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Kapitel 2 - der Fluch


 
 
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kydu
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen

Alter: 45
Beiträge: 29
Wohnort: zu weit weg


Der Fluch Von Arabien
Beitrag08.11.2008 12:43
Kapitel 2 - der Fluch
von kydu
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

„Die Geschichte, von der ich erzählen werde, hat sich Jahr 300 nach Christus im Lande Arabien zugetragen, in dem in einer großen Schlacht tausende Menschen ihren grausamen Tod fanden.
Danach wurde Arabien vom Wächter der Nacht in sieben Ländern geteilt. Jedes davon sollte von einem eigenen König regiert werden. Die Könige wurden nach Weisheit, ihrer Stärke und Herzensgüte ausgewählt. Jeder Herrscher sollte sein Land nach seiner eigenen Vorstellung führen, jedoch gab es ein gemeinsames Gesetz, dem alle sieben Könige folgen mussten. Wenn sie es dennoch brechen sollten, so hieß die Weissagung, sollten sie dafür eine fürchterliche Strafe erhalten.
Diese würde so unvorstellbar grausam sein, wie sie sich niemand überhaupt hätte vorstellen können. Alle sieben Könige mussten sich in einer Vollmondnacht in einer Höhle versammeln. Der Wächter der Nacht war gekommen, um jeden Einzelnen mitzuteilen, welches Land er bekommen würde und wie viele Menschen und Schätze dieses Land genau hätte. Außerdem, und das war das Wichtigste bei der Versammlung, unterbreitete der Wächter den Königen das unumstößliche Gesetz.
Die jungen Männer und Frauen der Königsfamilien sollten ab jetzt und in alle Ewigkeit ausschließlich nur Mitglieder der anderen sechs Adelsgeschlechter heiraten dürfen. Mit dieser Regel wollte man erreichen, dass sich die einzelnen Königreiche zueinander verbunden fühlten und einen Krieg wie den letzten, in dem so viele Unschuldige nur aufgrund eines Streites zwischen zweier einzelner Menschen sterben mussten, für immer verhindern. Die sieben Könige verstanden, was der Wächter bezwecken wollte und stimmten deshalb alle einhellig dem Gesetz zu.

Die Jahre vergingen und alles war in bester Ordnung. Es gab keine Armut, keinen Hunger und keine Kämpfe mehr, denn jeder König tat sein Bestes, um sein Land erblühen zu lassen und sein Volk zufriedenzustellen.

Der mächtigste der sieben Könige war zweifelslos Hassan, der über Dubai herrschte. Man sagte damals, er sei so reich, dass er wohl ganz Arabien hätte kaufen können, aber niemand wusste genau, wie viel er wirklich besaß. Das Land von König Dula war zwar noch viel größer, aber dafür nicht so mit Reichtum gesegnet. Die Länder, die die anderen Könige zugeteilt bekommen hatten, waren hingegen eher klein.

König Hassan war aber nicht nur der reichste, sondern auch der klügste der Könige. Wann immer sie ein Problem hatte, kamen die anderen Könige zu ihm, um sich seinen Rat zu holen. König Hassan war also nicht nur wohlhabend, er wurde auch von allen ob seines scharfen Verstandes und guten Herzens geachtet.

Hassan hatte alles, was sich ein Mann wünschen kann, nur seinen größten Traum, endlich einen eigenen Sohn als Thronfolger zu haben, wollten ihm die Götter nicht erfüllen. Zwar schenkte ihm seine Frau eine Tochter mit dem Namen Felestra, doch das Schicksal meinte es grausam mit Hassan und seine geliebte Gattin verstarb noch auf dem Kindsbett. Aus Treue zu ihr schwor Hassan niemals wieder zu heiraten. Er liebte Felestra trotz allem, was geschehen war, über alles, vielleicht sogar gerade deshalb noch mehr und wollte nicht, dass ihr auch etwas zustoße würde. Deshalb zog er sie ganz alleine auf und hielt sie vor seinen Untertanen geheim. Er wollte nicht, dass ihr jemand die Schuld am Tod ihrer Mutter geben würde, und außerdem dachte er sich, könnte sie viel freier und ungezwungener aufwachsen, wenn niemand außerhalb der Palastmauern von ihrer Existenz wissen würde. Da sie niemand erkennen würde, könnte sie sich auch gefahrlos und völlig unbeschwert im ganzen Land bewegen. So würde sie nicht unter dem Gefühl leiden müssen, eingesperrt zu sein.

Felestra entwickelte sich prächtig und als sie zehn Jahre alt war, hatte sie sich zu einem echten kleinen Wirbelwind gemausert, der den Palast täglich aufs Neue auf den Kopf stellte. Ihre Großmutter versuchte vergeblich sie wie eine richtige Prinzessin groß zu ziehen, denn Felestra war ein richtiger Wildfang und wusste schon sehr früh genau, was sie wollte. So überredete sie ihren Vater, dass sie Reitunterricht bekam und im Kampf mit dem Schwert ausgebildet wurde. König Hassan wollte ihr keinen Wunsch verwehren, ganz im Gegenteil, er unterstützte sie sogar in all ihren ehrgeizigen Bestrebungen. Schließlich war sie nicht nur seine Tochter, sondern auch eine Prinzessin und die zukünftige Königin von Dubai. Der Mann, der sie einmal heiraten durfte, konnte sich glücklich schätzen. Nicht nur, weil er Felestra zur Frau bekam, auch weil er damit einmal Herrscher über Dubai werden würde.

Die Jahre vergingen wie im Flug und als Felestra 25 Jahre alt wurde, war aus dem kleinen Mädchen eine bildhübsche Frau geworden. Sie hatte langes, dunkelschwarzes Haar, das leicht lockig war, sie war für eine Araberin relativ hellhäutig und ihre grünen Augen strahlten wie zwei glitzernde Smaragde. Wenn man sie nicht kannte, hätte man deshalb leicht glauben können, dass sie eher aus dem Norden kommen würde.

Zu ihrem Geburtstag schenkte der König Felestra einen wunderschönen schwarzen Hengst. Sie blickte ihm tief in die Augen und spürte sofort, dass dieses Pferd sie zu einem neuen Leben führen würde. Überglücklich vor Freude umarmte sie ihren Vater.
Der lachte zufrieden, denn er hatte schon geahnt, dass er mit diesem Geschenk genau den Geschmack seiner Tochter treffen würde. „Und Feyli“, so lautet nämlich sein Kosename für sie seit Kindesbeinen an, „wie willst du ihn nennen?”
Felestras liebte ihn dafür, dass er, der König und Herrscher über hundertausende Menschen, zu ihr einfach wie ein Vater war und ihr das Gefühl gab, völlig normal zu sein.
Sie überlegte nur kurz. „Chulo!“
„Chulo!“ prustete ihr Vater los. „Wie bist du denn nur auf diesen Namen gekommen? Ich würde doch meinen, dass so ein edles Pferd auch einen edlen, sogar einen adligen Namen haben sollte. “
„Aber Vater!“, Felestra sah in bei diesen Worten mit dem Lächeln an, von dem sie wusste, dass er ihr nichts abschlagen konnte, wenn sie es ihm schenkte. „Ich finde, Chulo passt so gut zu ihm.” Und so setzte sie sich auch dieses Mal durch.

Ab nun ritt Felestra jeden Tag mit Chulo aus, was ihrer Großmutter natürlich gar nicht gefiel. Doch Felestra ließ sich nichts verbieten. Ganz im Gegenteil – sie gehörte sogar bald zu den besten Reitern des ganzen Königreiches, nahm an vielen Rennen teil, die sie meistens sogar gewinnen konnte. Natürlich trug sie bei jedem dieser Rennen, wie sonst auch immer, wenn sie sich unter das einfache Volk begab, eine Maske. Doch selbst wenn die Leute einmal kurz ihr Gesicht erblickten, erkannten sie sie nicht. Niemand wusste ja, dass es überhaupt eine Prinzessin gab und falls doch, hatte keiner eine Ahnung davon, wie sie aussah. Das einzige Merkmal, an dem man hätte erkennen können, dass es sich bei Felestra um eine Prinzessin handelte, war ein winziges Mal in Form einer Feuerflamme, das man ihr, wie es für Königskinder üblich war, kurz nach der Geburt eingebrannt hatte. Doch Felestra wusste um diese Gefahr und achtete stets darauf, dass sie ihre Schulter bedeckt hielt.

Alle fünf Jahre fand an der Ostküste von Bahrain ein großes Pferderennen statt, bei dem die besten Reiter aus dem ganzen Orient sich um den Sieg stritten. Daran wollte Felestra natürlich teilnehmen, denn sie wusste, dass sie niemand schlagen würde können, wenn sie auf Chulo ritt. Ihr Vater hatte große Zweifel daran und ihre Großmutter schrie vor Wut so laut, dass man fürchten musste, der Palast würde zusammenbrechen. Dieses Mal half der Prinzessin auch ihr süßes Lächeln nicht - der König blieb stur und verbot ihr, am Rennen teilzunehmen. Er wusste nämlich genau, dass sich zu diesem Rennen die besten Reiter trafen und da er den Ehrgeiz seiner Tochter kannte, hielt er es einfach zu gefährlich, wenn sie sich an den Start begeben würde.

Felestra wurde furchtbar wütend. Sie war es nicht gewohnt, dass sie nicht bekam, was sie wollte. Und weil sie nicht einsah, dass dies dieses Mal anders sein sollte, fasste sie einen Plan. Sie tat so, als ob sie sich dem Willen ihres Vaters zähneknirschend beugen würde. Aber sie bat ihn, wenigstens als Zuschauerin zum Rennen gehen zu dürfen. Dagegen hatte König Hassan nichts. Doch an dem besagten Morgen sattelte sie unbemerkt Chulo, den sie heimlich seit Wochen auf den Wettkampf vorbereitet hatte und machte sich gegen den Willen ihres Vaters mit ihm auf den Weg zum Rennplatz. Sie sah sich die anderen Reiter erst gar nicht genauer an, denn sie war sich instinktiv sicher, dass sie gewinnen würde. Einige Teilnehmer hatten durch einen dummen Zufall mitbekommen, dass sie eine Frau war. Sie lachten über sie, denn sie hielten es für unmöglich, dass ein Mädchen in dem harten Rennen, das vor ihnen lag, bestehen würde können. Doch Felestra war das egal, denn wenn sie als erste im Ziel angekommen war, würde sie es sein, die lachte. Darüber war sie sich felsenfest sicher.

Doch es kam anders. Nachdem sie schon eine ziemliche Strecke geritten war, lag sie weit in Führung. Doch plötzlich bemerkte Felestra, dass sie wohl vom Kurs abgekommen sein musste. Sie kannte sich zwar gut in der Wüste aus, aber in dieser Gegend war sie zuvor noch nie gewesen, und so beschloss sie schließlich, dass es besser war, aufzugeben und umzukehren. Als sie bereits gut drei Stunden zurück geritten war, ohne dass ihr ein einziger Mensch begegnete, kam ein Sandsturm auf. An sich wäre das keine Tragödie gewesen, denn Felestra war ja das Leben in der Wüste gewohnt und wusste deshalb, wie sie sich zu verhalten hatte. Als sich das Wetter wieder beruhigt hatte, merkte sie aber, dass der Wind ihre Spur im Sand, der sie die ganze Zeit über gefolgt war, verblasen hatte. Damit hatte sie freilich nicht rechnen können. Sie merkte schnell und mit einem gewissen Unbehagen, dass sie sich in einer Gegend befand, in der sie noch nie gewesen war, geschweige denn sich auskannte. Vergeblich versuchte sie bis es dunkel wurde, den Rückweg wiederzufinden. Als die Nacht anbrach, schlug sie ihr Lager unter ein paar Palmen auf und legte sich schlafen.

Den nächsten Tag verbrachte sie gänzlich im Sattel. Sie ritt eine enorm lange Strecke, ohne zu wissen, wohin sie sollte, aber die Hoffnung, irgendwann auf Menschen oder eine Oase zu treffen, trieb sie voran. Ihre Wasservorräte gingen bereits dem Ende zu, die Sonne brannte unerbittlich vom Himmel, aber sie ritt immer weiter und kämpfte gegen ihren schrecklichen Durst an. Doch irgendwann konnte sie sich einfach nicht mehr im Sattel halten, sie schloss ihre Augen und fiel in eine tiefe Ohnmacht.

Als sie wieder langsam zu sich kam, hörte sie die Stimmen einiger Männer, die ganz in ihrer Nähe sein mussten. Sie verstand jedoch nicht, was sie sagten. Sie öffnete langsam die Augen und erkannte, dass sie sich in einem Zelt befand. Sie versuchte aufzustehen, aber eine tiefe Stimme hielt sie zurück. "Bleibt liegen, ihr seid noch zu schwach!" Aber Felestra hörte nicht auf diese Worte. Sie erhob sich und sah sich um. Ihr Blick fiel schnell auf einen jungen, attraktiven Mann, der gerade dabei war, Tee zu zubereiten. Sie fragte ihn, wer er sei und er stellte sich als Prinz Amir vor, der zusammen mit seinem Onkel durch die Wüste reiste. Als aber Amir ihren Namen wissen wollte, nannte Felestra ihm nur ihren Vornamen und verschwieg ihm, dass sie die Tochter von König Hassan war. Wie sie erfuhr, hatte sie sich sehr weit von Dubai entfernt, viel weiter sogar, als sie es befürchtet hatte. Aber Amir beruhigte sie und versprach ihr, dass sie bei ihm und seinen Männern bleiben durfte, bis sie die nächste Oase oder das nächste Dorf erreichen würden. Felestra war sehr dankbar über dieses Angebot und nahm es gerne an.

Die Reisebegleiter von Prinz Amir machten ihr alle Komplimente über ihre Schönheit, wunderten sich aber freilich alle, wie ein einfaches Mädchen zu so einem edlen Pferd kommen konnte und warum sie ganz alleine in der Wüste unterwegs war. Sie schickten immer wieder Amir zu ihr, er sollte Antworten auf diese Frage finden, aber Amir war zu wohlerzogen, um neugierige Fragen zu stellen. Nach einer Weile erkannten Amirs Leute aber, dass man Felestra vertrauen konnte, ganz egal wer sie war, und belästigten sie nicht weiter mit ihren Fragen. Felestra selbst fühlte sich auch immer wohler unter ihren neuen Freunden. Alle waren hilfsbereit zu ihr, sympathisch und voller Herzensgüte. Mit der Zeit gelang es ihr, die fremde Sprache ihrer Begleiter zu verstehen. Voller Stolz sprach sie, die für sie neuen Wörter, zu den anderen, die oft herzhaft lachen konnten, wenn sie etwas völlig Falsches sagte. Alles in allem war die Prinzessin über zwei Wochen mit Amirs Karawane unterwegs und vor allem mit jungen Prinzen verstand sie sich immer besser. Mit der Zeit waren sie fast unzertrennlich, sprachen über Gott und die Welt und hatten viel Spaß zusammen. Die Zuneigung der beiden zueinander blieb natürlich auch  Amirs Onkel nicht verborgen, aber er mochte Felestra ebenfalls sehr gerne und hatte deshalb nichts dagegen.

Schließlich kam es, wie es kommen musste und die beiden verliebten sich unsterblich ineinander. Felestra hatte kein schlechtes Gewissen deswegen. Ganz im Gegenteil. Amir war ein intelligenter, junger Mann, noch dazu reich und gutaussehend und weil er ein Prinz war, würde eine Heirat der beiden nicht gegen das Gesetz des Wächters der Nacht verstoßen. Sie war sehr glücklich, auch wenn sie in ihren Gedanken natürlich die meiste Zeit zuhause bei ihrem Vater war. Sie fragte sich, was er wohl gerade machte und ob er sich um sie sorgte. Und in der Tat – Hassan sorgte sich sogar sehr um Felestra. Er wusste nichts von ihr, wusste nicht wo sie war oder ob sie überhaupt noch lebte, gab aber nie die Hoffnung auf und betete jeden Tag für ihre baldige Rückkehr. Wenn Amir spürte, dass Felestra sich wieder große Sorgen machte und an ihre Heimat dachte, versuchte er sie zu trösten und mit Späßen oder interessanten Gesprächen abzulenken.
Eines Tages erreichten sie schließlich gegen Mittag ein kleines Dorf namens Aschrafia. Felestra wurde von Amir zum Dorfältesten gebracht, um zu erfragen, wie sie am besten nachhause gelangen konnte. Der alte Mann warnte sie, dass das Reisen in diesen Tagen besonders gefährlich wäre, weil König Hassan seine Truppen durch ganz Arabien geschickt hatte. Niemand wusste genau, warum er das getan hatte, aber alle hatten Angst, dass wieder ein Krieg bevorstehen könnte. Felestra ahnte natürlich, dass die Soldaten ihres Vaters die Aufgabe hatten, sie zu suchen, ließ sich aber nichts anmerken. Amir schlug vor, dass  sie die Nacht besser im Dorf verbringen sollten und suchte ihnen eine passende Unterkunft.

Am Abend fand im Dorf ein Fest zu Ehren der Gäste statt. Alle sangen und tanzten, es gab viel zu essen und die Stimmung war trotz der drohenden Kriegsgefahr prächtig. Um Mitternacht nahm Amir Felestra an der Hand und führte sie einige Meter aus dem Dorf hinaus. Sie dachte zuerst, er wolle nur einen Spaziergang mit ihr unternehmen, aber der Prinz hatte eine Überraschung für sie vorbereitet!

Amir hatte eine besonders schöne Stelle zwischen ein paar Palmen und einem markanten Felsen schmücken lassen. Überall waren duftenden Blumen ausgelegt und in der Mitte der Blumen loderte ein großes Feuers, dessen heller Schein das Ganze in ein fast magisches Licht tauchte. Felestra war sprachlos vor Glück, als Amir von hinten an sie herantrat und ihr einen roten, seidenen Sary, das traditionelle Gewand der Araberinnen, auf die Schultern legte. Er meinte, er wolle nicht länger warten, um ihr seine Liebe zu gestehen und fragte sie, ob sie seine Frau werden wolle. Felestra blickte in seine dunklen Augen, deren Zauber ihre Sinne benebelte und sie schwach werden ließ. Sie konnte einfach nicht anders, sie liebte Amir und nahm seinen Heiratsantrag an. Freudenstrahlend erklärte Amir Felestra, dass es sich bei diesem Platz um einen ganz besonderen, sogar einen heiligen Ort handeln würde und dass eine Hochzeit an dieser Stelle deshalb auch unter einem besonderen Segen der Götter stehen würde.

Einem uralten Ritual zufolge gingen die beiden zusammen siebenmal um das Feuer. Dann nahm Amir ein rotes Pulver und strich ihr damit über die Stirn. Felestra kannte diesen Brauch zwar nicht, dachte sich aber, dass jedes Land in Arabien seine eigenen Rituale hatte und vertraute ihrem Bräutigam. Sie genoss jede seiner Berührungen und erlebte die Hochzeit wie in einer Art Rausch. Am Ende des Hochzeitrituals gaben sich die beiden einen langen, leidenschaftlichen Kuss und Amir überrechte ihr zum Zeichen seiner Liebe ein wunderschönes, silbernes Medaillon auf dem ein schreiender Falke, das Wappen seines Landes, zu sehen war. Felestra war so glücklich, wie nie zuvor in ihrem Leben. Hand in Hand kehrten die beiden, die das Dorf erst vor wenigen Minuten noch als Geliebte verlassen hatten, nun als Ehepaar in ihre Unterkunft zurück, um dort ihre Hochzeitsnacht zu verbringen.

Am nächsten Morgen wachte Felestra mit einem Lächeln auf. Sie sah Amir, der neben ihr lag und noch schlief, streichelte immer wieder zärtlich über seine Wangen und spielte mit seinen dunklen, lockigen Haaren. Sie war so glücklich und genoss jede Sekunde mit Amir, der jetzt aufwachte und langsam seine Augen öffnete. Er schaute sie lange an schweigend an, bevor er ihr selig ins Ohr hauchte „Ich liebe dich, Felestra!“

Nachdem die beiden aufgestanden waren und sich angezogen hatten, gingen sie gemeinsam zu Amirs Onkel und berichteten ihm, dass sie in der Nacht zuvor geheiratet hatten. Dieser war sehr erfreut, denn er kannte Felestra jetzt schon eine geraume Zeit und wusste, dass sie seinem Neffen eine gute Ehefrau sein würde. Er versprach, dass er für die beiden ein großes Fest geben würde, sobald sie wieder zuhause wären. Nach diesem Versprechen nahm er Felestra fest in die Arme und küsste sie zum Zeichen, dass sie nun zur Familie gehören würde, auf die Stirn.

Gegen Mittag des gleichen Tages machten sie sich wieder auf den Weg und es dauerte nicht lange, bis sie die Küste in Reichweite erkennen konnte. Dort angekommen fragte Felestra ihren Amir wohin die Reise nun gehen würde. „Nach Südindien. Dort ist mein Land, dass ab jetzt auch dein Land sein wird.“ antwortete er ihr.
Felestra erschrak furchtbar. "Du bist … du bist also gar kein arabischer Prinz?"
Amir lächelte und schüttelte sein Kopf. „Nein, ich bin kein arabischer Prinz. Ich hoffe aber, du liebst mich deswegen nicht weniger?“
Da nahm Felestra ihn zur Seite und gestand ihm, dass sie ebenfalls von blauem Blute abstammt und eine arabische Prinzessin ist. In dem Moment als sie es ausgesprochen hatte, spürte sie bereits, dass mit Amir etwas nicht stimmte. Sein Gesicht wurde knallrot und er schrie sie mit wütender Stimme an: „Wieso hast du mir das verheimlicht? Wieso nur hast du mir das nicht gesagt?“
Felestra blieb stumm, weil sie sich nicht getraute, die Wahrheit zu sagen. Ihr Schweigen machte Amir noch wütender. Er machte auf dem Absatz kehrt und lief zu seinem Onkel, um ihm alles zu berichten. Als dieser die schlechten Neuigkeiten vernommen hatte, gab er Amir zuerst eine schallende Ohrfeige, und warf sich dann auf die Knie, um zu seinen Göttern um Gnade zu betten. Als er sein Gebet beendet hatte, war er etwas ruhiger, aber immer noch voll Wut. Er schüttelte Amir und fragte ihn immer wieder, wie er nur so töricht sein konnte und eine arabische Prinzessen zur Frau nehmen konnte, obwohl er doch wie jeder andere den Fluch des Wächters der Dunkelheit kannte.

Die nächsten Tage machten Alle einen großen Bogen um die frisch Vermählten, weil sie sich vor dem Fluch fürchteten. Aber auch das änderte nichts daran, dass Amir mit seiner Hochzeit ein großes Unheil heraufbeschworen hatte. Um das Schlimmste noch zu verhindern, befahl Amirs Onkel, dass Felestra keineswegs mit nach Indien kommen durfte.

Amir war hin- und hergerissen. Einerseits liebte er seine Ehefrau über alles, andererseits hatte er aber auch große Angst und wollte sich nicht über den Befehl seines Onkels hinwegsetzen. Felestra ahnte nur zu gut, was auf sie zukommen würde und ihr Gesicht war voller Tränen. Sie wusste, dass sie alles auf sich genommen hätte, um weiter bei Amir bleiben zu dürfen. Notfalls auch den Tod. Aber bei ihm war sie sich da mittlerweile nicht mehr so sicher.

Und tatsächlich hatte er sich gegen sie entschieden und verließ sie noch am gleichen Tag. Ohne sich von ihr zu verabschieden ging er an Bord des Schiffes. Er wollte sie nicht sehen und nicht mit ihr reden, denn er wusste nicht, was er ihr sagen hätte sollen. Außerdem liebte er sie noch immer und er hatte Angst, dass er sie nicht verlassen könnte, wenn sie ihm noch einmal vor ihm stand und ihm in die Augen sah. Felestra stand ganz alleine am Hafen und sah zu, wie er sich aufs Schiff begab. Sie war zwar unendlich traurig, aber ganz tief in ihr wusste sie auch, dass es keine andere Lösung gab. Was geschehen war, war nun mal geschehen und ließ sich nicht mehr ändern. Als sie Amir am Deck des Schiffes, das gerade ablegte, stehen sah, mit dem Rücken zu ihr, um sie nicht sehen zu müssen, als sie sah, wie die große Liebe ihres Lebens für immer verschwand und ihr nicht einmal zum Abschied winkte, konnte sie ihre Fassung nicht mehr bewahren und begann jämmerlich zu schluchzen. „Amir! Amir! Ich liebe dich! Bitte verlasse mich nicht…“ rief sie ihm hinterher. Doch Amir antwortete nicht, als das Schiff langsam am Horizont verschwand. Felestra stand noch lange am Hafen, weil sie hoffte, dass Amir vielleicht doch noch zu ihr zurück kommen würde. Aber das tat er nicht.

Felestra brauchte ganze drei Tage, bis sie einigermaßen wieder bei Sinnen war. Auch wenn ihr Herz gebrochen war, sagte ihr der Verstand, dass ihr Leben weiterging. Natürlich fürchtete sich noch immer vor den Folgen des Fluches, aber sie versuchte sich zu beruhigen, in dem sie sich einredete, dass bis jetzt ja nichts Schlimmes passiert war und es sich bei dem Fluch vielleicht sogar nur um einen dummen Aberglauben handeln könnte. Und außerdem hatte sie ja noch ihren Vater, den sie schließlich auch liebte, sich um sie sorgte und der sie, dass fiel ihr plötzlich wieder ein, schon überall im ganzen Land suchen ließ. Also schickte sie schnell einen Boten in den Palast ihres Vaters, der ihm berichten sollte, dass alles in Ordnung war und sie sich bereits auf dem Heimweg befand.

König Hassan war erleichter und glücklich als er sie ein paar Tage später unversehrt wieder in die Arme schließen konnte. Aber er bemerkte schnell,  dass Felestra nicht mehr die Gleiche war. Sie hatte sich verändert, aus dem lebenslustigen Mädchen, das voller Energie steckte, war eine ruhige und irgendwie bedrückte, junge Frau geworden, die scheinbar auch ihr einst so ansteckendes Lachen verloren hatte. Sie sprach nur mehr das Nötigste, wurde immer blasser und war ständig müde. Als ihr schließlich auch noch häufig unwohl und schwindelig wurde, schickte der König seinen Leibarzt zu ihr, um sie zu untersuchen. Dieser stellte zu seinem großen Erstaunen fest, dass die Prinzessin ein Kind erwartete und berichtete dies umgehend seinem König. Hassan ahnte Böses. Doch er wusste auch, dass seine Tochter den Fluch ebenfalls kannte und hoffte deshalb, dass der Vater ihres Kindes vielleicht ein arabischer Prinz wäre. Wenn dies der Fall wäre, schoss es ihm durch den Kopf, wäre alles in Ordnung und er würde dafür sorgen, dass die beiden heiraten würden. Sofort suchte er Felestra in ihren Gemächern auf und die erzählte ihm unter bitteren Tränen die ganze Wahrheit. König Hassan war außer sich vor Wut und vor Angst gelähmt, aber Felestra meinte nur, dass er sich beruhigen sollte, weil bis jetzt nichts passiert sei und der Fluch vielleicht nur ein dummer Aberglaube sein könnte. Diese Worte erzürnten Hassan aber erst recht, er zitterte vor Zorn, erhob drohend die Hand und schlug schließlich seiner Tochter heftig ins Gesicht. Darauf war Felestra nicht gefasst gewesen, denn noch nie hatte sie ihr Vater schlecht behandelt, geschweige denn geschlagen. Durch den Schlag wurde sie heftig zu Boden geworfen. Sie blutete aus der Nase und war starr vor Schreck.
"Was hast du getan?" schrie Hassan sie immer wieder an. „Du kanntest den Fluch! Du hast uns alle ins Unglück gestürzt. Wie konntest du das nur tun?“
Felestra versuchte ihm immer wieder zu erklären, dass es ihr leid tat und sie doch geglaubt hatte, dass Amir ein arabischer Prinz war und sie somit nichts Verbotenes tat.
Aber ihr Vater wollte das nicht verstehen. Er konnte sich nicht beruhigen und ihr schon gar nicht vergeben. Er befahl schließlich zwei Dienern zu sich und teilte ihnen mit, dass sie die Sachen der Prinzessin packen sollten. Felestra verstand die Welt nicht mehr. Immer wieder bat sie ihren Vater um Verzeihung, doch er blieb hart.
„Du bist nicht länger meine Tochter. Ich will dich nie weder sehen!“ schrie er sie an.
„Bitte, Vater, mein geliebter Vater...“ Felestra fiel vor ihm auf die Knie, küsste seine Füße und flehte erneut um Vergebung, doch alles Bitten und Betteln nutzte nichts.
„Ich bin nicht länger dein Vater.“ Dann befahl Hassan den Dienern, Felestra aus dem Palast zu werfen. „Und wage es ja nicht, je wieder hier her zu kommen. Falls du es doch versuchst, werde ich dich töten lassen!“
Ein letztes Mal sah sie ihren Vater an, aber der Blick seiner kalten, hasserfüllten Augen machte ihr auf schreckliche Weise klar, wie ernst ihm diese Worte waren und sie wusste, dass sie am Ende war. Mit ihrer Heirat hatte sie gegen das Gesetz des Wächters verstoßen, ihren Vater, ihren geliebten Amir sowie alle Menschen, die sie liebte verloren und auch ihr ganzes Leben verpfuscht.

Nachdem man sie aus dem Palast gebracht hatte, wusste sie zuerst nicht, wohin sie gehen sollte. Hier bleiben konnte sie nicht mehr und so beschloss sie einfach wieder zurück zum Hafen zu gehen, wo sie Amir das letzte Mal gesehen hatte.

Am Hafen der Nordküste angelangt, beschloss Felestra ihrem Amir zu folgen und fand ein Schiff, das sie Südindien bringen würde. Insgeheim hoffte sie, dass Amir ihr vielleicht vergeben und sie wieder zu Frau nehmen würde, wenn sie erst bei ihm wäre. In Indien angekommen, fragte gleich sie nach dem Weg zum Palast und dort angekommen, ließen sie die Wachen zwar nicht zum Prinzen Amir passieren, brachten ihm aber eine Botschaft von ihr.
Dieser war sehr erstaunt und sichtlich überrascht, dass sie den ganzen weiten Weg auf sich genommen hatte, nur um ihn wieder zu sehen. Er fürchtete sich vor seinem Onkel und wollte sie nicht im Palast treffen. Er schickte die Wachen deshalb mit einem Schreiben zu Felestra zurück, in dem er sie bat, sie solle sich um Mitternacht an einem Hügel außerhalb der Stadt einfinden. Er werde auch kommen und sie könnten sich im Schutze der Dunkelheit unbemerkt von seinem Onkel treffen.

Felestra war glücklich und erleichtert über diese Botschaft. Sie überlegte nicht lange und machte sich sogleich auf den Weg, denn sie wollte nicht zu spät kommen und wusste ja nicht, wie viel Zeit sie bis zum ausgemachten Treffpunkt brauchen würde. Als sie dort ankam, merkte sie aber, dass sie viel zu früh da war. Also setzte sie sich auf einen Felsen, der ganzen oben auf dem Hügel lag und von dem aus man das nahe Meer sehen konnte. Felestra war von der Schönheit dieses Anblickes begeistert und lauschte voller freudiger Erwartung, ihren Geliebten bald wieder in die Arme schließen zu können, auf das gleichmäßige und beruhigende Rauschen der Brandung.

Plötzlich durchbrach ein anderes Geräusch die bereits einsetzende Dunkelheit und Felestra erkannte einen schwarzgekleideten Mann, der sich ihr langsam näherte. „Amir!“ rief sie in der Erwartung, dass es sich dabei um ihren Geliebten handele, doch als der Schwarzgekleidete nicht antwortete, wurde ihr langsam mulmig zumute. „Amir!“ schrie sie erneut, und da sie keine Antwort bekam, rief sie in drittes Mal seinen Namen in die Nacht. Die dunkle Gestalt war nun nur noch wenige Schritte entfernt, kam immer näher, blieb schließlich stehen und stellte sich mit einer markerschütternden, tiefen Stimme vor: "Ich bin  Andavalerios, der Wächter der Nacht."
Felestra wusste nicht, ob sie wach war oder gerade einen Alptraum erlebte und erst recht nicht, was sie sagen sollte. Die Gestalt, die sich selbst Andavalerios nannte, stand jetzt direkt vor ihr, vielleicht einen Meter entfernt und Felestra konnte an seinem Gesichtsausdruck erkennen, dass der Mann die Wahrheit sagte. Vor Schreck zuckte sie zusammen und stolperte ein paar Schritte zurück, doch der Wächter folgte ihr wie ein Schatten durch die Nacht. „Bitte“, wimmerte sie starr vor Angst, „bitte tue mir nichts!“
„Du hast das Gesetz gebrochen!“
„Ja, das habe ich“, stotterte sie, „aber ich habe doch geglaubt, dass Amir…“
„Schweig still!“ unterbrach sie Andavalerios rüde. „Ich weiß, was du mir sagen willst. Bedenke, ich bin der Wächter, mir entgeht nichts was vor sich geht auf dieser Welt.“
„Dann lässt du sicher Gnade walten? Bitte!“ Felestra schöpfte für einen Augenblick wieder Hoffnung.
„Du hast das Gesetz gebrochen, dafür musst du bestraft werden. Gnade habe ich dir bereits gewährt, weil ich erst jetzt zu dir kommen und dich nicht schon am Tage deiner Hochzeit heimgesucht habe.“
“Glaube mir bitte, ich wollte das Gesetz nicht brechen. Es tut mir alles unsagbar leid.“
Andavalerios überlegte kurz. „Na gut, ich will dir eine letzte Chance geben, alles wieder in Ordnung zu bringen.“
Felestra schaute ihn fragend an. „Was soll ich tun?“
„Es gibt zwei Möglichkeiten. Entweder tötest du Amir hiermit...“ Andavalerios reichte ihr bei diesen Worten einen Dolch.
Felestra schloss für einen Moment die Augen. Sie hatte befürchtet, dass die Strafe grausam werden würde, aber damit hatte sie nicht gerechnet.
„Oder“, fuhr er nach einer kurzen Pause fort, „Amir nimmt dich als seine Frau zurück, er bleibt zusammen und du lebst bei ihm im Palast.“
Die Prinzessin war erleichtert, holte tief Luft und pustete langsam aus, dann sagte sie zu Andavalerios: „Amir liebt mich und er wird mich sicher wieder zu seiner Frau machen. Da bin ich mir sicher, denn das sagt mir mein Herz."
„Sei dir da mal nicht zu sicher!“ mahnte sie der Wächter. „Denn falls du dich täuscht, dann soll dich mein Fluch treffen."
„Nein, das wird nicht geschehen. Amir liebt mich und wenn er erst erfährt, dass ich ein Kind von ihm erwarte, wird er mich niemals verstoßen."
„Gut.“ meinte der Wächter. „Wenn du dir seiner Liebe so sicher bist und er dich zurücknimmt, will ich Gnade walten lassen und werde dich verschonen. Aber auch nur dann!“ Kaum dass er diesen Satz beendet hatte, verschwand er mit einem lauten Donnerknall in der Dunkelheit.

Wenige Minuten nachdem er weg war, hörte Felestra einen Reiter nahen. Zu ihrer großen Erleichterung war es dieses Mal wirklich Amir, der ziemlich hektisch wirkte und sich nervös umsah, um sicher zu gehen, dass ihn niemand verfolgt hatte. Er stieg vom Pferd und ging auf sie zu. Felestra war so froh, ihn endlich wiedersehen zu dürfen und lief ihm entgegen. Den Dolch, den ihr Andavalerios gegeben hatte, versteckte sie dabei hinter ihrem Rücken. Doch als sie die Kälte und den Zorn in seinen Augen sah, war ihre Freude wie weggeblasen und wich einer furchtbaren Vorahnung.
„Was zur Hölle willst du? Warum bist du gekommen. Du hast hier nichts zu suchen!"
Felestra hatte mit Vielem gerechnet, aber nicht damit, dass Amir sie abweisen und so gemein behandeln würde.
„Ich…“ und das war alles, was sie heraus bekam, „Ich liebe dich.“
„Nein, das tust du nicht.“ blaffte sie ihr ehemaliger Ehegatte an. „Du bringst nur Unglück. Ich liebe dich nicht mehr."
Felestra fühlte, wie ihr Herz ein zweites Mal in Scherben ging. Dicke Tränen fingen an über ihre Wangen zu kullern. „Aber ich liebe dich!“ wiederholte sie nochmals. „Und ich weiß, du liebst mich auch.“
„Bitte Felestra“, lenkte Amir ein, „bitte verstehe mich. Unsere Ehe war ein Fehler. Es tut mir leid, dass ich dir so wehtun muss, aber ich kann und will dich nicht mehr zur Frau haben.“
„Amir, hör mir zu. Wir können den Fluch besiegen. Unsere Liebe ist stärker als das Gesetz und der Wächter lässt Gnade walten, wenn…"
„Es geht nicht um den Fluch, Felestra.“ unterbrach sie Amir erneut.
„Aber warum?“
"Ich habe wieder geheiratet und lebe mit einer anderen Frau zusammen. Mein Onkel meinte, dass wir dem Fluch so entgehen könnten.“
„Nein! Amir, nein, sag dass das nicht wahr ist!“
Amir drehte sich um, denn er wollte nicht, dass Felestra sah, wie auch er in Tränen ausbrach. „Ich liebe dich nicht! Ich habe dich nie geliebt. Verschwinde endlich von hier.“ Amir ging zu seinem Pferd zurück.
In Felestra stieg die Wut hoch. Ihre Hände umklammerten den Dolch und sie überlegte kurz, ob sie Amir damit erstechen sollte. Aber dann dachte sie an ihr Baby und ihr war klar, dass sie den Vater ihres Kindes nicht töten konnte.
„Wir ..., ich meine, ich … ich bekomme ein Kind von dir! Was soll aus unserem Kind werden?“ schrie sie ihm halb zornig, halb traurig nach.
In diesem Augenblick spürte Amir, wie ihm der Schmerz die Kehle zudrückte und er hatte Angst ersticken zu müssen. Als er sich wieder gefasst hatte, stieg er auf sein Pferd. „Es tut mir leid. Ich kann dir nicht helfen. Damit musst du alleine fertig werden." schluchzte er und schämte sich dabei vor sich selbst, weil er zu feige war, um zu seiner großen Liebe und seinem Kind zu halten. Dann ritt er fort und überließ damit Felestra ihrem Schicksal. Diese konnte in diesem Augenblick nicht wissen, dass Amir mindestens genau so leiden musste wie sie, aber keinen anderen Ausweg wusste, weil er von seinem Onkel, dem König des Landes, mit dem Tode bedroht wurde, falls er Felestra jemals wieder sehen würde.

So kam es also, dass Felestra zum zweiten Mal von Amir im Stich gelassen wurde. Sie war wie benebelt von Trauer und Schmerz. Sie stand am Rande des Felsens und überlegte, sich hinunterzustürzen, um ihr Leben zu beenden und ihrem noch ungeborenen Kind ein ebenfalls grausames Schicksal zu ersparen.  Als sie gerade in die Tiefe springen wollte, hielt sie etwas zurück und die tiefe Stimme von Andavalerios sprach zu ihr. „Nein, das darfst du nicht!"
„Bitte Andavalerios, lass mich sterben. Wenn er mich nicht liebt, hat mein Leben keinen Sinn mehr.“
„Ich kann das nicht zulassen!“ Andavalerios packte sie und zog sie von dem Abgrund weg.
„Wieso hast du ihn nicht getötet?“ wollte er von ihr wissen, als er ihr seinen Dolch wieder nahm.
Sie schaute hinaus auf das weite Meer und weinte. „Ich liebe ihn noch immer. Aber das kannst du nicht verstehen, oder?“
„Nein“, gab er ihr zur Antwort. „Ich kann dich nicht verstehen. Er hat dir das Herz gebrochen und du liebst ihn noch immer. Ich kann euch Menschen ohnehin nicht verstehen. Seltsame Geschöpfe seid ihr. Getrieben von euren Gefühlen, fast wie Tiere.“
„Was geschieht jetzt weiter?“ fragte Felestra ihn schließlich, obwohl es ihr eigentlich egal war, denn sie hatte ihren bereits Lebensmut verloren.
„Der Fluch wird sich erfüllen, denn du hast das Gesetz gebrochen. Wenn am morgigen Tag die Sonne aufgeht, wird nichts mehr so wie früher sein. Die Länder Arabiens werden untergehen, alle Könige Arabiens und ihre Kinder sollen nicht mehr erwachen. Aber du Felestra, sollst am Leben bleiben. Und auch dein Kind. Zur Strafe sollen aber alle deine Nachkommen bis in alle Ewigkeit das gleiche Schicksal erleben, wie du es gerade durchmachen musstest. Sie alle sollen sich unsterblich verlieben, aber nur für eine Nacht mit ihrem Partner zusammen sein, bevor sie verlassen werden. Und aus dieser Nacht wird immer ein Kind hervorgehen. Ein Kind, das nur geboren wird, um ein Leben voller Schmerz und Leid ertragen zu müssen.“
Felestra konnte nicht fassen, was der Wächter da sagte. „Bitte Andavalerios, bestrafe mich, ich habe gegen das Gesetz verstoßen, aber verschone mein Kind und meine Kindeskinder. Ich flehe dich um Gnade an!“
„Nein, die kann ich dir nicht gewähren. Aber höre gut zu Felestra, was ich dir nun zu sagen habe. Irgendwann, in vielen hundert Jahren, wird eine Frau deiner Nachkommenschaft geboren werden, die auserwählt sein wird. Sie wird dasselbe Zeichen des Feuers auf der Schulter tragen wie du und nur sie wird in der Lage sein, den Fluch ein für allemal zu besiegen. Aber auch sie soll dafür einen bitteren Preis bezahlen müssen! 15 Tage nach dem sie ihr 25. Lebensjahr vollendet hat, muss sie sich genau hier an dieser Stelle einfinden und nach mir rufen. Ich werde kommen, um den Fluch von ihr zu nehmen und den Preis dafür von ihr zu verlangen. Hast du das verstanden, Felestra? "
„Ja, das habe ich und ich beuge mich deinem Willen.“
„Das ist gut so.“
„Und Amir? Ist er auch verflucht?“
„Das liegt allein an dir. Wenn du ihm jetzt verzeihst, bleibt er verschont.“
„Ich verzeihe ihm. Ich liebe Amir und auch wenn er mir das Herz gebrochen hat, will ich nicht, dass er leiden muss. Ich wünsche ihm, dass er mit seiner neuen Frau anstatt meiner glücklich wird.“
Der Wächter nickte, „das ist sehr edel von dir, Felestra. So soll es also geschehen.“ und verschwand erneut mit einem lauten Donnerhall.

-----------------------------------------------------

Ich machte mich, nachdem mich der Wächter in jener Nacht mit dem Fluch zurückgelassen hatte, mein Vater gestorben und Arabien untergegangen war, auf den Weg nach Norden. Wenig später brachte ich dort mein Kind zur Welt. Wenn du meine Geschichte je lesen solltest, dann ist das auch deine Geschichte, denn dann bist du ein direkter Nachkomme von mir. Ich schrieb sie in ein Buch, das einst meiner Mutter gehört hatte. Niemand, auch nicht mein Vater, wusste, warum sie es für mich hinterlassen hat. Ich denke fast, sie hat gewusst was passieren wird und wollte, dass ich meine Geschichte in einer Sprache, die ich mir selbst beigebracht habe und die ich Klangonisch nenne, darin festhalten werde. Mein Kind wird diese Sprache lernen und sie an sein Kind weitergeben. Das wiederum an die nächste Generation und das soll so bleiben, bis eines Tages die Auserwählte dieses Buch mit unserer Geschichte in Händen halten wird. An ihr liegt es ganz alleine, den Fluch zu brechen.

Wenn du die Auserwählte sein solltest, wünsche ich dir Kraft, Mut und Gottes Segen! Ich weiß nicht, welche Aufgabe auf dich warten wird und ich weiß nicht, ob du sie bestehen kannst. Bitte nimm das Medaillon mit auf deine Reise. In ihm steckt die Magie einer einstmals großen Liebe, weshalb es sehr mächtig ist und dir helfen kann, wenn du in Schwierigkeiten geraten solltest.

Es tut mir leid, was ich getan habe. Und es tut mir, dass du, die Auserwählte, für meinen Fehler büßen musst. Ich werde mit meinem Herzen immer bei dir sein, denn ich liebe dich.

Felestra

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