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Schrecken der Nacht


 
 
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Leia
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen

Alter: 43
Beiträge: 35
Wohnort: München


Beitrag17.06.2009 15:49
Schrecken der Nacht
von Leia
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Den folgenden Text habe ich als Schreibübung in einem VHS-Kurs geschrieben (grobes Thema "Spannung erzeugen") und leider recht wenig Feedback dazu bekommen, deshalb würde ich Euch gerne um eine ehrliche Meinung bitten.
Die Aufgabenstellung war etwa so: Der Mann (Ich-Erzähler) ist zu Hause, Rückkehr seiner Frau/Freundin am frühen Morgen. Sie hat eine Wunde / Schussverletzung am Arm und sagt nichts, oder womöglich nur die Unwahrheit über die Ursache.

Dankeschön!  Wink

Ich wurde unsanft geweckt von einem lauten Rumpeln aus der Wohnung, dem ein leise gemurmelter Fluch folgte. Ich sah auf den Wecker: 4.23 Uhr, Anne war endlich nach Hause gekommen. Ich überlegte kurz, ob ich mich einfach schlafend stellen und sie morgen – eigentlich ja schon heute – zur Rede stellen sollte, aber dann quälte ich mich doch aus dem Bett. Das Schuhregal lag umgeworfen im dunklen Flur, das war also der Lärm gewesen. Im Bad brannte Licht. Ich stieg barfuss über das Durcheinander aus Schuhen und blieb im Türrahmen stehen. Anne wühlte im Medizinschrank, sie war in einem Mitleid erregenden und zugleich erschreckenden Zustand: Ihr dunkles Augen-Make-up war völlig zerlaufen, ihr Kleid schmutzig und zerrissen, und auf einem Ärmel war ein großer dunkler Fleck. Mantel und Handtasche lagen auf dem Fliesenboden.
„Anne, was ist denn mit dir passiert?“ Sie zuckte zusammen und fuhr herum, offenbar hatte sie mich nicht kommen gehört. Sie hatte etwas in der Hand, sofort versteckte sie es hinter ihrem Rücken. Ich ging auf sie zu und wollte sie umarmen, doch Anne hielt mich mit dem anderen Arm auf Abstand. „Alles in Ordnung, wirklich!“ Sie lallte leicht. Von Nahem betrachtet sah sie noch viel schlimmer aus, auch fiel mir jetzt der starke Alkoholgeruch auf. Und der dunkle Fleck auf ihrem Ärmel war eindeutig Blut.
„Du bist verletzt, komm, lass mich das mal anschauen!“ Vorher war ich noch wütend gewesen, weil sie ohne Ankündigung so lange weggeblieben war, doch jetzt machte ich mir einfach nur Sorgen.
Anne ließ das Verbandspäckchen, das sie offenbar vor mir hatte verstecken wollen, aus Versehen fallen. Wir bückten uns beide danach, doch sie schwankte und wäre umgekippt, wenn ich sie nicht gehalten hätte. Behutsam bugsierte ich sie auf den geschlossenen Toilettendeckel, streichelte ihr Gesicht und sah mir die noch immer blutende Wunde an ihrem linken Unterarm an. Sie versuchte sich zu wehren, doch sie war zu betrunken und ich zu entschlossen.
Nachdem ich ihre Verletzung versorgt hatte versuchte ich endlich von ihr zu erfahren, was genau passiert war. „Wir waren in dieser Bar… Susis Junggesellinnenabschied, weißt du?“
Ich wusste nicht, und ich kannte auch keine Susi.
„Wir haben getrunken und getanzt… und noch mehr getrunken. Mehr weiß ich nicht mehr.“ Anne sprang auf und übergab sich ins Waschbecken. Na prima. Eine böse blutende Wunde und ein Filmriss. Sie konnte froh sein, dass sie es irgendwie nach Hause geschafft hatte. Ich schleifte sie ins Bett, wo sie sofort einschlief und anfing leise zu schnarchen.
Am Morgen wachte ich früh auf, Anne lag noch genau so, wie ich sie hingelegt hatte. Ein dünner Speichelfaden floss aus ihrem Mund. Ich ging ins Bad, sammelte ihren Mantel vom Boden auf und stutzte, als ich die große rosa Handtasche aufhob. Das war nicht Annes Tasche. Anne mochte kein rosa. Durfte ich hineinsehen? Ich zögerte und tat es. Was ich sah ließ mir den Atem stocken: Mehrere dicke Bündel Geldscheine lagen darin. Ich hörte ein Klicken, drehte mich um und blickte direkt in den Lauf einer Pistole.

Weitere Werke von Leia:
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Ana
Geschlecht:weiblichWortedrechsler

Alter: 62
Beiträge: 91



Beitrag17.06.2009 17:02

von Ana
Antworten mit Zitat

Hallo Leia,

Spannung kommt keine auf.

Gründe: zu viel erklärt, zu viel Verständnis, zu lange Sätze.
Spannung entsteht durch Konflikt. Dein erster Konfliktpunkt lässt du im Verständnis praktisch ersaufen.

Zitat:
Ich wurde unsanft geweckt von einem lauten Rumpeln aus der Wohnung, dem ein leise gemurmelter Fluch folgte. Ich sah auf den Wecker: 4.23 Uhr, Anne war endlich nach Hause gekommen. Ich überlegte kurz, ob ich mich einfach schlafend stellen und sie morgen – eigentlich ja schon heute – zur Rede stellen sollte, aber dann quälte ich mich doch aus dem Bett. Das Schuhregal lag umgeworfen im dunklen Flur, das war also der Lärm gewesen. Im Bad brannte Licht. Ich stieg barfuss über das Durcheinander aus Schuhen und blieb im Türrahmen stehen. Anne wühlte im Medizinschrank, sie war in einem Mitleid erregenden und zugleich erschreckenden Zustand: Ihr dunkles Augen-Make-up war völlig zerlaufen, ihr Kleid schmutzig und zerrissen, und auf einem Ärmel war ein großer dunkler Fleck. Mantel und Handtasche lagen auf dem Fliesenboden.


so würde ich anfangen:
Ein Poltern schreckte mich aus dem Schlaf. 4.23 Uhr! Ich riss die Wohnzimmertür auf. Anne hatte im Flur den Schuhschrank umgeworfen.
"Weißt du, wie viel Uhr es ist?"
"Ach, spiel dich nicht so auf!" Stolpernd und strauchelnd bahnte sich Anne einen Weg durch herumliegende Stiefel, Pumps und Turnschuhe.
"Ich habe mir Sorgen gemacht!"
Mit trunkenen Augen stierte mich Anne an, dann kicherte sie. "Natürlich - und vor lauter Sorge um mich hast du einen Schlafanzug angezogen und bist in das Heiabettchen gekrochen!"
"Was hätte ich sonst tun sollen? Ans Handy bist du nicht und die Polizei schaltet sich erst nach 24 Stunden ein! Und außerdem - Wie siehst du aus? Als wärst du aus der letzten Gosse gekrochen." Ich konnte den Ekel in meiner Stimme nicht unterdrücken.
Anne blickte an sich herunter. Zerrissene Strumpfhose, dreckiger Mantel und von einem ihrer Pumps war der Absatz ab. Als sie mich wieder ansah, glitzerten ihre Augen.
"Verpiss dich!" Es klang klar und kalt.
"Was? Ich soll mich verpissen?" Mit zwei Schritten war ich bei ihr. "Meine Frau hurt die ganze Nacht durch die Straßen ..." Ich schüttelte Anne wie einen Birnbaum. "Und du hast die Unverschämtheit, mir DAS ins Gesicht zu sagen?"
Inzwischen musste das ganze Haus wach sein. Schweratmend ließ ich sie los, meine Finger klebten. Angewidert wollte ich die Hand abwischen und erkannte: sie war Blutverschmiert.

Sicher noch überarbeitungsbedürftig.  Aber halt in der Art.


_________________
Liebe Grüße

Ana
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Maria
Geschlecht:weiblichEvolutionsbremse

Alter: 52
Beiträge: 5998

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Ei 4


Beitrag17.06.2009 17:18

von Maria
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genau wink

hey Leia,

Das ist für mich ebenfalls der Punkt, es kommt kein Lüftchen auf. Versetze ich mich in ihn, dann fehlt mir Wut (oder Angst), also wie Ana sagte, der Konflikt. Darum plätschert es nur.
Kann mich nur anschließen.

Deine Sprache mag ich - daran liegts also auf keinen Fall wink

LG
Maria


_________________
Give me sweet lies, and keep your bitter truths.
Tyrion Lannister
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Gast







Beitrag17.06.2009 19:12

von Gast
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Hallo Leia,

drei Antworten, drei Meinungen, drei Rezensionen. Um nicht zu wiederholen, versuche ich mal dein Bewusstsein für schräge Sätze anzustoßen. Vielleicht ermöglicht es dir die Sätze im Anschluss selbst auf Bestand zu prüfen.  

Ich denke schon, dass du dir für diese Kurzgeschichte den "Makroblick" leisten kannst. Nur solltest du die Reihenfolge einhalten. Schauen wir uns mal den ersten Satz an. Auf dem ersten Blick wirkt er unverfänglich, aber unterschwellig passt da doch was nicht, oder? Richtig, die vertauschte Reihenfolge verwirrt das Unterbewusstsein des Lesers.
Hier der vollständige erste Satz.

Zitat:
Ich wurde unsanft geweckt von einem lauten Rumpeln aus der Wohnung, dem ein leise gemurmelter Fluch folgte.


 Isolieren wir in genannter Reihenfolge zuerst jene Worte, die für ein „aktives“ Geschehen.

geweckt – Rumpeln  - Fluch / fällt dir etwas auf?

Die Ereigniskette ist nicht stimmig. Erst wirst du geweckt, dann rumpelt es. Das sind die beiden Hauptinformation, die der Leser unbewusst aufnimmt und die das Lesegefühl stören. Stimmt die Abfolge der Ereignisse nicht, stimmt auch das Lesegefühl nicht. Die Ausnahme bestimmt auch hier die Regel.

Stelle die Reihenfolge her und am Besten, verpasse beiden Ereignissen ihren eigenen Satz. Beide sind für den Aufbau der Spannung von großer Bedeutung.

Satz 1: Du erwachst, es ist noch finster.
Satz 2: Du weißt nicht warum du erwacht bist.
Satz 3: du willst weiter schlafen, aber es rumpelt, dass Licht im Bad geht an.

Ab Satz 3 stellte der Leser die Schlüssigkeit der Reihenfolge selbst her, in dem er automatisch davon ausgeht, dass es schon einmal gerumpelt haben muss! ERGO Beachte die Reihenfolge, dann stimmt die Spannung und das Lesegefühl.

Es gibt viele solcher Sätze in deinem Stück. Aber einen wahren „Horrorsatz“ möchte ich noch aufgreifen. Nämlich diesen:

Zitat:
Sie zuckte zusammen und fuhr herum, offenbar hatte sie mich nicht kommen gehört.


Prüfen wir doch mal die Aussage

Sie zuckte zusammen = sie erschreckte sich

und fuhr herum / sie drehte sich nicht, sie fuhr herum = sie erschreckte sich.

offenbar hatte sie mich nicht kommen hören = …und erschreckte sich. (Begründung)

13 Worte für EINE Aussage nebst völlig unnötiger Begründung!

Prüfe deine Sätze auf ihre Aussagen, die Ereignisse auf ihre Reihenfolge, versuche vom Passiv aufs Aktiv zu wechseln und mische nicht Präteritum mit Plusquamperfekt. Gebe jenen Ereignissen, die Erwartungen wecken einen eigenen Satz, und schon passt es.

Grüße

Bobbi
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schlumpfine113
Geschlecht:weiblichWortedrechsler

Alter: 48
Beiträge: 63
Wohnort: Schweiz


Beitrag17.06.2009 21:18

von schlumpfine113
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Servus Leia

Leider ist der Text wirklich alles andere als spannend. Es wirkt alles so aufgezählt, wie in einem Protokoll. Nicht mal am Schluss, als er das Geld entdeckt und in den Lauf der Pistole guckt, möchte ich wirklich wissen, wie es weiter geht.

Bitte nimm mir meine ehrliche Meinung nicht übel, ist völlig subjektiv.

Liebe Grüsse
Schlumpfine
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Leia
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen

Alter: 43
Beiträge: 35
Wohnort: München


Beitrag18.06.2009 11:22

von Leia
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Vielen Dank für Euer Feedback! Ich habe mich sehr über Eure ehrliche und konkrete Kritik gefreut. Dass in dem Text irgendwo der Wurm steckt wusste ich, ich konnte es nur nicht so richtig festmachen woran es liegt - da sehe ich jetzt einiges klarer, wieder was gelernt!  Wink

@Ana
Ich bin begeistert, was Du aus der Szene gemacht hast - die beiden haben dabei einen völlig neuen Charakter bekommen. Adieu, Soziologenpärchen mit "zu viel Verständnis"! Jetzt muss ich mal schauen, wie ich auch bei etwas "gemäßigteren" Charakteren den Konflikt reinbekomme... oder einfach etwas weniger "brav" schreiben!  angel

Zitat:
Ich schüttelte Anne wie einen Birnbaum.

Diesen Satz liebe ich einfach!

@Bobbi
Danke fürs sezieren! Das mit der Reihenfolge war mir noch gar nicht so bewusst, das muss ich mir auch in anderen Texten mal genauer anschauen.

Der Satz mit dem Erschrecken: autsch, klassischer Fall von grammatikalischer Textblindheit.  Aua

Die 13 Worte... klar könnte man auch einfach sagen: "sie erschreckte sich", wie auch immer formuliert. In einigen Fällen kann man das sicher kürzer machen, aber was wird aus dem viel zitierten "Show, don't tell", wenn man das Erschrecken nicht zeigen kann?
Da muss man wohl eine Balance finden, um nicht zu viele, aber auch nicht zu wenige Worte auf sowas zu ver(sch)wenden.

Zitat:
Gebe jenen Ereignissen, die Erwartungen wecken einen eigenen Satz, und schon passt es.

Jein: ich habe etwas Bedenken, dass es dann leicht in einen Text im Stil von "und dann... und dann... " umschlagen könnte - andererseits, wenn die Sätze eh' zu lang sind, vielleicht eine gute Lösung.

Bitte sei mir nicht böse, wenn ich Deine Gedanken erstmal mit leichtem Fragezeichen im Gesicht annehme - gerade die werden mich wohl noch ein Weilchen beschäftigen. Ich werde auch mal beim Lesen anderer Texte (eigene und fremde) darauf achten und auf Deine Anregungen hin durchdenken.

@Maria und Schlumpfine:
Danke für Eure Eindrücke! Das hier ist ja kein Ponyhof, wenn ich den Kopf getätschelt bekommen möchte kann ich auch zu Mama/Oma/Freundin gehen... wink
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