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Die alten Blutlinien


 
 
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Neraniel
Geschlecht:männlichGänsefüßchen

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Beiträge: 22
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Beitrag29.07.2009 17:14
Die alten Blutlinien
von Neraniel
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Ich habe mir die Vorschläge der anderen User zu Herzen genommen und poste jetzt mal den Beginn eines Romans (oder vielmehr, der Beginn von etwas, was einmal ein Roman werden soll) in der Talentschmiede, weil ich hier besser hinpasse, denke ich. wink

Ursprünglicher Thread: Klick


Kapitel I


Jacob studierte seine Wand. Jedes Mal entdeckte er neue Spinnenweben und Risse im Putz. Und jedes Mal ärgerte es ihn aufs Neue, in so einem Schuppen wohnen zu müssen. Sein Blick wanderte zum kleinen Fenster, zum einzigen Fenster, durch das ein wenig Licht in den Kellerraum hineinfiel. Ja, er wohnte im Keller. In einem Keller, der jederzeit über seinem Kopf einstürzen könnte. Und wenn schon? Wer würde ihn vermissen? Seine Mutter? Ha! Mit ihr hatte er jahrelang nicht gesprochen. An seinen Vater wollte er gar nicht denken, was auch ziemlich schwierig war, da er sich nicht einmal an sein Gesicht erinnern konnte. Laut seiner Mutter soll er ihm aber ziemlich ähnlich gesehen haben. Nachdenklich strich er sich über das säuberlich zurückgekämmte Haar, in dem sich natürlich wieder Unmengen von Gel befanden. Du eitler Narr! Kannst kaum deine jämmerliche Kellerwohnung bezahlen, aber gibst ständig dein Geld für das klebrige Zeug aus.
Er schüttelte den Kopf. Er war sowieso schon mit der letzten Monatsmiete in Verzug. Für dieses dreckige Erdloch Miete zu verlangen war aber auch eine Dreistigkeit, die sich nur sein gieriger Vermieter erlauben konnte. Herr Meier. Hießen nicht irgendwie alle Vermieter so? Jedenfalls in den Filmen und den Büchern. Ursprünglich wollte Jacob sich ja eine schöne Wohnung mieten, im ersten Stock und mit Platz für seine Kanzlei. Und auf die halb gläserne Tür wollte er in goldenen Lettern schreiben: „Jacob Bremer – Privatdetektiv“. Genau das war er. Privatdetektiv. Manchmal ein sehr ergiebiger Beruf, und es war nun mal seine Leidenschaft. Doch leider schien er im Moment eine Pechsträhne zu haben. Seit über zwei Monaten kein Auftrag mehr, was unter anderem an seiner jetzigen Kanzlei unter der Erde liegen könnte, wie er immer wieder missmutig feststellte. Stank nach einem Teufelskreis. Apropos Gestank, die Kaffeemaschine war nach 20 Minuten endlich fertig ihr ekelhaftes Teufelsgebräu hergestellt zu haben. Langsam erhob er sich von seinem Lehnstuhl, der sich hinter dem ganz und gar nicht professionell aussehenden Schreibtisch befand. Im Vorbeigehen fragte er sich, ob der schwarze Klotz schon mal einen Hausbrand mitgemacht hatte. Nachdem er ungefähr zwei Meter gegangen war (ja, der Kellerraum war klein), griff er sich einen neben der Kaffeemaschine stehenden Becher, der natürlich einen Sprung hatte und goss das dampfende, leicht dickflüssige Getränk hinein. Es würde ihn wieder einiges an Überwindung kosten, die braune Suppe hinunter zu bekommen, aber nur sie konnte ihn eine Nacht auf der Luftmatratze hinter seinem Schreibtisch vergessen lassen. Jedenfalls die Müdigkeit, dachte er, während sein schmerzender Rücken gegen dieses Wunschdenken lautstark protestierte.
Er stellte den Kaffee auf den Schreibtisch, um ihn abkühlen zu lassen und stellte sich in die Mitte des Raumes, um sich erst einmal gehörig zu strecken. Dabei fiel sein Blick auf sein Spiegelbild im Spiegel, der direkt dem Kellerfenster gegenüber hing. Hinter sich konnte er Schuhe fremder, gesichtsloser Menschen vorbeilaufen sehen. Sein Blick wanderte etwas tiefer und er musste zufrieden lächeln. Daran, dass er einfach gut aussah, konnte auch der Rest seiner Erscheinung nichts ändern. Sein brauner, etwas altmodischer Cordanzug, den er über einem weißen Hemd trug (wann hatte er das Hemd eigentlich das letzte Mal gewaschen?) sah zwar etwas mitgenommen aus, und auch seine schlichten braunen Schuhe würden kaum einen reichen Kunden beeindrucken, doch was er oberhalb seines Halses sah, gefiel ihm. Seine längeren, rötlich-braunen Haare, die er vor ungefähr zwei Stunden vor eben diesem Spiegel sorgfältigst bestimmt zwanzig Minuten lang bearbeitet hatte, lagen glatt und fast perfekt. Seine wachsamen grünen Augen stachen besonders geheimnisvoll unter seinen kaum vorhandenen Augenbrauen hervor. Trotz seiner rötlichen Haare hatte er keinerlei Sommersprossen im Gesicht. Er war ziemlich blass, aber sein Gesicht war eben. Die Lippen waren schmal und hell, und als sie sich grade zu einem Lächeln kräuselten, entblößten sie seine ebenmäßigen weißen Zähne. Auch seine Nase passte perfekt in das Gesicht. Er war sich seiner Eitelkeit durchaus bewusst, doch fand er, dass ein gewisses Maß davon gesund war. Schließlich wollte er bei seinen Kunden gut ankommen. Wenn er denn mal wieder einen von ihnen zu Gesicht bekam. Kopfschüttelnd griff Jacob sich seinen Mantel, der einen ähnlich mitgenommenen Eindruck wie der Rest seiner Kleidung machte, stürzte die schwarze Suppe, die man kaum Kaffee nennen konnte, angewidert hinunter. Dann öffnete er vorsichtig die klapprige Tür seines Büros und verließ den Raum.

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Enfant Terrible
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Ein Fingerhut voller Tränen - Ein Gedichtband
Beitrag29.07.2009 17:56

von Enfant Terrible
Antworten mit Zitat

Ganz flüssig zu lesen und streckenweise auch unterhaltsam. Man erfährt schon einiges über die Figur, über den inneren Monolog offenbart sich etwas über die Persönlichkeit.
Da komme ich schon zu meinem Kritikpunkt: Was mich aber ein bisschen stört, ist ein Merkmal, das sich in vielen Romanbeginnen wiederfindet: Eine erzwungene Einführung der Figur, v.a. durch Beschreibungen bzw mit der Brechstange eingeflochtene Hintergrundinformationen.
Ich finde aber, man muss nicht gleich auf der ersten Seite alles über den Hintergrund und das Aussehen einer Figur erfahren. Ich fände es besser, wenn du die Handlung ein bisschen vorantreiben und etwaige unnötige Details dafür weiter hinten anstellen würdest.

Beispiele, wo Beschreibungen bzw Hintergründe auf mich etwas aufdringlich wirkten:

Zitat:
In einem Keller, der jederzeit über seinem Kopf einstürzen könnte. Und wenn schon? Wer würde ihn vermissen? Seine Mutter? Ha! Mit ihr hatte er jahrelang nicht gesprochen. An seinen Vater wollte er gar nicht denken, was auch ziemlich schwierig war, da er sich nicht einmal an sein Gesicht erinnern konnte. Laut seiner Mutter soll er ihm aber ziemlich ähnlich gesehen haben.

Auf den ersten Blick schaffst du mit den kursiven Sätzen einen guten Bogen zur Familiengeschichte deines Protagonisten, auf der anderen Seite frage ich mich: Muss das denn sein? Es ist bisher nichts Außergewöhnliches, was du über Jacobs Eltern schreibst. Könntest du das vielleicht später unterbringen, dafür aber in einer weniger oberflächlichen Form? Würde sich für mich besser lesen, als wenn ich vom Eindruck begleitet würde, der Autor wolle mir sofort die gesamte Umgebung des Protagonisten vorstellen.

Zitat:
Nachdenklich strich er sich über das säuberlich zurückgekämmte Haar, in dem sich natürlich wieder Unmengen von Gel befanden. Du eitler Narr! Kannst kaum deine jämmerliche Kellerwohnung bezahlen, aber gibst ständig dein Geld für das klebrige Zeug aus.

Solche kursiven Sätze schreien geradezu "Stell dir mich vor, ich bin eine erzwungene Beschreibung!"
Ohne Scherz: Ich finde, es ist auch von der Perspektive her ein bisschen falsch. Du schreibst ja aus Jacobs personaler Sicht, würde er da denken: "So, jetzt streich ich mir mal die Haare..." usw. Dass er dann sich selbst für die Geldverschwendung fürs Gel rügt, finde ich auch nicht unbedingt glaubwürdig. Muss dieses Detail wirklich an dieser Stelle kommen?

Zitat:
Sein Blick wanderte etwas tiefer und er musste zufrieden lächeln. Daran, dass er einfach gut aussah, konnte auch der Rest seiner Erscheinung nichts ändern. Sein brauner, etwas altmodischer Cordanzug, den er über einem weißen Hemd trug (wann hatte er das Hemd eigentlich das letzte Mal gewaschen?) sah zwar etwas mitgenommen aus, und auch seine schlichten braunen Schuhe würden kaum einen reichen Kunden beeindrucken, doch was er oberhalb seines Halses sah, gefiel ihm. Seine längeren, rötlich-braunen Haare, die er vor ungefähr zwei Stunden vor eben diesem Spiegel sorgfältigst bestimmt zwanzig Minuten lang bearbeitet hatte, lagen glatt und fast perfekt. Seine wachsamen grünen Augen stachen besonders geheimnisvoll unter seinen kaum vorhandenen Augenbrauen hervor. Trotz seiner rötlichen Haare hatte er keinerlei Sommersprossen im Gesicht. Er war ziemlich blass, aber sein Gesicht war eben. Die Lippen waren schmal und hell, und als sie sich grade zu einem Lächeln kräuselten, entblößten sie seine ebenmäßigen weißen Zähne. Auch seine Nase passte perfekt in das Gesicht. Er war sich seiner Eitelkeit durchaus bewusst, doch fand er, dass ein gewisses Maß davon gesund war.

Ach ja, der In-den-Spiegel-schauen-Trick zur Beschreibung einer Figur. Es gibt elegantere Mittel und Wege. Und muss ich schon am Anfang bis ins kleinste Detail wissen, wie dein Privatdetektiv aussieht? Dass er attraktiv ist, brauchst du übrigens nicht unbedingt so direkt zu beschreiben, das kannst du auch an den Reaktionen des Umfelds auf seine Erscheinung deutlich machen.


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Neraniel
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Beitrag29.07.2009 19:07

von Neraniel
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo E.T. (oh gott, bitte nimm mir das nicht übel! lol2)

Ich danke dir für deine klaren Worte! Du hast mich mit der Nase drauf gestoßen und ich finde, dass du Recht hast. Es wirkt tatsächlich wie "Mit der Brechstange" eingefügt. Ich werde mich daran setzen, diese wie eine "Hallo, ich stelle meine Hauptfigur vor!" wirkende erste Seite zu überarbeiten.

Dazu muss ich aber sagen, dass ich mit dieser ersten Seite noch nie so richtig zufrieden war. Sie erschien mir aufgesetzt, etwas zu gewollt, vollgepackt mit Informationen. Dennoch erfüllte sie ihren Zweck. Ich konnte mich auf sie stützen, konnte auf ihrem Fundament die Geschichte weiterspinnen, ohne dass ich das Gefühl bekam, über den Protagonisten zu wenig gesagt zu haben, ohne dass er leer wirkte.

Deshalb nun eine Frage an dich (oder auch alle anderen):
Wenn ich diese erzwungen und ungeschickt wirkenden Beschreibungen abschwäche, durch weniger informationsschwangere Passagen ersetze, kommen dann noch genug Informationen über, dass die Figur für den Leser lebendig wirkt? Lebendig in dem Sinne, dass sie vorstellbar wird, wobei ich mich nicht nur aufs Äußerliche beziehe!


Im Zusammenhang mit deiner Kritik und diesem Forum (und dem Subforum der Talentschmiede) allgemein würde ich gerne einige Bedenken äußern:
Ich schrecke fürchterlich davor zurück, zuviel zu posten, ohne dass nachgefragt wird, eine Fortsetzung reinzustellen. Und doch schmerzt es mich, dieses kleine Stück, was der Beginn meines "Werkes" war, das noch schlecht verarbeitete Fundament, alleine hier stehen zu sehen. Und auch wenn ich die Schwächen dieses ersten Teils auf den Rest projeziere, bietet er dennoch für euch keinen passenden Ausblick auf das, was noch folgt (und mir in meinen Augen besser gelungen ist)!

Also was tun? Wenn ich zuviel reinstelle, wird es nicht gelesen (was ich auch gut verstehen kann). Aber es widerstrebt mir auch, einen Teil aus der "Mitte" des bisher von mir zu Papier gebrachten hier vorzustellen, da der Text schon aufeinander aufbaut. Selbst der Prolog, der in meinem ursprünglichen Tread zu finden ist, leitet in gewisser Weise die Vorstellung des Hauptcharakters Jacob ein, indem er die Welt, in der Jacob lebt, aus einem anderen Blickwinkel ganz, ganz eben andeutet.

Wie ich aus diesem Teufelskreis zwischen Zerstückelung meines zusammenhängenden Schriftworts und der drohenden Überhäufung meiner werten Leserschaft mit zuvielen Buchstaben, die sie das ganze gar nicht erst beginnen lässt, herauskommen soll, ist mir leider schleierhaft.



PS: Wenn ich meinen Gedankenwirrwarr da oben anschaue, fang ich an zu schwitzen. Ich bin momentan aber nicht in der Lage, es besser auszudrücken. Ich hoffe, es gibt einige unter euch, die mein Anliegen verstehen und mir in der Sache Aufklärung erteilen können.


Alex


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Beitrag29.07.2009 19:13

von Ralphie
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Gut.
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Ein Fingerhut voller Tränen - Ein Gedichtband
Beitrag29.07.2009 19:58

von Enfant Terrible
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Hallo Neraniel (cooler Nick! smile extra ),

deine einsichtige Reaktion freut und beruhigt mich sehr, ich habe nämlich befürchtet, zu harsch gewesen zu sein oder meine Kritik nicht richtig erklärt zu haben.

Ich fürchte, du hast eine etwas falsche Vorstellung von "einen Charakter lebendig bzw vorstellbar machen". Denn am besten kann ich einen Charakter nicht vorstellen, wenn ich ihn fotographisch vor mir habe, sondern, wenn ich ihn in Aktion sehe. Seine Persönlichkeit nicht erzählt bekomme, sondern eben erlebe.
Du hast, allein schon durch deinen Erzählstil, Ansätze davon schon sehr gut geschafft. Wie der Protagonist seine Umgebung beschreibt, das ist sehr aufschlussreich - achte nur ein bisschen darauf, dass du auch in der Perspektive drin bleibst.
Ansonsten: Streiche radikal all den äußerlichen Ballast weg und führe mich mehr in den Alltag deines Helden ein. Lass zum Beispiel jemanden in Jacobs Bruchbude anrufen und zeige am Dialog, wie Jacob mit seinen Mitmenschen umgeht. Das ist jetzt nur als Idee - du findest sicherlich etwas Besseres. Wichtig ist: Lass etwas passieren; passive Beschreibungen sind immer die einfallslosesten Lösungen.
Ansonsten: Mach' dir keinen allzu großen Kopf darum. Du kennst deinen Charakter, denk gar nicht so sehr an die Einführung, sondern setze ihn in die Geschichte hinein und zwar so, das der Leser ihm folgen möchte.

Ich kann dein Dillemma bezüglich des Postens gut nachvollziehen. Einerseits will man ja der Reihe nach posten, andererseits ... In deinem Fall würde ich dir aber wirklich raten, deine Skrupel zu vergessen und ein Stück aus der Mitte zu posten, denn es ist interessant, zu sehen, wie viel man als Uneingeweihter auch ohne den Vorlauf versteht. Außerdem wird vielleicht, wenn der Auszug spannend genug ist, eben auch der Appetit auf mehr geweckt wink

Ich freue mich und bin gespannt, was du daraus macht. Denn ich muss unbedingt noch anmerken, du hast sowohl in deiner Schreibe als auch in deinen Beiträgen einen sehr interessanten, angenehmen Schreibstil. Daumen hoch


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Beitrag29.07.2009 20:24

von Neraniel
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Hey E.T. wink

Nein, deine Kritik war in Ordnung. Sowas rüttelt wach, macht aufmerksam.
Ich glaube des weiteren auch, dass ich verstehe, was du meinst. Auch bezogen auf eher indirekte Vorstellung einer Figur. Ich hoffe, das ist (und wird) mir im weiteren Verlauf des Romans besser gelungen/gelingen.

Was deinen Vorschlag mit dem Dialog angeht: Der erste wirkliche Dialog ist von mir bewusst und unverrückbar (Razz) an eine bestimmte Stelle des Buches geschoben.

Doch im weiteren Verlauf habe ich versucht, den Protagonist auf eine subtilere Weise darzustellen.

Ich füge jetzt einfach mal den nächsten Teil an. Ist ein großer Brocken, doch ich habe einfach keinen besseren Sinnabschnitt gefunden.


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Beitrag29.07.2009 20:29

von Neraniel
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Nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hatte, stand er vor der kurzen Betontreppe mit geschmacklos dunkelgrün gestrichenem Geländer. Seufzend stieg er die Treppe hoch und fand sich im Treppenhaus einer baufälligen, typisch berlinerischen Militärskaserne wieder. Einen Aufzug gab es nicht und das Treppenhaus wand sich noch weitere 7 Stockwerke in die Höhe. Na, die da oben wohnen immerhin besser als ich, dachte er und ruckelte an dem Türknauf der Haustür, der schon wieder klemmte. Verdammt, dachte Jacob. Wo gibt’s das denn? Eine Tür, die man von INNEN nicht öffnen kann? Nach ungefähr dreißig Sekunden wilder Rüttelei und einigen Flüchen bekam er die Tür schließlich mit einem Ruck auf. Er strich sich eine Strähne aus der Stirn und fuhr sich dabei über die Wangen. Verdammt, er hatte vergessen sich zu rasieren. Na ja, das war jetzt auch egal. Er trat hinaus auf die Straße, schloss die Tür hinter sich und war kurzzeitig geblendet von der weißlichen Helligkeit des Tages. Unwillkürlich blickte er in den Himmel, doch der war so wolkenverhangen wie die ganze letzte Woche. Es schien, dass der Asphalt das durch die Wolken weiß gefilterte Licht reflektierte und ihn damit blendete. Vielleicht sollte er sich mal wieder eine Sonnenbrille zulegen. Nur wovon bezahlen?
Er kramte in seinen Hosentaschen. Wie lange war er eigentlich nicht mehr bei der Bank gewesen? Egal, er hoffte insgeheim, dass noch ein paar Euro auf dem Konto waren. Als er die Hand wieder aus der Tasche zog, befanden sich einige Münzen darin. Zwei, drei, fünf, fünf sechzig. „Das dürfte für ein kleines Mittagessen reichen“, stellte er erfreut fest. Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr: 12:37.
Sich umsehend überquerte er hastig die Straße bei Rot und lauschte dem Platschen seiner Schuhe auf dem feuchten Boden, während er über den rissigen Beton des Bürgersteigs schritt. Seine Kanzlei lag relativ zentral in der Stadt, was dazu führte, dass er um die Mittagszeit allen möglichen Menschen begegnete. Umhereilende Geschäftsleute, die männlichen in Anzügen, die Frauen in Röcken und Blousons oder Hosenanzügen. Alle straff, gehetzt, unruhig. Jacob seufzte. Wenigstens ging es ihm nicht so. Aber dafür hatten diese Leute Geld. Es hatte ihm jedoch schon immer gefallen, sein eigener Herr zu sein. Nach eigenem Plan zu arbeiten und nur dem Kunden verpflichtet sein. Nach oben buckeln und nach unten treten war nichts für ihn. Er arbeitete auf eigene Faust.
Es begegneten ihm auch andere Gestalten: Jugendliche Skateboarder, mit Rucksack und Mütze, kichernde Mädchen in Miniröcken (bei dem Wetter!),  mitten in der Pubertät und mit der ersten dicken Schicht Make-up im Gesicht, Gothics mit schwarzen Haaren, dunkler Kleidung und oft miesepetriger Miene, was wohl zu ihrem Stil gehörte. Ebenso ältere Leute, die zwischen den oft schrillen und modern gekleideten Jugendlichen absolut fehl am Platz wirkten, aber nichtsdestotrotz stumm und mit gesenktem Kopf sich ihren Weg durch die Massen bahnten. Jacob überquerte eine weitere Straße und befand sich daraufhin in der gepflasterten Fußgängerzone. Es war ein herbstlicher Tag, der Himmel voll Wolken, doch nicht allzu kühl. Er schritt an mehreren Geschäften vorbei, Drogerien, Buchläden, H&M, C&A, Zara&Zara oder wie sie alle hießen. Während er so in Gedanken versunken einen Fuß vor den anderen setzte, kam ihm die Welt um ihn herum seltsam unwirklich vor. Als würde alles in einem anonymen und wabernden Strudel an ihm vorbeiziehen, ein Strudel, der ihn weder mitreißt noch völlig in Ruhe lässt. In Großstädten hat man oft das Gefühl einfach mit zu fließen, ob man wollte oder nicht, sinnierte er. Die Stadt schläft nicht, sie ruht nicht, sie steht nicht still. Und das wirkt sich auch auf ihre Bewohner aus. Jacob wusste gar nicht mehr, warum er unbedingt in die Großstadt wollte. Sicher, hier hatte man höhere Chancen auf Klienten als auf dem Land, doch eine etwas kleinere und sauberere Stadt hätte es auch getan. Na ja, jetzt war er hier gelandet und er musste das Beste daraus machen. „Wo ein Wille, da ein Weg“ hatte seine Mutter immer gesagt. Er seufzte und fand sich plötzlich vor seinem Stammlokal, welches ungefähr zwei Straßenecken und 800 Meter von seiner Kanzlei entfernt war, wieder. Er hatte den Weg absolut mechanisch zurückgelegt, wie eine Straßenbahn, an der Schnur gezogen. Chinese Take-Away. Schmeckt gut und kostet wenig, dachte er, als er die Tür öffnete, die wie alle anderen chinesischen Etablissements  mit diesem seltsamen gefalteten Crepé-Papier in Rot geschmückt war. Innen roch es nach Hühnchen, Soja-sauce und Spülwasser. Er ging den schmalen Gang entlang, der zwischen Wand und Tresen, hinter dem sich die Kochstelle befand, übrig blieb und setzte sich an einen der vier Tische, die mitten in dem gekachelten Raum standen. Nach kurzer Zeit tauchte hinter dem Tresen eine kleine Asiatin auf, wohl die Besitzerin des Lokals, beziehungsweise die Frau des Besitzers oder vielleicht auch dessen Tochter. Obwohl er schon zig Male hier war und auch zig Male von eben dieser Dame bedient wurde, wusste er nichts über sie.  Irgendwie komisch. Er hatte sie nun fast öfter gesehen als seine letzte Freundin und doch war sie ein unbeschriebenes Blatt. Wie ein leeres Buch oder besser ein geschlossenes Buch. Für ihn. Noch während er überlegte, ob er dieses Buch heute vielleicht öffnen sollte, hatte er wieder absolut mechanisch das bestellt, was er immer aß: Einen großen Teller Bami-Goreng mit Shrimps, Hühner- und Schweinefleisch, dazu eine Dose Cola. Während er auf sein Essen wartete,  hörte er der namenlosen Kellnerin und ihrem Mann oder Vater bei einem Gespräch in ihrer Sprache, sei es Chinesisch, Japanisch oder Koreanisch, zu. Interessante Laute, die die Leute da von sich gaben. Vielleicht sollte er mal einen Chinesisch Kurs machen.
Seine Blick wanderte über die vom Küchendampf leicht fleckig gewordene Decke, über Bilder asiatischer Malereien, die von einer leichten Staubschicht überzogen an der Wand hingen, schrecklich klischeehafte Girlanden und Laternen in roter Farbe mit einem goldenen Drachen aufgedruckt, über das typische Aquarium, was in fast jedem chinesischen Take-Away und/oder Restaurant zu finden war, und fand sich schließlich auf dem grau-weiß gemusterten, schlichten Holztisch wieder, an dem er saß, mit der Blickrichtung zur Tür. Die Tischoberfläche, die leicht rau war, reflektierte verschwommen die grellen Neonlampen, die an der Decke hingen und den Raum in ein fast steriles Licht tauchten, was einen krassen Gegensatz zu dem halbdunklen Tageslicht bildete, welches er durch die Scheibe, auf der in goldenen Lettern „Chinese Take-Away“ aufgedruckt war, nur schwach ausmachen konnte, da sich in der Scheibe die Kochstelle hinter dem Tresen spiegelte. Er sah in dem Glas gleichzeitig vorbeilaufende Leute, die gegenüberliegenden Geschäfte und die geschickten Hände des Koches, der mit mehreren Woks und Pfannen hantierte. Wie verzaubert sah er den flinken Bewegungen eine Weile zu. Dann entdeckte er auf dem Tisch einen kleinen braunen Fleck, kratzte ihn mit seinem Fingernagel ab und hob den Finger an die Nase. Soja-Sauce. Er flippte das Soja-Sauce Stückchen von seinem Finger auf den ohnehin schon dreckigen Fußboden und erhaschte beim Umsehen einen Blick durch die halb geöffnete Tür hinter sich in die Wohnung der Chinesen, wo er zwei Kinder umherlaufen sah.
Als ihm der Teller mit den dampfenden Nudeln gebracht wurde, bedankte er sich freundlich, lächelte die namenlose Kellnerin an, woraufhin sie ihn ihrerseits angrinste und sagte „Ist sehr scharf!“. „Gut so!“ entgegnete Jacob zwinkernd und begann zu essen. Wenn er nachdenklich war, was in letzter Zeit oft vorkam, konnte er Stunden damit zubringen, seine immer kälter werdenden Nudeln langsam zu essen und sich in dem Gewirr der Mehlwaren-Schnüre alle möglichen Dinge vorzustellen. Das Gesicht seiner ersten Freundin, sein erstes Fahrrad. Den Kronkorken seines Lieblingsbieres, Wolken, die Sonne. Er dachte an vieles. Ich denke an zu vieles, stellte er fest, schüttelte den Kopf und verscheuchte wehmütige Gedanken an die Vergangenheit. Mann, ich bin so träge geworden, weil ich die ganze Zeit nur meinen Gedanken nachhänge! Es wird Zeit, wieder mit offeneren Augen durch die Gegend zu laufen. Er nahm sich fest vor, von nun an seine Umgebung genauer zu beobachten. Er kratzte die letzten Nudeln auf dem Teller zusammen, steckte sie sich in den Mund, zahlte und verließ das Restaurant.


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Beitrag31.07.2009 20:14

von Neraniel
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Na, was sagt ihr? Ist der zweite Teil besser/schlechter? Übertrieben? Langweilig? Nicht spannend? Nichtssagend? Uninteressant?

Ich vermute mal, der Ausschnitt ist zu lang.

Ich reise ab morgen für zwei Monate in die Staaten. Sollte ich bis dahin nicht mehr hier sein: Ich wünsche euch noch einen schönen Sommer und wir sehen uns dann in 8 Wochen wieder!
Vielleicht bekomm ich auch von da drüben ab und zu die Gelegenheit hier reinzuschauen, wer weiß. wink

Bis dann!


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