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Tiefgang Reißwolf
Alter: 43 Beiträge: 1139 Wohnort: Hamburg
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29.10.2008 17:35 Landpomeranze (Teil I) von Tiefgang
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Landpomeranze
Ich spurtete Richtung Hamburger Berg und überlegte wie ich Lena meine Verspätung und den komischen Zufall von soeben erklären konnte. Als ich dort ankam, warf Lena gerade ein Eurostück in die verstaubte Jukebox, die im hinteren Drittel des Raumes zwischen Toilette und Bar gegen die blumige Raufasertapete gelehnt war.
"Sorry Lena, bin spät dran", japste ich, während ich um Luft rang und nach den richtigen Worten suchte, um Lena von dem possierlichen Ereignis zu berichten. Nur Lena fing wie gewohnt, ohne große Umwege, an zu plappern:
"Jaja, schon ok. Du sag mal, kennst du eigentlich Wolfgang? Der Typ, der immer im Blauen Peter am Tresen rumhängt." Sie hielt kurz inne und linste Richtung Jukebox, die zu knacken begann und ein komisches Grummeln von sich gab. Man hörte jeden Versuch, die Platte erneut mit den abgenutzten Fangarmen zu greifen.
Lena drehte sich wieder zu mir und fuhr fort: "Mir geht der Typ richtig auf den Senkel. Der läuft jetzt immer in Lederjacke, Knautschhut und so Nietendingern durch die Gegend."
Mit den Gedanken noch bei dem Moment von zuvor in der U-Bahn hörte ich nur mit einem Ohr hin, nickte gelangweilt und stieß ein leicht seufzendes, resignierendes "aha" aus. Was Wolfgang tat und wieso er es tat interessierte mich grundsätzlich schon nicht, in diesem Moment jedoch noch weniger.
"Der macht auch jeden Scheiß mit und ist obendrein eine Fahne, nein, eher ein Fähnchen im Wind. Landpomeranze, bei jedem Müll dabei. Wenn es jetzt modern wird Karohemden zu kurzen Baggy Pants zu tragen, dann trägt Wolfgang, im Glauben besonders heiß wirken zu müssen, sicher ein viel zu weites Jackett zu viel zu engen Hot Pants." Lena schien sich in Fahrt zu reden. Grinsend und ohne mich zu Wort kommen zu lassen, ohne einen pausierenden Atemzug einzuschieben, ätzte sie weiter:
"Oder er fängt an, aufnäherbestickte Jeansjacken mit Röhrenjeans und hellgrünen Chucks zu kombinieren, nur weil zufällig Metallica am selben Festival wie Bloc Party spielen. Der macht doch wirklich jeden Scheiß mit, und jeden Scheiß auch extra extrem. Zuerst Hippie, dann Punk, Hardrocker, wollwestetragender Grunger und jetzt meint er plötzlich, als Manchester-Britpop-Typ durchgehen zu müssen." Lena prustete weiter. "Tss ... stell dir das mal vor. Der weiß ja sicher nicht mal, dass er von der einen zur anderen Gegenbewegung pendelt."
Sie überlegte kurz, bevor sie weiter spöttelte: "Hm, vielleicht kommt ja bald mal der Trend, dass man sich im Gesicht tätowieren lässt, dann bin ich aber mal gespannt, was Wolfgang dann macht. Dann hat der bald links das Hakenkreuz und rechts das Anarchy A eingekratzt."
Sie schnaubte und lachte: "Und er würde es auch ohne zu wissen falsch rum tragen. Wolfgang ist die personifizierte Persiflage eines jeden Trends." Lena fiel kichernd in sich zusammen. "Dieser Typ ..."
Ich bestellte zwei Biere, nickte nur beiläufig ab und überlegte, wie ich dem Abend eine Wende geben und Lena endlich erzählen konnte, was mir zuvor in der U-Bahn passiert war. Aber es war kein Dazwischenkommen. Die Jukebox surrte und die verstaubte Oberfläche mischte sich mit ebenso verstaubten Gitarrentönen zu einem mir unbekannten Retro-Mansch.
Weitere Werke von Tiefgang:
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Manuel M. Lorenz Klammeraffe
M
Beiträge: 746
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M 31.10.2008 14:22
von Manuel M. Lorenz
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So endlich komme ich dazu...
Zunächst frage ich mich, ob es nicht besser wäre die Geschichte im Präsens zu erzählen, ich habe so eine unwillkürliche Distanz zu den Figuren. Dieses fast unwirkliche Szenario in das dein Protagonist da hinein stollpert nimmt mich noch nicht gefangen.
Was ich gut finde, ist wie du es schaffst sie die ganze Zeit reden zu lassen und trotzdem das Gefühl zu erzeugen man höre eigentlich ihm zu. Klasse!
An manchen Stellen könntest du die Sprache etwas mehr vereinfachen (soeben, possierlich, jedoch, im Glauben, Persiflage etc.), das ist so ein Universitäts-Indiejargon, das von Menschen benutzt wird, die Wörter wie Universitäts-Indiejargon benutzen; damit trägst du weiter zur Distanz bei.
So, nächster Teil!
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Tiefgang Reißwolf
Alter: 43 Beiträge: 1139 Wohnort: Hamburg
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31.10.2008 14:39
von Tiefgang
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manuelmorphose hat Folgendes geschrieben: | So endlich komme ich dazu...
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Hab ja lange genug drum gebettelt
manuelmorphose hat Folgendes geschrieben: |
Zunächst frage ich mich, ob es nicht besser wäre die Geschichte im Präsens zu erzählen, ich habe so eine unwillkürliche Distanz zu den Figuren. Dieses fast unwirkliche Szenario in das dein Protagonist da hinein stollpert nimmt mich noch nicht gefangen. |
Gute Frage. Wär wohl im Präsens besser erzählt. Ich kann das nur so schlecht. Bin ein Zeitendilettant.
manuelmorphose hat Folgendes geschrieben: |
An manchen Stellen könntest du die Sprache etwas mehr vereinfachen (soeben, possierlich, jedoch, im Glauben, Persiflage etc.), das ist so ein Universitäts-Indiejargon, das von Menschen benutzt wird, die Wörter wie Universitäts-Indiejargon benutzen; damit trägst du weiter zur Distanz bei. |
Schließt sich Universitätsjargon und Indie nicht irgendwie aus - oder meinst du damit eine bewusst lässige Sprache, die es eben genau aufgrund des Bewussten nicht ist, weil sie nicht natürlich klingt? Das meinst du wohl, na?
manuelmorphose hat Folgendes geschrieben: |
So, nächster Teil! |
Richtig, weiter so
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Manuel M. Lorenz Klammeraffe
M
Beiträge: 746
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DasProjekt Exposéadler
Beiträge: 2904 Wohnort: Ørbæk, Nyborg, Dänemark
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31.10.2008 15:04
von DasProjekt
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Zunaechst einmal: Bloss nicht Praesenz! Voellig ueberbewertet als Erzaehlzeitform. Im Praesenz nimmst du deiner Erzaehlung was weg. (Wie im Uebrigen auch wenn man in der Ich-Form erzaehlt, die ich immer in weitem Bogen meiden wuerde... "Ich's" hat man schon in Dialogen genug, die braucht man nicht noch fuer den Prota aufwenden! - Das ist aber wohl Geschmackssache, ich jedenfalls kann keinen ganzen Roman in Ich-Form lesen, da kringeln sich meine Fussnaegel...)
Dieser Satz:
Zitat: | Mit den Gedanken noch bei dem Moment von zuvor in der U-Bahn hörte ich nur mit einem Ohr hin, nickte gelangweilt und stieß ein leicht seufzendes, resignierendes "aha" aus. |
hat mich ins Schleudern gebracht. Der ist zu lang und verschachtelt, den musste ich zweimal lesen. Wo das bei Lenas Monologen ja gewollt ist um den Effekt von "impossible to get a word in" zu unterstreichen, dann sind die kurz eingeschobenen Gedanken des Erzaehlers eher Momente, wo du eventuell etwas Ruhe reinbringen koenntest. Denk an deine Leser... denen schwirrt nach 2 Seiten der Kopf, und sie verlassen dich, wenn du so schachtelst!
Zitat: | "Sorry Lena, bin spät dran", japste ich, während ich um Luft rang und nach den richtigen Worten suchte... |
"japsen" und "um Luft ringen" ist ja essentiell dasselbe und deswegen bin ich hier auch etwas gestrauchelt... Hau es in zwei Saetze. "Sorry, Lena, bin spaet dran." Ich rang um Luft und suchte dabei nach den richtigen Worten..." (incidentally - gibt es auch falsche Worte in dieser Situation? Vielleicht ein Adjektiv, das du ganz weglassen kannst...)
Noch etwas, das sich mir nicht ganz erschliessen wollte, war die blumige Raufasertapete. Meines wissens ist Raufasertapete eigentlich immer einfarbig und deswegen so beliebt, weil sie immer wieder effektvoll ueberstrichen werden kann und man die Wiedertapezierung vermeidet. Aber dann muesst man ja die Blumen draufmalen. Davon abgesehen dass "blumig" als Adjektiv in mir immer eher geruchssinnliche Assoziationen weckt, das was du meinst waere er "gebluemt"
Soviel zum technischen... zum Eindruck des Textes und seinem Inhalt kann ich persoenlich in dieser Kuerze nichts sagen... ausser dass er mir bis hierhin zu hektisch ist und ich wahrscheinlich nicht lange durchhalten wuerde...
_________________ 25. Mai 2017 - Kim Henry "Be Mine Forever" |
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Manuel M. Lorenz Klammeraffe
M
Beiträge: 746
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Tiefgang Reißwolf
Alter: 43 Beiträge: 1139 Wohnort: Hamburg
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31.10.2008 15:15
von Tiefgang
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manuelmorphose hat Folgendes geschrieben: |
Präsens und Ich sind ein muss! |
Und ich dachte bis eben, es seien Präservative und du ... LOL
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Tiefgang Reißwolf
Alter: 43 Beiträge: 1139 Wohnort: Hamburg
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31.10.2008 15:16
von Tiefgang
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Hey DasProjekt,
danke dir fürs ausführliche Kommentieren.
Ich kann mit deinen Vorschlägen einiges anfangen.
Das "Ich" werde ich wohl nicht rauskriegen bzw. möchte ich das gar nicht, weil ich - wie schon erwähnt - einmal bewusst aus der Sicht einer weiblichen Protagonistin schreiben wollte.
Hm, die Sätze zu entschachteln ist leicht; das werde ich, dort wo es für mein Sprachgefühl passt, auch umsetzen.
Danke!
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Manuel M. Lorenz Klammeraffe
M
Beiträge: 746
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Tiefgang Reißwolf
Alter: 43 Beiträge: 1139 Wohnort: Hamburg
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31.10.2008 15:18
von Tiefgang
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manuelmorphose hat Folgendes geschrieben: | Safety first |
Und ich dachte bis eben, Manuel first ...
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Manuel M. Lorenz Klammeraffe
M
Beiträge: 746
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Tiefgang Reißwolf
Alter: 43 Beiträge: 1139 Wohnort: Hamburg
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31.10.2008 15:21
von Tiefgang
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manuelmorphose hat Folgendes geschrieben: | Erster...
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Na, wer hats erfunden?
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DasProjekt Exposéadler
Beiträge: 2904 Wohnort: Ørbæk, Nyborg, Dänemark
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31.10.2008 15:22
von DasProjekt
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Die "Sicht einer weiblichen Person" kannst du aber auch ohne die Ich-Form. Einfach strenge Perspektivregeln einhalten. Es wuerde auch die Erzaehlweise glaubwuerdiger machen, weil wie im anderen Thread bemerkt, deine Erzaehlweise nicht "weiblich" klingt. So einfach laesst sich das wohl nicht machen, die Boxershorts fuer den rosafarbenen Stringtanga einzutauschen...
_________________ 25. Mai 2017 - Kim Henry "Be Mine Forever" |
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Manuel M. Lorenz Klammeraffe
M
Beiträge: 746
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Tiefgang Reißwolf
Alter: 43 Beiträge: 1139 Wohnort: Hamburg
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31.10.2008 15:29
von Tiefgang
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manuelmorphose hat Folgendes geschrieben: |
Wenn du wüsstest was Gerold in seiner Freizeit trägt...
Er hat auch nen Wendy Kalender |
Jetzt wirst du unverschämt. Muss doch keiner wissen, dass ich aufs Reiten stehe.
Warum du meine Kleidung ansprichst, ist mir rätselhaft. Ich verstehe nicht, was an meinem Möhrenoutfit nicht stimmen sollte.
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Murmel Schlichter und Stänker
Alter: 68 Beiträge: 6380 Wohnort: USA
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05.11.2008 19:24
von Murmel
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Das soll ein weiblicher Prota sein?
Ich fasse erste Person sowieso schon nur noch mit spitzen Fingern an, aber Erste Person und Präsens lese ich nur gezwungenermassen.
Der erste Satz taugt überhaupt nicht als ein Einstieg. Warum? Weil er sich auf ein vergangenes Ereignis bezieht, das der Leser nicht kennt. Im ersten Satz braucht der Leser was zum dran festhalten. In dem Moment, wo du die Zeitschiene versetzt in dem du auf etwas vergangenes hindeutest, katapultierst du den Leser aus dem Lesefluss raus bevor er überhaupt mit dir auf die Reise gegangen ist.
Murmel's Meinung.
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