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Enfant Terrible
Geschlecht:weiblichalte Motzbirne

Alter: 30
Beiträge: 7278
Wohnort: München


Ein Fingerhut voller Tränen - Ein Gedichtband
Beitrag05.09.2008 22:39
In solchen Nächten
von Enfant Terrible
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

In solchen Nächten
häutet sich die Welt,
und Schuppen bedecken
die knorrigen Schulter
der Fremdweltbäume -
wie in meinem Traum,
als verbrannte Papierstücke
vom Himmel regneten.

In solchen Nächten
schweigen all jene,
die an den Fenstern wachen.
Sie fürchten sich,
der Mond könnte sich verfangen
in der Spiegelung
auf ihren Zähnen.


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um die Dunkelheit zu sehen"
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EdgarAllanPoe
Geschlecht:männlichPoepulistischer Plattfüßler

Alter: 32
Beiträge: 2356
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Bronzene Harfe Die Goldene Bushaltestelle
Goldene Feder Lyrik


Die Tauben
Beitrag30.05.2009 17:19

von EdgarAllanPoe
Antworten mit Zitat

Hallo Krümel!

Ich nehme mir mal die Freiheit, ziehe dieses Gedicht aus der Grube der unbeantworteten Texte hervor und interpretiere es ein bisschen. Das muss ich nämlich vor der Klassenarbeit übernächste Woche nochmal ein bisschen trainieren. Ich bin irgendwie ein Perfektionist.
Also, legen wir los:

Zitat:
In solchen Nächten


"Solche" impliziert für mich ganz besondere Nächte. Nächte, in denen man trauert, sich freut, mit Freunden zusammen ist etc. Wenn ich nach dem doch sehr düsteren Grundtenor dieses Textes gehe, dann nehme ich aber ersteres an.
Zitat:

und Schuppen bedecken
die knorrigen Schulter
der Fremdweltbäume


Zitat:
häutet sich die Welt,


Die "Haut" der Welt symbolisiert das Äußere des Lebens, das Normale, mit dem man täglich konfrontiert wird. Wenn diese "Haut" sich allerdings "zurückschält", tritt eine völlig neue Schicht zu Tage. Das Normale hat sich entfernt. Man muss plötzlich mit ganz neuen Dingen fertig werden.

Zitat:
und Schuppen bedecken
die knorrigen Schulter
der Fremdweltbäume -


Die "Schuppen" dieser nunmehr zerstörten "Haut" legen sich auf den "knorrigen", also den alten "Schultern der Fremdbäume" nieder. Das heißt, die Trauer zieht ein in jeden Bereich des Lebens, den das Lyrische Wir kennt. Die Bäume erscheinen, als entstammten sie einer fremden Welt. Das LW sieht seine Umgebung mit ganz anderen Augen. Seine Trauer reflektiert in jeden anderen Lebensbereich über und macht es unfähig, die Dinge mit eigenen Augen zu betrachten.
Das "knorrig" bezöge sich dann, wie schon erwähnt, auf das Alter der Bäume, also der Umgebung. Hier wird deutlich, dass jeder Mensch einmal in dieses Stadium kommt und beim Aufkommen der Trauer die Welt mit solchen Augen gesehen hat.

Zitat:
wie in meinem Traum,
als verbrannte Papierstücke
vom Himmel regneten.


Die Trauer geht nicht nur in den Bereich des aktiven Lebens, sondern auch in das Träumen über. (Ist ja klar. Laughing ) "Verbrannte Papierstücke" sind nicht mehr intakt, sie lösen sich unter dem Züngeln der Flamme auf. Ihre Intaktheit symbolisiert somit das normale Leben, das das LI vor dem Eintreten der Trauer hatte. Auch ein Teil des Himmels ist verschwunden - die "Papierstücke" waren ja ein Teil von ihm. Damit ist auch er nicht mehr intakt.

Zitat:
In solchen Nächten
schweigen all jene,
die an den Fenstern wachen.


Beim Aufkommen von (plötzlicher) Trauer - der (symbolischen) Nacht sitzt man erst einmal eine Weile lang da und kann sich nicht rühren, geschweige denn reden. Man starrt in die Ferne - aus den Fenstern - und "bewacht" seinen Platz, den Platz des Menschen, der "von uns gegangen" ist - als könnte man ihn dadurch wieder zu sich holen.

Zitat:
Sie fürchten sich,
der Mond könnte sich verfangen
in der Spiegelung
auf ihren Zähnen.


Die Menschen klammern sich verzweifelt an ihre Träume, an die Erinnerungen, die sie an den geliebten Menschen haben. Der "Mond", ein Symbol für die Nacht und damit des Unheils, ist aufgetaucht; er steht ferner für den Verlust des geliebten Menschen und erinnert seine Angehörigen daran, was sie verloren haben. Mag jetzt fürchterlich kitschig klingen, ich interpretiere es aber so: Die Sonne - also der Angehörige - ist verstorben, also untergegangen, und der Mond läutet nun die Ära der Trauer ein.
"In der Spiegelung auf ihren Zähnen": Dieses winzige Abbild der Erinnerung auf einem kleinen Teil des Körpers ruft in mir den Eindruck hervor, als dass die Erinnerung an den lebenden Menschen langsam schwindet. Damit hat der Mond - die Trauer - gewonnen: Er rückt die Menschen hinein in die Zeit der Verlustbewältigung, aber irgendwann kommt wieder die Sonne und scheint für diese Menschen. Dann ist das Verlorene zwar nicht wiedergekommen, der Verlust ist allerdings etwas besser zu ertragen.

So, ich hoffe, ich habe keinen Mist interpretiert - wenn du Fragen hast, einfach melden.

Liebe Grüße,

Eddie


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(...) Das Gedicht will zu einem Andern, es braucht dieses Andere, es braucht ein Gegenüber. Paul Celan

Life is what happens while you are busy making other plans.
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Enfant Terrible
Geschlecht:weiblichalte Motzbirne

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Beiträge: 7278
Wohnort: München


Ein Fingerhut voller Tränen - Ein Gedichtband
Beitrag30.05.2009 19:01

von Enfant Terrible
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Sag amal, welche Note willst du denn auf die Interpretation kriegen? Oder besser gesagt: Eine Eins mit wievielen Sternen?
Waaaaahsinn, ich staune immer wieder, wie du abstrahieren kannst, und schätze deine Intepretationen von daher ungemein. Eben weil du bei ein paar verrückten Metaphern nicht gleich das "versteh ich nich"-Handtuch schmeißt, sondern dich ernsthaft damit auseinandersetzt ... und was will man als Lyriker mehr? love
Deine Intepretation ist völlig richtig, sie legt all die kleinen Verwicklungen und symbolischen Zusammenhänge dar, die ich nicht einmal beim Schreiben so explizit bedacht habe. Weißt du, ich schreibe ja eher aus dem Bauch heraus - du gibst dem Ganzen mit deiner sinnvollen Auslegung eine logische Ebene.
Nur das mit den Zähnen, obwohl eine sehr schöne Erschließung, deckt sich nicht ganz mit meiner eigenen Intention ...


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Jocelyn
Bernsteinzimmer

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Beitrag30.05.2009 20:44

von Jocelyn
Antworten mit Zitat

Zitat:
Zitat:
In solchen Nächten
schweigen all jene,
die an den Fenstern wachen.


Beim Aufkommen von (plötzlicher) Trauer - der (symbolischen) Nacht sitzt man erst einmal eine Weile lang da und kann sich nicht rühren, geschweige denn reden. Man starrt in die Ferne - aus den Fenstern - und "bewacht" seinen Platz, den Platz des Menschen, der "von uns gegangen" ist - als könnte man ihn dadurch wieder zu sich holen.


Hallo Krümel, hallo Eddie,

ich habe heute nachmittag das mal auf mich einwirken lassen, seeeehr tiefgründig, dieses Gedicht, und finde es interpretatorisch etwas anders schlüssiger:

Wachen nicht im Sinne von Bewachen, sondern im Sinne von Wachsein.

Denn: Der Mensch, die Seele, ist durch die Häutung (neue Erfahrung) aufgewacht. Und kann erst mal nicht mehr Ruhe finden.

Und sie (Seele) schweigt aus Erschütterung und auf Grund der Tatsache, dass sie nun von der fremd gewordenen Vergangenheit, die aber noch neben ihrer eigenen neuen Wirklichkeit existiert, nicht mehr verstanden wird. Das macht einsam.

Und Angst. Angst davor, dass der Mond sich in den Spiegelungen der Zähne verfängt. Das sie es nicht mehr loswerden wird. Diese Wirklichkeit, unabänderlich.

Das mit den Zähnen musst du, Krümel, mal erklären. Die passen da für mein Empfinden nicht gut rein.

Oder wachen diejenigen mit offenem Mund?  Shocked

Summa summarum: schwer zu verstehen bleibt's. Sorry

Lieben Gruß, Caecilia


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If you dig it, do it. If you really dig it, do it twice.
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Die beständigen Dinge vergeuden sich nicht, sie brauchen nichts als eine einzige, ewig gleiche Beziehung zur Welt.
(Aus: Atemschaukel von Herta Müller, Carl Hanser Verlag, München 2009, Seite 198)

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(Voltaire)
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EdgarAllanPoe
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Die Tauben
Beitrag31.05.2009 11:08

von EdgarAllanPoe
Antworten mit Zitat

Terrorkrümel hat Folgendes geschrieben:
Sag amal, welche Note willst du denn auf die Interpretation kriegen? Oder besser gesagt: Eine Eins mit wievielen Sternen?
Waaaaahsinn, ich staune immer wieder, wie du abstrahieren kannst, und schätze deine Intepretationen von daher ungemein. Eben weil du bei ein paar verrückten Metaphern nicht gleich das "versteh ich nich"-Handtuch schmeißt, sondern dich ernsthaft damit auseinandersetzt ... und was will man als Lyriker mehr? love
Deine Intepretation ist völlig richtig, sie legt all die kleinen Verwicklungen und symbolischen Zusammenhänge dar, die ich nicht einmal beim Schreiben so explizit bedacht habe. Weißt du, ich schreibe ja eher aus dem Bauch heraus - du gibst dem Ganzen mit deiner sinnvollen Auslegung eine logische Ebene.
Nur das mit den Zähnen, obwohl eine sehr schöne Erschließung, deckt sich nicht ganz mit meiner eigenen Intention ...


Danke für deine Rückmeldung!  smile
Ich glaube, dass ich mich mit den Metaphern so beschäftige, rührt entweder vom Forum oder meiner Deutschlehrerin her... Die drillt uns nämlich oftmals in diesen Dingen, und ich stelle mir immer vor, was sie zu dieser Interpretation sagen würde.
Aber was meintest du den ursprünglich mit den "Zähnen"? Das würde mich interessieren.

Eddie


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konkret
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K
Beitrag31.05.2009 11:37

von konkret
Antworten mit Zitat

Hallo Terrorkrümel,

Seziert wurde ja schon genug, so lasse ich es mal in Gesamtheit wirken.

Es wird einem Anspruch auf Ernsthaftigkeit gerecht, lässt  Raum und Luft zum atmen, zum verführen, denken.
Es will nicht, es kann.

grußma
wiesel


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Enfant Terrible
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Ein Fingerhut voller Tränen - Ein Gedichtband
Beitrag31.05.2009 19:28

von Enfant Terrible
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Danke euch nochmal, Cäcilia, Eddie und konkret.
Die Zähne, ja ... Dabei hatte ich wieder diesen Grundgedanken im Hinterkopf, dass sich in der Nacht Verborgenes offenbart. In dem Fall Zähne von Raubtieren. Das heißt, die Menschen, die am Fenster stehen, sind sich ihrer "monströsen" Seite bewusst und schämen sich deswegen ... sie haben Angst, dass der Mond diese Züge erblickt ...
Zu weit hergeholtß


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