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Das Eigenleben der Geschichte

 
 
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sleepless_lives
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Beitrag24.10.2008 15:37

von sleepless_lives
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Hallo Merlinor,

Merlinor hat Folgendes geschrieben:

Diese glatte Weigerung der Geschichte, sich so niederschreiben zu lassen, wie ich es nach der Umformung des Handlungsstrangs wollte, macht mich immer noch etwas perplex.
Wer ist denn hier nun der Autor?  ohh

Ich kann mir gar nicht vorstellen, anders zu schreiben, als dass die Geschichte ihre Eigendynamik entwickelt (weil ich am Anfang auch meistens gar nicht weiß, wo es am Ende hingehen wird). Ich versuch da eigentlich sogar noch mehr als früher hineinzutauchen, versuch, dass auch im Detail die Sprache selbst mich weiterführt. Allerdings hat von Theaterstück zu Theaterstück die Angst zugenommen, dass irgendwann mal sich der Bogen nicht mehr schließt, dass Ereignisse oder Bemerkungen der Protagonisten, die ich anfangs nicht verstehe, sich mir aber aufdrängen, auch am Schluss unerklärt bleiben, statt wie sonst plötzlich Sinn zu ergeben.

Die Weigerung deiner Geschichte würde ich als etwas grundlegend Positives ansehen, einfach weil (zumindest für Leute mit ein bisschen Phantasie) das Problem nicht darin liegt, was als Nächstes passiert, sondern im Ausschluss all der unendlichen anderen Möglichkeiten, was alternativ passieren könnte (Schreibratgeber sind ausschließlich nur dazu gut, einen wackelnden Tisch durch Unterlage unter das zu kurze Tischbein zu stabilisieren oder in Einzelfällen für das Vergnügen, eine Geschichte zu erfinden, die garantiert alle Regeln bricht. Das Handwerk lernt man vom Lesen guter Bücher und das sind meistens nicht die Bestseller - Ausnahmen wie Umberto Eco, Jonathan Franzen oder Arundhati Roy bestätigen die Regel).

Da ich natürlich wie BlackRider auch nur den Anfang von Peer kenne, wäre jede Aussage der Art "war doch gut so, wie es war" ein bisschen verfrüht, das Anfangsbild jedoch ist mir im Gedächtnis geblieben - und was will man mehr. Ich würde an deiner Stelle auch stark unterscheiden zwischen Kritik an Details und komplettem Umschreiben: wenn der Protagonist, etwas nicht sehen kann, weil es Nacht ist und dunkel, dann kann man das (normalerweise!) nicht ignorieren und dann muss man halt von irgendwo her ein Licht heranschaffen, aber Spannungsbogen und solchen Kram... vergiss es.

Gruesse,

- sleepless_lives


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Es sollte endlich Klarheit darüber bestehen, dass es uns nicht zukommt, Wirklichkeit zu liefern, sondern Anspielungen auf ein Denkbares zu erfinden, das nicht dargestellt werden kann. (Jean-François Lyotard)

If you had a million Shakespeares, could they write like a monkey? (Steven Wright)
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Merlinor
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Beitrag24.10.2008 17:11

von Merlinor
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Hallo sleepless

Zuerst einmal: Schön, Dich wieder mal zu lesen ... *freu*  smile extra

Ja, dass ich nicht zu tief eingreifen darf in die Geschichte, das habe ich jetzt schmerzlich gelernt.
Es ist halt eine Gratwanderung. Die Geschichte lebt in meinem Kopf, aber als Erzähler auf's Papier bringen muss ich sie.
Das heißt für mich, dass ich der Mittler zwischen der Geschichte und dem Leser bin.
Also will ich sie so erzählen, dass der Leser ihr gebannt und mit offenem Mund folgt.

Da wollte ich einfach zu viel und habe begonnen, sie zu tief in ihrer Substanz zu verändern.
Die nächste Runde werde ich das moderater betreiben.

Aber Du hast schon recht: Mittlerweile beginne ich diese Erfahrung als etwas Positives zu sehen.
Bei mir war es ja gerade umgekehrt: Ich kenne die Geschichte seit langem bis ans Ende.
Ihre innere Schlüssigkeit begann sie gerade dadurch zu verlieren, dass ich einige Elemente auf eigene Faust zu stark zu ändern versuchte, um sie in einen geplanten „schnelleren“ dramatischen Takt zu zwingen.
Plötzlich passten Vor- und Nebengeschichten der Protags nicht mehr zusammen und das Ganze brach auseinander.

Zur Zeit führe ich lange Verhandlungen mit meinen Protags und einige von ihnen beginnen schon wieder zu grinsen ...

Herzlich  Very Happy  Very Happy  Very Happy

Merlinor


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„Ich bin fromm geworden, weil ich zu Ende gedacht habe und nicht mehr weiter denken konnte.
Als Physiker sage ich Ihnen nach meinen Erforschungen des Atoms:
Es gibt keine Materie an sich, Geist ist der Urgrund der Materie.“

MAX PLANCK (1858-1947), Mailand, 1942
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Enfant Terrible
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Ein Fingerhut voller Tränen - Ein Gedichtband
Beitrag26.10.2008 19:08

von Enfant Terrible
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Ich bin mir sicher, du schaffst es, Rolf!
In meiner Story entwickelt der Antagonist immer stärker ein Eigenleben. Auf einmal schwebte mir eine Szene vor, die furchtbar melodramatisch seine schlechte Kindheit aufzeigt, den Grund für seine Charakterfehler. Ich hadere allerdings noch mit mir, ob ich die Szene auch ins Buch einbaue. Pro: Sie macht den Charakter dreidimensionaler, Kontra: Sie drückt vllt zu sehr auf die Tränendrüse und rückt die Nebenfigur, die der Antagonist ja eigentlich ist, in den Vordergrund...  Confused


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"...und ich bringe dir das Feuer
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Geschmacksverwirrte über meine Schreibe:
"Schreib nie mehr sowas. Ich bitte dich darum." © Eddie
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Orchidée de Lys
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Beitrag05.11.2008 15:53

von Orchidée de Lys
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Ganz extremer Fall: Eine Figur erwacht zum Leben. Heißt soviel wie, du triffst sie in Wirklichkeit...obwohl sie eigentlich in der Phantasie entstanden ist. (im Gegensatz zu real existierenden Personen, die als Inspiration hergehalten haben) Das wäre dann ja auch eine verrückte Art der Verselbstständigung. Ansonsten denke ich auch, dass die Eigendynamik einer Geschichte normal ist, ja sogar recht gut ist.
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Enfant Terrible
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Ein Fingerhut voller Tränen - Ein Gedichtband
Beitrag05.11.2008 15:54

von Enfant Terrible
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Orchidée de Lys hat Folgendes geschrieben:
Ganz extremer Fall: Eine Figur erwacht zum Leben. Heißt soviel wie, du triffst sie in Wirklichkeit...obwohl sie eigentlich in der Phantasie entstanden ist.

Das ist ein interessanter Gedanke. Wie genau stellst du dir das vor?


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Orchidée de Lys
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Beitrag06.11.2008 14:40

von Orchidée de Lys
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Na ganz einfach: Du triffst jemanden und der passt haargenau auf die Figur die du erschaffen hast. Entweder äußerlich, innerlich oder beides.
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Hoody
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Beitrag06.11.2008 19:48

von Hoody
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Naja das mir ein Ork oder Drache über den Weg läuft...Sich kaputt lachen

Kann aber sicher passieren.
Das sie sich ähneln, also deine erfundene Figur und die echte Person. Immerhin siehst du millionen von Menschen ihn Leben und mindestens tausend kennst du gut. Da kann sowas passieren.


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Nennt mich einfach Hubi oder J-da oder Huvi : D

Ich bin wie eine Runde Tetris. Nichts will passen.

"Ein schlechter Schriftsteller wird manchmal ein guter Kritiker, genauso wie man aus einem schlechten Wein einen guten Essig machen kann."
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"Wenn die anderen glauben, man ist am Ende, so muss man erst richtig anfangen."
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Orchidée de Lys
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Beitrag10.11.2008 14:40

von Orchidée de Lys
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Also mir laufen Orks und Drachen ständig über den Weg. Razz
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SIH
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Beiträge: 254



Beitrag04.06.2009 20:58

von SIH
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Dieses Thema ist zwar schon etwas älter, aber da meine Meinung von den anderen etwas abweicht, wollte ich sie los werden.

Zuallererst natürlich: Am Ende zählt immer die Wirkung.

Das Eigenleben von Charakteren und Handlungen ist wichtig, damit sich eine Geschichte entwickeln kann.
In der ersten Fassung können sich alle so viel entwickeln, wie sie wollen. Danach sollte damit aber Schluss sein. Als Schriftsteller ist man am Ende kein tänzelndes Wesen, das in anderen Sphären schwebt, sondern schlicht ein Handwerker, der sein Text lesetauglich machen muss. Wenn rebellierende Charaktere stören, sollte man ihnen zeigen, wer der Herr ist.
In der ersten Fassung ... kein Problem. Danach wird getötet, wer den Prozess stört.
Wer sich in der ersten Fassung nicht ausgetobt hat, soll während der zweiten Fassung lieber den Mund halten.

Beste Grüße,
Sven

P.S. Ich kann schon hören, wie alle toben werden Wink aber jemand muss ja mal eine andere Meinung vertreten.

P.P.S. Ich werde ängstlich und manchmal mitleidig angeschaut, wenn ich erzähle, dass meine Charaktere ein Eigenleben haben und dass sie mich immer wieder überraschen. Das Los, des Schriftstellers?
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Eyeronique
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Beiträge: 31



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Beitrag04.06.2009 21:33

von Eyeronique
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Gahhhh Sven, meinem Kopfkino verdanke ich schon Muskelkater in der Fresse  Laughing

Ich schreib am besten mal einen Roman über einen Autor, der Figuren nach der Rohfassung killt!

Ich stimme dir aber in dem Punkt zu. Obwohl ich immer ein bisschen mit meinen Charakteren verhandle  Wink
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Garine
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Beiträge: 169
Wohnort: NRW


Beitrag04.06.2009 21:43

von Garine
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SIH hat Folgendes geschrieben:
P.P.S. Ich werde ängstlich und manchmal mitleidig angeschaut, wenn ich erzähle, dass meine Charaktere ein Eigenleben haben und dass sie mich immer wieder überraschen. Das Los, des Schriftstellers?


Ja und Nein.  Embarassed

Ich kenne beide Seiten. Diejenigen, die viel Lesen – nicht verschlingen, sondern sich auch damit auseinandersetzen - verstehen es, denn sie entwickeln eigene Ideen. Die anderen unterteilen sich nochmals - Fantasie ist vorhanden oder nicht.

Wenn man sich mit etwas intensiv beschäftigt, dann ist die Verselbstständigung normal. Ob das nur auf einen Schriftsteller zutrifft, bezweifele ich. Anderen Künstlern wird es ähnlich ergehen.

LG Gabriele


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Angenehm ist am Gegenwärtigem die Tätigkeit,
am Künftigen die Hoffnung und am Vergangenen die Erinnerung. ( Aristoteles )
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Der kürzeste Weg zwischen zwei Menschen ist das Lächeln. (Aus China)
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Liebe ist eine explodierende Zigarre, die wir bereitwillig rauchen (Lynda Berry)
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wallenstein
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Beitrag04.06.2009 22:20

von wallenstein
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Hallo Sven,

deine Erfahrung kann ich ganz und gar nicht teilen. Leider habe ich auch all die vielen Vor-Posts nicht gelesen, ich befürchte also, dass wir die Suppe noch einmal aufkochen müssen Wink

Wie auch immer, mir passiert häufig, dass ich an eine Stelle komme, an der der Protagonist sich nicht treatment-mäßig verhalten will, meist lässt er sich nicht in die Knie zwingen, obwohl im Drehbuch steht, zum Beispiel, er solle einen Nervenzusammenbruch erleiden. Da steht der Prot also quietschfidel in der Landschaft und ist nicht dazu zu bewegen, sich auch nur ansatzweise schlecht zu fühlen. Tja ... Es geht fast einfacher, das Drehbuch umzufunktionieren, als etwa diesen Charakter an Ort und Stelle zu verbiegen.

Allerdings hat sich gezeigt, dass eben diesen Stellen in der Regel der Konflikt fehlt. Die Prots sind deswegen nicht willig, weil der zündende Funke, der sie entflammt hat, nicht gegeben war. Da bin ich jetzt schon ein paarmal drauf reingefallen: es ging nichts vor und zurück, aber sobald ein wenig Zündstoff -- von woher auch immer, die Szene erfrischt, läuft alles wieder wie am Schnürchen. Auch der Protagonist bricht vorschriftsmäßig und nervlich ein, dass ist ein wahres Wunder Laughing

Leider passiert mir wesentlich häufiger, dass meine Prot. ambivalent handeln. Sie zeigen sich zu früh versöhnlich oder verkünden zu einer schier unpassenden Stelle einen Gesinnungswandel. Hm ....

Zum Glück hat man da dann Probeleser Wink

LG, wallenstein
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SIH
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Beitrag04.06.2009 22:32

von SIH
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Hallo Wallenstein!

Vielleicht bist Du zu nett???

Also ich bin der Koyote. Wenn ich einen Stein habe, den ich auf meine Charaktere fallen lassen kann, dann tu ich das. Inzwischen reicht es nur anzudeuten, dass der Anker über der Tür fallen könnte, und schon machen alle, was ich will Wink
Ich bin fies und ich genieße das (vor allem, weil ich in der Öffentlichkeit immer der liebe, nette Schwiegersohn bin. So ein Etikett ist nur schwer ab zu knibbeln ^^)

Aber wie gesagt, die erste Fassung darf sich entfalten. Dann überprüfe ich den Plot, die Schauplätze, die Konflikte. Ordne alles und ziehe die »Lieber-Schwiegersohn-Haut« aus. Hänge sie weit weg und fange an zu schlachten.

Beste Grüße,
Sven

P.S. Wenn ich das so lese, bin ich mir nicht sicher, ob ich weiterhin Jugendliteratur schreiben sollte ...
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wallenstein
Eselsohr
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Alter: 61
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Beitrag04.06.2009 23:25

von wallenstein
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Im Geiste den Stein auf hilflose Kojoten fallen zu lassen, habe ich in einem einzigen Konflikt wegtranszendiert. Hä hä. Mag sein, dass es am Alter liegt: frau ist jetzt weder im Schwiegerelterfutteralter, noch geneigte Jugendbuchautorin, wie ich meine, aber mit Kopfkino hatte ich schon lange, lange, ewig, meine Last:

Es ist, als füttere man Tomaten an Tomaten.

Ich möchte durchaus das "Happening", den Künstler vor Ort, ich möchte nicht das Konstruierte, das Geschehen und die Situationskomik, auch im Alltag nicht. Ein Künstler "ist" in erster Linie Künstler, aber das darf so nicht sein, sagte man, in echt produziert der Künstler Kunsthum, das ist sein Job.

Schwer zu knibbeln, vor allem für den Kojoten an deiner Seite mit dem Stein in der Hand.

Sehe ich so Cool

LG, wallenstein
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Eyeronique
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Beitrag05.06.2009 00:07

von Eyeronique
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Alternativ könnte man ja auch mal ein Klavier auf die Querulanten fallen lassen. Das klingt so schön.
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Gast







Beitrag05.06.2009 09:53

von Gast
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Hallo Autoren,

Merlinors Schilderungen lassen vermuten, dass ihm der rote Faden fehlte. Wenn Handlungen sich völlig verwandeln und bestehende überlagern, fehlte das Ziel. Denken wir uns den roten Faden eines Romans als sehr lange Wäscheleine, die über viele Pfosten gespannt werden soll, dann sind der erste und letzte Pfosten die ersten, die aufgestellt werden.  
So bleibt der Eigendynamik genug Raum für Manöver, aber der Grundkurs steht unerbittlich fest -, der letzte Pfosten!

Wer diesen Kurs nicht festlegt, riskiert gleichartige Erfahrungen wie Merlinor sie eingangs geschildert hat. Ist der rote Faden „gespannt“, kann kein Charakter so umfassend ausbrechen, dass so die Geschichte durch wechselnde Handlung verwässert. Wer diese Erfahrungen macht, sollte unbedingt auf den HANDLUNGSRAHMEN zurück greifen. Er stellt letztendlich die HILFSLINIE, die all zu große Schlenker unterbindet. Und nun bitte nicht schreiben, dass verhindere die Eigendynamik. Denn das stimmt schlicht nicht.

Der Autor bestimmt dass Person A Person B killt – , dann taucht Person C auf und bringt Person A zur Strecke. Somit stellte die Tat der Person B den ersten und die Aufklärungsleistung von Person C den letzten Pfosten. Dazwischen finden sich jede Menge Hilfspfosten (Indizien und Beweise).  Und der disziplinierte Autor erlaubt Person A einen Schlenker oder eben nicht. Aber der Kurs steht fest. Person A wird nicht entkommen und die Eigendynamik bestimmt mit welchen Tricks sich Person C rum schlagen muss.

Fazit? Eine Geschichte, die GEFÜHLT an der Eigendynamik scheitert, scheitert tatsächlich an der mangelnden Erzähldisziplin des Autors.

Grüße

Bobbi
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wallenstein
Eselsohr
W

Alter: 61
Beiträge: 331
Wohnort: Duisburg


W
Beitrag05.06.2009 10:33

von wallenstein
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Hallo Bobbi,

wie schön, wieder von dir zu lesen Smile

Ja, wenn man einen Plot hat, wenn man sich die Mühe gemacht hat, kann man sich an den Pfosten, nämlich von einem zum nächsten entlang hangeln. Ich sehe keine andere Chance, auch, zum Beispiel, wenn man berufstätig ist und schreibt. Da kann man nicht jedes Mal Stunden aufbringen, um wieder "drin" zu sein, da brauche ich das Storyboard in dem ich nachlese: Kapitel sieben, aha, A hilft B, C bricht zusammen, maximal 17 Seiten.

So mache ich das.

Trotzdem kann passieren, dass A sich sträubt B zu helfen oder C partout nicht zusammenbrechen will. Ich gehe zwar mit einer klaren Vorstellung meiner Charaktere durch die Geschichte, aber die Protagonisten reifen mit jeder Szene, der ich sie ausliefere. Ein so gereifter Charakter mag vielleicht in Kapitel sieben eben nicht zusammenbrechen oder ist mit falschem Fuß aufgestanden und heute nicht hilfsbereit.

Mir hat geholfen den Plot umzustellen, vielleicht ist die dem Prot abgenötigte Hilfsbereitschaft gar nicht so essentiell -- auf den Gesamtplot gerechnet, versteht sich, und wenn C anstatt zusammenzubrechen, einfach etwas Freakiges tut, wird der Inhalt, der rote Faden dadurch nicht weggeribbelt. Man kann also ein wenig Umplotten hier und da in Kauf nehmen.

Wie auch immer, beim Schreiben hat man mitunter tatsächlich das Gefühl, die Protas wären störrisch wie alte Maulesel oder hätten das Heft fest an sich gerissen.

Zu deinen Anmerkungen möchte ich hinzufügen, dass du beim Durchstrukturieren eines Krimis einen so genannten Action-Plot generierst (in der Regel, es sei denn, dein Fachgebiet ist der Psychologische Krimi) da kommt es mehr auf die äußeren Begebenheiten an. Arbeitest du in Serie, ich meine, du kennst inzwischen deine Kommissarfigur, weißt du ohnehin, wie weit du mit ihr springen kannst.

Im Verwandlungsplot ("character-driven", ich weiß nicht, ob "Verwandlungsplot" die korrekte Übersetzung ist) wird es generell schneller passieren, dass die Figur "hängt" oder nicht mitmacht. Mir ist passiert, dass der gut durchorganisierte Handlungsrahmen (heruntergebrochen bis auf Einzelkapitel und Einzelszenen!) nicht mehr mit Leben gefüllt werden konnte, weil der Protagonist schlichtweg gestreikt hat. Genau genommen war er quietschfidel, er sollte jedoch depressiv werden und an Selbstmord denken. Aber jeder Versuch, ihn in die Knie zu zwingen, nahm sich entweder komödiantisch aus oder wirkte unglaubwürdig. Tja, das Manuskript liegt genau an der Stelle offen, ich habe es nicht weiter geschrieben.

Wahrscheinlich muss ich erst einmal eine gute Zahl Action-Plots generiert haben, damit ich zurück zum Verwandlungsplot finde. Ich weiß es nicht, ich weiß nur eines: über mangelnde Erzähldisziplin kann ich nicht klagen Smile

Schönen Tag und schöne Grüße Smile
von wallenstein
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Merlinor
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Beitrag05.06.2009 14:50

von Merlinor
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Bobbi hat Folgendes geschrieben:
... Merlinors Schilderungen lassen vermuten, dass ihm der rote Faden fehlte. Wenn Handlungen sich völlig verwandeln und bestehende überlagern, fehlte das Ziel ...


Hallo Bobbi

Andersrum wird ein Schuh draus.

Mein Problem war, dass ich die ursprüngliche Geschichte zu stark verändern wollte, um vermeintlichen dramaturgischen Anforderungen zu genügen.
Ich wollte Geschichte und Protags in einen reinen Action-Plot zwingen, weil ich mich zu stark auf eventuelle Anforderungen von Verlagsherren und Lesern fokussiert hatte.

Aber die Geschichte hat von Haus aus einen so starken roten Faden, dass sie sich in ein derartiges neues dramaturgisches Konzept nicht fügen wollte.
Die Handlung baut sich langsam auf, die Figuren sind vielschichtig und wollen in ihrer ganzen Komplexität und ihrem Wandel dargestellt werden, genau wie die gesellschaftliche Situation, in der die Handlung spielt, detailliert beschrieben werden will.

Daraus plötzlich einen nur noch schnellen, geballt spannungsreichen Plot zu basteln, ging einfach nicht.
Denn Geschichte und Protags verweigerten sich: Sie lehnten mit Vehemenz ab, sich in den neuen, von mir künstlich geschaffenen, an rein dramaturgischen Kriterien ausgerichteten roten Faden zu fügen.
Sie warfen das „Klavier“ einfach auf mich zurück ...

Aber das ist jetzt einige Monate her.
Mittlerweile haben meine Protags und ich uns auf einen Mittelweg geeinigt, der ihren wie meinen Ansprüchen genügt und sie helfen konstruktiv mit, daraus etwas Lesbares zu machen.

Gelernt habe ich daraus, dass allzu tiefe Einschnitte in einen bestehenden Plot, der eben genau seinen roten Faden hat, zumindest mir nicht möglich sind.
Die Geschichte und ihre Protagonisten haben dafür ein zu starkes Eigenleben.

Herzlich Very Happy  Very Happy  Very Happy

Merlinor


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Gast







Beitrag05.06.2009 18:07

von Gast
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Zitat:
wallenstein"]Hallo Bobbi,

wie schön, wieder von dir zu lesen Smile

Ja, wenn man einen Plot hat, wenn man sich die Mühe gemacht hat, kann man sich an den Pfosten, nämlich von einem zum nächsten entlang hangeln. Ich sehe keine andere Chance, auch, zum Beispiel, wenn man berufstätig ist und schreibt. Da kann man nicht jedes Mal Stunden aufbringen, um wieder "drin" zu sein, da brauche ich das Storyboard in dem ich nachlese: Kapitel sieben, aha, A hilft B, C bricht zusammen, maximal 17 Seiten.

So mache ich das.


Hallo Wallenstein,

hatte und habe eine Menge um die Ohren. Ich lese; wir haben so einiges gemeinsam.  Wink

Zitat:
Trotzdem kann passieren, dass A sich sträubt B zu helfen oder C partout nicht zusammenbrechen will. Ich gehe zwar mit einer klaren Vorstellung meiner Charaktere durch die Geschichte, aber die Protagonisten reifen mit jeder Szene, der ich sie ausliefere. Ein so gereifter Charakter mag vielleicht in Kapitel sieben eben nicht zusammenbrechen oder ist mit falschem Fuß aufgestanden und heute nicht hilfsbereit.



Charaktere sind wie Babys. Bevor sie aktiv werden können, müssen sie laufen uns sprechen lernen. Wenn etwas nicht gelingen will, hat "er's" nicht gelernt. Ich weiß nicht wie es dir geht oder wie du es angehst. Während ich einen Charakter kreiere stelle ich mir vor, wie er in verschiedenen Situationen reagieren würde. Und das "WIE" bestimmt niemand anders als ich. Ich, der Autor bin es, der jeden Wesenszug an ihm bestimmt. Die Anforderung entsteht aus den verliehenen Eigenschaften, seiner Funktion und dem Zweck seiner Existenz. Ist zwar so, dass auch ich die Funktion eines Charakters ändern musste, weil er am Ende anders war, als ich ihn mir vorgestellt hatte. Aber das hat ihn denn auch sehr intensiv und verarbeitungsfähig gemacht. Ich hatte mich schlicht vertan.

Zitat:
Mir hat geholfen den Plot umzustellen, vielleicht ist die dem Prot abgenötigte Hilfsbereitschaft gar nicht so essentiell -- auf den Gesamtplot gerechnet, versteht sich, und wenn C anstatt zusammenzubrechen, einfach etwas Freakiges tut, wird der Inhalt, der rote Faden dadurch nicht weggeribbelt. Man kann also ein wenig Umplotten hier und da in Kauf nehmen.


Plot umstellen, kann ich nicht nachvollziehen. Zur festen Struktur des Plots gehören die "Pfosten". Der Weg dazwischen, also die Frage, wie der Charakter die an ihm gestellte Aufgabe erfüllt, regelt die Eigendynamik.

Zitat:
Wie auch immer, beim Schreiben hat man mitunter tatsächlich das Gefühl, die Protas wären störrisch wie alte Maulesel oder hätten das Heft fest an sich gerissen.


Das könnte auch als Warnzeichen verstanden werden, dass die gewollte Szene nicht mit dem Charakter vereinbar ist. Ist ja nicht so, dass der Charakter wirklich zu dir spricht. Im Gegenteil, diese Warnsignale kommen aus deinem Inneren und sind ein unschätzbarer Rartgeber, dessen Einwände man mindestens überdenken sollte.


Zitat:
Im Verwandlungsplot ("character-driven", ich weiß nicht, ob "Verwandlungsplot" die korrekte Übersetzung ist) wird es generell schneller passieren, dass die Figur "hängt" oder nicht mitmacht. Mir ist passiert, dass der gut durchorganisierte Handlungsrahmen (heruntergebrochen bis auf Einzelkapitel und Einzelszenen!) nicht mehr mit Leben gefüllt werden konnte, weil der Protagonist schlichtweg gestreikt hat. Genau genommen war er quietschfidel, er sollte jedoch depressiv werden und an Selbstmord denken. Aber jeder Versuch, ihn in die Knie zu zwingen, nahm sich entweder komödiantisch aus oder wirkte unglaubwürdig. Tja, das Manuskript liegt genau an der Stelle offen, ich habe es nicht weiter geschrieben.


Charaktere müssen sich entwickeln, oder die Story scheitert. Aber es sind des Autors Worte, die Handlung und Entwicklung bestimmen, nicht der Willen eines Charakters. Er hat nämmlich keinen, außer den seines Schöpfers. Ist ja nicht so, dass ich mich solch einen Problem noch nie stellen musste. Es war immer dasselbe. Entweder war die Szene gestelzt oder sie passte schlicht nicht ins Gesamtkonzept. Nur muss ich meinen Charakter sehr genau kennen um zu wissen welche Umstände ihn depressiv werden lassen.

Zitat:
Wahrscheinlich muss ich erst einmal eine gute Zahl Action-Plots generiert haben, damit ich zurück zum Verwandlungsplot finde. Ich weiß es nicht, ich weiß nur eines: über mangelnde Erzähldisziplin kann ich nicht klagen


Mag sein. Aber das mit der Erzähldisziplin würde ich mal genauer überdenken. In der realen Welt weiß man's nicht so genau, aber in der virtuellen der Schriftstellerei gibt es einen Gott. Und der sagt wo's lang geht. Aber es ist nicht immer leicht ein Gott zu sein.

Grüße

Bobbi
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wallenstein
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Beitrag05.06.2009 23:45

von wallenstein
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Hallo Bobbi,

du hast natürlich, reich technisch betrachtet, in allem Recht Smile Wenn ich eine Figur kreiere, ist sie mein Geschöpf. Wenn ich eine Figur kreiere, ist sie meiner Fantasie entsprungen und folgt meinem festgelegten Willen, da können noch so viele Abweichungen passieren und sollten Abweichungen passieren, sind diese auch nur von mir inszeniert worden.

Soweit so logisch. Diese in sich geschlossene Logik funktioniert aber nur in deinem Kopf und in der Kunst so überhaupt nicht. Jdenfalls nicht in meiner. Schon während der Planungsphase, gleich zu Beginn, in der mich die Idee eines möglichen Romans quält und über viele Tage gefangen hält, muss ich mich fragen: warum ausgerechnet dieses, warum unbedingt dieses Thema, warum auch mit diesem Protagonist? Du könntest argumentieren, dass die Wahl unserer Romanhelden stark mit der Wahrnehmung des eigenen Egos verknüpft ist, aber es ist mehr. Jeder Roman spiegelt auch ein Stück Zeitgeschichte, einen gesellschaftlichen Kontext, die gegenwärtig herrschende Moral wider und vielleicht auch eine Spur von Subkultur. Das ist mehr als wir sind, das ist das, was unser Ego geprägt hat!

Auch das sollte Einlass finden.

Ich vergleiche gerne meine Kunst hier mit meinen anderen "Künsten" (die ich ebenso unprofessionell betreibe): das Saxophonspielen und das Aquarellieren. Wenn ich in mein Saxophon hineintröte, um einen Ton zu erzeugen, genügt es nicht zu wissen, wie das Instrument gebaut ist, welchen Griff ich zu greifen habe und wo die Luft hineingepustet wird. Hier bin ich als Musikerin gefragt, ich muss den Ton modellieren, denn er transportiert mein Gefühl.

Ebenso beim Aquarellieren. Gerade Bilder in Aquarelltechnik entstehen gerne zufällig: die nasse Farbe zieht in das Papier oder verläuft, verwischt sich mit den anderen Farben. Je nachdem, ob der talentierte Maler die Technik soweit im Griff hat, dass er vor unangenehmen Überraschungen gefeit ist oder ob er das Spontane, das Unvorhersehbare benötigt (das schlimmstenfalls sein Bild ruiniert, es aber auch bestenfalls ganz und gar in den Kunststand emporheben kann), wird sein Weg als Künstler vorprogrammiert sein.

In etwa geht es mir beim Schreiben genau so. Ich brauche die Technik, das Gerüst und spüre, wenn ich meine Figuren ohne sie losschicke, treiben sie gerade so weit, wie Herbstlaub auf offener Straße an einem windigen Tag im Oktober: es kommt ein ganzes Stück voran, aber dann kleben die Blätter unwillkürlich an der Bordsteinkante fest. Doch wenn ich sie festnagelte - damit sie nicht umherwirbelten, wirkt es konstruiert. In diesem Zusammenhang muss man einmal feststellen, dass ein Künstler (auch ein schriftstellender) noch nie einen Literaturpreis gewonnen hat, weil er/sie eine gute Technikerin ist Wink

Inzwischen gehe ich so weit, dass ich anfange mir Schwächen zu erlauben, ich versuche Regeln bewusst zu brechen, ich versuche herumzuexperimentieren und ich möchte gar nicht mehr von nur A nach nur B kommen, weil der Plot das halt vorsieht. Ich bin aber auch lange schon nicht nicht mehr verunsichert, wenn mein Charaktere aufmüpfig werden, dann fange ich an, gerade diese Szene in Szene zu setzen und wenn der spätere Rezensent klagt, das klinge nicht glaubwürdig, feile ich nicht lange an der Überarbeitung, ich schiebe vielmehr eher einen Dialog dazwischen: "findest du mich unglaubwürdig?" --  Ich hoffe, du weißt, was ich sagen will: ich übe mich in Durchlässigkeit. Nichts muss, alles kann und Schreiben ist eine Kunst!

Wenn ich - als weiteres Beispiel, ein Posting wie dieses beginne, weiß ich vorher nicht, was ich am Ende geschrieben habe. ich verbiete mir worthülsiges Gelaber, na klar, aber planen was zu sagen ist, kann ich vorher nicht. Auch das ist Kunst.

Männer sind die besseren Strukturierer, Durchplotter, Techniker, ich weiß. Frauen folgen eher einer Intuition, vielleicht verbiegen sie ihre Charaktere nicht gerne zugunsten des Plots, vielleicht überdenken sie lieber einmal mehr den Plot -- wer weiß, ich als Frau würde es jedenfalls so tun.

Mir haben alle figürlich-verselbständigten Schlenker fernab des Exposés und dem Diktat der Kapitelunterteilung gut getan, ich bin nämlich ein ausgesprochener Fan des nicht-linearen Schreibens. Technik brauche ich für den Gesamtüberblick, den Gesamtüberblick brauche ich deshalb, wiel ich im real life meine Brötchen nicht mit Schreiben verdiene und zudem zu jedem Zeitpunkt  schnell  wieder hineinfinden will, in meine Texte.

Die nicht-plott-abhängige Obergrenze liegt bei mir bei etwa 40 Seiten, alles was drunter liegt, schreibe ich frei vom Fleck, aber alles was mehr wird, muss ich -- zumindest gedanklich, in Einzelszenen oder besser noch in drei Akte, herunterbrechen. Mein Fernziel ist natürlich, diese technische Krücke "Plot" irgendwann einmal ganz wegwerfen zu können.

Es klingt nämlich (das muss ich sagen) einfach scheiße, wenn ein Saxophonspieler beim Improvisieren auf der Bühne, mitten in einem bluesigen Stück auf einmal sein Notenblatt hervorzaubern und schauen müsste, was geht: hier mehr Gefühl, dort in zehn Minuten mehr Action -- Hä? Shocked

Tja, einmal Musiker immer Musiker, einmal Schriftsteller, immer Schriftsteller -- dies aber besser ohne Plot in den Adern Wink

Schöne Grüße, und .... eh ja, Bobbi, ich würde gerne auch einmal seeehr gerne etwas von dir lesen Cool

LG, wallenstein
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Zitkalasa
Reißwolf
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Beiträge: 1088



Z
Beitrag06.06.2009 00:20

von Zitkalasa
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Zitat:
Es klingt nämlich (das muss ich sagen) einfach scheiße, wenn ein Saxophonspieler beim Improvisieren auf der Bühne, mitten in einem bluesigen Stück auf einmal sein Notenblatt hervorzaubern müsste und schauen müsste, was geht: hier mehr Gefühl, dort in zehn Minuten ein bisschen mehr Action. Hä? :shocked:


Und da hinkt's. Warum? Weil es ein Unterschied ist, ob ich als Saxophonspieler improvisiere oder ein selbskomponiertes Stück vortrage - genauso ist es ein Unterschied, ob ich eine Geschichte improvisiere oder selber plane. Beides zusammen geht nicht, wenn man professionell sein und wirken will. Entweder improvisieren oder komponieren.

Für ein kurzes Zwischenspiel kann man improvisieren (oder wenn man Hendrix heißt auch für recht lange) - das sind idR. aber keine konstanten Melodien, auch wenn die "Signatur" des Spielers durchschlägt. Ein weiteres Problem ist auch, dass solche Improvisationen selten harmonisch sind. Sie sind roh, ungeschliffen, vll. echter als echt - aber sie glänzen wie blindes Glas. Um das zu beheben, hilft nur Calgonit. Man feilt also nach - wenn man will. Wem ungeschliffener Charme mehr zusagt, der kann's ja so lassen. ABER er sollte es nie und nimmer auf die gleiche Ebene stellen wie geschliffenes Glas, weil die verschiedenen "Produktionswege" aus verschiedenen, wie soll ich sagen, Zielsetzungen heraus entstehen.

Bei Improvisitionen steht eben das JETZT im Vordergrund, der einzelne Moment, die aktuellen Gefühle. Sowas macht man nicht für die Ewigkeit.
Eine Komposition ist es jedoch - sie soll konstant sein, durch Zeiten und durch Hände, die sie spielen. Darum schreibt man es ja auch auf, das Musikstück, damit alle immer dieselben Vorgaben haben.


_________________
"Heutigentags sagen und schreiben viele Gelehrte mehr als sie wissen. In den alten Zeiten wussten einige mehr als sie schrieben." Matthias Claudius
"Hieve-ho, thieves and beggars, never shall we die" PotC - aWE
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Gast







Beitrag06.06.2009 09:44

von Gast
Antworten mit Zitat

Zitat:
du hast natürlich, reich technisch betrachtet, in allem Recht  Wenn ich eine Figur kreiere, ist sie mein Geschöpf. Wenn ich eine Figur kreiere, ist sie meiner Fantasie entsprungen und folgt meinem festgelegten Willen, da können noch so viele Abweichungen passieren und sollten Abweichungen passieren, sind diese auch nur von mir inszeniert worden. Soweit so logisch. Diese in sich geschlossene Logik funktioniert aber nur in deinem Kopf und in der Kunst so überhaupt nicht. Jdenfalls nicht in meiner. Schon während der Planungsphase, gleich zu Beginn, in der mich die Idee eines möglichen Romans quält und über viele Tage gefangen hält, muss ich mich fragen: warum ausgerechnet dieses, warum unbedingt dieses Thema, warum auch mit diesem Protagonist? Du könntest argumentieren, dass die Wahl unserer Romanhelden stark mit der Wahrnehmung des eigenen Egos verknüpft ist, aber es ist mehr. Jeder Roman spiegelt auch ein Stück Zeitgeschichte, einen gesellschaftlichen Kontext, die gegenwärtig herrschende Moral wider und vielleicht auch eine Spur von Subkultur. Das ist mehr als wir sind, das ist das, was unser Ego geprägt hat!


Hallo Wallenstein,
Parallelen zur Kunst finden sich in der Schriftstellerei m.E. nur in der Kreativität und in der Einkommensart. Entsteht zuerst der Plot dann der Charakter, vermindert sich die Reibung. Meine Vorarbeiten berücksichtigen keine gesellschaftlichen Zwänge, weil mein Ziel möglicherweise von denen vieler anderer abweicht. Ich möchte die Leser nicht in einen anderen all zu realen Alltag führen, sondern aus ihren hinaus. Wie häufig es gelingt ist eine andere Frage.


Zitat:
Ich vergleiche gerne meine Kunst hier mit meinen anderen "Künsten" (die ich ebenso unprofessionell betreibe): das Saxophonspielen und das Aquarellieren. Wenn ich in mein Saxophon hineintröte, um einen Ton zu erzeugen, genügt es nicht zu wissen, wie das Instrument gebaut ist, welchen Griff ich zu greifen habe und wo die Luft hineingepustet wird. Hier bin ich als Musikerin gefragt, ich muss den Ton modellieren, denn er transportiert mein Gefühl.


Stimmt, aber es genügt die ersten sieben Buchstaben des Alphabets zu kennen, um es zu lernen.


Zitat:
In diesem Zusammenhang muss man einmal feststellen, dass ein Künstler (auch ein schriftstellender) noch nie einen Literaturpreis gewonnen hat, weil er/sie eine gute Technikerin ist  


Das ist keine Feststellung, sondern eine Behauptung, die ich mit einer Gegenbehauptung konfrontieren möchte. Der Standard- Schriftsteller kann nur mit einer guten Arbeitstechnik dauerhaft bestehen. Stichwort Regelzeiten. Auch ich kenne einige, die losschreiben, sobald sie eine ungefähre Vorstellung vom Plot haben, und bei vielen funktioniert das auch. Nur haben diese Geschichten zumindest ein Thema, sind also einem Genre zuzuordnen. Nehmen wir Beziehungsdramen als Beispiel: Da sind sie Möglichkeiten begrenzt. Er bekommt sie, oder nicht, er bekommt sie zur Hälfte oder nicht, er stirbt oder nicht. Gleiches auch gegengeschlechtlich. Damit ist das Repartier dann schon erschöpft.  


Zitat:
Inzwischen gehe ich so weit, dass ich anfange mir Schwächen zu erlauben, ich versuche Regeln bewusst zu brechen, ich versuche herumzuexperimentieren und ich möchte gar nicht mehr von nur A nach nur B kommen, weil der Plot das halt vorsieht. Ich bin aber auch lange schon nicht nicht mehr verunsichert, wenn mein Charaktere aufmüpfig werden, dann fange ich an, gerade diese Szene in Szene zu setzen und wenn der spätere Rezensent klagt, das klinge nicht glaubwürdig, feile ich nicht lange an der Überarbeitung, ich schiebe vielmehr eher einen Dialog dazwischen: "findest du mich unglaubwürdig?" -- Ich hoffe, du weißt, was ich sagen will: ich übe mich in Durchlässigkeit. Nichts muss, alles kann und Schreiben ist eine Kunst!


Der Plot sieht nur Dinge vor, die der Autor geplant hat. Und er sollte sich dabei was gedacht haben. Es bleibt nicht aus, dass spontane Ideen eingebaut werden. Aber sie sind nicht selten der Grund dafür, dass eine Geschichte kein Ende findet, oder zusammen fällt wie ein schlaffer Ballon. Zudem führen sie zum Ausbrennen des Autors. Wird eine Geschichte nicht in angemessener Zeit beendet, wird sie es nie. Ein Maler, der sich vor nimmt ein Stillleben zu malen wird am Ende keine Kuh auf dem Bild haben. Weichst du vom Grundplot ab, ist das eher ein Hinweis, dass du los geschrieben hast, bevor er dich in Handlung und Stärke überzeugte. Stichwort Arbeitsdisziplin. Es hat seinen Grund, dass das Schreiben selbst von der durchschnittlichen Gesamtprojektzeit den geringsten Anteil hat.

Zitat:
Wenn ich - als weiteres Beispiel, ein Posting wie dieses beginne, weiß ich vorher nicht, was ich am Ende geschrieben habe. ich verbiete mir worthülsiges Gelaber, na klar, aber planen was zu sagen ist, kann ich vorher nicht. Auch das ist Kunst.


Du weißt zu Anfangs nicht was du schreiben willst?  Shocked

Zitat:
Männer sind die besseren Strukturierer, Durchplotter, Techniker, ich weiß. Frauen folgen eher einer Intuition, vielleicht verbiegen sie ihre Charaktere nicht gerne zugunsten des Plots, vielleicht überdenken sie lieber einmal mehr den Plot -- wer weiß, ich als Frau würde es jedenfalls so tun.


Das glaube ich nicht. Es gibt genug Autorinnen mit begnadet gut strukturierter Arbeitsweise. Diese ist m.E. ein unerlässlicher Teil des „Erfolgs“ in dem Sinne, ein Stück auch lesenswert zu beenden.

Zitat:
Mir haben alle figürlich-verselbständigten Schlenker fernab des Exposés und dem Diktat der Kapitelunterteilung gut getan, ich bin nämlich ein ausgesprochener Fan des nicht-linearen Schreibens. Technik brauche ich für den Gesamtüberblick, den Gesamtüberblick brauche ich deshalb, wiel ich im real life meine Brötchen nicht mit Schreiben verdiene und zudem zu jedem Zeitpunkt schnell wieder hineinfinden will, in meine Texte.


Das ist ein Widerspruch. Weiß ich – Beispiel Handlungsrahmen – von vorn herein, welcher Handlungsabschnitt im Kapitel 13 bearbeitet wird, finde ich sehr viel schneller wieder rein, als wenn ich ein Kapitel geschrieben habe, dessen Inhalt vor dem ersten Wort noch völlig unbekannt war.

Zitat:
Die nicht-plott-abhängige Obergrenze liegt bei mir bei etwa 40 Seiten, alles was drunter liegt, schreibe ich frei vom Fleck, aber alles was mehr wird, muss ich -- zumindest gedanklich, in Einzelszenen oder besser noch in drei Akte, herunterbrechen. Mein Fernziel ist natürlich, diese technische Krücke "Plot" irgendwann einmal ganz wegwerfen zu können.
Eine Geschichte zu planen wird dir nie wirklich erspart bleiben. Mag sein, dass es zurück gefahren werden kann, wenn du Seriencharaktere verwendest. Die finden ihren Weg schon. Aber bei jeder neuen Geschichte beginnt das Spiel von vorn. Ideen sind flüchtig. Sie zu suchen, während man an der Tastatur sitzt, hat sich i.d.R. eher als Frustverstärker erwiesen.
Es klingt nämlich (das muss ich sagen) einfach scheiße, wenn ein Saxophonspieler beim Improvisieren auf der Bühne, mitten in einem bluesigen Stück auf einmal sein Notenblatt hervorzaubern und schauen müsste, was geht: hier mehr Gefühl, dort in zehn Minuten mehr Action -- Hä?  
Tja, einmal Musiker immer Musiker, einmal Schriftsteller, immer Schriftsteller -- dies aber besser ohne Plot in den Adern  


Auch das ist widersprüchlich zum Grundstatement. Ein Musiker improvisiert während einer Aufführung nicht, wenn es keinen triftigen Grund dazu gibt. Er spielt nach Noten, also sorgfältig geplant und ohne jede Abweichung. Diese würde der Dirigent weder dulden noch honorieren.

Zitat:
Schöne Grüße, und .... eh ja, Bobbi, ich würde gerne auch einmal seeehr gerne etwas von dir lesen  


Vielleicht hast du das schon. Wenn nicht, wird sich dass sicher finden. Als Schlusstenor bleibt aus meiner Richtung: Ohne Arbeits- und Erzähldisziplin wirds nichts.
 
Grüße

Bobbi
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