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Jenseits der Leere


 
 
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BlueNote
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Wohnort: NBY



Beitrag12.02.2010 15:59
Jenseits der Leere
von BlueNote
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Jenseits der Leere (in 3 Teilen)

1. Teil

Da hing er nun mit einer Schlinge um den Hals an einem Baum und schaukelte lautlos im Wind. Unter seinen Füßen lag noch die Taschenlampe im Herbstlaub. Ihre Glühbirne leuchtete schwach. Die Lampe war ihm gestern im Augenblick des Todes aus der Hand gefallen. Eine umgestürzte Aluminiumleiter ergänzte das bizarre Bild. In der Nacht kam er gelaufen, hastete durchs nasse Gras und stolperte durch die weiche Erde eines abgeernteten Ackers. Er kämpfte sich durchs Unterholz mit einer Leiter auf der Schulter, sowie einem Strick und einer Taschenlampe in der Hand. In seiner Verzweiflung hastete er immer weiter in den stockfinsteren Wald hinein, bis er endlich die Stelle fand, die ihm geeignet erschien. Er hatte seinen Baum gefunden. Tausend Gedanken schossen ihm durch den Kopf, doch keinen einzigen konnte er in seiner Unrast zu Ende denken. Die Bäume knarzten schaurig im Wind. Viele Geräusche gab es im nächtlichen Wald, die beklemmend und völlig fremd für ihn waren. Auf keinen Fall wollte er in den nächsten Wochen bereits gefunden werden. Zwar würden sie schnell nach ihm suchen. Doch ob er tot oder lebendig war, sollten sie frühestens nach Neujahr erfahren. Dieser Gedanke schenkte ihm in seinen letzten Minuten ein wenig Trost. Viel lieber wäre er ja einfach nur vom Erdboden verschwunden – spurlos. Doch so leicht konnte man sich  aus seinem Leben nicht davon stehlen. Dazu waren leider ein paar unerfreuliche Dinge zu erledigen. Er fröstelte. Als er überstürzt sein Haus verließ, hatte er auf eine Jacke verzichtet. Sie erschien ihm nicht mehr wichtig zu sein. Doch jetzt begannen seine Zähne immer lauter zu klappern. Es war eiskalt und nieselte leicht. Tränen standen ihm in den Augen, als er noch einmal an seine Lieben zu Hause dachte. Sie schliefen jetzt friedlich in ihren warmen Betten, während ihm der kalte Nachtwind um die Ohren pfiff. Seine Frau war völlig ahnungslos, genauso wie der vierjährige Sohn. Niemals hatte er ihnen gegenüber irgendwelche Andeutungen gemacht. Wenigsten sein Sohn würde ihn ein bisschen vermissen. Das hoffte er.

Der Gedanke an seine Familie konnte ihn jedoch nicht von seiner Tat abhalten. Er musste diesen Schritt tun, denn er kam sich sonst wie ein mieser, kleiner Feigling vor. Der bevorstehende Akt hatte etwas Endgültiges, aber auch etwas sehr Erhabenes für ihn. Mit einem einzigen Handstreich konnte man alles hinter sich lassen und die bedrückenden Probleme waren gelöst. Es dauerte nur den Bruchteil einer Sekunde. Immer wieder hatte er in den letzten Monaten die bevorstehende Aktion gedanklich durchgespielt. Er warf die Schlinge über einen stabilen Ast. Kletterte die Aluminiumleiter hinauf. Tat alles, was für sein Vorhaben notwendig war. Irgendwann folgte der Genickbruch. Ein kurzer Schmerz und … seltsam! Für ihn, den Baumelnden, war zunächst alles wie vorher. Zwar hing er am Baum und konnte sich nicht mehr rühren. Eine Art Denken durchflutete ihn jedoch weiterhin. Aber er musste doch tot sein. Der Kopf hing merkwürdig schief in der Schlinge. Sollte jetzt nicht etwas Unfassbares, Überirdisches mit ihm geschehen? Seine  Seele in den Himmel aufsteigen oder wenigstens in die Hölle fahren? Ein bisschen Fegefeuer vielleicht? Irgendetwas? Lediglich hier herumzuhängen war wirklich zu albern. In seinem Blickfeld befanden sich nur öde Baumstämme, die er im schwachen Licht der Taschenlampe nur schemenhaft erkennen konnte. Bei Tageslicht würde er nicht einmal die Kronen der Bäume erkennen können, da es ihm unmöglich war, den Kopf auch nur ansatzweise zu heben. Immer wieder geriet er leicht ins Schaukeln, wenn der eisige Wind durch die Stämme pfiff. Das war aber auch schon alles, was sich ihm an Abwechslung bot. Er konnte doch nicht die ganze Zeit hier hängen bleiben, ohne dass etwas geschehen würde. Der Baumelnde verstand die Welt nicht mehr.

Als der Morgen graute, konnte man Krähen hören, die irgendwo in der Ferne ihr „Kra Kra Kra“ in den ungerechten Himmel schrien. Der Baumelnde ärgerte sich, denn er kannte nicht einmal die unmittelbare Umgebung, in der er sich befand. Immer nur musste er die Position einnehmen, die der Wind ihm aufgezwängte. Und die war stets nur in dieselbe Richtung. Doch irgendwann kam ein neuer, ganz besonders heftiger Windstoß. Er drehte den Baumelnden um die eigene Achse, so dass sein Blick endlich auf einen anderen Teil des Waldes fiel. Was er dort allerdings sah, konnte er zunächst kaum fassen. Wenige Meter von ihm entfernt befand sich ein weiterer Toter am Baum. Dieser hing aber offensichtlich schon einen viel längeren Zeitraum an jenem düsteren Ort. Der Verwesungsprozess hatte seinen Körper bereits aufs Abscheulichste entstellt und allerlei Untier fraß sich an mehreren Stellen in den Leichnam. Die Kleidung hing ihm in Fetzen vom Leibe. Offensichtlich hatte ein Tier versucht, ihn am Bein vom Baum zu zerren. Der Baumelnde ekelte sich unglaublich vor dieser Gestalt. Da vernahm er plötzlich eine krächzende Stimme:

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Alogius
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Vom Verschwinden der Muse
Beitrag12.02.2010 16:11

von Alogius
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Zwischenmeldung (Rest, wenn vollständig):
Gefällt mir, und ich bin gespannt, was folgt. Schöner Punkt zum Abbrechen an der Stelle. wink
Was auffällt, ist der nette Humor.
Lediglich die Verwesung hätte ich (natürlich) gern anschaulicher gehabt!


_________________
Aus einem Traum:
Entsetzter Gartenzwerg: Es gibt immer noch ein nullteres Fußballfeld. Wir werden viele Evolutionen verpassen.
Busfahrer: Tröste dich. Mit etwas Glück sehen wir den Tentakel des Yankeespielers, wie er den Ereignishorizont des Schwarzen Loches verlässt.
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Maria
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Beitrag12.02.2010 16:15

von Maria
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Tach,

jetzt wär ich grad so schön in Stimmung, da macht der wieder das Licht an. . Ist ja nicht zum aushalten, diese Stückelei.
ein Trend, dem man dringend entgegenwirken muss *moser

Ich bin dabei, auf jeden Fall. Ganz nach meinem Geschmack: sonderbar, ein bisschen morbid (bis jetzt) und gut erzählt.

eine Sache schon jetzt: nach "das bizarre Bild" Zeile 2. Da würde ich eine Gedankenpause einfügen. Kunstpause. Dann brennt sich dieses wirklich bizarre Bild in den Kopf und dann kommt nach zwei Sekunden erst der Rückblick, wie kams dazu.

ich warte eben Rolling Eyes
Grüsse


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Biggi
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Beitrag12.02.2010 16:17

von Biggi
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BN, untersteh Dich und warte jetzt noch länger als fünf Minuten mit dem zweiten Teil. Ab jetzt. Ich warte...
LG
Biggi
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Alogius
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Vom Verschwinden der Muse
Beitrag12.02.2010 16:18

von Alogius
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Zitat:
jetzt wär ich grad so schön in Stimmung, da macht der wieder das Licht an. . Ist ja nicht zum aushalten, diese Stückelei.
ein Trend, dem man dringend entgegenwirken muss *moser

Geht ja (irgendwie) nicht anders, wenn's nicht so viel auf einmal sein soll (was mir wurscht wäre); musste auch wieder stückeln.

Aber egal, sry BN. Weiter.  Cool


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ono
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Beitrag12.02.2010 16:59

von ono
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hallo bluenote,

auch in fantasygeschichten solltest du die consecutio temporum beachten - inbesondere dann, wenn du mit zeitlich versetzten einschüben arbeitest wie hier. korrekt hieße es:
Zitat:
Da hing er nun mit einer Schlinge um den Hals an einem Baum und schaukelte lautlos im Wind. Unter seinen Füßen lag noch die Taschenlampe im Herbstlaub. Ihre Glühbirne leuchtete schwach. Die Lampe war ihm gestern im Augenblick des Todes aus der Hand gefallen. Eine umgestürzte Aluminiumleiter ergänzte das bizarre Bild. In der Nacht kam war er gelaufen gekommen, hastete durchs nasse Gras gehastet und stolperte durch die weiche Erde eines abgeernteten Ackers gestolpert. Er kämpfte hatte sich (durchs Unterholz) mit einer Leiter auf der Schulter, (sowie) einem Strick und einer Taschenlampe in der Hand durchs unterholz gekämpft. In seiner Verzweiflung hastete war er immer weiter in den stockfinsteren Wald hinein gehastet, bis er endlich die Stelle fand gefunden hatte, die ihm geeignet erschienen war . Er hatte seinen Baum gefunden. Tausend Gedanken schossen waren ihm durch den Kopf geschossen, doch keinen einzigen konnte hatte er in seiner Unrast zu Ende denken können. Die Bäume knarzten hatten schaurig im Wind geknarzt. Es hatte Viele Geräusche (gab es) im nächtlichen Wald gegeben, die beklemmend und völlig fremd für ihn (gewesen) waren. Auf keinen Fall wollte hätte er in den nächsten Wochen bereits gefunden werden wollen. Zwar würden hätten sie schnell nach ihm suchen gesucht. Doch ob er tot oder lebendig war, sollten hätten sie frühestens nach Neujahr erfahren sollen. Dieser Gedanke schenkte hatte ihm in seinen letzten Minuten ein wenig Trost geschenkt. Viel lieber wäre er ja einfach nur vom Erdboden verschwunden gewesen – spurlos. Doch so leicht konnte hätte er (man) sich aus seinem Leben nicht davon stehlen können. Dazu waren wären leider ein paar unerfreuliche Dinge zu erledigen gewesen. Er hatte fröstelte gefröstelt. Als er überstürzt sein Haus verließ besser: als er aus seinem haus gestürzt war, hatte er auf eine Jacke verzichtet. Sie erschien war ihm nicht mehr wichtig zu sein erschienen; besser: gewesen. Doch jetzt dann begannen hatten seine Zähne immer lauter zu klappern begonnen. Es war eiskalt gewesen und hatte nieselte (leicht) genieselt (nieseln ist immer leicht!). Tränen standen waren ihm in den Augen gestanden, als er noch einmal an seine Lieben zu Hause dachte gedacht hatte. Sie schliefen hatten (jetzt) friedlich in ihren warmen Betten geschlafen, während ihm der kalte Nachtwind um die Ohren pfiff gepfiffen war. Seine Frau war völlig ahnungslos gewesen, genauso wie der vierjährige Sohn. Niemals hatte er ihnen gegenüber irgendwelche Andeutungen gemacht. Wenigsten sein Sohn würde hätte ihn ein bisschen vermissen vermisst. Das hoffte hatte er gehofft.

den zweiten absatz kannst du sicher selber korrigieren. mit dem imperfekt ging's erst im dritten absatz wieder los, was einen zusätzlichen, "dramatischen" schub erbrächte.
liebe grüße aus dem untergrund

ono
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BlueNote
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Beitrag12.02.2010 18:52

von BlueNote
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Hi Leute,

schön, wenn so eindringlich nach der Fortsetzung verlangt wird. Dann werde ich halt heute Abend noch den zweiten Teil hier herein stellen.

Das mit dem Tempus ist immer eine interessante Frage. Ich dachte eigentlich, dass man im Imperfekt auch zwei Mal den gleichen Tempus für die verschiedenen Zeitebenen verwenden könnte. Was besser klingt (@ono) ist dann natürlich noch eine andere Frage.

Wenn sich jemand im dem Thema 2 Zeitebenen im Imperfekt (und dann vielleicht noch der Konjunktiv) auskennt, wäre ich sehr dankbar, wenn wir das in diesem thread noch klären könnten.

Auf die Schnelle habe ich nur diesen Hinweis in Wiki gefunden:
Zitat:

Setzt das Geschehen im Nebensatz nach dem des Hauptsatzes ein (Nachzeitigkeit), so stehen auch hier häufig dieselben Tempora in den Teilsätzen.
Sie kamen zu Hause an, bevor der Regen einsetzte.



@Maria & Alogius
Ja, das ewige Stückeln ... Aber man macht es halt so, wie es einem gesagt wird, als pflichtbewusster Fourmsmitglied.
Gedankenpause ist gut!
Die Verwesungsstellen sind deswegen so kurz, weil es mir bei der Recherche schon ganz schlecht wurde.

@Biggi
Oh, fünf Minuten sind schon vorbei. Heute noch, ich versprech's wink

BN
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ono
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O
Beitrag12.02.2010 20:14

von ono
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das von dir gewählte beispiel, liebe bluenote, bezieht sich auf eine satzkonstruktion, nicht auf mehrere sätze oder gar kapitel.

die "consecutio temporum" oder zeitenfolge ermöglicht, mehrere zeitebenen darzustellen und hilft dem leser, sich entsprechend zurecht zu finden. beispiele:

"bluenote hatte (oder hat) gegen die zeitenfolge verstoßen und wurde deshalb von ono korrigiert" sagt aus: die erzählebene ist im imperfekt, das geschehende die folge von vergangenem.

wenn ich schriebe:

"bluenote verstieß gegen die zeitenfolge und wurde deshalb von ono korrigiert" sagte das aus: die erzählebene ist immer noch im imperfekt, aber es geschieht alles gleichzeitig - während bluenote verstößt, wird er korrigiert.

das mag man als rabulistik ansehen, ist es aber nicht: es sind zwei verschiedene tempi und zwei verschiedene szenen.

richtig falsch wird's, wenn man mit verstorbenen hantiert: "als er starb, wurde er begraben": wer im sterben liegt, darf noch nicht begraben werden, sonst kommt der staatsanwalt. korrekt ist: als er gerstorben war, wurde er begraben.

im falle deiner geschichte, liebe bluenote, beginnst du in der ersten vergangenheit vom leichnam zu erzählen und benützt danach die gleiche zeit, um zu berichten, wie sich die leiche umbrachte: das geht nicht. mag sein, dass man beim obrflächlichen lesen nach den ersten drei stolpereren einfach weiter liest, sich an die falsche zeit gewöhnt und erst dann wieder ins stolpern kommt, wenn der munter den freitod suchende gleichzeitig wieder am ast hängt.

ob das perfekt oder plusquamperfekt besser klingt als das imperfekt, ist nicht die frage - die zeiten müssen stimmen, sonst gibt's punktabzüge. wahrscheinlich hättest du - bei wahrung der zeitenfolge - eine andere wortwahl getroffen, um die sprachmelodie und den sprachbogen schön zu gestalten. das kannst du ja immer noch nachholen - ich hab dir den absatz 1:1 korrigiert und keine vorschläge zur besseren formulierung gemacht - das kannst du selber bestimmt ganz genau so gut.

liebe grüße aus suburbien

ono
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BlueNote
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Beitrag12.02.2010 20:45

von BlueNote
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Hallo ono,

vielen Dank für deine ausführlichen Erklärungen. Ich werde die entsprechenden Textstellen umändern und - wie du erwähnt hast - darauf achten, dass die Satzmelodie nicht allzu großen Schaden nimmt. Bei den Fortsetzungen sind die Zeitebenen glücklicherweise nicht mehr so präsent.

BN
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BlueNote
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Beitrag12.02.2010 20:50

von BlueNote
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2. Teil

Da vernahm er plötzlich eine krächzende Stimme:

„He, du Idiot, konntest du dir keinen anderen Baum aussuchen?“
Wer hatte da gesprochen? Der Baumelnde konnte leider nicht feststellen, aus welcher Richtung die Stimme kam. Der Stinkende mit den Fliegenmaden war es jedenfalls nicht gewesen, denn der hatte die Lippen nicht einmal bewegt. Wie sollte er auch, der Typ war schließlich tot. Mausetot.
„Wer ist da?“, dachte der Baumelnde, denn sprechen konnte er ja nicht.
„Na ich, du Idiot! Der Idiot dir am Baum gegenüber!“
„Diese schrecklich verweste Leiche etwa?“
Ja, genau die!“
Der Baumelnde wollte es nicht glauben. Was war das für eine Narretei?  
„Und wie ist es möglich, dass ich deine Stimme höre?“
„Es ist nicht meine Stimme, die du hörst, es sind meine Gedanken.“
„Aber das ist doch genauso unmöglich!“
„Du siehst doch, dass es möglich ist, du Arschloch!“

Der Baumelnde war ein wenig beleidigt. So redete man nicht mit einem frisch Verstorbenen. Eigentlich redete man gar nicht mit einem Verstorbenen. Vielleicht sollte er jetzt einfach schweigen, so wie Verstorbene es nun einmal täten.

„Es ist möglich“, nahm der Stinkende den Gedankengang wieder auf, „frag mich aber bitte nicht, warum. “
Der Baumelnde seufzte innerlich. Dann fragte er freundlich:
„Wie lange hängst du denn schon hier?“
„Eine halbe Ewigkeit! Spielt das eine Rolle?“
„Aber es muss doch mit der Zeit etwas passieren. Irgendeine Veränderung“.
Warum glaubst du Volltrottel, dass das so sein müsste?
„Ich weiß auch nicht. Man geht davon aus …“
„Da siehst du mal, was für ein Hornochse du bist! Zu dumm zum Leben und zum Sterben auch. Und mit so einem Arschgesicht soll ich nun die nächste Zeit auskommen? Warum musstest du dich  ausgerechnet an diesem Baum gleich neben mir aufknüpfen?“
„Ich habe doch gar nicht bemerkt, dass hier schon jemand ist. Mitten in der Nacht! Es war ja stockdunkel.
„Und weshalb hast du armselige Vogelscheuche es überhaupt getan?
„Ich spürte so eine innere Leere.“
„Das darf doch wohl nicht wahr sein! Ist das alles gewesen?“
„Diese Leere war gar nicht mehr auszuhalten!“, ereiferte sich der Baumelnde.
„Und du glaubst, dass es jetzt besser ist, du Dorfdepp?.
„Ich weiß nicht … Ich dachte, dass danach nichts mehr ist.“
„Da hast du allerdings recht, du Armleuchter!“
„Und wenn ich meinen natürlichen Tod abgewartet hätte, wäre ich dann … erlöst worden?“
„Woher soll ich das wissen? Jetzt bist du auf jeden Fall ein beschissener Kakerlakenzüchter und kannst nicht das Geringste mehr dagegen tun.“

Das ging dem Baumelnden zu weit! Der halbverweste Stinker sah viel grauenerregender aus als er selbst. Aber dessen war sich dieser wohl gar nicht bewusst. Der Baumelnde versuchte trotzdem, einen mitfühlenden Tonfall anzuschlagen:
„Und was hat dich dazu bewogen, es zu tun, ich meine …?“
„Ich hatte Geldsorgen, musste mein Haus verkaufen. Ach, frag mich nicht danach, du Schwachkopf!
Sei einfach still und warte!“
„Und auf was soll ich warten?“
„Auf nichts, du Jammerlappen. Warte einfach und sei still.“

Der frisch Verstorbene fühlte nach innen, was ihm aus unerfindlichen Gründen möglich war. Das Blut sackte vollkommen in die unteren Gliedmaßen ab und sein Körper war steif wie ein Brett geworden. Die ersten Insekten krabbelten auch bereits auf ihm herum, obwohl es schon Herbst war.

„Aber es muss doch etwas geschehen“, jammerte der Baumelnde weiter. „Das kann man doch gar nicht aushalten, immerzu nur hier herumzuhängen, so ganz ohne Sinn.“
„Siehst du jetzt, was für ein unglaublicher Trottel du gewesen bist, als du dein Leben mir nichts dir nichts weggeworfen hast? Glaube mir, alles ist besser als das hier.“

(Fortsetzung folgt)
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*Gast*
Klammeraffe
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*
Beitrag12.02.2010 22:52

von *Gast*
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Hallo BN,

ist schon gemein, wenn man das schnöde Leben flieht und dann feststellt, dass das nächste auch nicht besser ist. Und noch nicht mal mehr die Möglichkeit einer neuen Flucht zu haben. Ich kann mir nicht helfen, ich gönn es dem Gecken, dass er so einen "netten" Leidensgenossen gefunden hat.

Fiel mir ins Auge (von den Zeiten hab ich die Finger gelassen):
Zitat:
Wenigsten (Wenigstens) sein Sohn würde ihn ein bisschen vermissen.

Zitat:
Er warf die Schlinge über einen stabilen Ast. (vielleicht besser Komma) Kletterte die Aluminiumleiter hinauf. (Semikolon?)Tat alles, was für sein Vorhaben notwendig war.

Zitat:
Zwar hing er am Baum und konnte sich nicht mehr rühren.
Der Satz hängt mit dem "zwar" in der Luft. Passt zwar zum Baumelnden, aber ... Wink
Zitat:
In seinem Blickfeld befanden sich nur öde Baumstämme, die er im schwachen Licht der Taschenlampe nur schemenhaft erkennen konnte.

Zitat:
Immer nur musste er die Position einnehmen, die der Wind ihm aufgezwängte (aufzwang). Und die war stets nur in dieselbe Richtung.
Das klingt a bisserl ungelenk. Vielleicht: Der Wind bestimmte seine Position und zwang ihn immer in dieselbe Richtung zu blicken. - oder noch anders.
Zitat:
und allerlei Untier fraß sich an mehreren Stellen in den Leichnam.
Allerlei Untier, eigentlich kenne ich Untier nur im Singular. Vielleicht allerlei Ungetier oder Ungeziefer. Die Un-Wörter mag ich nicht so gern. Es sind doch Tiere, Geziefer, Un impliziert, dass sie das eben nicht wären. Käfer, Maden, Ameisen, Spinnen, Mücken, Du hast die freie Auswahl.   Rolling Eyes  Dann kannst Du in einem die morbiden Phantasien von Tom zufrieden stellen.  Cool
Beim zweiten Teil ist mir auf Anhieb nichts mehr aufgefallen. Bin aber auch schon zu müde. Bin gespannt, ob und wie Du die beiden Helden vom Baum bekommst.

Lieben Gruß
Sabine
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Ruthi
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Beiträge: 218



Beitrag12.02.2010 23:04

von Ruthi
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Hallo BlueNote,
die Idee find ich wirklich mal originell smile
Ich kann mich nicht erinnern, jemals davon gelesen zu haben, dass zwei Tote sich streiten, wer den besseren Grund gehabt hätte zu sterben.
Der erste Teil war allein durch das offene Ende schon spannend, man muss natürlich wissen wie es weitergeht.
Der zweite Teil hat dann etwas an Tempo verloren, aber liest sich trotzdem noch spannend.
Ich bin gespannt wie der dritte Teil gestaltet ist...
Stilistisch gibts für mich nichts auszusetzen, ich hab den Text ohne Stolpersteine lesen können smile


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anuphti
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Beitrag12.02.2010 23:56

von anuphti
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Hallo,

ich finde die Geschichte absolut köstlich smile
Der Gedanke, dass sich Selbstmord aber so überhaupt nicht lohnt, hat etwas Charmantes.

Aber was die Zeiten angeht, hat Ono völlig recht. Natürlich ist einem aus dem Zusammenhang klar, was Du meinst, aber es ist trotzdem falsch...
Leider smile

Es muss ab dem 6. Satz im (heißt das so?) Plusquamperfekt stehen.

Und wenn ich mir das Alter der Kollegen anschaue, die da nicht drüber gestolpert sind, frage ich mich, ob sich das Sprachgefühl in der deutschen Sprache in den letzten Jahren schon soweit geändert hat?

smile

Liebe Grüße
Imke


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Pronomen: sie/ihr

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ono
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Beitrag13.02.2010 11:52

von ono
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hallo bluenote,

natürlich lese ich deine story weiter, und wenn ich schon dabei bin, geb ich dir wieder ein paar tipps:
Zitat:
„He, du Idiot, konntest hättest du dir keinen anderen Baum aussuchen können?“
Wer hatte da gesprochen (bravo!)? Der Baumelnde konnte leider nicht feststellen, aus welcher Richtung die Stimme kam gekommen war. Der Stinkende mit den Fliegenmaden war es jedenfalls nicht gewesen, denn der hatte die Lippen nicht einmal bewegt. Wie sollte er auch, der Typ war schließlich tot. Mausetot.
„Wer ist da?“, dachte der Baumelnde, denn sprechen konnte er ja nicht (mehr).
„Na ich, du Idiot! Der Idiot dir am Baum gegenüber!“
„Diese schrecklich verweste Leiche etwa?“
"Ja, genau die!“
Der Baumelnde wollte es nicht glauben. Was war das für eine Narretei?
„Und wie ist es möglich, dass ich deine Stimme höre?“
„Es ist nicht meine Stimme, die du hörst, es sind meine Gedanken.“
„Aber das ist doch genauso unmöglich!“
„Du siehst doch, dass es möglich ist, (du) Arschloch!“

schau den rest nochmal genau durch, da sind diesbezüglich noch ein paar würmchen mehr drin.

insgesamt gute idee! was mich persönlich ein bisschen stört, sind die verbalinjurien, die der widerpart des baumelnden so gehäuft gebraucht. das ist ein wenig zu dick - ein "arschloch" am anfang reichte hin, um den unmut des platzhalters über die störung seines "burgfriedens" zu begreifen. alle danach folgende empörung wirkt aufgesetzt, weil gleicher zu gleichem "spricht". da wäre eher mitleid angesagt statt fäkalsprache - wenn die so daher kommt wie hier, wird's platt, nicht sophisticated. ich fände das schade, denn deine idee ist, wie schon gesagt, wirklich gut!

liebe grüße aus dem untergrund

ono
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BlueNote
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Beitrag13.02.2010 15:51

von BlueNote
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Hi alle miteinander!

@SabinieK63
Zitat:

ist schon gemein, wenn man das schnöde Leben flieht und dann feststellt, dass das nächste auch nicht besser ist.

Der Glaube, dass das Leben "danach" besser ist, ist sehr weit verbreitet. Das könnte allerdings, so wie in dieser Geschichte, auch ein ganz großer Irrtum sein.

Zitat:

Ich kann mir nicht helfen, ich gönn es dem Gecken, dass er so einen "netten" Leidensgenossen gefunden hat.

Dann waren die kleinen Andeutungen, dass der Protagonist doch nicht der reinste Sympathieträger sein soll, offensichtlich nicht zu wenig.

Deine Verbesserungen werde ich einarbeiten. Recht herzlichen Dank dafür! Bei "Ungetier" hat meine Rechtschreibprüfung gemotzt. Das Untier ging dann durch wink Ist aber trotzdem falsch, du hast recht!

Zitat:

Bin gespannt, ob und wie Du die beiden Helden vom Baum bekommst.

Das geht ganz einfach! Smile
Ah, Tom hat "morbide Phantasien" ...?! Na dann wundert mich nichts mehr! wink

@Ruthi
Zitat:

Ich bin gespannt wie der dritte Teil gestaltet ist...

Der dritte Teil gibt dem Ganzen so eine Wendung ... Ich bin mal gespannt, ob dieser die Erwartungshaltungen erfüllt. Mir war es wichtig, am Schluss deutlich zu machen, dass das nicht ein reiner Witztext sein soll.

@anuphti
Zitat:

ich finde die Geschichte absolut köstlich  

Super! Bei all der unappetitlichen Leichenfledderei! wink

Dass ich das mit den unterschiedlichen Zeitebenen jetzt endlich mal richtig lerne, ist natürlich sehr gut. OnoSeiDank!

Zitat:

Und wenn ich mir das Alter der Kollegen anschaue, die da nicht drüber gestolpert sind, frage ich mich, ob sich das Sprachgefühl in der deutschen Sprache in den letzten Jahren schon soweit geändert hat?

Das Sprachgefühl sagt einem manchmal, dass sich etwas, das grammatikalisch richtig ist, gestelzt und altmodisch anhört.

@ono
Da fällt mir ein, du hast gar noch nicht gesagt, woher der Ausdruck "ono" kommt. Musst du mal gelegentlich mal tun. Wie wär's auf dem roten Teppich?

Zitat:

was mich persönlich ein bisschen stört, sind die verbalinjurien, die der widerpart des baumelnden so gehäuft gebraucht.

Dieser Text ist (das muss ich leider gestehen) noch sehr frisch, so dass von den "Ursprungsideen" noch sehr viel drinnen ist. Der Stinkende sollte eigentlich schon dadurch unheimlich nerven, dass er in jedem Satz eine Beleidigung bringt. Als Leser sollte man sich im Jenseits so richtig unwohl fühlen. Hört sich natürlich auch etwas stereotyp an. Weniger dick auftragen ist OK, aber nur ein "Arschloch" ist mir glaub ich zu wenig. Mitleid ist übrigens ein Wesenszug, der in meiner Vorstellung von diesem Jenseits nicht vorkommt.

Ono, ich finde es klasse, dass du dir mit dem Korrigieren dieses Textes so viele Mühe gibst. Ich bin dankbar für jeden Verbesserungsvorschlag.

Soooo ... Will jemand schon die Fortsetzung oder langt`s erst mal?

BlueNote
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ono
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O
Beitrag13.02.2010 16:12

von ono
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wer schon "b" gesagt hat, muss auch noch "c" sagen. her mit dem rest, bluenote!

wg. der fäkalsprsache: es genügt, finde ich, das eigene verfaulen am widerpart voraussehen zu müssen. die nekrose einer intellektuellen existenz ist ungleich schmerzhafter zu beobachten als der weitere verfall von geistigem unrat.

ich empfahl dir daher, den erstgestorbenen nicht gar so plump zu zeichnen - man könnte als leser sonst "mitfühlend" werden und hoffen, dass sich dieser nicht nur körperlich, sondern auch verbal stänkernde ein zweites mal den hals bricht.

ono ist nicht googlebar, ebensowenig wie onoh. die antworten, die kommen, sind alles oberflächliche eigennamen, die nichts mit mir zu tun haben. ich halt's mit dem hier sein wie die antiken theaterspieler: rezitiert wird im theater nur hinter der maske. ist das okay für dich?

liebe grüße aus suburbien

ono
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*
Beitrag13.02.2010 16:17

von *Gast*
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Hallo MT,

klar will ich weiterlesen.  Very Happy  Mach mal. Ich muss zwar gleich weg, aber heute Abend les ich bestimmt rein.

@ono: Mit einem kleinen Zusatz ist ono durchaus googlebar  Cool  Wink

Lieben Gruß
Sabine
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Beitrag13.02.2010 16:56

von BlueNote
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Letzter Teil

Dem Baumelnden wurde langsam klar, was er angestellt und in welche Lage ihn seine leichtfertige  Tat gebracht hatte. Die Aussichten waren schlecht. Und wie es aussah, waren sie nicht nur schlecht, sondern sogar unerträglich. Wenn man bei diesen Aussichten überhaupt von einer Aussicht sprechen konnte. Denn das, was ihm bevorstand, war nicht mehr und nicht weniger als mit einem schlecht gelaunten Toten neben sich bis in alle Ewigkeiten hier an diesem abgelegenen Ort herumzuhängen. Der Baumelnde fragte sich mit einem kleinen Schimmer Hoffnung, was wohl geschähe, wenn sich sein Körper völlig aufgelöst haben würde und nichts mehr von ihm übrig bliebe? Würde das Denken dann den Körper verlassen und es gäbe neue Möglichkeiten einer Existenz oder einer Nicht-Existenz?

„Nein, nein, du Trottel“, schaltete sich der Stinkende ein. „Mach dir da mal keine Illusionen. Möglichkeiten würde ich an deiner Stelle sofort wieder vergessen. Es gibt keine Möglichkeiten mehr.  Keine Änderungen und keine Aussichten. Es gibt gar nichts mehr. Außer dich. Dich gibt es noch. Und mich gibt es. Und das wird unsere ewige Hölle sein.“

„Scheiße!“, dachte sich der Baumelnde und drehte sich wieder im Wind. Und das war erst der Beginn dieser neu gewählten Ewigkeit mit einem griesgrämigen und zänkischen Stinkgesellen.
„Scheiße!“, dachte er, „Scheiße, Scheiße, Scheiße! Was war ich nur für ein Arschloch! Aber auch dieser blöde Stinker ist ein total bescheuertes Arschloch. Und er weiß es. Das macht ihn wohl so bösartig und gemein.“

Die beiden Arschlöcher versuchten von nun an nichts mehr zu denken und einfach nur tot zu sein. Allein so war der Tod für sie einigermaßen erträglich. Nach mehreren Wochen kamen ein paar Polizisten in den Wald und mussten sich fast übergeben, als sie die beiden Leichen erblickten. Die armselige Vogelscheuche, wie ihn der Stinkende nannte, wurde auf dem Friedhof in ein Familiengrab gelegt, an dem sich eine junge Frau und ihr kleines Kind die Augen ausweinen konnten, weil auch sie die Welt nicht mehr verstanden. Sie wussten jetzt, dass der liebe Vati nicht mehr zurückkommen würde. Die Mutter erzählte dem Kind, dass Papi nun im Himmel sei und manchmal als kleiner Schutzengel zu seinem Sohn auf die Erde zurückkommen würde. Der Junge könnte ihn aber nicht sehen, sondern nur fühlen, wenn er bei ihm wäre. Der Sohn schloss traurig die Augen und dachte, dass er keinen Papi haben wollte, der als Engel im Himmel war. Hier auf der Erde sollte er sein, damit er ihn an der Hand fassen konnte. Der Papi aber lag unten im Grab und konnte nicht einmal hören, was oben gesprochen wurde. Und der Novemberwind wehte kalt über den Friedhof und ließ die Frau und das Kind in ihren Mänteln noch einsamer aussehen. Die Leute, die sich ebenso auf dem Friedhof befanden, hielten Abstand und tuschelten in kleinen Gruppen. Endlich gab es ein neues, interessantes Gesprächsthema für sie.

Ende
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*Gast*
Klammeraffe
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Beitrag13.02.2010 22:05

von *Gast*
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Hallo BN,

puh, ehrlich gesagt bin ich von dem Ende enttäuscht. Einfach gefunden werden und beigesetzt, dazu noch mit trauernder Familie, das hätte ich nicht erwartet, eben weil es das Normale wäre, und das Normale in die Geschichte für mich nicht reingehört.
Von sprechenden Ameisen, die Reste der Beiden verwerten über Raben, die ihnen Abschiedsgrüße bringen, einem LSD-Trip, oder auch die Auflösung der ersten Leiche und das Bedauern über den Wegfall selbst dieses Stinkers, hätte ich Dir beinahe alles abgenommen. Sogar einen leibhaftigen Gevatter, der vorbeischaut und seine Sense nicht schmutzig machen will, aber keine Polizisten auf Streife.
Auch sprachlich fällt der dritte Teil für mich ab. Zu viele derbe Ausdrücke, Wiederholungen nicht ganz geschickt eingesetzt und zum Schluss ein Versuch ins Kitschige, der zu der Geschichte nicht passt.

Tut mir Leid, dass ich Dir keine bessere Rückmeldung geben kann, aber das war mein Leseeindruck. Vielleicht war auch meine Erwartung nach dem ersten Teil zu sehr festgelegt.

Lieben Gruß
Sabine
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BlueNote
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Beitrag13.02.2010 22:47

von BlueNote
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Hi Sabine,

da die Geschichte noch sehr (!) frisch ist, kann man an ihr noch alles mögliche  ändern. Das wird sich mit der Zeit klären. Ich habe schon öfters festgestellt, das das Stückeln von Texten dazu führt, dass im Leser eine Erwartung bzgl. der Fortsetzung heranwächst, die es ihm (dem Leser) irgendwann schwer macht, den Vorgaben des Autors noch zu folgen. Beim Erzählen der Geschichte war es mir trotz aller Kalauer und skurriler Situationen im Text ein dringendes Bedürfnis, am Schluss wieder auf den Boden der Tatsachen zurückzukommen und zu zeigen, was der Selbstmord eines Familienvaters in seiner Umgebung für Auswirkungen hat. Welchen Sinn hätte die Auflösung gehabt, dass alles nur ein LSD-Trip war? Das käme mir wie ein Schulaufsatz vor: Alles nur ein Traum. Ein sehr wichtiges Element war für mich, den Selbstmord als etwas sehr hässliches darzustellen und zum Schluss noch die traurige Realität zu beschreiben, die so eine Tat nach sich zieht. Unter Dichterkreisen ist eine Art "Todessehnsucht" ja sehr verbreitet. Bei einem Spaßschluss würde für mich die ganze Intention verpuffen. Irgendwann muss der Leser aufwachen und merken, dass der Text kein Spaß ist.

Deinen Kitscheinwand finde ich verständlich. Mich hat der Schluss beim Schreiben allerdings sehr ergriffen (dass mir sogar die Tränen aus den Augen kullerten). Der Schluss ist die Wirklichkeit, nicht das, was davor war.

Ich hoffe, dass sich der ein oder andere noch zum Schluss (oder zur ganzen Geschichte) äußert. Ich bitte, zu berücksichtigen, dass mir der ganz nahe Realitätbezug am Ende wichtig war und ich (bei eventuellen Änderungen) aus dem Text keine Comedy-Story machen möchte.


BlueNote
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*Gast*
Klammeraffe
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Beitrag13.02.2010 22:56

von *Gast*
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Hallo BlueNote,

meine Erwartung ging nicht ins Komische, eher, dass eine philosophische Lösung folgt. Vielleicht habe ich das etwas flapsig ausgedrückt und aus dem Ärmel die falschen Beispiele geholt. Das Normale, dass die Familie zurückbleibt und trauert, war eigentlich schon im ersten Teil im Hintergrund vorhanden. Ein Grund dafür, dass das Mitleid mit dem Protagonisten ausblieb. Da er aber noch in irgendeiner Art über Bewusstsein verfügte, dachte ich, er lernt noch eine Lektion. Der Eindruck von Komik entsteht bei mir allenfalls durch die Ausdrücke, die im zweiten und dritten Teil etwas viel werden.

Meine Kritik war nicht böse gemeint, ich hatte eben nur erwartet, dass der Protagonist in irgendeiner Form das Ende mitgestaltet.

Lieben Gruß
Sabine
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BlueNote
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Beiträge: 7304
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Beitrag13.02.2010 23:13

von BlueNote
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Hallo Sabine,

deine Kritik fand ich in Ordnung und nicht "böse" gemeint. Ein "philosophischer" Schluss wäre natürlich auch nicht schlecht - wie könnte der aussehen?

Dass der Protagonist noch irgend etwas gestalten würde oder etwas "lernt", hätte ich als zu großen Bruch angesehen.

Das finale "Normale" beinhaltet für mich das Aufwachen, Aufrütteln (des Lesers). Darauf würde ich ungern verzichten. Aber wie gesagt, für Philosophie bin ich allemal zu haben.

Ich danke dir, dass du dir Gedanken über den Text gemacht hast und wünsche dir noch einen schönen Abend.

BlueNote
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