Der letzte MJ-Shuffle

[Pencake]

Auf Neverland ist nicht mehr viel los. Der Streichelzoo ist aufgelöst, die Lichter blinken nicht mehr. Ab und an schlurft ein altes Hausmeister-Ehepaar über den verlassenen Innenhof. Vielleicht lässt sich auch mal ein Dutzend Security-Personal blicken - zum Beispiel wenn Mr. Tesco, Ex-Captain des NYPD, seinen runden Geburtstag feiert. Aber das sind Ausnahmen. Still ist es geworden, keine Kinderstimmen mehr, kein Gelächter, keine Beats und keine zackigen Lichtkurven in milder Abendluft.

So ist das, wenn der Pop schlafen geht. Aber was solls. Mythen sind dazu da, wieder neu entdeckt zu werden. Wiederauferstehung ist eine Maschine, die per Kickstarter neu gezündet wird. Deshalb sind die Uhren hier im Nimmerland ganz auf Zukunft gepolt. Wie kleine Köpfe, die nach vorne hecheln: wann ist es endlich wieder soweit? Wann versammeln sich wieder die Tausendschaften? Wann erhebt sich endlich wieder dieses Kreischen und Stampfen vor der größten Bühne Londons? Es ist ein Donnerstag, an dem die Uhren endgültig stehen bleiben.  

Ich sehs vor mir. Wie du mit deinem kleinen Hintern Richtung Sensenmann wedelst. Dabei diese spitzen Schreie, jedes "Uu" und "Aa" bringt dich näher. Das hier ist dein letzter Shuffle. Kein Mr. Tesco, kein Doktor, keine Liz. Und irgendwo in Gary, Indiana, kommen einem Kind die Tränen. Ohne, dass Twitter zusammenbricht. Ohne, dass Journalisten durch ein altes Leben hetzen. Ohne, dass sich ergraute Fans süßwarm in die Arme fallen. Dem kleinen Jungen kommen die Tränen, einfach so, ohne, dass er wüsste weshalb.

[Maria]

Die Stille, ja, wie schön wäre sie. Die Geier kreisen mit überstreckten Hälsen über Nimmerland. Leichenfledderer aller Couleur sabbern die verdorrte Spielwiese voll, und dann wird’s wieder bunt. Wir haben es wieder bunt gemacht. Und laut und fröhlich.
Tot ist er allen tatsächlich mehr wert als lebendig. Arme Seele.

Vor wenigen Jahren hat man die faltigen Hälse noch nach links gedreht, bereitwillig in die Richtung in die der Mediensturm geblasen hat. Heute dreht man ihn nach wieder nach vorn, voll der warmen Worte und heißen Tränen. Wir glaubten ja alle an ihn. Irgendwie und irgendwas.
Während sein kleiner Hintern wedelt, wird der Rest seiner Nase in jede nur denkbare Schlammpfütze gedrückt.
Ich lese, höre und sage nichts mehr weiter. Der vorbildliche Umgang mit dem Schlechten? Auf neudeutsch: fremdschämen. Aber auch das ist ein alter Hut, in der Legendenmacherei.

[MosesBob]

Gerade heute habe ich einen Bericht im Radio gehört, in dem ein Reporter den anderen fragte, wie denn die Stimmung vor Ort sei. Der Auslandsreporter antwortete, dass da überall Kondolenzartikel angeboten würden: T-Shirts, Plakate, ... die komplette Merchandise-Maschine läuft mit geölten Kolben auch Hochtouren. Dann schloss der Reporter mit den sinngemäßen Worten, dass die Trauer also allgegenwärtig sei.

Und da habe ich kurz die Stirn kraus gezogen und mir überlegt, wie pietätlos es doch ist, vom postmortalen Business auf die Stimmung unter den abgezockten, aufs Kreuz gelegten und über den Tisch gezogenen Fans zu schließen. Der Bericht klang bis dahin eher nach einem sauber laufenden und sehr lukrativen Jahrmarkt.

Nicht mal im Tod hast du deine Ruhe. Kaum fängst du an zu stinken, kommen die Aasgeier angeflattert.