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wallenstein Eselsohr
W Alter: 61 Beiträge: 331 Wohnort: Duisburg
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W 01.06.2009 14:15 Brighamia insignis von wallenstein
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so, hier wieder etwas von mir. Dieses habe ich vor einiger Zeit geschrieben und Gestern überarbeitet. Es ist eine Szene aus einem geplanten Thriller, von dem ich noch nicht viel weiß. Den Plot habe ich zwar im Hinterkopf, aber er fügt sich nicht zu einem Ganzen. Leider. Also habe ich die Szene noch einmal hervorgeholt, wir sehen Peer und Marcellus, die beiden Protagonisten.
Brighamia insignis
„Ja, ich habe sie“, hörte er Marcellus’ Stimme, sie klang ruhig, keineswegs aufgeregt.
„Wie sieht sie aus?“, fragte Peer.
„Wie ein gottverdammter Penis. Schlaff. Tot.“
Peer rieb sich die Stirn. Worauf wollte er jetzt wieder hinaus? „Was willst du sagen?“, fragte er genervt.
„Ich tippe auf eine Brighamia insignis“, stellte Marcellus nach einem Zögern fest, und Peer hörte, wie er der Pflanze die Blätter abriss. „Ein Lobeliengewächs. Ja, ich werd sie jetzt aufschneiden. An der Wurzel. Nein, kurz vor der Wurzel. Da sind Falten. Wie ein Sack.“
„Ein Sack?“
„Ein Hodensack, Alter.“
„Ah ja, meinetwegen schneid sie auf!“ Peer sah zur Decke und verdrehte die Augen, Marcellus Pflanzenliebe ging ihm auf den Geist. Er hörte das Schaben des Messers, und das Kling des Messers, als es abrutschte und gegen Glas traf, vermutlich arbeitete Marcellus auf einer Schneidplatte aus Glas.
„Gott, ich habe Angst.“
„Was, Angst? Du hast Angst, Marcellus? Angst vor einer Zimmerpflanze?“ Jetzt musste Peer lachen.
„Sie hat ein Geheimnis.“
„Okay, okay. Du musst es nicht tun.“ Dann eben nicht. Er hatte genug vom stundenlangen Telefonieren, sein Ohr schmerzte, Morgen früh um sechs kamen die ersten Säcke mit Schmutzwäsche den Hotelaufzug hinunter, da musste er fit sein, zumindest ausgeschlafen. „Lass uns Morgen weitermachen“, schlug er vor.
„Warte, da ist ein Kanal in der Mitte –“ Marcellus Stimme klang aufgeregt, „die Hülle ist tot, definitiv tot, aber in der Mitte gibt es etwas Grünes, etwas Lebendes. Gott, ich habe Angst.“
„Schneid hinein!“, sagte Peer.
„Ich kann nicht. An der Spitze ist lebendiges Grün. Gottverdammtes lebendiges Grün.“
„Schneid sie auf!“ Peers Fuß rutschte von der Fußstütze des Rollstuhls, er hatte sein rechtes Bein gestreckt, um an das Handy in seiner Hosentasche zu kommen. Er zog es hervor, las die Uhrzeit ab: 2:17 Uhr in der Nacht. Nacht, Nacht. Nichts erinnerte hier an ein Leben außerhalb der dunklen Katakomben, kein Lichtstrahl sagte ihm an, dass es Tag war, hier unten war ewige Nacht.
„PEER?“, sagte Marcellus.
„Ja, was ist?“
„Wenn du dein verschissenes Ohr einmal ans Telefon halten könntest“, fuhr Marcellus ihn an, „Ich habe es gemacht. Ich habe es gemacht, wie du gesagt hast. Mein Gott, da ist etwas Flüssiges. Der Saft, der alles Leben zusammenhält, der Trieb, der alles nach oben treibt, ans Licht, verstehst du?“
Peer schwieg.
„Das, wofür wir hier sind, wofür wir am Leben sind“, flüsterte Marcellus.
„Come on!“ Peer rieb sich ungeduldig die Beine. Wenn er nur müde werden würde, wenn er wenigstens einmal das Gefühl hätte, Schlafen zu müssen.
„Was machen wir, wenn sie tot ist?“, fragte Marcellus und als Peer nichts erwiderte, fuhr er ihn an, „du hast wenigstens einen Sack, du hast Eier, Alter, du hast deine Beine nur gelähmt, du weißt, was Leben ist.“ Irgendetwas schien Marcellus verstimmt zu haben, er war auf einmal mit einer verbissen Wut an der Pflanze zugange, dass Peer nur noch Hineinstechen und Schnibbeln hörte, ein Rupfen an den Blättern und Knicken und Abreißen. Plötzlich schrie Marcellus: „Sie ist tot. Peer, das ganze Grün ist tot. So verschissen wie das Grün in einem Avocado – und ebenso tot.“
„Wonach riecht sie?“, fragte Peer.
„An der Spitze scheint sie krank. Ich kann es nicht definieren.“
„Im Wasser, im Schaft?“ – Gottverdammt, hoffentlich war Marcellus bald fertig!
„Schwer zu sagen. Ich denke, sie lebt nicht mehr. Sag mir, was soll ich jetzt tun?“ Marcellus Stimme hatte sich wieder beruhigt.
„Iss sie auf!“
„WAS?“
„Ja.“ Peer stützte seinen Ellbogen auf und rieb sich die Stirn. „Wenn das ganze Leben da drin steckt und wenn du sagst, das ganze Leben funktioniere nach einem Plan, und zwar nicht nach einem billigen Plan, so iss sie auf!“
„Peer?“
„Ja-a, ich bin da“, sagte er genervt. Im Internet klickte er auf Brighamia insignis, der Kerl ist verrückt, dachte er. Ein Lobeliengewächs, ah da! Vertrocknet, keine Kraft mehr, oder vielleicht auch etwas zu nass geworden? – „Sie schmeckt algig“, hörte er Marcellus Stimme, „Grün. Lebendig“, erstattete er Bericht.
„Wie tief hast du hineingeschnitten?“
„Mitten hinein, in eine Art Mittelkanal. Eine grüne Halsschlagader, aber das Leben ist außen. Ich schmecke es. Oder sagen wir, es war außen. Auf der Hülle. Es glitscht. Es ist ein Scheiß-Geglitsche von einer Pflanze. Peer, das könnte ihr Geheimnis sein. Wenn da etwas wäre, aber da ist nichts, nichts als Geglitsche und das ist tot.
„Marcellus?“
Lange war von Marcellus nur tiefes Atmen zu hören, dann hörte Peer, wie er sich erbrach.
Weitere Werke von wallenstein:
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Telani Leseratte
Alter: 37 Beiträge: 174
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03.06.2009 12:13
von Telani
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Hi Wallenstein!
Ich finde deinen Text sehr dicht und du verstehst es Spannung im Leser zu erzeugen. Man stellt sich viele Fragen, doch du gibst ausreichend Informationen, dass man gerne weiterliest.
Manchmal war mir nur der Worwechsel etwas zu viel. Vielleicht könntest du an ein oder zwei Stellen Text, Beschreibungen dazwischen bauen, sonst tut man sich am Anfang vorallem schwer der Handlung zu folgen (bzw. wer jetzt eigentlich wo ist).
Aber andererseits sorgst du so für ein schnelles Fortkommen und das erzeugt auch irgendwie wieder Spannung...also ist nur meine persönliche Meinung, musst aber du entscheiden
Einen kleinen Satz habe ich auch noch gefunden, der mir nicht so toll gefallen hat:
Zitat: | Er hörte das Schaben des Messers, und das Kling des Messers, als es abrutschte und gegen Glas traf, vermutlich arbeitete Marcellus auf einer Schneidplatte aus Glas. |
über dieses "das Kling" bin ich gestolpert...vielleicht gehts mit: und das markerschütternde (?) Knirschen der Klinge auf einem Glaskörper.
Ist nur ein Vorschlag,...nur ich denke aus diesen Kling kann man ein bisschen was "Beutelnderes" machen.
So, sonst wie gesagt hat mir der Abschnitt sehr gut gefallen und ich würde auf jeden Fall an der Geschichte dran bleiben als Leser!
LG Telani
_________________ Die Wirklichkeit ist ein zerbrochener Spiegel! |
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Sun Wukong Eselsohr
S Alter: 43 Beiträge: 459
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S 03.06.2009 12:18
von Sun Wukong
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Hallo wallenstein, eine sehr flüssig geschilderte, aber auch sehr rätselhafte Szene, was hat es denn mit dieser Pflanze und Marcellus' Versessenheit auf sich? Die organischen Vermischungen gefallen mir, arbeitest Du mit 'CutUp'?
Einige Dinge sind mir aufgefallen:
Zitat: | „Ich kann nicht. An der Spitze ist lebendiges Grün. Gottverdammtes lebendiges Grün.“ im Gegensatz zu den anderen Sätzen brachte mich diese Formulierung etwas aus dem Lesefluss raus |
Zitat: | „An der Spitze scheint sie krank. Ich kann es nicht definieren.“ weil Marcellus vorher die Pflanze auseinandernimmt, wusste ich nicht genau, was ich mir hier jetzt vorstellen sollte |
Zitat: | "...so iss sie auf!“ das "so" scheint nicht zu Peer zu passen, vielleicht eher: 'dann iss sie eben auf' |
Soviel von mir,
grüße, Kealakekua
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wallenstein Eselsohr
W Alter: 61 Beiträge: 331 Wohnort: Duisburg
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W 03.06.2009 14:27
von wallenstein
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Hallo ihr zwei
danke sehr, dass ihr das gelesen und Anmerkungen dazu verfasst habt. Ich werde eure Änderungen aufgreifen, später, beim Ausformulieren des Romans.
Momentan hängt es bei mir, denn mir fehlt die Crime-Story. Ich dachte etwas in Richtung Stammzellenforschung und unerlaubter Handel mit Stammzellen, der sich hier unten in den Katakomben abspielt. Peer arbeitet dort (Wäscherei eines renommierten Hotelkomplexes am Starnberger See). Er ist Rollstuhlfahrer und hat seit seinem Unfall ständige Schmerzen. Er muss eine Entscheidung treffen: Will er sich gegen die ständigen Schmerzen operieren lassen oder lebenslang auf Schmerzmittel angewiesen sein? Die OP birgt ein hohes Risiko. So steht dazu im Treatment:
Zitat: | Sein gesundheitlicher Zustand hat sich im letzten Jahr verschlechtert, Schuld daran sind Knochensplitter im Rückenmarkkanal. Eine OP an der Brustwirbelsäule könnte seinen Zustand verbessern, doch das Risiko, dass sein Rückenmark dabei beschädigt werden könnte und er für immer ans Bett gefesselt sein wird, ist recht hoch. Er muss ständig Schmerzmittel nehmen. |
Nun, während er sich zum Leben und Entscheidungfällen hierher zurückgezogen hat, trifft er in einem Internetforum auf den kauzigen Marcellus, der seine privaten Theorien über das geheime Sexleben der Pflanzen vor ihm ausbreitet. Der Typ ist völlig durchgeknallt, führt aber nur eine virtuelle Existenz (weswegen sie eigentlich nicht miteinander telefonieren, sondern besser den Messenger benutzen sollten).
Darauf fängt Peer an, die Umgebung der Katakomben ein wenig mehr zu untersuchen und es wird klar, warum der Hotelmanager für den Job in der Wäscherei einen Rollstuhllfahrer eingestellt hat: Peer kann nur ahnen, dass in den weit verzweigten Katakomben ein unheimliches Ding gedreht wird. Welches???
Er wird seinen virtuellen Freund Marcellus darauf ansetzen, "im echten Leben" außerhalb der Hotelwäscherei für ihn zu recherchieren, doch den interessiert das nicht. Den interessieren nur Pflanzen. Also muss Peer allein (unter Schmerzen) Erkundungen anstellen.
So läuft das Pi mal Daumen, ich habe schon fast die ganze Story stehen. Wenns euch interessiert, poste ich sie. Nur die Crime-Story will mir nicht einfallen. Stammzellen finde ich hochspannend, sind mir aber thematisch zu nah an Peers Problem mit seinem Rückenmark, da finde ich es an den Haaren herbeigezogen. Es sei denn, man "machte" es passend, etwa dergestalt, dass Peer wegen seines Rückens auf einen Stammzellengauner reinfällt, aber so dumm ist er eigentlich nicht.
Möglich wäre auch eine Politische Crime-Story, meinetwegen befinden sich hier geheime Nazi-Akten oder Schmuck, Diamanten, Geld, das den Juden von den Nazis im Dritten Reich abgenommen wurde.
Soweit so Überlegung, wenn jemand eine gute Idee hat, immer her damit, bitte sehr, bitte danke
LG, wallenstein
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