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Schwamm


 
 
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uffjedn
Geschlecht:männlichLeseratte

Alter: 42
Beiträge: 140
Wohnort: Berlin


Beitrag26.03.2009 17:46
Schwamm
von uffjedn
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Die Sprache ist mir ein Schwamm geworden.
Sie saugt und wischt und tropft und bricht
all den Schmutz von meinen Oberflächen.
Und auch aus Tiefen weiß sie noch
all meinen Schmutz in sich aufzusaugen
und in feinem Seifenschaum
in den Spülstein abzugeben.

So oft ich kann
spreche ich,
schreibe ich,
wasche ich,
schwemme ich
Dreck und altes Zeug
aus der stets neugewonnenen
selbsthygienierten Baustellenlandschaft
meiner rauchenden, schnaufenden,
chromsplitterrostenden, Industriebetongroßstadtseele.

Schwammig ist mir die Sprache geworden.
Doch sooft ich zu drücke,
und wringe,
und zwinge,
und schwitze,
allzeit bleibt ein kleiner Rest
der Feuchtigkeit im Schwamm enthalten.

Aber wozu wollte man auch
einen trockengelegten Schwamm.
So rau und staubig wie meine Haut wird,
wenn ich die schwammgewordene Trockensprache
in den Mund stecke,
eine Schwammimmundgänsehaut, so rau und so schlimm
wie es schon immer war, wenn kleine Jungs
in Mutters Badewanne probierten, wie denn
Schwamm so schmeckt.

Mein Schwamm bleibt feucht,
und wenn es nicht meine Sprache ist, dann ist es die der anderen.
Perlig fruchtig sprudelnd die Gedichtbände,
die er aufsaugt bis er selber, dann oft triefend vor Nass,
in einer Fontäne
spritzig und
hitzig und
witzig explodiert.
Oder schleimig, öd und ölig,
die Spucke, Sabber und der Geifer der Menschen ohne eigenen Lappen.
Speichelfäden, gelb schaumig und zerworfen von Blasen,
triefend, wie eine am Stock hängende Braunalge
vom Stock eines Jungen in schlaffen Schwimmflügeln, der damit
den kleinen Mädchen
am so genannten Strand,
ein Blasentangbraunalgenmenü mit
Quallengallert zum Nachtisch serviert.
an einem verregneten Septembertag
vor dem Spätherbstpanorama
der schlickglänzenden Oberfläche
des menschenfressenden
Nebel-
watt-
meeres.

Ja, auch diese wassergebundenen Fäkalien von Mutter Natur nimmt er auf,
der Schwamm, der meine Sprache mir geworden ist.

Und final götterdämmert es in mir tröpfelnd:
Wischen ist Macht.



_________________
sagt Paul.
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Todorov
Gänsefüßchen
T


Beiträge: 25



T
Beitrag26.03.2009 21:39

von Todorov
Antworten mit Zitat

hi

ich darf dir sagen, dass ich sehr zwiegespalten von der lektüre deines textes zurückbleibe.

erst einmal wird der vergleich sprache/schwamm relativ schnell klar, woraus sich ermüdende passagen ergeben. Umso erstaunlicher ist, dass dies immer wieder von innovativen vergleichen druchbrochen wird, die die metapher des schwammes um den aspekt der erinnerung anreichern. Zwar wird auch dieser Vergleich meines Erachtens sehr strapaziert, aber das funktioniert doch großtenteils. Besonders erleichtert war ich in den Teilen, in denen kurze Subjekt-Verb Konstruktionen angehäuft werden, da hier am wenigsten erklärt wird, denn die Tendenz viel zu erklären, ist mir total fehlamplatz. Wink

Es ist auch interessant zu sehen, wie du im Gedankengang verschiedene Wege suchst, um das Thema weiter zu fassen. Ist es im ersten Absatz noch die Absorbierfähigkeit, die jeden Küchenrollenpapierwerbetexter neidisch werden ließe, mit einem Hauch von postindustrieller Großstadtlyrik, so wendet sich der Duktus zu einem betont körperlich und dahingehend erotischem Diskurs, der sich durch lexikalische Beispiele wie "Fontäne, spritzig, hitzig, explodiert, schleimig" usw konstituiert, die ich gar nicht weiter ausführen mag. Damit kommt der Text mit einer sehr klaren Sprache aus, das gibt bei mir Pluspunkte. Mag dir aber egal sein.
Zitat:

a, auch diese wassergebundenen Fäkalien von Mutter Natur nimmt er auf,
der Schwamm, der meine Sprache mir geworden ist.

Und final götterdämmert es in mir tröpfelnd:
Wischen ist Macht.


Den prosaisch ansetzenden Schluss möchte ich hassen, das finale Wortspiel reißt es aber größtenteils raus.

Der positive Eindruck dieses Textes überwiegt!

Grüße

Todorov
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uffjedn
Geschlecht:männlichLeseratte

Alter: 42
Beiträge: 140
Wohnort: Berlin


Beitrag27.03.2009 16:23

von uffjedn
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo Todorov,

mich interessiert deine Kritik sehr, da du ein ziemlich genaues Bild von dem zu haben scheinst, was ich als handwerkliche Grundvoraussetzungen bei fiktionalen Texten bezeichnen würde.

Ich würde mich freuen, wenn du das ein oder andere dich störende noch einmal genauer herauspicken könntest, um mir einen Eindruck davon zu verschaffen, was im einzelnen die langweiligen Passagen sind und was so hassenswert an dem Schluss ist, hehe.

Grüße!


_________________
sagt Paul.
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Todorov
Gänsefüßchen
T


Beiträge: 25



T
Beitrag28.03.2009 14:28

von Todorov
Antworten mit Zitat

Hallo nochmal,


das Störende hat zwei Namen: Wiederholung und Prosa

1.Strophe hat Folgendes geschrieben:
Die Sprache ist mir ein Schwamm geworden.
Sie saugt und wischt und tropft und bricht
all den Schmutz von meinen Oberflächen.
Und auch aus Tiefen weiß sie noch
all meinen Schmutz in sich aufzusaugen
und in feinem Seifenschaum
in den Spülstein abzugeben


Du hast dir ja schon Mühe gegeben, Synonyme für Dreck usw zu finden, eine Alternative zu "Schwamm" wäre aber vielleicht angebracht. Es gibt zwar Passagen, da die Wiederholung des Wortes gut tut, weil sie den Text gliedert und den Leser gleichzeitig darüber aufmerksam macht, dass der Vergleich Sprache/Schwamm weitere Bedeutungen erhält.
Das Satzsegment "Der Schwamm, der mir eine Sprache geworden", so oder in Abwandlungen, kommt, wenns ich recht überblickt habe, dreimal vor, einmal gleich zu Beginn, einmal mittig, einmal am Schluss. Das ist ganz ok, die Wiederholungen des Wortes allein in den Strophe zehrt dagegen an der Lust des Lesers, zumindest an meiner. SO würde ich auch die "Schmutz"-Wiederholung rauszuschneiden versuchen.
"Und auch aus Tiefen weiß sie noch
in sich aufzusaugen in feinem Seifenschaum"
oder so

Die erste Strophe ist insofern noch ganz ok, ausgenommen vielleicht die letzten beiden Verse, die mir als etwas zu viel erscheinen.
Details, die hier auffallen, sind die vielen selbstreflexiven Pronomen mir/meinen sowie die die vielen klanglichen Annäherungen, zB die vielen "S"-Laute, die zum Seifenschaum zu passen scheinen.

Zitat:
in den Spülstein abzugeben.

Die Formulierung gefällt mir nicht.

Zweite Strophe hat Folgendes geschrieben:
So oft ich kann
spreche ich,
schreibe ich,
wasche ich,
schwemme ich
Dreck und altes Zeug
aus der stets neugewonnenen
selbsthygienierten Baustellenlandschaft
meiner rauchenden, schnaufenden,
chromsplitterrostenden, Industriebetongroßstadtseele.


Bildlich etwas überfrachtet. Die Anhäufung an Verben find ich ganz ok, sie bietet den beschreibenden Passagen Dynamik entgegen.
Das Verb "hygienieren" gibts nicht, oder? Wenns eine Neubildung sein soll, würd ich etwas in der Art "selbsthygienisierten" vorschlagen. Das letzte Wort, für das ich mir nicht mal die Mühe machen will, es abzutippen, würd ich vielleicht um ein Element streichen; zusammen mit den davorstehenden Partizipien wird's sonst einfach zu viel.

Dritte Strophe hat Folgendes geschrieben:
Schwammig ist mir die Sprache geworden.
Doch sooft ich zu drücke,
und wringe,
und zwinge,
und schwitze,
allzeit bleibt ein kleiner Rest
der Feuchtigkeit im Schwamm enthalten.

Die Verbien mag ich ja, aber der Rest ist ziemlich 'schwammig'. Das "Doch" erscheint mir überflüssig, das Wort "allzeit" ist sehr ungenau und auch die Syntax überhaupt ist ziemlich zurückhaltend. "enthalten bleiben". Das ist nicht griffig genug.
Vierte hat Folgendes geschrieben:

Aber wozu wollte man auch
einen trockengelegten Schwamm.
So rau und staubig wie meine Haut wird,
wenn ich die schwammgewordene Trockensprache
in den Mund stecke,
eine Schwammimmundgänsehaut, so rau und so schlimm
wie es schon immer war, wenn kleine Jungs
in Mutters Badewanne probierten, wie denn
Schwamm so schmeckt.

Der "Aber wozu wollte man auch"- Satz wird nicht zu Ende geführt, korrekt? Ansonsten hab ich hier nichts auszusetzen.

die große fünfte hat Folgendes geschrieben:
Mein Schwamm bleibt feucht,
und wenn es nicht meine Sprache ist, dann ist es die der anderen.
Perlig fruchtig sprudelnd die Gedichtbände,
die er aufsaugt bis er selber, dann oft triefend vor Nass,
in einer Fontäne
spritzig und
hitzig und
witzig explodiert.
Oder schleimig, öd und ölig,
die Spucke, Sabber und der Geifer der Menschen ohne eigenen Lappen.
Speichelfäden, gelb schaumig und zerworfen von Blasen,
triefend, wie eine am Stock hängende Braunalge
vom Stock eines Jungen in schlaffen Schwimmflügeln, der damit
den kleinen Mädchen
am so genannten Strand,
ein Blasentangbraunalgenmenü mit
Quallengallert zum Nachtisch serviert.
an einem verregneten Septembertag
vor dem Spätherbstpanorama
der schlickglänzenden Oberfläche
des menschenfressenden
Nebel-
watt-
meeres.

"Und wenn nicht meine, dann die der anderen" =  Confused
Der Rest gefällt mir; die "Menü"-Anspielungen wirken allerdings etwas fehlamplatz.

letzte hat Folgendes geschrieben:
Ja, auch diese wassergebundenen Fäkalien von Mutter Natur nimmt er auf,
der Schwamm, der meine Sprache mir geworden ist.

Und final götterdämmert es in mir tröpfelnd:
Wischen ist Macht.

Die Formulierung des ersten Satzes ist ziemlich schrecklich. Es hat sowas von Stammtischgespräch.
Einfach reduzieren, in der Art: "Die wassergebundene Fäkalien von Mutter Natur saugt der Schwamm auf, der meine Sprache geworden ist." oder so. Mittlerweile gefällt mir die Pointe überhaupt nicht mehr. Und der Appetit ist mir auch vergangen. Rolling Eyes

Vielleicht kommst wenigstens du damit voran.

Grüße

Todorov
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