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Rike Eselsohr
Alter: 45 Beiträge: 254
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02.07.2009 01:30 Nomen est omen von Rike
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Nomen est omen
„Nomen est omen“, der richtige Name ist alles, das wussten schon die alten Römer.
Mein Name ist Ernst!
Im Ernst jetzt, ich heiße Ernst!
Ist doch Wurst, wie der heißt, werdet ihr wohl denken und damit habt ihr auch recht! Ich heiße Ernst Wurst!
Meine Eltern hätten mich wenigstens Hans nennen können.
Hans Wurst, das hätte einen gewissen subtilen Humor aber meine Eltern hielten nicht viel von Humor. Sie nannten mich so, weil mit mir der Ernst ihres Lebens begann, erklärte mir meine Mutter einmal. Da begriff ich, dass der Witz: Aus Spaß wurde Ernst…, gar keiner ist.
Bei meinen Eltern jedenfalls hörte der Spaß irgendwann auf. Mal war es ihnen ganz ernst, dann wieder waren sie sich ziemlich wurst und dann waren sie sich nur noch wurst, bis meine Mutter Ernst gemacht, und ihn verlassen hat. Mir war das wurst, denn ich konnte meinen Vater sowieso nie ernst nehmen.
Außer der Scheidung meiner Eltern hat meine Kindheit keine ernsthaften Schäden in meiner Entwicklung hinterlassen.
Ich wuchs heran, wurstelte mich durch die üblichen pubertären Selbstfindungsphasen und dabei machten mir nicht nur meine Wurstfinger zu schaffen, die ich von meinem Vater geerbt habe, auch mein Name drohte mich in eine Identitätskrise zu stürzen. Aber dann schaute ich eines Morgens in den Spiegel und sagte mir: „Wurstegal, wie du heißt, Mann! Es kommt darauf an, wer du bist!“
Seitdem habe ich gelernt, meinen Namen als Teil meiner Persönlichkeit zu akzeptieren. Mehr noch: ich bin zu einer wichtigen Erkenntnis gekommen.
Ich heiße nicht nur Ernst Wurst, ich bin Ernst Wurst!
Denn normalerweise ist einem doch etwas entweder ernst oder es ist einem wurst. Mir ist es meistens beides gleichzeitig. Ich kann mich da selten für eines entscheiden.
Wenn ich mich ernsthaft für etwas interessiere, ist es mir im gleichen Moment auch schon wieder wurst und wenn mich etwas kalt lässt, macht es mich gerade deshalb auch schon wieder heiß. Einen treffenderen Namen könnte es für mich also gar nicht geben. Mein Name ist Spiegel meiner Seele.
Natürlich beginnt man da irgendwann über die berühmte „Huhn-oder-Ei-Frage“ zu philosophieren.
Bin ich so geworden, weil ich so heiße?
Oder heiße ich so, weil ich so bin?
Es gäbe da noch die Möglichkeit, dass mein Name gar nichts mit meiner Charakterstruktur zu tun hat aber das glaube ich nicht.
Ein gewisser Zusammenhang besteht da, dessen bin ich mir sicher.
Ein Lehrer hat mir mal ganz im Vertrauen erzählt, wenn bei ihnen auf den Schülerlisten Namen wie Kevin oder Vanessa stehen, schrillen sämtliche Alarmglocken und die Anträge auf Erziehungshilfe sind schon in die Wege geleitet, bevor das Kind überhaupt eingeschult wird.
Ich frage mich, wieso es noch keine empirischen Untersuchungen über Namen im Bezug auf die emotionale und soziale Entwicklung ihrer Träger gibt. Wäre doch eine höchstbrisante Entdeckung, wenn man herausfinden würde, dass einem Säugling mit dem Namen auch gleichzeitig der ganze Werdegang in die Wiege gelegt wird.
Aber ganz im Ernst, es ist mir eigentlich wurst, weiter darüber nachzudenken.
Mich beschäftigen im Moment ernstere Dinge.
Vor kurzem habe ich eine Frau kennen gelernt.
Ich bin nicht der modernste, doch Angelika schien sich durchaus ernstlich für mich zu interessieren.
Als sie mich aber ihrer besten Freundin vorstellte und die bei meinem Anblick kreischte: „Das ist doch wohl nicht dein Ernst?!“, wusste ich nicht so recht, wie ich das auffassen sollte. Na ja, ist ja jetzt auch wurst!
Den wahren Ernst meiner Lage erkannte ich erst in dem Moment, als die Wurst schon auf dem Brot lag.
Neulich waren wir bei ihren Eltern zu Besuch.
„Mutti, ich bin schwanger“, hörte ich sie im Nebenzimmer heulen.
„Im Ernst?“, fragte diese zurück.
„Von Ernst!“, konkretisierte Angelika.
„Ist doch wurst, Hauptsache gesund!“, antwortete Mutti.
„So Ernst, jetzt geht es um die Wurst!“, sagte ich mir gleichzeitig.
Angelika will mich nur unter der Bedingung heiraten, dass sie ihren Mädchennamen behalten darf.
Mir ist das wurst, soll sie halt weiter Angelika Ficken heißen.
Unsere Tochter will Angelika nach ihrer verstorbenen Großmutter Wilma nennen.
Welchen Nachnamen wir ihr geben sollen, sind wir aber noch ernsthaft am überlegen.
Meinen, ihren oder gar einen Doppelnamen?
Eins ist klar, als Wilma Wurst wird sie später einmal Figurprobleme bekommen
aber das wäre im Vergleich zu den anderen Möglichkeiten immer noch das kleinere Übel, oder meinen Sie nicht?
_________________ Ach, in meinem wilden Herzen nächtigt obdachlos die Unvergänglichkeit (R. M. Rilke) |
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Ronneburger Eselsohr
R Alter: 44 Beiträge: 316
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Jocelyn Bernsteinzimmer
Alter: 59 Beiträge: 2251 Wohnort: Königstein im Taunus
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02.07.2009 16:25
von Jocelyn
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Hallo Rike!
Tolle Idee!
Dein Text ist super.
In jeder Kategorie.
Stilistisch schön zu lesen.
Und dann dieser Titel.
Wie du dich im Text über Vanessa und Kevin dieser kleinen fraglichen Tiefgründigkeit annäherst, fragliche Verbindung von Namen und Schicksal, das abrundest am Ende.
Ich habe mich schön amüsiert, Caecilia
_________________ If you dig it, do it. If you really dig it, do it twice.
(Jim Croce)
Die beständigen Dinge vergeuden sich nicht, sie brauchen nichts als eine einzige, ewig gleiche Beziehung zur Welt.
(Aus: Atemschaukel von Herta Müller, Carl Hanser Verlag, München 2009, Seite 198)
"Si Dieu n'existait pas, il faudrait l'inventer."
(Voltaire) |
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Uenff Klammeraffe
Alter: 31 Beiträge: 952 Wohnort: Berlin
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03.07.2009 20:52
von Uenff
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Muss ich mich doch zu Wort melden, auch wenn ich normalerweise nur lese:
Gott, war das genial
Nein im Ernst, ich fands lustig.
Nicht wirklich objektive Kritik, aber loswerden musst ich's. .
Mfg
Uenff
_________________ --No offense--
Molon labe
Become the madness you want to see in the world.
After enlightenment, the laundry.
Freiheit liegt in der Zerstörung des Ichs. Hat halt Karl gesagt. |
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Locard Klammeraffe
Alter: 36 Beiträge: 696 Wohnort: Münster
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03.07.2009 22:16
von Locard
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Nabend!
Finde die Idee nicht schlecht, allerdings ist der Witz - zumindest bei mir - recht schnell ausgebrannt und entlockt letztendlich nur noch ein müdes Lächeln. Für mich ist es zu viel Wurst im Ernst ... oder so
Der letzte Satz reißt die 5Cent für's Phrasenschwein am Ende wieder heraus
Fazit: Unterhaltsam
Beste Grüße, Locard
_________________ "Komm, essen wir Opa!" - Pro Satzzeichen, denn sie retten Leben |
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Rike Eselsohr
Alter: 45 Beiträge: 254
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04.07.2009 02:30
von Rike
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Hallo,
freut mich ernsthaft , dass es euch gefällt, unterhält und euch erheitert - ist ja auch Sinn der Sache.
@ Locard:
Ja, ich reize den Ernst und die Wurst etwas zu sehr aus, da hast du recht aber ich konnte nicht widerstehen.
Liebe Grüße
Rike
_________________ Ach, in meinem wilden Herzen nächtigt obdachlos die Unvergänglichkeit (R. M. Rilke) |
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MosesBob Gehirn²
Administrator Alter: 44 Beiträge: 18339
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04.07.2009 06:28
von MosesBob
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Guten Morgen, Rike!
Rike hat Folgendes geschrieben: | „Nomen est omen“, der richtige Name ist alles, das wussten schon die alten Römer.
Mein Name ist Ernst!
Im Ernst jetzt, ich heiße Ernst!
Ist doch Wurst, wie der heißt, werdet ihr wohl denken und damit habt ihr auch recht! Ich heiße Ernst Wurst!
Meine Eltern hätten mich wenigstens Hans nennen können.
Hans Wurst, das hätte einen gewissen subtilen Humor aber meine Eltern hielten nicht viel von Humor. |
Mein Sprachgefühl sagt mir, dass ich die beiden fett markierten Sätze mit einem Punkt abgeschlossen hätte, nicht mit einem Ausrufezeichen. „Mein Name ist Ernst.“ – Für mein Befinden ist dieser Satz kein Ausruf, und selbst wenn er einer sein soll, würde ich einen normalen Satz daraus machen, der kein Ausruf ist. Der Ausruf kommt hinterher: „Im Ernst jetzt, ich heiße Ernst!“ Dieser Satz muss ein Ausrufezeichen haben (hat er ja auch). Selbes Argument hier: „Ist doch Wurst, wie der heißt, werdet ihr wohl denken und damit habt ihr auch recht! Ich heiße Ernst Wurst!“ Wenn du diese Geschichte vertonen würdest – würdest du beide Sätze als Ausruf lesen? Ich nicht. Nur einen von beiden. Warum ich wegen eines Satzzeichens so viel Aufhebens mache? Ich mag Witze, deren Pointen mir nicht ins Gesicht gebrüllt werden.
Rike hat Folgendes geschrieben: | Bei meinen Eltern jedenfalls hörte der Spaß irgendwann auf. Mal war es ihnen ganz ernst, dann wieder waren sie sich ziemlich wurst und dann waren sie sich nur noch wurst, bis meine Mutter Ernst gemacht, und ihn verlassen hat. Mir war das wurst, denn ich konnte meinen Vater sowieso nie ernst nehmen. |
Vorschlag (noch einen obendrauf gesetzt): „Bei meinen Eltern jedenfalls hörte der Spaß irgendwann auf. Mal war es ihnen ganz ernst, dann wieder waren sie sich ziemlich wurst und dann waren sie sich nur noch wurst, bis meine Mutter Ernst gemacht, und ihn verlassen hat, kurz nachdem mein Vater Ernst gemacht hat, also mich. Mir war das wurst, denn ich konnte meinen Vater sowieso nie ernst nehmen.“
Rike hat Folgendes geschrieben: | Seitdem habe ich gelernt, meinen Namen als Teil meiner Persönlichkeit zu akzeptieren. Mehr noch: ich bin zu einer wichtigen Erkenntnis gekommen.
Ich heiße nicht nur Ernst Wurst, ich bin Ernst Wurst!
Denn normalerweise ist einem doch etwas entweder ernst oder es ist einem wurst. Mir ist es meistens beides gleichzeitig. Ich kann mich da selten für eines entscheiden.
Wenn ich mich ernsthaft für etwas interessiere, ist es mir im gleichen Moment auch schon wieder wurst und wenn mich etwas kalt lässt, macht es mich gerade deshalb auch schon wieder heiß. Einen treffenderen Namen könnte es für mich also gar nicht geben. Mein Name ist Spiegel meiner Seele. |
Vorschlag (noch einen obendrauf gesetzt): „Wenn ich mich ernsthaft für etwas interessiere, ist es mir im gleichen Moment auch schon wieder wurst und wenn mich etwas kalt lässt, macht es mich gerade deshalb auch schon wieder heiß. Außerdem – egal, ob es um Diskussionen, Discoabende oder einfach nur ums Essen ging – konnte ich nie ein Ende finden. Ich fand immer zwei. Im Ernst! Einen treffenderen Namen könnte es für mich also gar nicht geben. Mein Name ist Spiegel meiner Seele.“
Rike hat Folgendes geschrieben: | Vor kurzem habe ich eine Frau kennen gelernt.
Ich bin nicht der modernste, doch Angelika schien sich durchaus ernstlich für mich zu interessieren.
Als sie mich aber ihrer besten Freundin vorstellte und die bei meinem Anblick kreischte: „Das ist doch wohl nicht dein Ernst?!“, wusste ich nicht so recht, wie ich das auffassen sollte. Na ja, ist ja jetzt auch wurst! |
Auch das ist für mich kein Ausruf. Ausgerufen wird mir die Pointe, so habe zumindest ich den Eindruck, wieder ins Gesicht geschrien mit dem auferlegten Zwang, sie witzig finden zu müssen. Würde der Satz dahingegen mit einem bescheidenen Punkt enden – oder dreien –, wäre er ein einfaches, leises und nachdenkliches Abwiegeln, dessen Wortwitz sich vor meinen Augen nicht ganz so penetrant auf das Brusthaar krault: „Naja, ist ja jetzt auch wurst ...“
Davon abgesehen – Vorschlag (noch einen obendrauf gesetzt):
„Vor kurzem habe ich eine Frau kennen gelernt.
Ich bin nicht der modernste, doch Angelika schien sich durchaus ernstlich für mich zu interessieren. Wir führten eine wunderbare Beziehung, verstanden einander blind, und auch wenn es um die Wurst ging, also um meine, also im Bett, naja, ihr wisst schon, konnte ich nie ein Ende finden. Ich fand immer zwei. Sozusagen mutliple Enden, worüber Angelika sich jedes Mal sehr freute.
Als sie mich aber ihrer besten Freundin vorstellte und die bei meinem Anblick kreischte: „Das ist doch wohl nicht dein Ernst?!“, wusste ich nicht so recht, wie ich das auffassen sollte. Na ja, ist ja jetzt auch wurst!“
Rike hat Folgendes geschrieben: | „So Ernst, jetzt geht es um die Wurst!“, sagte ich mir gleichzeitig. |
Um die ging es eigentlich schon früher, quasi bei der Zeugung.
Fazit: Lustige, kleine Geschichte, die zum Ende hin nochmal ordentlich Fahrt aufnimmt und somit dafür entschädigt, dass ich zuvor an drei, vier Stellen den Eindruck hatte, als würdest du den Bogen echt tierisch überspannen. Das wiederum lag nicht direkt an den Wortspielen, sondern daran, dass es eigentlich immer dieselben waren. Denken wir nur ein paar Meter weiter, könnte Ernst zum Beispiel beruflich Koch sein und einen eigenen Grillimbiss unterhalten (Name: "Bratwurst"). Vielleicht war er auch mal beim Arzt, der diagnostizierte, dass er Hämorrhoiden hat.
Ernst: "Wirklich?"
Arzt: "Ja, im Ernst."
Ernst: "Wo sonst ..."
Beste Grüße,
Martin
_________________ Das Leben geht weiter – das tut es immer.
(James Herbert)
Die letzte Stimme, die man hört, bevor die Welt untergeht, wird die eines Experten sein, der versichert, das sei technisch unmöglich.
(Sir Peter Ustinov)
Der Weise lebt still inmitten der Welt, sein Herz ist ein offener Raum.
(Laotse) |
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Rike Eselsohr
Alter: 45 Beiträge: 254
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07.07.2009 00:06
von Rike
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Hallo Martin,
danke für deine ausführliche Kommentierung und sorry, dass meine Antwort so lange gedauert hat, ich war im Zeugnissstress (bei uns gibts nächste Woche Sommerferien - juhu)!
Mit den Satzzeichen muss ich dir recht geben. Die Ausrufezechen sind wirklich too much. Ich habe die Geschichte für eine Lesung geschrieben und ich lese diese Sätze eher trocken vor, das heißt ich missachte beim Vorlesen meine eigenen Satzzeichen.
Mit dem "noch einen obendrauf setzen", weiß ich nicht recht. Eigentlich reize ich den Ernst und die Wurst ja schon ganz schön aus, ich hab Angst, dass es mit noch mehr davon ins Kitschige kippt, oder man dem Ernst Wurst schnell überdrüssig wird. Ich lass mir deine Vorschläge aber durch den Kopf gehen!
Thanks
Rike
_________________ Ach, in meinem wilden Herzen nächtigt obdachlos die Unvergänglichkeit (R. M. Rilke) |
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