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Die Rache


 
 
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Robert Trecht
Schneckenpost
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Beiträge: 8



R
Beitrag21.08.2009 14:42
Die Rache
von Robert Trecht
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Seht die Gasse. Seht hin. Dort unten ein Rinnsal. Der Glanz der Nacht, im Spiegel sein Fell. Doch seht. Ein Mensch. Dort unten. Sein Kopf. Er hängt. Der Rabe. Die Nacht.

Jeder Muskel schreit, als ich mich daran mache, aufzustehen. Der Typ hat mich übel zugerichtet, aber ich habe mich gewehrt. Das ist die Hauptsache. Meine Schuhe drücken das Wasser beiseite, das sich in Fäden auf dem Boden vor mir gesammelt hat und mein gesamtes Körpergewicht scheint auf meinem Oberschenkeln zu liegen. Wohin ich gehen soll… Keine Ahnung. Ich mache mir zu viele Sorgen.

Etwas Schreckliches fährt durch meinen Körper. Ich muss mich wieder übergeben. Nun liege ich halbtot auf der Straße, eines dieser Kapillargefäßen der modernen Welt. Die Menschen bewegen sich. Meine rechte Hand tastet die spröde Backsteinwand entlang. Irgendwo finde ich halt und hieve mich hoch. Mein rechtes Bein hatte den Sturz abgefedert, nachdem ihr neuer Freund mich rüde auf den kalten Asphalt geschmettert hat. Ein scheiß Tag. Ein scheiß Leben.

Riecht den Nebel. Den Urin. Etwas ist anders. Koriander? Es ist Schweiß. Die Angst, gebunden im Körper. Adrenalin? Der Rabe. Die Nacht.

Bei jedem meiner Schritte glimmen meine Wunden auf, wie die Glut einer Zigarette. Plötzlich ertönt der Vibrationsalarm meines Handys. Ich wische mir den Schweiß aus den Augen. „Ja.“ Eine einfache Antwort. „Nein… Gerade ist es schlecht Herr Schewe. Nein es tut mir Leid ich kann…“. Aufgelegt. Ich hasse meinen Job. Ich hinke weiter in Richtung Straße, die Menschen versuchen mich zu meiden. Kein Wunder, etwas Haut hat sich von meinem Gesicht gelöst. Es ist schwer in dieser Stadt ein Taxi zu bekommen.

Der Arzt im Krankenhaus hat mir Bettruhe verordnet. Bettruhe? Dafür werde ich noch mehr als genug Zeit haben. Die Verbände schränken mein Bewegunsvermögen ein, aber im Großen und Ganzen haben sie mich wieder hinbekommen. Ich weiß zwar nicht, was passiert, wenn die kleinen blauen und roten Pillen, die mir der Doktor verschrieben hat, aufhören zu wirken – aber so lange wird das Ganze nicht dauern.

Ich bin mit einem Stahlrohr bewaffnet. Gekonnt balanciere ich es ein letztes Mal auf der Hornhaut meiner Handflächen, bevor ich entschlossen meine Finger darum schließe. Die Klingel surrt. „Hofmann?“, ertönt es verzerrt aus der lädierten Gegensprechanlage. „Ich komme meine Sachen holen.“, sage ich und versuche meinem Tonfall jegliche Emotion zu entziehen. „Hörmal Felix… Roland ist noch hier und da ihr beiden nicht so gut miteinander könnt…“, sagt sie schließlich, wobei Nervosität ein ständiger Begleiter ihrer Stimme ist. Nicht so gut miteinander könnt. Ein Blick auf das Stahlrohr. „Kein Problem. Gib mir einfach nur meine Sachen.“, entgegne ich und kurz darauf signalisiert ein Knacken das Öffnen der Tür.

Horcht auf … Hört ihr ihn krächzen? Hört hin. Ein stummer Schrei. Beklemmende Stille. Der Rabe. Die Nacht.

Die Wunde an meinem Bein brennt bei jeder Stufe, doch wird der aufkommende Schmerz durch meiner Vorfreude erstickt. Roland. Ich hasse diesen Namen. Irgendwo zwei Stockwerke über mir geht eine Tür auf. Ich höre Stimmen. Mein Herz pumpt frischen Sauerstoff durch meine Adern. Ich gehe weiter.

Der dritte Stock. Auf der letzten Stufe mache ich eine Pause. „Oh Felix es tut mir….“, Worte der Empörung. Ich sehe Roland, wie er gespielt seine Hand vor den Mund hält. Nur noch ein bisschen näher. „Hey, tut mir Leid dass ich euch gleich zweimal am selben Tag behellige.“, sage ich in einem devoten Tonfall. So ist es gut. Ich krieche noch ein letztes Mal vor ihm. „Aber du hast deinen Standpunkt ja schon vor ein paar Stunden deutlich klar gemacht.“, füge ich an. Roland ist Bodybuilder. Ich bin nur ein Anwalt. „Nimm mir das nicht übel Kollege. Bin da wohl ein bisschen zu heftig vorgegangen.“, sagt mein Gegenpart und in seiner Stimme schwingt eine Art Arroganz mit, die mir im Moment ganz und gar nicht gefällt. Der Druck auf das Stahlrohr erhöht sich. Ich komme näher. „Wie wäre es, wenn wir das ganze wie Erwachsene regeln, du nimmst deine Sachen und alles ist in Ordnung?“, fragt Roland, und seine Miene verzerrt sich zu einem hämischen Grinsen. Wir Regeln es wie Erwachsene. Aus meinen Augen sprüht der nackte Wahnsinn. Irgendetwas in meinem Inneren flüstert, aber ich kann es nicht genau hören. Ich bin fast da. Nadine will ihre Hand um meine Schulter legen. Der Moment der Entscheidung.

Was danach passiert ist? Ich weiß es nicht mehr. Das habe ich jedenfalls den Ärzten erzählt, die irgendwann meinen Geisteszustand begutachtet haben. Ich erwische mich manchmal dabei, dass ich sabbere. Die Pillen haben ihre Farbe geändert. Ihr fragt mich, ob es das wert war? Jede einzelne Sekunde. Manchmal, wenn die anderen schon lange eingenickt sind und ich, wie so oft, auf meiner harten Pritsche schlaflos daliege, hole ich die Erinnerungen zurück, damit sie mir in meiner kalten Zelle Gesellschaft leisten.

Spürt ihr den Raben? Fühlt sein Fell. Die Federn sind Glatt. Haltet ihn fest. Lasst ihn nicht fliegen. Den Raben. Die Nacht.


Was sagt ihr zu diesem Text ? Findet ihr, dass die Metaphysik ein wenig zu dick aufgetragen ist ? Bin über jede Antwort dankbar !

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Michael
Geschlecht:männlichAnti-Lyriker


Beiträge: 734



Beitrag21.08.2009 15:07

von Michael
Antworten mit Zitat

Hallo Robert,

eines vorweg. Du kannst sehr gut schreiben. An sich gefällt mir auch der Text.
Allerdigs zerstörtst du oftmals die Spannung. Gerade, wenn das Erzähltempo steigt, bremst du es mit Metaphern wieder etwas aus.

Zitat:
Etwas Schreckliches fährt durch meinen Körper. Ich muss mich wieder übergeben. Nun liege ich halbtot auf der Straße, eines dieser Kapillargefäßen der modernen Welt.


Das ist so ein Beispiel. Du kannst meiner Meinung nach das Erzähltempo aufrecht erhalten, wenn du diesen Nebensatz streichen würdest.

Zitat:
Bei jedem meiner Schritte glimmen meine Wunden auf, wie die Glut einer Zigarette.


Hier auch. Wenn du den Nebensatz streichst, und kurze Sätze schreibst, wirkt die Szene geladener.

Das fürs Erste. Ansonsten habe ich nichts Großartiges zu meckern. Gerne gelesen. :thumpup

lg
Michael
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KayMan
Gast






Beitrag21.08.2009 15:22

von KayMan
Antworten mit Zitat

Hey Robert,
auf diesem Weg ein Willkommen von mir in diesem Forum!

Du ziehst den Leser hinein in die Geschichte. Die "Rabenstücke" dazwischen haben mich eher gestört. Über die Metaphern hat sich Michael schon geäußert. Den "Fehler" habe ich auch ursprünglich mal begangen, weil ich dachte, das gehört dazu... ist aber nicht so, wenn es spannend sein soll und den Leser mitreißen im Strom.
 
Ansonsten: Hartes Schicksal (auch wenn ich am Schluss nochmal ein paar Stellen dazwischen genauer anschauen musste, ah, so war das, ist aber meine eigene Unkonzentriertheit gewesen), das kommt gut rüber.
Aber keine Reue. Das ist schlecht, Herr Anwalt...!

Weiter so und gerne mehr in der Art!

Ciao,
KayMan
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Robert Trecht
Schneckenpost
R


Beiträge: 8



R
Beitrag21.08.2009 20:24

von Robert Trecht
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Erst einmal Danke dafür, dass ihr meinen Text gelesen und kommentiert habt. Ich freue mich, dass er euch in irgendeiner Art und Weise doch gefallen hat  Very Happy.

Zitat:
eines dieser Kapillargefäßen der modernen Welt.


Ja, ich muss zugeben, das ist mir beim Vorlesen auch aufgefallen. Aber irgendein von sich selbst überzeugter Teil meines Egos fand diese Stelle so überzeugend, dass ich mich nie überwinden konnte, sie endgültig zu streichen.

Wie schon bei meinem letzten Text kritisiert wurde, habe ich wieder zu viel mit irgendwelche Stilmitteln gearbeitet, von denen ich es nicht verstehe, sie subtil einzustreuen. Aber ich gelobe Besserung  Smile. (Langsam wird mir auch klar, warum man Lyrik und Prosa nicht lange in ein und denselben Raum sperren kann)

Zitat:
Aber keine Reue. Das ist schlecht, Herr Anwalt...!


 Laughing


Zitat:
Das fürs Erste. Ansonsten habe ich nichts Großartiges zu meckern. Gerne gelesen.


Wenn das jemand sagt, der den Rang "Chefnörgler" inne hat, kann ich heute wohl doch beruhigt schlafen gehen !

Viele Grüße,

Robert
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