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kapitel 7 - zurück in der Zeit


 
 
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kydu
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen

Alter: 45
Beiträge: 29
Wohnort: zu weit weg


Der Fluch Von Arabien
Beitrag23.11.2008 21:37
kapitel 7 - zurück in der Zeit
von kydu
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Als ich dieses Mal wieder zur Besinnung kam, lag ich auf dem Boden. Es war sehr ruhig und ich konnte nur den Wind hören, der sanft über mich hinweg wehte. Da es sehr hell war, nahm ich meinem Arm und legte ihn als Schutz vor der grellen Sonne auf mein Gesicht. Dann richtete ich mich langsam auf und als sich meine Augen an das Licht gewöhnt hatten, stockte mir vor Schreck der Atem. „Oh mein Gott!“ Hier war es furchtbar stickig und heiß. Ich blickte mich langsam um. Neben mir waren ein paar Felsen und Sträucher, doch sonst konnte ich bis zum Horizont nichts anderes als Sanddünen erkennen. Es stand zweifelfrei fest, dass ich mich tatsächlich mitten in der Wüste befand. Aber war ich auch wirklich 1700 Jahre in der Zeit zurück gereist? Das war ganz einfach zu überprüfen. Dazu musste ich nur mein Handy aus der Jackentasche … „Uaah!“ Meine Kleidung, die ich gerade eben noch getragen hatte und damit natürlich auch mein Handy, waren wie von Zauberhand verschwunden. Dafür trug ich jetzt eine schwarze, weite Hose und ein ebenfalls schwarzes,  knielanges Hemd. Um meinen Hals hatte ich ein Tuch gewickelt, das ebenfalls ziemlich dunkel war. „Wie langweilig!“ dachte ich mir. „An ihrer Mode mussten die hier aber noch gewaltig etwas verbessern. Naja“, ich musste grinsen, „dafür haben sie ja auch noch ein paar hundert Jahre lang Zeit. Wenigstens der weiße Umhang mit Kapuze, den ich über dem Ganzen trug, hatte etwas mehr Pep und war für meinen Geschmack beinahe akzeptabel. Aber wo war nur mein Dolch? Ohne den würde ich schließlich hier nie mehr wegkommen? Ich suchte hektisch danach und war ziemlich erleichtert, da ich ihn in einer Innentasche meines Umhangs fand. Außerdem hatte ich einen ledernen Beutel bei mir, in dem ein ganzer Batzen alter Münzen und einige Geldscheine aus Papier steckten, wie ich sie schon mal in Raihans Museum gesehen hatte.

„Gut“, dachte ich mir, „wenigsten werde ich hier nicht verhungern müssen, falls ich es bis in eine Siedlung schaffen würde.“ Aber wo konnte die nur sein?“ Ich blickte in alle Richtungen, konnte aber keine Menschenseele oder gar eine Oase sehen. „So ein Mist!“ Doch da hörte ich auf einmal hinter einem der nahen Felsen ein lautes Schnaufen, das mir irgendwie bekannt vorkam. Ich schlich zu den großen Steinen, ging dahinter in Deckung und schielte vorsichtig um die Ecke. „Wow!“ Tatsächlich, ich hatte recht gehabt. Ein Pferd stand da, blähte seine Nüstern und machte fast den Eindruck, als ob es dort auf mich gewartet hätte. Und was für ein edles Tier das war! Es erinnerte mich beinahe an Hengst, den ich vor ein paar Tagen auf der Ranch von Raihans Onkel gesehen hatte, nur war dieses noch größer und stärker gebaut. Ich fand auch, dass dieser Hengst etwas sehr Edles ausstrahlte und der Sattel den er trug, hätte durchaus aus einem Königshaus stammen können.
„ Na du?“ Ich ging bedächtig auf ihn zu, um ihn ja nicht zu erschrecken. „Braver Junge.“ Doch die Gefahr bestand nicht, denn der Hengst war richtig zutraulich und genoss es sichtlich, als ich ihm den Kopf graulte.
„Weißt du vielleicht sogar, wo ich Felestra finde?“ fragte ich ihn. „Wenn ja, dann bringe mich bitte rasch zu ihr.“ Ich stieg auf und ritt los. Anscheinend kannte das Pferd tatsächlich den richtigen Weg, denn es reagierte überhaupt nicht auf meine Versuche, es in eine andere Richtung zu dirigieren und lief weiter stur nach Norden.
„Also gut“, flüsterte ich ihm ins Ohr. „Bring mich zu Felestra! Ich vertraue dir.“ Während dem Ritt hatte ich lange Zeit, um nachzudenken. Würde ich Felestra überhaupt erkennen, wenn sie vor mir stand? Ich wusste ja nicht mal, wie sie genau aussah. Und was würde zu ihr sagen? Was konnte ich tun, um die Hochzeit zu verhindern? Doch ich beruhigte mich wieder. Das Wichtigste war es jetzt für mich, Felestra zu finden. Alles Andere würde sich dann schon von ganz alleine ergeben.

Nachdem wir bereits eine Weile unterwegs waren, sah ich endlich eine große Stadt in der Ferne auftauchen. Wie ich zu erkennen glaubte, war diese Stadt von einer mächtigen Mauer umgeben. Der Anblick erinnerte mich irgendwie an Beschreibungen aus Homers Ilias oder Filme über Helden wie Attila oder Samson, die ich im Kino gesehen hatte. Aber dies war kein Film, sondern leider die Wirklichkeit. Und eine Heldin war ich auch nicht. „Obwohl“, bei diesem Anflug von Selbstüberschätzung musste ich über mich selbst lachen, „immerhin war ich ja die Auserwählte. Und das war doch schon mal für den Anfang gar nicht so schlecht, oder?“

Ich näherte mich meinem Ziel, dank der schnellen Beine meines Pferdes, relativ schnell und war guter Hoffnung, hier auf Felestra treffen zu können. Zuvor hatte ich aber noch eine Hürde zu überstehen, denn das Stadttor, welches ich passieren musste, wurde von zwei ziemlich übel aussehenden Soldaten bewacht. Und tatsächlich – eine der Wachen hielt mich auf! Mein Herz klopfte wie wild, als der eine Soldat den Zügel meines Pferdes festhielt und mich lange musterte.
„Ein schönes Pferd hast du da!“
„Ja, das ist es in der Tat.“ antworte ich ihm und war überrascht. Ich verstand nicht nur, was er mir sagte, sondern ich konnte ihm auch in der gleichen Sprache und noch dazu ziemlich fließend, antworten. Die weiße Fee hatte anscheinend wirklich vorausgedacht und mich mit Allem ausgestattet, dass ich für meine Aufgabe hier so brauchen konnte. Und es erfüllte mich auch mit ein wenig Stolz, dass ich so ruhig geblieben war.
Der Mann ließ den Zügel los und winkte mich vorbei. Erleichert ritt ich durch das Tor und in die Stadt hinein.

„Wow!“ Die Stadt war wirklich riesig und viel größer, als ich mir es gedacht hatte. Hunderte Menschen waren auf den Beinen, bevölkerten den Marktplatz, trieben Handel oder priesen ihre Handwerksdienste an. Ich hatte schrecklichen Hunger und kaufte mir an einem kleinen Stand einen Laib Fladenbrot. „Mmmh, gar nicht mal so übel.“ dachte ich mir nach ein paar Bissen. „Mal eine Abwechslung zu diesem Fastfood von McDonalds.“ Nachdem ich satt war und auch mein Pferd fast einen ganzen Eimer Hafer gefressen hatte, fragte ich eine Frau, die mir entgegenkam, wie ich am schnellsten in den Palast gelangen konnte. Ich hatte mir nämlich überlegt, dass meine Chancen auf Felestra zu treffen wohl am besten waren, wenn ich mich direkt in die Höhle des Löwen begeben würde. Die Frau meinte, dass ich den Palast nicht übersehen konnte, weil er so groß und prunkvoll wäre und zeigte mir mit Händen und Füssen die Richtung dorthin an. Ich verstand sie und ritt, ihren Anweisungen folgend, los.

Nachdem ich mich dann doch zwei-, dreimal kurz verirrt hatte, tauchte vor mir ein Tor auf, welches so prächtig war, dass es sich nur um den Eingang zum Königssitz handeln konnte. Ich nahm die Zügel fest in die Hand und drosselte das Tempo meines Hengstes. Langsam und im Schritt näherte ich mich dem Tor, denn ich wollte die zwei Wachen, die davor postiert waren, keineswegs erschrecken. Plötzlich hörte ich ein lautes Tosen hinter mir, das sich rasend schnell näherte. Ich blickte mich um und sah drei Reiter, die im vollen Galopp förmlich heranflogen. Gottseidank war die Straße hier breit genug, so dass sie mich problemlos überholen konnten. Trotz ihrer ziemlich hohen Geschwindigkeit fiel mir auf, dass mich der mittlere der drei Reiter, der eine Maske trug, mich bemerkt hatte. Kurz nachdem sie mich passiert hatten, hielt er auch sein Pferd an, drehte sich zu mir und blickte mir direkt ins Gesicht. Irgendwie kamen mir diese Augen auf eine unerklärliche Art und Weise bekannt vor, aber ich konnte mich nicht erinnern, wo genau ich sie schon einmal gesehen hatte. Mir war dieser Blick auch irgendwie unangenehm und deshalb wich ich ihm aus, indem ich auf den Boden sah. Diese Taktik schien auch auf zu gehen, denn der maskierte Reiter verlor das Interesse an mir und folgte schließlich wieder seinen zwei Begleitern.

Die Drei mussten hier zuhause sein, denn die zwei Wachposten öffneten sofort das Tor, als sie sie kommen sahen. Ich sah die Möglichkeit, ebenfalls unbehelligt in den Palast zu gelangen, indem ich so tat, als ob ich ebenfalls zu diesen Reitern gehören würde und gab dem Hengst die Sporen. Doch weit gefehlt! Die beiden Wachen fielen nicht auf meinen Trick herein und kreuzten vor mir ihre Lanzen als Zeichen, dass sie mich nicht so ohne weiteres vorbei lassen würden.
„Wer seid ihr und weshalb begehrt ihr hier Einlass?“ fuhr mich einer der Soldaten schroff an.
Jetzt musste ich mir schnell eine gute Antwort einfallen lassen. „Ich bin ... ich will …“ stotterte ich los, was den Wachen irgendwie nicht gefiel, denn eine davon richtete ihre Lanze auf mich und hielt sie mir gefährlich nah an die Brust.
„… ich will zu Felestra. Ich bin eine Freundin von ihr.“ Etwas anderes war mir auf die Schnelle nicht eingefallen. Und außerdem war das ja sogar irgendwie die Wahrheit.
Dem Soldat schien diese Antwort zu beruhigen, denn er nahm seine Lanze zu Boden. „Die Prinzessin ist nicht hier! Schon seit einer Woche vermissen wir sie. Es ist ein Unglück, das dem König das Herz zu zerreißen droht.“
Ich überlegte kurz und fragte den Mann: „Das große Pferderennen bei dem sich die besten Reiter des Landes messen – hat das schon stattgefunden?“
„Ja, das war auch genau vor einer Woche. Wir befürchten deshalb schon, dass Felestra vielleicht von einem der Teilnehmer entführt worden sein könnte.“

„Nein, das wurde sie nicht!“ Ich wendete mein Pferd und ritt zurück in Richtung Stadt. Ich konnte noch hören, wie mir einer der Soldaten nachrief. „Halt! Bleibt stehen. Was wisst ihr von Felestra?“ Aber ich wollte nicht riskieren, dass man mich hier lange festhielt, um mich zu befragen. Ich musste so schnell wie möglich in die Wüste reiten und Felestra finden. Sie war jetzt schon eine ganze Woche unterwegs und wenn die Geschichte aus meinem Buch genau war, musste sie sich bereits vor einigen Tagen dem Tross von König Amir angeschlossen haben. Wahrscheinlich waren die beiden auch schon drauf und dran sich ineinander zu verlieben. Und es war schließlich meine Aufgabe genau das zu verhindern!

Aber heute konnte ich mich nicht mehr auf die Reise begeben, denn die Sonne war bereits am untergehen und in der Dunkelheit wollte ich keinesfalls völlig alleine in die mir unbekannte Wüste reiten. Ich kaufte mir auf dem Markt noch etwas Proviant und fragte eine der Marktfrauen, wo ich ein geeignetes Quartier für die Nacht finden könnte.
Sie schien aber gleich zu merken, dass ich eine Fremde war, denn sie fragte mich, ob ich mich denn in der Stadt wenigsten ein wenig auskennen würde.
Ich schüttelte den Kopf. „Nein, ich bin zum ersten Mal hier.“ Und das war nicht mal gelogen.
„In Ordnung, ich habe verstanden.“ meinte die Marktfrau, die ziemlich gastfreundlich und hilfsbereit zu sein schien. „Also, es gibt ein Deef in der Oberstadt.“
„Ein was bitte?“
„Na, ein Deef!“ sie war jetzt doch etwas irritiert. „Sagt nur, ihr wisst nicht, was ein Deef ist?“
„Ähhm … ehrlichgesagt weiß ich das wirklich nicht.“
„Mamamia. Woher kommt ihr eigentlich?“
Ich wollte bei der Wahrheit bleiben und meinte deshalb völlig korrekt: „Ich bin aus London.“
„Lon… don? Noch nie gehört. Wo ist das, dieses London?“
„Ziemlich weit weg. Aber bitte, ihr wolltet mir gerade erklären, was ein Deef ist.“
„Ach ja. Ein Deef ist eine Herberge, ein Haus in dem Reisende für die Nacht bleiben können. Also genau das, was ihr sucht.“
„Gut. Und wo finde ich die Oberstadt? Ist das weit weg von hier?“
„Naja, meinte sie. Ich könnte euch hinbringen. Sagen wir für ... für fünf Liras.“
„Drei!“
„Vier.“
„In Ordnung.“ Ich lachte über ihren Geschäftsinn und wir machten uns auf den Weg.  

Als wir das Deef erreicht hatten, merkte ich, dass viele Reisende, darunter fast nur Männer, davorstanden. Ich gab der Marktfrau ihr Geld und sie verabschiedete sich von mir mit den Worte: „Ich hoffe, die haben überhaupt noch ein Bett frei. Um diese Zeit des Jahrs ist das Deef nämlich immer ziemlich überfüllt.“
„Na toll“, dachte ich mir. „Das hätte sie mir auch schon vorhin sagen können.“ Ich sah links vom Eingang des Deefs einen Baum, an dem ich mein Pferd gut hätte festbinden können und führte es dort hin.
„Das würde ich nicht tun!“ Ich drehte mich um und sah eine alte Frau, die anscheinend zu den Reisenden gehörte.
„Wieso soll ich mein Pferd hier nicht anbinden können?“ fragte ich sie zugegebenermaßen etwas trotzig.
„Erstens, weil der Herr des Hauses das nicht gutheißen würde und zum Zweiten gibt es nicht weit von hier einen Stall, zu dem die Gäste des Deefs ihre Pferde bringen können.“
„Oh“, entschuldigte ich mich, „tut mir leid, das wusste ich nicht.“
„Kein Grund sich zu entschuldigen. Man kann es euch ansehen, dass ihr nicht von hier seid.“ Sie hob ihren Gehstock und zeigte damit die Straße hinunter. „Der Stall befindet sich gleich hier drüben, einfach immer der Nase nach.“
Ich bedankte mich und führte meinen weißen Hengst die Straße entlang. Der Stall war nur etwa 50 m vom Deef entfernt und so groß, dass gut und gerne Platz für 40 Tiere in ihm sein musste. Ich ging hinein, aber außer einer Menge Pferde, die ihn ihren Boxen standen, war keine Menschenseele zu sehen. Ich fand einen Platz für meines, gab ihm zu fressen und rieb es trocken. Hier war es gar nicht mal so übel, viel ruhiger als in dem überfüllten Deef und das Heu sah richtig kuschelig aus. Ich beschloss deshalb, die Nacht hier zu verbringen. Auch, weil ich so ein Auge auf meinen edlen Hengst haben konnte. Es wäre schließlich eine Katastrophe für mich gewesen, wenn man ihn mir gestohlen hätte.  

Ich machte mir gerade mit einer Decke mein Nachtlager im Heu zurecht, als ich merkte, dass ich nicht mehr alleine im Stall war. Erst traute ich meinen Augen nicht, denn als ich mich umdrehte, stand da, nur wenige Meter entfernt und mit seinem Sattelzeug beschäftigt, der dunkle Ritter aus meinen Alpträumen. Konnte er es wirklich sein oder wurde ich langsam verrückt? Das wäre ja nach all dem, was mir in dem letzten Tagen alles widerfahren war, irgendwie auch kein Wunder gewesen. Ich rieb mir die Augen, schüttelte den Kopf und sah noch einmal zu ihm hin. Dieses Mal bestand kein Zweifel mehr  - er war es totsicher! Beinahe hätte ich vor Entsetzen geschrien, denn das war eindeutig zu viel für mich. Was zum Henker ging hier vor? Die Rüstung, die er trug, war die gleiche, wie in meinen Träumen und auch sein Pferd sah haargenau so aus. Und als wäre das noch nicht genug, kam er nun auch noch schnurstracks auf mich zu.

Was wollte er nur von mir? Mein Atem beschleunigte sich, als er näher kam. Panisch wich ich zurück und drückte mich mit dem Rücken an die Stallwand. Von hier konnte ich nicht mehr entkommen. „Trapp, trapp.“ Hörte ich das Klirren seiner eisenbesetzten Schuhe beim Gehen. „Trapp, trapp.“ Er war jetzt schon fast bei mir und als auf einmal still wurde, wusste ich, dass er stehen geblieben sein musste, weil er mich gesehen hatte. Was hatte er nur vor? Ich begann vor Angst am ganzen Leib zu zittern, fingerte meinen Dolch unter dem Umhang hervor und hielt ihn schützend vor mich. Als er noch näher kam und schließlich direkt vor mir stand, wurde mir schwindelig und ich spürte kaum noch, wie er mir meinen Dolch abnahm und auf den Boden warf.

„Was will ein solch hübsches Mädel mit einer solch scharfen Klinge? Gebt acht, dass ihr euch damit nicht verletzt." flüsterte er mir ins Ohr und legte dabei seine Hand sanft auf meine Wange. Ich zuckte bei seiner Berührung regelrecht zusammen, nicht dass sie mir unangenehm gewesen wäre, ganz im Gegenteil! „Wer … wer seid ihr?", hauchte ich und suchte Halt an der Stallwand. Doch als ich in seine funkelnden Augen sah, spürte ich, wie mir meine Beine den Dienst versagten und ich nach vorne, mitten in die starken Arme des schwarzen Kriegers, fiel.    
„Mädel, was ist mit euch? Ist euch nicht gut?“ Ich konnte meinen Blick nicht von seinem schönen Gesicht wenden. Wir schwiegen für ein paar Sekunden, in denen ich zwischen meiner Angst und Zuneigung für diesen Mann hin und her gerissen war. Als ich endlich wieder einigermaßen meine Beherrschung zurückgewonnen hatte, riss ich mich los und versuchte ihn von mir wegzuschubsen. Er war aber viel zu kräftig für mich und rührte sich kein bisschen vom Fleck.
„Soll ich nach einem Arzt schicken?“ fragte er und schaute mich ein wenig erstaunt und auch sichtlich belustigt an.
„Nein, danke.“ antwortete ich ihm. „Es geht mir schon wieder besser, Ich brauche keinen Arzt.“
„Seid ihr euch sicher?“
„Ja!“ und fast hätte ich hinzugefügt: „Ich bin selbst eine Ärztin und bestimmt hundertmal besser als der Quacksalber, nachdem ihr zu schicken gedenkt.“ Aber ich unterließ diese Bemerkung, um ihn nicht unnötig zu verwirren. Stattdessen versuchte ich ihm meine Übelkeit zu erklären: „Ich habe nur gerade eine lange Reise durch die Wüste hinter mir und noch nichts im Magen, da kann man sich schon mal etwas schwach fühlen.“
Auch wenn ich den Eindruck hatte, dass er mir das nicht so recht glauben wollte, nickte er zustimmend. „Wie du meinst, Mädel.“ Er warf mir einen letzten, ziemlich besorgten Blick zu, bevor er auf dem Absatz kehrtmachte und mich alleine zurückließ. Ich blieb noch eine Weile stehen und versuchte mir zu erklären, was da eben vorgegangen war. Warum hatte dieser Mann nur so eine betörende Wirkung auf mich? Natürlich hatte ich auch Angst vor ihm gehabt, aber diese Augen und erst seine Berührungen … noch nie hatte ich einen so faszinierenden Mann getroffen. Plötzlich begann ich herzhaft zu lachen, denn ich musste daran denken, was mir Alira neulich im Hotel gesagt hatte. Wenn ich schon mal einen Mann traf, der mich wirklich aus den Socken haute, dann musste das anscheinend ein langhaariger, ziemlich fieser Schwertkämpfer in einer schwarzen Uniform sein, der eigentlich schon seit fast 2000 Jahren tot war. Keine guten Aussichten für eine Beziehung …

Jedenfalls wollte ich nach dieser Begegnung doch nicht alleine im Stall übernachten und ging wieder in mein Hotel beziehungsweise bessergesagt in das Deef zurück. Ich hoffte inständig, trotz des großen Betriebes noch ein freies Bett ergattern zu können.

Doch obwohl das Deef wirklich riesige Ausmaße hatte, war es hoffungslos überfüllt und überall saßen oder standen Gäste herum, die noch immer auf ein Zimmer warteten. Anscheinend war es die einzige Gaststätte der Stadt und so hatte man als Fremder keine andere Wahl, als hier zu übernachten, wenn man ein Dach über dem Kopf haben wollte. Ich mischte mich unter die Wartenden und schaute mich um, als mich ein Mann, der wohl auch gerade herein gekommen war, von hinten fast über den Haufen rannte. Er dachte aber gar nicht daran, sich zu entschuldigen und ging einfach weiter, als ob nichts geschehen wäre.
„Du Mistkerl!“ rief ich ihm nach und rieb mir schmerverzerrt die Schulter. Aber anscheinend hatte er mich aufgrund des herrschenden Tumults in dem Warteraum des Deefs nicht gehört.

Endlich war ich an der Reihe. Eine Frau so um die 40 kam auf mich zu und sah mich an. „Tut mir leid Schätzchen, wir sind voll.“ sagte sie trocken.
„Aber ich brauche ein Zimmer für die Nacht und ich habe Geld.“
„Wie gesagt, wir haben keines mehr frei.“ Sie zeigte auf den Rüppel von gerade eben. „Er hat das letzte Zimmer bekommen. Hättest halt schneller sein müssen.“
Das hatte der Miesepeter wohl gehört, denn er kam zurück, musterte mich mit gierigen Augen und sprach in einem ziemlich derben Tonfall zu mir.
„Wenn du ganz lieb zu mir bist, kannst du dich ja zu mir ins Bett legen.“ Dann grabschte er nach mir, was er besser nicht getan hätte, weil er dafür von mir eine ziemlich heftige Ohrfeige kassierte. Das schien ihm ganz und gar nicht zu gefallen, denn er wurde sehr wütend. Ich griff nach meinem Dolch, den ich wieder an meinem Gürtel befestigt hatte und war darauf gefasst, notfalls dieses Schwein niederstechen zu müssen. Der Mann sah mich grimmig an, hob dem Arm und … Bumm! … brach bewusstlos zusammen. Hinter ihm stand der dunkle Ritter, der ihn anscheinend mit einem einzigen Faustschlag zu Boden gestreckt hatte.
„Hat er euch belästigt?“
„Ja … ja, das hat er in der Tat.“ Dieses Mal war ich einfach nur froh, den Mann aus meinen Träumen zu sehen.
Er winkte kurz und zwei seiner Gefährten packten den bewusstlosen Störenfried und warfen ihn nach draußen.
„Ich glaube“, sagte der Ritter zu der Wirtin, „der Herr verzichtet auf sein Zimmer und möchte, dass sie es dieser jungen Frau hier geben.“
Die Wirtin nickte ehrfürchtig und gab mir den Schlüssel. „Hier bitte. Zimmer Nr. 11.“ Und auch niemand der anderen Gäste wagte ein Wort zu sagen. Anscheinend hatte der Mann aus meinem Traum, der sich irgendwie auch immer mehr zu meinem Traummann mauserte, hier einen Ruf wie Donnerhall.
Ich stand vor ihm und konnte wieder nicht anders – ich musste ihm in seine wilden Augen starren.
„Was ist?“ meinte der schließlich. „Hat es euch die Sprache verschlagen?“
Ich holte tief Luft. „Danke für eure Hilfe. Aber ich kann durchaus alleine auf mich aufpassen.“
„Ja“, grinste er, „das habe ich eben gesehen.“
„Nochmals danke. Aber jetzt bin ich müde von der langen Reise, ihr wisst es ja bereits, und werde zu Bett gehen.“
„Wie ihr wollt.“
„Gute Nacht!“
„Gute Nacht.“ erwiderte er und als ich schon die halbe Treppe hinaufgegangen war rief mir noch nach: „Wenn ihr Hilfe braucht, ruft nach mir.“
„Naja“, dachte ich mir. „es war bestimmt besser, diesen Mann zum Freund zu haben, als mit ihm verfeindet zu sein.“ Aber recht trauen konnte ich ihm immer noch nicht. Zu gut waren mir noch meine Alpträume, in denen er die Hauptrolle spielte, in Erinnerung.

Als ich oben angekommen war und im Gang nach meinem Zimmer suchte, bemerkte ich, dass auf den einzelnen Türen keine Nummern standen. „Ja super“, dachte ich mir. „Wozu haben die Zimmernummern, wenn sie keiner wissen darf. Idioten!“
„Ihr findet euer Zimmer nicht, habe ich recht?“
Ohne dass ich mich umdrehe musste, erkannte ich an der Stimme, dass es schon wieder der schwarze Krieger war, der hinter mir stand.
„Verfolgt ihr mich etwa?“ giftete ich ihn an.
„Nein.“ antwortete er ziemlich lässig. Ich möchte lediglich in mein Zimmer und zu Bett gehen. Ich habe nämlich heute auch einen langen Ritt hinter mir.“
„Entschuldigung.“ anscheinend hatte ich ihm mal wieder Unrecht getan. „Wie soll man denn hier bitte sein Zimmer finden? Da stehen ja nirgends die Nummern an den Türen!“
Er sah mich verdutzt an und zeigte mit seiner Hand auf die erste Türe im Gang. „Die erste Türe hat die Nr. 1.“ Er ging zur nächsten Tür. „Dies ist die Nr. 2. Es folgt die Nr. 3. Und im Anschluss …“
„Danke!“ unterbrach ich ihn. „Ich kann zählen.“
„Auch bis 11?“
„Sehr witzig …“
„Trotzdem wird es wohl besser sein, ich bringe euch persönlich zu eurem Nachtgemach. Nicht dass ihr euch in der Türe irrt und ich dann wieder kommen muss, um euch zu retten, Mädel.“
Auch wenn ich dazu keine große Lust hatte, folgte ich ihm, denn ich wollte auf gar keinen Fall in das falsche Zimmer gehen. Als wir es erreicht hatten, bedankte ich mich, er nickte höflich und verschwandt im Zimmer gleich gegenüber. Das musste dann ja wohl Nr. 12 sein. Obwohl, wer weiß?“ dachte ich mir und öffnete meine Türe.

Beruhigt stellte ich fest, dass sich mein Zimmer von innen verschließen ließ und ich somit wenigsten endlich für ein paar Stunden an einem Ort war, an dem ich mich sicher fühlte und mich erholen konnte. Das Zimmer war nicht all zu groß, es gab nur ein Bett, einen kleinen Nachtisch mit wenigen Kerzen drauf sowie einen Schemel, der in der Nähe des Fensters stand. Das Bettlaken war alles andere als sauber, aber ich glaubte, dass es wenig Sinn machen würde, wenn ich nach dem Zimmerservice läuten würde. Sonst war ich ja immer peinlichst auf Hygiene bedacht, schon von Berufswegen, aber hier hatte ich keine andere Möglichkeit und musste mich wohl oder übel den Gegebenheiten anpassen. Um mich aber nicht direkt auf dem Dreck schlafen zu müssen, legte ich meinen Umhang auf das Bett. Obwohl ich wirklich sehr müde war, konnte ich nicht einschlafen. Den ganzen Tag war ich beschäftigt gewesen und hatte meine Angst erfolgreich verdrängen können. Aber jetzt, da ich im Bett lag, kreisten meine Gedanken wieder um den Grund, weshalb ich eigentlich hier her gekommen war. Ich versuchte mich zu entspannen, aber als ich mich auf die Seite drehte, spürte ich etwas Hartes. Ich blickte an mir hinunter und sah den Dolch, mit dem ich den Wächter töten sollte. Seit ich ihn von der weißen Fee erhalten hatte, war ich noch nicht dazu gekommen, ihn mir in aller Ruhe anzusehen. Der Griff war mit zwei gekreuzten Rosen verziert, die sich um ein gebrochenes Herz rankten. In die Klinge war hingegen ein feines, eckiges Muster eingearbeitet und auf ihrer Vorderseite war sie mit einem blauen Stein, den ich für einen Diamant hielt, verziert. Dieser Dolch war eher ein Schmuckstück als eine Waffe. „Unmöglich“, dachte ich bei mir, „dass ich damit jemand töten soll. Nicht einmal der Wächter der Dunkelheit, der die Schuld am Fluch trug, hatte das verdient.“

Ich schloss meine Augen und versuchte erneut, Schlaf zu finden. Morgen würde sicher ein harter Tag werden und da sollte ich besser gut ausgeruht sein. Plötzlich musste ich an Raihan denken. Was der jetzt wohl gerade machte? Der Arme musste bestimmt einen furchtbaren Schock bekommen haben, als ich auf einmal vor seinen Augen verschwand. Aber andererseits, fiel mir dann ein, befand ich mich ja jetzt im Jahr 300 nach Christus Geburt. Raihan würde also erst in gut 1700 Jahren auf die Welt kommen. Wie konnte er sich dann um mich sorgen, wenn es ihn doch noch gar nicht gab? Und was war mit meiner Mutter? Diese ganze Sache schien über die Grenzen meines Verstandes zu gehen. Deshalb kam ich zu dem Schluss, dass es für mich besser war, wenn ich aufhörte darüber nachzudenken und mich völlig auf meine Aufgabe konzentrieren würde. Leider hatte ich dafür nur bis zum nächsten Vollmond Zeit. … Ich schreckte hoch und schaute durch das Fenster in den Himmel hinauf. Der Mond, der über mir am Firmament stand, hatte die Form einer Sichel, das hieß wir hatten Halbmond und mir blieben für meine Mission in etwa sieben, vielleicht auch acht Tage Zeit. Das war nicht allzu lange, aber ich hoffte, lange genug und schlief schließlich doch irgendwann ein.



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Wenn die Liebenden fallen, die Liebe fällt nicht,
Und dem Tod soll kein Reich mehr bleiben.
-Dylan Thomas-
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Ayemea
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A
Beitrag28.11.2008 20:54

von Ayemea
Antworten mit Zitat

Find ich toll!!!  Very Happy

Mal sehen, was sie in der Vergangenheit noch so alles anstellt und was für eine Rolle der schwarze Ritter spielt. Bin schon gespannt ...


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