreibstil, du beschreibst sehr viel und man kann sich in die einzelnen Personen hineinfühlen. wink

LG,
Traumtänzerin


_________________
Title sponsored by Boro, (c) by Alogius
---
Es genügt nicht, keine Meinung zu haben. Man muss auch unfähig sein, sie auszudrücken.
---
Eine spitze Zunge ist in manchen Ländern schon unerlaubter Waffenbesitz.
---
Dem wird befohlen, der sich selbst nicht gehorchen kann. (Nietzsche)
---
Inquisition war in der frühen Neuzeit der ganz große Burner.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
sweety1610
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen

Alter: 49
Beiträge: 47
Wohnort: 48496


Beitrag28.08.2009 17:11

von sweety1610
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Vielen Dank für die Mühe, die du dir gegeben hast. Besonders der Tipp mit dem Ende in der Gegenwartsform gefällt mir sehr gut. Ich arbeite daran...
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden Skype Name
Valentina A
Geschlecht:weiblichWortedrechsler
V


Beiträge: 56



V
Beitrag28.08.2009 17:34
Re: Der Boskop Apfel
von Valentina A
Antworten mit Zitat

Hallo sweety1610,
mit deinem Text kann ich mich zu meinem Erschrecken gut identifizieren, er hat mich persönlich berührt. Das einzige Detail, das - außer drei Namen - nicht stimmt ist das Backen (und GOTSEIDANK die Tragödie)!
Dein Schreibstil und der Perspektivenwechsel sagen mir auch zu. Manchmal habe ich jedoch Benni und Boris verwechselt. Einige Stellen hat Traumtänzerin ja schon angemerkt, mir sind auch noch paar aufgefallen. Manche Sätze finde ich auch etwas zu lang, und mit ein paar Absätzen würde sich der Text leichter lesen lassen.
 
Traumtänzerin hat Folgendes geschrieben:
Ist die Vergangenheitsform von "backen" nicht "er/sie/es buk? Ich weiß, das klingt seeeeeehr gewöhnungsbedürftig und altertümlich, aber ich hatte es so in Erinnerung.

"backte" und "buk" sind möglich.
sweety1610 hat Folgendes geschrieben:
Noch war Mittagsruhe, sie wollte die Nerven der Nachbarn nicht überstrapazieren.

Vorschlag: Noch herrschte Mittagsruhe
Zitat:
Mary trat aus dem schattigen Haus auf die Terrasse und blinzelte der Sonne entgegen. Mit ihrer Hand beschattete sie ihre Augen und konnte sich im letzten Moment vor dem heran zischenden Ball ducken.

Wortwiederholung
Zitat:
Boris, der junge Schäferhundrüde der Familie, setzte dem Ball nach und gab ihr einen weiteren Schubs, der sie endgültig aus dem Gleichgewicht brachte.

Komma
Zitat:
Sie nahm sich vor, abends mit Tom zu sprechen, er musste einfach besser aufpassen.

Sie nahm sich vor, abends mit Tom zu sprechen. Er musste einfach besser aufpassen.
Hier würde ich zwei Sätze daraus machen.
Zitat:
Sie liebte die jugendliche, sorglose Art ihres Mannes, aber in Bezug auf ihren gemeinsamen Sohn sollte er mehr Verantwortungsbewusstsein an den Tag legen.

Komma
Zitat:
Diese Äpfel waren für Kompott oder Kuchen perfekt, aber zum so essen eigneten sie sich nicht.

Komma

Bei der letzten Passage bin ich mit Traumtänzerin einer Meinung.

Bewegendes Thema, trotzdem gerne gelesen! smile
Gruß
Valentina
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Beiträge der letzten Zeit anzeigen:   
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen
Seite 1 von 1

Deutsches Schriftstellerforum Foren-Übersicht -> Prosa -> Werkstatt
Du kannst keine Beiträge in dieses Forum schreiben.
Du kannst auf Beiträge in diesem Forum nicht antworten.
Du kannst Deine Beiträge in diesem Forum nicht bearbeiten.
Du kannst Deine Beiträge in diesem Forum nicht löschen.
Du kannst an Umfragen in diesem Forum nicht teilnehmen.
In diesem Forum darfst Du keine Ereignisse posten
Du kannst Dateien in diesem Forum nicht posten
Du kannst Dateien in diesem Forum nicht herunterladen
 Foren-Übersicht Gehe zu:  


Ähnliche Beiträge
Thema Autor Forum Antworten Verfasst am
Keine neuen Beiträge Werkstatt
Der Glücksritter
von Peter Hort
Peter Hort Werkstatt 0 22.04.2024 20:39 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Einstand
Der Bandit
von dirkheg
dirkheg Einstand 5 22.04.2024 12:43 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Rechtliches / Urheberrecht / Copyright
Nach Vertragsabschluss wird der Verla...
von Mion
Mion Rechtliches / Urheberrecht / Copyright 34 22.04.2024 12:05 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Roter Teppich & Check-In
Der rote Teppich hat Flecken - oder t...
von schreiby
schreiby Roter Teppich & Check-In 5 22.04.2024 10:09 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Trash
Der Renegat
von wohe
wohe Trash 2 22.04.2024 08:58 Letzten Beitrag anzeigen


Impressum Datenschutz Marketing AGBs Links
Du hast noch keinen Account? Klicke hier um Dich jetzt kostenlos zu registrieren!