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Wolkenbruch


 
 
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EdgarAllanPoe
Geschlecht:männlichPoepulistischer Plattfüßler

Alter: 32
Beiträge: 2356
Wohnort: Greifswald
Bronzene Harfe Die Goldene Bushaltestelle
Goldene Feder Lyrik


Die Tauben
Beitrag12.02.2009 19:40
Wolkenbruch
von EdgarAllanPoe
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo Leute,

hier wieder ein Gedicht von mir, das von Stefan Georges Stückchen Lyrik "Gewitter" inspiriert wurde. Ich erhoffe mir ein paar Kommentare dazu, da meine letzten lyrischen Erzeugnisse irgendwie untergegangen sind. Und ich sehe hier wieder, dass ich meine Adjektivits nicht kontrollieren kann - sie ist meine zweite Persönlichkeit  Twisted Evil

Liebe Grüße,

Eddie  smile


Wolkenbruch


Aus verängstigtem Glase triefen Wolken über
eisblauen Sommerhimmel, rotten sich zusammen
zum Rudel der weißen, starrenden Wölfe;
Hände streicheln über aufragende, glänzende Häuser.

Kreisende Bewegungen stöhnender Luft
verkünden das Ende des heißen Tages:
Graue Farben entströmen den Gestalten
dort oben.

Wasser entrinnt offenen Mäulern auf
den Boden, die Häuser, umfängt die Häuser
mit glitzernden Netzen. – Leise fallen
Tränen, traurige Gesichter starren.

Traurigkeit schwappt über den Rand
des Glases, kalte Tropfen fließen
nach unten, auf glühenden Stein;
tänzelnde Gestalten im Regen.

Verschlungene Leiber tänzeln dort oben
über die Fläche des Himmels,
Hände verkrümmen sich um die Rücken
flüsternder Partner.

Der Tanz wird immer wilder:
Füße schwingen auf und ab,
Spuren auf schwülem Boden
hinterlassend, weinend.

Dumpfe, schale Augen starren in
den samtblauen Atem des Abends hinein:
Taumelnde Beine ziehen Kreise
auf grauem, nassem Boden.



_________________
(...) Das Gedicht will zu einem Andern, es braucht dieses Andere, es braucht ein Gegenüber. Paul Celan

Life is what happens while you are busy making other plans.
- JOHN LENNON, "Beautiful Boy"

Uns gefällt Ihr Sound nicht. Gitarrengruppen sind von gestern. (Aus der Begründung der Plattenfirma Decca, die 1962 die Beatles ablehnte.)
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Enfant Terrible
Geschlecht:weiblichalte Motzbirne

Alter: 30
Beiträge: 7278
Wohnort: München


Ein Fingerhut voller Tränen - Ein Gedichtband
Beitrag13.02.2009 12:21

von Enfant Terrible
Antworten mit Zitat

Weißt du was, Edgar - hier stören mich die meisten Adjektive gar nicht. Razz Das als Antwort auf deinen einleitenden Satz.
Vielleicht habe ich mich an deinen Stil gewöhnt, vielleicht kontrollierst du - ohne es zu merken - deine Adjektivitis insofern besser, dass du passendere, lebendige Adjektive verwendest und somit die Stimmung wesentlich plastischer, fast ohne Kitsch einfängst.
Du reifst mit Siebenmeilenschritten, und ich bin freudig gespannt, wohin diese Entwicklung führt. Daumen hoch

Erst einmal die Adjektivkreationen, die mir positiv aufgefallen sind und von denen ich hoffe, dass du mehr von ihnen verwendest - nicht quantitativ mehr (mehr Adjektive kann man in Gedichten kaum noch unterbringen als du es schaffst wink ), sondern dass du wenig sagende Eigenschaftswörter durch solche starken Bilder ersetzt.
Dann wirken die Adjektive nicht mehr wie Zierde und Ballast, sondern werden wirklich lebendig, finden also ihren ursprünglichen Zweck und machen deine Zeilen nicht nur ästhetisch schöner, sondern von den Bildern auch gehaltvoller.

Zitat:
Aus verängstigtem Glase triefen Wolken über

Das hier finde ich eine sehr interessante Idee: lebendig, fast schon surrealistisch. Ich kann mir etwas darunter vorstellen; es entsteht ein weitaus stärkeres Bild als bei Adjektiven wie "glitzernd" wink weil dieses Wort mit Bedacht gewählt ist und eine gewisse dichterische Logik trägt - falls sowas überhaupt benannt werden kann. Selbst das Glas der Fenster fürchtet das nahende Gewitter - verstehe ich die Wortkreation so richtig?
Auch dass die Wolken "übertriefen" ist sehr stark, es transportiert gut, wie übervoll der Himmel oftmals wirkt, bevor er sich in einem Gewitter entlädt. Ein bedrohliches Bild künstlerisch eingefangen. Daumen hoch

Zitat:
zum Rudel der weißen, starrenden Wölfe;

Auch dieses Bild finde ich sehr, sehr lebendig, stimmungsvoll und beeindruckend, weil auch hier kein blosses Adjektivgeklimper dahinter steht, sondern eine genaue Beobachtung und Verdichtung. Wolken rotten sich zusammen wie ein Rudel von Polarwölfen, der über den Himmel herfällt. Die Spannung, die Bedrohung fast mit Händen greifbar ... was will man mehr von Naturlyrik?

Zitat:
Hände verkrümmen sich um die Rücken
flüsternder Partner.

Auch das ist geheimnisvoll, plastisch, von einer fast düsteren Romantik. Ich sehe ihren schmerzvollen, bedrohlichen Tanz, ihr Aneinanderklammern - du lässt es mich sehen mit deiner Wortwahl.  Weiter so! Daumen hoch Ich finde es sehr gut, dass du dich hier nicht nur auf simple Wetter- und Naturbeschreibungen beschränkt, sondern Menschen mit einbezogen hast. Sie spiegeln die Gewitterstimmung sehr gut mit ihren Gemütern wieder. Was für eine Dichte!

Gestattest du mir trotzdem, ein wenig an deinem Gedicht herumzubasteln? Eine komplette Alternativfassung werde ich nicht mehr schreiben, da mir solche Dinge anscheinend immer misslingen und dir und deinen Fanlesern wenig nutzen.
Ich möchte lediglich die Stellen umschreiben, wo die Adjektive störend sind, weil sie nur aufgedröselte Substantive sind - wenn man gleich das Hauptwort verwendet, wirkt die Wendung oftmals lebendiger, flüssiger und nicht so sperrig.

Zitat:
Kreisende Bewegungen stöhnender Luft

"Kreisende Bewegungen" sind zum Beispiel nicht nur umständlich zu lesen, sondern in ihrer fast schon sachlichen Formulierung weit weniger dynamisch als das, was eigentlich dahintersteckt, nämlich "Kreisen" ... das zumindest ist mein lyrisches Empfinden.
Ich bin mir sicher, es finden sich Leser, die das anders sehen, aber "kreisende Bewegungen" und dergleichen lesen sich ein wenig ungeschickt, weil schwammig, fast schon bürokratisch.
Hier erscheinen die Eigenschaftswörter nicht mehr als Zier, sondern als Hürde, und das ist nicht der Zweck der lyrischen Verschönerung, oder? Denke ich zumindest.

Zitat:
Wasser entrinnt offenen Mäulern auf
den Boden, die Häuser, umfängt die Häuser
mit glitzernden Netzen.

Du lässt es wirklich gerne glitzern, was, Kumpel? Wink
Das "glitzern" stört mich hier nicht aus Prinzip, nicht, weil ich es grundsätzlich nicht mag oder kitschig finde, sondern, weil es für mich jede Stimmung tötet. Es ist ein kristalliner Fremdkörper im Gefüge deiner Zeilen, das wie eine Scherbe wandert und das Aufgebaute zerschneidet.
Sieh mal: In deinen Versen präsentierst du das Wasser, so wie ich es aufgefasst habe, als Trauerboten. Du assoziierst es mit Tränen - kalte Tropfen der Trauer, die "überschwappt".
Da passt das Glitzern, das (wieder nur für mein engstirniges Lyrikempfinden) nun mal eher fröhlich-dekadente Assoziationen weckt, gar nicht dazu, macht die Stimmung zunichte, zieht sie geradezu ins Lächerliche.
Ja, Wasser glitzert. Aber man muss das nicht immer verwenden, denn es passt nicht zu jeder Atmosphäre. Und glitzert Wasser in einem Wolkenbruch wirklich so schön?
Ein lyrisches Eigentor, das vermeidbar wäre, wenn du hier auf das Bild oder wenigstens auf dein geliebtes Adjektiv verzichtet und ein anderers verwendet hättest.
Im Vergleich zu den offenen Mäulern und den anderen starken Bildern wirkt, um ehrlich zu sein, die ganze Chose mit den Netzen fehlplatziert und verzichtbar. Lass die starken Allegorien sprechen und entledige dich des Rests! Du brauchst diese ästhetischen Krücken, diese verbrauchten Bildchen längst nicht mehr!

Zitat:
Dumpfe, schale Augen starren in
den samtblauen Atem des Abends hinein:

Selbiges Problem mit dem "samtblau". Dieses im wahrsten Sinne weiche Wort wäre vielleicht noch vertretbar, wenn du gegen Ende des Gedichtes eine Atmosphäre des Abklingens, der einkehrenden Ruhe vermittelt hättest, aber die ist dazu, finde ich, nicht deutlich genug ausgearbeitet - viel deutlicher ist die Trostlosigkeit, die ich aber sehr gut finde. Nur passt da das "samtblau" gar nicht. Zu dekadent, zu zuckersüß - es dissoniert heftigst mit dem grauen Boden, der danach kommt. Und: Man muss den Himmel nicht immer mit einem Wort beschreiben. Du hast schon soviel über ihn geschrieben, lass den Leser sich zum Schluss auch mal was ausmalen! Logisch ist das "samtblau" schon deshalb nicht, weil der Himmel, wenn man dem Verlauf deines Gedichtes folgt, somit urplötzlich die Farbe wechselt, von weißen Wölfen und überschwappender Trauer zu samtblau - hier fehlt das verbindende Glied, das die Kette halbwegs glaubwürdig wirken ließe. Weil sie auch so vollkommen ist, ohne das "samtblau"
Vielleicht verstehe ich deine Bilder aber auch nur falsch.

Ich hoffe, meine Kritik hat auf dich nicht zu polemisch oder ermüdend gewirkt und du könntest ihr wenigstens einen minimalen Nutzen entziehen, obwohl wir gegensätzliche Stile und meist ebensolche Meinungen vertreten.
Wie gesagt: Dieses Gedicht, manche seiner Elemente sehe ich als einen großen Schritt vorwärts und freue mich auf mehr. Es gibt aber auch wieder Verirrte aus einem alten Stil, Rückfälle, die den Rest ein wenig runterziehen und nicht so überzeugend wirken lassen, und das muss nicht sein, denn deine Kompositionen sind top!


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"...und ich bringe dir das Feuer
um die Dunkelheit zu sehen"
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"Schreib nie mehr sowas. Ich bitte dich darum." © Eddie
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Die Tauben
Beitrag13.02.2009 16:52

von EdgarAllanPoe
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Danke für dein Kompliment, Reggy!  smile
Keineswegs hast du meine im Gedicht verwendeten Bilder falsch gedeutet. Du hast nur ein paar Dinge entdeckt, die mir vorher nicht aufgefallen sind. Deshalb kommt hier eine Verbesserung:

Wolkenbruch


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Wimmerndes Zittern der Luft
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Füße schwingen auf und ab,
Spuren auf schwülem Boden
hinterlassend, weinend.

Dumpfe, schale Augen starren in
den dampfenden Atem des Abends hinein:
Taumelnde Beine ziehen Kreise
auf grauem, nassem Boden.


Schön.
Jetzt hoffe ich, dass es besser ist.
Nochmals danke für deine ausführliche Kritik  Wink

Liebe Grüße,

Eddie  smile


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Ein Fingerhut voller Tränen - Ein Gedichtband
Beitrag13.02.2009 22:37

von Enfant Terrible
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Perfekt. Für mich ist die Art, wie du auf meine Kritik eingegangen bist, ein großes Kompliment, und es freut mich, falls ich dir weitergeholfen habe. Die verbesserte Fassung könnte gelungener nicht sein.

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Die Tauben
Beitrag14.02.2009 12:22

von EdgarAllanPoe
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Danke, Terrorkrümel, für dein Lob!
Ich freue mich, dass dir die überarbeitete Fassung gefällt.

Liebe Grüße,

Eddie  smile


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