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teccla Leseratte
Alter: 66 Beiträge: 160 Wohnort: Costa Blanca
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10.08.2008 15:26 Teil 42 Willi von teccla
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Wir hatten nun eine Woche nach dem Zyklon wieder Strom, waren aber noch immer offline. Täglich kamen unsere Angestellten, um zu sehen, ob wir wieder zur normalen Tagesordnung übergehen können. Doch es dauerte noch eine weitere Woche.
Da wir den zahlreichen Kunden, immer wieder sagen mussten: „Nein; noch keine Verbindung“, gaben sie wohl irgendwann auf.
Als wir dann endlich wieder Internetverbindung hatten, kamen keine Kunden. Es lief sehr, sehr langsam an. Wieder ein Monat mit zu wenig Umsatz. Doch die Fixkosten fragten nicht nach Zyklon und Naturkatastrophe, die wollten bezahlt werden.
Eines Tages war ich mit Rondro in der Bank und warte darauf, endlich den Kontoauszug (DIN A4 Format) zu bekommen, als mich ein junger Madagasse ansprach. Er hatte ein so offenes Lächeln, sehr sympathisch. Ich fragte Rondro, was er will. Sie sagte, er sucht Arbeit. Ich konnte gar nicht "Nein" sagen, bei diesem Lächeln.
Sagte ihm, er möge in den nächsten Tagen mal im Internetcafé vorbei schauen, ich überlege mir etwas, wir werden sehen.
Ich hatte vor, Ihn zu testen, und wenn er gut arbeitet und mitdenkt, sich bemüht, dann würden wir auch für ihn Arbeit finden, spätestens wenn wir das Projekt bei Allianz Francaise bekommen.
Er kam auch wirklich am nächsten Tag schüchtern und zurückhaltend ins Internetcafe und stellte sich vor. Rondro sagte mir, sie kenne die Familie. Sein Bruder war ihr Schüler. „Die Jungs sind in Ordnung und gut erzogen.“ Ich vereinbarte zunächst, dass er Aufträge bekommt und auftragsbezogen bezahlt wird und dann würden wir weiter sehen.
So hatte er, in Vorbereitung auf Allianz Francais zu recherchieren, wo in der Stadt gibt es einen Getränkegroßhandel, welche Getränke, zu welchen Preisen.
Nach zwei Tagen kam er mit den Ergebnissen. Sorgfältig handgeschrieben, Tabellen mit Lineal gezogen und seitenlange Analysen. Er gab sich viel Mühe und egal, was wir ihm auf trugen, er fuhr mit seinem Fahrrad die Stadt ab. Damit hatte er mich überzeugt.
Eines Nachmittags, als er wieder zur Berichterstattung kam, begrüßte er uns mit einem freudestrahlenden "Good Morning". Wir lachten los. Er lernte nun jeden Tag ein paar Worte englisch, später auch deutsch.
Jena-Yves ging einkaufen, fuhr Getränke kaufen; ging zur Hand, wo er konnte. Wir stellten ihn mit Festvertrag und sozialer Absicherung zum nächsten Monat ein.
Der Direktor von Allianz Francais teilte uns mit, dass das Präsidium entschieden hatte, dass wir den Mietvertrag für den Raum (Internetcafé), sowie Küche und Terrasse bekommen werden. Unser Konzept hatte sie überzeugt. Nun begann die Planung und Vorbereitung.
Mit Fred, unserem Investor vereinbarten wir; dass wir über Internet einkaufen, er die Rechnungen gleich bezahlt. Denn von Madagaskar aus, Euros zu überweisen, war etwas schwierig. Wir stellten eine Liste zusammen, was alles benötigt wurde und begannen mit der Auswahl und dem Einkauf. Sven erklärte sich bereit, die Artikel in Empfang zu nehmen und zu lagern, er habe Platz.
Freunde, die in Madagaskar weilten, holten einen LKW aus dem Zoll. Mit dieser Fracht kam auch ein Schreibtisch für mich an, sowie einige Konserven mit Spargel, Rotkraut, Fleisch usw. Der Tag war gekommen und wir luden alles ab. Der Tisch musste neu lackiert werden, so ramponiert sah er aus.
Mit den Konserven schickte Sven auch einige Salamis. Wir starteten zu einem fröhlichen Gruppenessen. Frisches Brot, Salami und Schweinefleisch im eigenen Saft. Lecker. Wie lange hatten wir auf diesen Schmaus schon verzichtet. Alle ließen es sich schmecken. Am nächsten Tag gab es Gulasch mit Rotkohl. Ein Traum. Es stimmt: Ein gutes Essen hält Leib und Seele zusammen!
Und noch besser schmeckt es, wenn du für deine Freunde kochst und sechs Leute um den Tisch sitzen und diese seltene Mahlzeit genießen.
Beim Franzosen gegenüber, in dem kleinen Hafenlokal, lernten wir Volker kennen. Ein deutscher Architekt, der sich in eine Madagassin verliebt hatte. Er verbrachte in Majunga seinen Urlaub und in wenigen Tagen musste er zurück. Wir saßen fröhlich beisammen und plauderten über Gott und die Welt. Er war so verliebt, spielte mit dem Gedanken, für immer nach Madagaskar zu kommen und seine Zelte in Deutschland abzubrechen.
Ich war sehr skeptisch. Und war gespannt, ob meine Vermutungen Bestätigung finden würden. Volker war immerhin 55 und nicht mehr taufrisch. Seine Freundin, ein junges, hübsches Ding, sah nicht älter aus als 20. Und Tatsache: am nächsten Abend erzählte er stolz, dass sie ihn bereits der Familie vorgestellt habe und gönnerhaft fügte er hinzu, dass ein Onkel von ihr sehr krank sei und eine Operation bräuchte, für die kein Geld vorhanden sei. Er habe sich natürlich, auf ihren Vorschlag hin, angeboten, diese OP zu zahlen. Ich dachte bei mir, schon wieder ein "Blinder" - klar zahlst du, Volker, du wirst immer zahlen, bis du nichts mehr hast. Aber ich sagte nichts. Er war so verliebt, blind, er hätte mir kein Wort geglaubt.
Eines Abends saß ich am Rechner, als es im Hof plötzlich laut polterte. Ich ging hinaus, um nachzusehen. Eine kleine Katze war vom Baum gefallen. Sie schaffte es nicht, wieder hinauf zu klettern. Ich wollte sie locken, doch sie versteckte sich hinter einem Blech, das beim letzten Zyklon auf dem Hof gelandet war. Dann müssen wir eben morgen bei Tageslicht mal nachsehen, dachte ich und ging wieder an den Rechner.
Als ich später noch einmal auf den Hof ging, sah ich sie auf einem der Korbsessel sitzen. So etwas Dünnes hatte ich bis dahin nur im Biologieunterricht gesehen, jedoch ohne Fell. Sie hatte Fieber, eine blutige Nase vom Schnupfen und ein dreckiges, räudiges Fell.
Als ich mich ihr näherte, bemerkte ich, dass sie zu schwach war, den Kopf zu heben. So stellte ich ihr etwas zum Fressen und ein Becher Milch auf den Sessel. Ich dachte nicht, dass sie die Nacht überleben würde.
Am nächsten Morgen waren die Behälter leer. Ich sah dieses Bild des Jammers. Schätzungsweise war sie 5-6 Monate alt. Noch sehr klein. Keine Stimme zum Miauen. Es war ein Kater. Ich taufte ihn "Willi". Sein jämmerliches Fauchen hätte nicht mal eine Maus erschrecken können. 3 Tage dachte ich jeden Abend, lebend würde ich ihn nicht wieder sehen. Er bekam nun auch noch Durchfall. Georgina rannte den ganzen Tag seinen Klecksen mit dem Lappen hinterher. Er hieß ab sofort "Stinke-Willi".
Jan schimpfte, da Willi wirklich fürchterliche Gerüche verbreitete und der ganze Hof danach stank. Ich sagte Jan „Wenn du Durchfall hast, dann jagen wir dich auch nicht davon. Und nur weil Willi mal 3 Tage stinkt, werde ich ihn nicht aufgeben.“
Rondro berichtete, dass in ihrer Nachbarschaft ein Tierarzt zu Besuch sei. Ich bat sie; ihn zu kontaktieren. Er kam sofort mit und untersuchte Stinke-Willi. Er nahm ihn mit, um ihn zu beobachten. Ich sagte ihm, wenn er was Ernsthaftes, Tödliches hat, soll er ihn einschläfern. Ich wollte nicht noch einmal ein Tier verenden sehen. Ansonsten war ich bereit den Stinke-Willi aufzupäppeln.
Nach zwei Tagen brachte er ihn wieder. Er sagte, Willi hatte Würmer, sei nur unterernährt. Er hat ihm eine Spritze gegeben und Vitamine. „Er wird wieder.“ Nach zwei Tagen waren sowohl der Durchfall überstanden als auch das Fieber. Die Nase heilte auch langsam ab.
Vom vielen Futtern bekam er einen Kugelbauch. Ein Bild für Götter: O-Beine, viel zu große Ohren, spinnendürre Beine und dieser Kugelbauch.
Er hieß nun Willi-Kugelbauch. Willi folgte mir bald auf Schritt und Tritt. Besonders den Weg zum Kühlschrank konnte er sich gut merken.
Georgina kochte ihm Fisch. Er genoss es sichtlich, verwöhnt zu werden und bestand morgens beim Frühstück auf seine Mahlzeit. Doch seine Stimme klang noch immer eher wie ein Mäuschen.
Wir konnten beobachten, wie er von Tag zu Tag kräftiger, lebhafter und sauberer wurde. Er begann sich zu putzen. Da entdeckte ich erst, dass er getigert ist, wie meine Frau Katze es war und sehr viel Weiß im Fell hatte. Vorher war er nur ein kleines, graues dreckiges Knäuel.
Verspielt wie kleine Kater nun mal sind, war das ganze Internetcafe interessant für ihn. Überall Kabel und Dinge zum Spielen, Rumbalgen und Zerren.
Sein Kugelbauch ging in eine fast normale Figur über, bald hieß er „Willi Tunichtgut“. Diesen Namen behielt er, denn Dummheiten waren seine Spezialität.
Alle, die Frau Katze kannten, sagten mir, er sehe ihr ähnlich. Nun wie auch immer, von unserem Baum zu fallen war wohl das Beste, was ihm passieren konnte.
Mein Herz hatte er ohnehin im Sturm erobert.
Weitere Werke von teccla:
_________________ Wenn du immer nur tust, was du schon kannst, bleibst du, was du bist. |
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Gabi Reißwolf
Alter: 54 Beiträge: 1216 Wohnort: Köln
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10.08.2008 17:27
von Gabi
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Auch mein Herz hat Willi Tunichtgut schon erobert. Lustig, der kleine Kerl.
_________________ "Das hier ist mein Dach und mein Tag!" (Oma Thea macht die Fliege) |
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