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Autor |
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Taugenichts Reißwolf
Alter: 38 Beiträge: 1201
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02.08.2009 00:59 Der Jahrmarkt von Taugenichts
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Der Jahrmarkt
Tierische Wunder,
wo sich das Unglaubliche offenbahrt,
laute Schreie,
im Kreis um die Dame mit dem Bart.
Überall sind Dinge,
die kein Mensch je sah,
in der Hand des Meisters
wird selbst die größte Lüge wahr.
Und in den Ecken
all der Spiegel im Kabinett,
erkennst du zum ersten Mal:
ich selbst bin echt.
Es eilt zusammen,
wird zum Mob,
im Mahlstrom der Menschen
wird man selbst-
Ungedachte Phantasien,
durch die Gassen, zwischen Zelten,
ziehen Düfte und Gerüche
aus noch nie geseh'nen Welten.
Was Menschen sind
ist menschlich,
was sie tuen sollten
ist es nicht.
Und in den Ecken
all der Spiegel im Kabinett,
erkennst du zum ersten Mal:
ich selbst bin echt.
Meine Augen sind offen,
meine Arme sind offen,
mein Herz ist offen
und alles-
Weitere Werke von Taugenichts:
_________________ Hellseherei existiert nicht. Die Leute glauben mir mein Geschwätz nur, weil ich einen schwarzen Smoking trage. |
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Enfant Terrible alte Motzbirne
Alter: 30 Beiträge: 7278 Wohnort: München
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03.08.2009 10:00
von Enfant Terrible
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Ich schleiche um dieses Gedicht herum ... manchmal brauchen solche Kaleidoskopgedichte mehr als drei Lesen, um zu zünden.
Mich stört ein bisschen die unregelmäßige Reimform, wenn du sie aber ein bisschen ausbügeln würdest, würden die lockeren Reime wunderbar das Groteske und Zynische in dem Gedicht zum Ausdruck bringen.
Hinter diesem Gedicht steckt eine unheimlich starke, unheimlich unheimliche Idee und Aussage, allerdings finde ich, du könntest sie noch mehr verdichten, noch stärker komprimieren und schärfer gestalten. Einiges knallt noch nicht so, wie es könnte.
Zitat: | Tierische Wunder,
wo sich das Unglaubliche offenbahrt,
laute Schreie,
im Kreis um die Dame mit dem Bart. |
Schlag mich, aber ich finde den kursiven Satz nichtssagend, erzwungen - und sei es nur um des Reimes willen. Ich würde die Dame mit Bart und vllt ein paar weitere Freakshowgestalten schnörkellos zu Beginn des Gedichts vorführen, das wäre ein starker Einstieg.
Zitat: | Überall sind Dinge,
die kein Mensch je sah,
in der Hand des Meisters
wird selbst die größte Lüge wahr. |
Diese Strophe plätschert in meinen Augen ein wenig vor sich hin, sie wirkt für meinen Geschmack zu allgemein, zu kommentierend. Der kursive Satz, in dem ja die eigentliche Aussage steckt, kommt zu lapidar und direkt daher, um zu zünden.
Zitat: | Und in den Ecken
all der Spiegel im Kabinett,
erkennst du zum ersten Mal:
ich selbst bin echt |
Diese Strophe hingegen finde ich toll. Sie ist einfach, direkt - doch was für eine doppelbödige Aussage! Gerade verglichen an den Monstrositäten lernt man die eigene "Normalität" zu schätzen. Diese Abarten wirken wie Phantasiegestalten ... sind wir, die in den Spiegeln, echter? Man möchte es fühlen ...
Zitat: | Es eilt zusammen,
wird zum Mob,
im Mahlstrom der Menschen
wird man selbst |
Immer rasanter das Gedicht, spätestens hier gerät man in einen Wirbelwind aus Fragezeichen. So viele Möglichkeiten der Deutung ...
Ich lese es als einen Kontrast, ein Widerlegen der vorherigen Strophe, durch dieses "wird man selbst". Ist das LI doch nicht so echt, wie es dachte? Warum wird es vom Mob erfasst? Wird es mit einem Freak verwechselt? Dieses Abgehackte der letzten Strophe lässt Abgründe erahnen ...
Zitat: | Ungedachte Phantasien,
durch die Gassen, zwischen Zelten,
ziehen Düfte und Gerüche
aus noch nie geseh'nen Welten |
Noch eine Plätscherstrophe, die für mein Empfinden hier deplatziert ist. Vielleicht hast du damit einen Kontrast beabsichtigt zwischen dem Grauen und diesem lockeren "Hereinspaziert, hereinspaziert", wie es im Tonfall der Strophe tönt, aber ... irgendwie wirkt es nicht.
Zitat: | Was Menschen sind
ist menschlich,
was sie tuen sollten
ist es nicht. |
Hammer. Genau wie die Spiegelstrophe. Man kann es fast für zu banal halten ... aber das ist es nicht. Da ist ein toller Aphorismus geboren, Baby!
Zitat: | Und in den Ecken
all der Spiegel im Kabinett,
erkennst du zum ersten Mal:
ich selbst bin echt.
Meine Augen sind offen,
meine Arme sind offen,
mein Herz ist offen
und alles- |
Und wieder ein um die Identität kreisender Schluss, der wie ein Echo verklingt. Auf den ersten Blick wirkt die letzte Strophe absurd ... zu sehr hallt die Düsterkeit des Vorangehenden nach, als dass ich dem LI seine "befreiten" Beteuerungen vom Offensein abkaufen möchte.
Was für ein Gedicht! Ich peile es nur ansatzweise.
_________________ "...und ich bringe dir das Feuer
um die Dunkelheit zu sehen"
ASP
Geschmacksverwirrte über meine Schreibe:
"Schreib nie mehr sowas. Ich bitte dich darum." © Eddie
"Deine Sprache ist so saftig, fast möchte man reinbeißen." © Hallogallo |
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