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Wo bitte geht's denn hier nach Zuhause?

 
 
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Tiefgang
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Und ständig fließt Musik aus meiner Stromgitarre
Beitrag06.09.2008 01:47
Wo bitte geht's denn hier nach Zuhause?
von Tiefgang
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Wo bitte geht’s denn hier nach Zuhause?


"Das musst du doch verstehen;
So eine Chance kommt nie wieder."
Du gehst tränenreich in eine höhere Liga.

(Kettcar – 48 Stunden)

Mit Tränen ins Jahr 07, nicht der Trauer, nicht der Freude, sondern der Gefühlsüberflutungen, einem Gemisch aus zuviel von Allem und zuwenig von Nichts; zuviel Liebe, zuwenig Reflektion, zuviel Geborgenheit, zuwenig Nähe, zuviel Alkohol, zuwenig Schlaf und vor allem zuviel Rauch und zuwenig Gesundheit dafür. Es fühlte sich an wie eine Mixtur aus Adrenalin-, Koffein- und Zuckerschub, und ich erkannte eine merkwürdige Parallele zur Börsenwelt.

Ich war mein eigener Börsenbrief, der seinen eigenen Kurs nach oben puschte, auf ein überzogenes Niveau und ich wusste, dass die nötige Konsolidierung schon kurz bevorstand . Alle Kurzzeitindikatoren zeigten klare Tendenz gen Süden. Jetzt war es also an mir, den Langfristtrend verteidigen und den Aufwärtstrend bestätigen zu können, also eine Abgleichung auf hohem Niveau ohne Rückfall auf das Ursprungsniveau. Es musste eine kerzenähnliche Formation - einem Stern ähnlich, der raketenhaft aufsteigt, verglüht und in Resten wieder zu Boden klatscht – verhindert werden.

All das, wusste ich, musste vermieden werden. Es war ja nicht das erste mal und so wurde ich an einen wichtigen Satz eines wichtigen Menschen erinnert: Ich will nur eines nicht. Ich will nur nicht vergessen. und diesmal vergaß ich nicht, diesen Satz nicht und ebenso nicht seine Bedeutung. Zu oft schon hat mich die Natürlichkeit der Vergesslichkeit wieder bei Null beginnen lassen, nur augenblicklich war es anders; ich war anders, vieles hatte sich geändert und ich hatte nicht vergessen.

Und wir werden nicht verbrennen in den Fehlern die wir kennen.
(Olli Schulz - Weil die Zeit sich so beeilt)

Ich saß neben dem Fenster, leere Blicke in die Luft und stechende ins Herz hinein fragend und bekam den Satz von Olli Schulz nicht mehr aus dem Hinterkopf: Das Schlimmste ist gar nicht, wenn Liebe auseinander geht. Das Schlimmste im Leben ist, wenn Liebe auseinander geht und man liebt sich noch. Das Jahr 2006 war ereignisreich für mich, ähnlich 2003 und somit ein besonderes.

Der Norden rief nach mir und der Druck des Augenwassers erhöhte, der Magen verkrampfte und der Kopf zerbärste sich nach der richtigen Entscheidung, der Suche nach dem angebrachten Gefühl, welches wieder Ordnung in diesen Dusel bringen sollte, doch, das gelang mir nicht.

Mach immer was dein Herz dir sagt,
und begrab es an der Biegung des Flusses.

(Kettcar – 48 Stunden)

Ich hatte vieles zurückgelassen und bei meinem Besuch auch einiges davon, was ich schon als begraben und verrottet geglaubt hatte, wieder hervorgebuddelt. Meine Gedanken bewegten sich kreisdrehend um Zukünftiges und der Alkohol tat den Rest, dass im Zentrum dieses Kreisels die Emotionen der jeweiligen Zukunftsalternative verfestigt waren. Es glich einem Rauschen durch die Gefühlswelt, indem ich mich immer der gleiche Frage gegenübergestellt sah: Wie lange bleibst du noch in Hamburg?
und jedes mal zur selben Antwort kam: Wenn ich das bloß selbst wissen würde ... .

Fahr mich einfach nach Hause,
frag nicht nach Morgen.

(Clickclickdecker - Wer hat mir auf die Schuhe gekotzt)

Ich dachte über Gespräche nach, was mir gesagt wurde und wie ich mich fühlen würde und was passiert, wenn ich nicht mehr zurückkommen sollte.

Und du sagst: „Wenn du gehst, geht auch ein Teil von mir, das weißt du..
(Tele – Wenn du gehst)

Krieg dich wieder ein, Mädchen, dachte ich, alles halb so wild. Wirkt sowieso immer übler, wenn man angeschlagen ist, nicht ganz fit ist und erinnerte mich an ältere Textpassagen aus dem Moleskine. Ich blätterte durch und fand folgenden Ausschnitt:

Wenn Frauen sich trennen, dann gehen sie zum Friseur, Männer in die Muckibudi und ich, ich machte beides. Zu jener Zeit ging ich oft ins Fitnessstudio, gleich um die Ecke. Den Weg dort hin lief ich zumeist, erst spät abends und kam mir jedes mal ein wenig apart vor, ein witziges Gefühl, leicht hedonistisch und ein Hauch von Rocky. Ich konnte Berge versetzen, fühlte mich bereit für den großen Kampf und sah mich hüpfend und jubelnd ganz oben auf den Stiegen die Hände in die Luft reißen.

Zwischen den einzelnen Übungen schnappte ich mir zumeist eine dort rumliegende Zeitschrift – bewusst griff ich zum größten Müll, den es dort gab. Sie hatten die übliche Warteraumlektüre. Von Brigitte, Auto Bild, Gala über Bild, Spiegel, alles vertreten. Ja, und ich nahm mir die Maxi zur Hand, eines der schlimmsten Blätter. So eines, wo die Zensur wieder Sinn bekommen würde. Man fragte sich ja immer wer so etwas liest. Diesmal tat ich es. Aber die berechtigte Frage blieb: Wer war wirklich dazu bereit für diesen gedruckten Schrott Geld auszugeben?

Ich blätterte rein und blieb an der Titelstory: „Warum hast du eigentlich wirklich mit mir Schluss gemacht?“ hängen und las das größte Zugemülle seit langem. Die 4 Phasen einer Trennung, von Psychologen analysiert, unter dem schalen Titel „Hölle und wieder zurück“ und ich musste schmunzeln, analysierte es aufmerksam, runzelte die Stirn, schüttelte den Kopf, zog den linken Mundwinkel zur Seite und stieß ein überlegenes Schniefen aus. Bei der Analyse des Textes überkam mich ein sonderbarer Gedanke, ein eigenartiges Gefühl. Ich fühlte mich wie jemand, der schneller ging als er laufen konnte, höher hüpfte als er springen konnte und lauter sprach als er schreien konnte, alles durchlief, alles allerdings im Zeitraffer. Ein weiteres Grinsen entlockte mir der kolportierte Klassiker „das verdammte 7. Jahr“. Auch das kannte ich, nur ein wenig anders halt. Ich war mit allem im Reinen, die Weste weiß, am Start stehend und bereit für einen neuen Abschnitt. Erhebend. Ich drehte mich um, ging zur Langbank und packte aus Übermut 10 kg mehr auf die Eisenstange, breitete mich darunter aus und merkte sofort, dass ich daran kläglich scheitern würde.


Ich musste lachen und konnte mich noch genau daran erinnern. Ich beruhigte mich stückweise und fühlte mich einem Monolithen ähnlich, wieder aus einem Guss, zusammengefügt und als Einheit. Ich hatte nicht vergessen und wusste, dass Trennung nur physischer Natur, nie aber seelischer war.

Es ist ein gutes Gefühl
zu sagen wir kennen uns noch in 10 Jahren.

(Tomte – Was den Himmel erhellt)

Ich war gerührt und stolz; gerührt so wunderbare Freundschaften und Bänder pflegen zu dürfen und stolz auf das Glück, diese überhaupt zu haben.

Was war und ist,
kommt und bleibt.
Es tut uns nicht leid.
So sieht’s aus,
unter’m Strich.

(Kettcar - 48 Stunden)

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So sieht´s aus, unter´m Strich!

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Nina
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Beitrag06.09.2008 09:55

von Nina
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Hallo Tiefgang,

erstes kurzes Feedback: Ich liebe Kettcar! (und noch mehr als sie noch ...but alive hießen).

Die Idee mit den Zitaten finde ich gut. Mich hast Du als Leserin allerdings an der Börsenstelle verloren, aber ich habe einen Einstieg beim roten Teil wieder gefunden. Sprachlich ist alles sauber, der Einstieg ist mir zu distanziert und bei Börse schalte ich auch im Fernsehen immer ab. Andere empfinden das sicherlich anders, dies nur mal als erste (subjektive) Rückmeldung zu Deinem Text.

Alles Gute für Dich.

LG
Nina

Edit: Habe gerade erst gesehen, dass der Text unter "Biographisches" steht. Ich hoffe, dass es trotzdem okay ist, ihn zu analysieren.


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Tiefgang
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Und ständig fließt Musik aus meiner Stromgitarre
Beitrag06.09.2008 13:41

von Tiefgang
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Hey Nina,

danke für dein Feedback! Das Börsenthema war eines, das mich damals einfach auch persönlich ziemlich beschäftigte, daher wohl die Parabel. Dass diese für viele wie eine Schlaftablette wirkt, kann ich durchaus gut verstehen  Wink

Es ist nicht nur völlig ok, sondern natürlich erwünscht, den Text zu analysieren (sonst hätt ich ihn ja gar nicht hierein gepackt), also danke hierfür!

Die Distanz entsteht ev. dadurch, dass dieser Text zwar in sich abgeschlossen ist, aber mit folgenden Worten damals eingeleitet wurd:

Musik beeinflusste mich in nahe zu allen Lebenslagen, machte so manches intensiver, half mir zu verstehen und auch zu verarbeiten, in vielerlei Hinsicht. Sei es geteiltes Leid, das man bei der Reflektion fremder Songtexte erfährt und daran erinnert wird, dass die eigene Geschichte kein Einzelfall ist, oder sei es der eigens verfasste, von der Hirnrinde losgeschriebene Text, der einem bei der Auf- und Verarbeitung von Erfahrungen hilft, oder sei es schlicht die Entspannung, die durch den Fall in die Musik angestoßen wird.

Diesmal allerdings war es ein Stück durchdringender und die mannigfaltigen Gedanken wurden durch vereinzelte Textbausteine wie kleine Flashbacks begleitet.

Ich gehe ohne Reue,
ich gehe ohne Furcht.
Ich werde allen davon erzählen
und alle werden verstehn

(Tomte – Was den Himmel erhellt)

Also öffne ich mein neues Moleskine und gebe das etwas unverdauliche Geschreibsel vom Flughafen preis:


Dir auch alles Gute Exclamation

Tiefgang
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Nina
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Beitrag06.09.2008 22:24

von Nina
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Hallo Tiefgang,

freue mich, dass meine Rückmeldung gut angekommen ist. Jetzt, mit dem "richtigen" Anfang der Geschichte, liest es sich tatsächlich besser.
Kettcar-Texte sind wirklich sehr inspirierend. Der Mann weiß einfach, wie es geht. Wiebusch, ...Marcus Wiebusch. Ein riesiger Songschreiber.

LG
Nina


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