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Obscura [HOR]


 
 
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denLars
Geschlecht:männlichKlammeraffe

Alter: 31
Beiträge: 522
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Extrem Süßes!


LOONYS - Die Vergessenen Rosen der Zeit
Beitrag09.08.2008 22:09
Obscura [HOR]
von denLars
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

(Die ersten etwa 500 Worte einer 20 seitigen Horrorgeschichte, die ich Anfang dieses Jahres geschrieben habe.


OBSCURA
Wenn man dich fragen würde, wo das ultimative Böse lauert, hättst du wahrscheinlich geantwortet, es haust in der Hölle, im Inferno,in der Unterwelt, im Tartaros, in der Nacht oder auf dem Friedhof.
An all diesen Orten kann man es zwar mit sehr viel Glück (oder Pech) auch finden, aber dort wird es nie die Intensität erreichen, mit der es mir begegnet war.
Ja, ich weiß wo das Böse ist. Ich weiß sogar, was es ist. Alles fing mit dem Angebot an, das mir in der tiefsten Finsternis meines Lebens gemacht wurde.
Willkommen in meinem Alptraum, werte Freunde.


1. Hüte dich,...
MEMENTO MORI
(Bedenke, dass du sterben wirst)

Missmutig nippte ich an meiner Cola und verschüttete durch ein Ruckeln der U-Bahn einige Tropfen. Obwohl das Gesöff süßlich und synthetisch-lecker schmeckte, konnte ich förmlich spüren, wie die Phosphorsäure in meinem Magen prickelte, der Zucker sich in meinem Blut manifestierte und der Koffein mir das Hirn eindrückte. Stoffe, von denen auf der Verpackung nichts zu lesen war, fraßen sich in die Tiefen meines Körpers um irgendwann todbringende Tumore oder Diabetes  auszulösen.
Grimmig setzte ich die Flasche ab.

Als die Bahn aus der Dunkelheit des Tunnels jagte, kniff ich die Augen zusammen; das fahle Licht des grauen Tages blendete mich. Wie Flammenschwerter bohrten sich dieSonnenstrahlen zwischen den Häusern Hamburgs hindurch, glitzerten in den vor Dreck starrenden, mit Graffitis übersähten Fenstern des Bahnabteils.
Eine Fliege summte um meinen von fettigen, schwarz-grauen Haaren bedeckten Kopf. Ihr monotones Brummen raubte mir den letzten Nerv. Die Gewissheit, sie mit meinen großstädterischen Reflexen nie erschlagen zu können, den Verstand.
"Schlechten Tag gehabt?", fragte man mich mit brüchiger Stimme.
Ich sah zu meiner Linken. Eines dieser vereinsamten, halbtoten Mütterchen, ein hässliches durchsichtiges Regencape über dem grabsteingrauen, wirren Haar tragend, sah mich wissbegierig an.
"Ich hab' immer einen schlechten Tag!", blaffte ich die Alte an.
Sie zuckte zusammen (oder sie litt einfach nur an einer altersbedingten spastischen Störung). In ihren wässrigen Augen spiegelte sich Entsetzen, Wehleidigkeit...und eine Spur Mitleid.
Schweigend begann sie, am Saum ihres Jäckchens herumzufummeln.
Verdammte Greisin. Anstatt es sich schon mal in ihrem Sarg bequem zu machen nervt sie noch die Lebenden.
Obwohl,  lebte ich überhaupt noch?

Nach einiger Zeit des Nachdenkens schüttelte ich den Kopf. Nein, ich lebte nicht mehr.
Oder würdest du einen 44 -Jährigen, übergewichtigen und an Diabetis leidenden Archivar des Arbeitsamts Hamburg, ledig, schon im Kindergarten ein Einzelgänger, für lebendig halten?
Ab und an hatte ich zwar einen schnellen Fick mit einer Nutte oder ein nettes Besäufnis, aber auch sowas machte mein Leben (wenn es denn eins war) nicht viel lebenswerter.

Ich sah mich traurig im dreckigen Abteil um.
Damals, als ich ein Kind gewesen war, wollte ich immer die Welt verändern. Großes tun. Jetzt saß ich in einer nach Pisse stinkenden Bahn, trank abgestandene Cola und ließ mich von alten Schabracken anquatschen. Was für eine Scheiße. Die U-Bahn hielt quietschend an den Landungsbrücken. Menschen strömten hinein und hinaus. Das Mütterchen stand auf und trippelte hinaus, dafür setzte sich ein in Schwarz gekleideter Teenie neben mich.
Verstohlen musterte ich den Burschen. Ein Schwarzes, mit Eisenspitzen versehenes Halsband,ein schwarzer Umhang,ein T-Shirt mit einer ans Kreuz genagelten Nackten und schwarz umrandete Augen sowie schwarze Haare und weiß geschminktes Gesicht stempelten ihn für mich als Goth ab. Einer dieser Typen, die nachts in Kirchen einbrechen und dort diabolische Rituale abhalten.
"An so einem 'Ritual' habe ich nie teilgenommen!", sagte der Junge. Grinsend sah er mich an. Ich erbleichte. Konnte er etwa...
"Ja, ich kann Gedanken lesen, Simon.", beantwortete er die Frage, die durch mein Hirn gejagt war.
Woher kannte der Typ meinen Namen? Ein Schauer lief über meinen Rücken.

"Ich kenne vieles und kann vieles, mein Freund. Ich kann deinem Leben auch wieder einen Sinn geben."
Verwirrt horchte ich auf. Träumte ich? Hatte der Typ Drogen genommen?
"Drogenkonsum meide ich, mein Freund. Und träumen...tja..." Ein Lächeln huschte über sein Gesicht.
"Ich habe dir ein Angebot von meinem Herren zu überbringen!", verkündete der Junge.
"Wer ist dein Herr?"
"Die Finsternis, die unbändige, wilde Finsternis, die am Ende des Universums lauert."
Ein Schmunzeln huschte über meine Lippen. Der trug ja dick auf.
"Und was ist das für ein Angebot?", fragte ich mit gespielter Interesse, da ich ihn, wenn man mal von der Kenntnis über meinen Namen absah, für einen Aufschneider oder einen Spinner hielt.
Die heutige Jugend...
"Denk' nichts falsches über die heutige Jugend! Dieser Körper ist nur mein Erscheinungsbild. In Wirklichkeit bin ich tausende von Jahren alt." Der Goth-Junge krempelte die Ärmel hoch und entblößte zwei feine, jedoch tiefe Schnittwunden, quer über die Unterarme. Getrocknetes, schwarzes Blut verkrustete die Hände.
"Der Knabe hat ausgedient. Ich habe nur seinen Körper übernommen. Seine Seele ist ausgezogen."
In meinem Leben hatte ich nie wirkliche, kalte Angst gespürt. Nun prickelte sie wild in jeder Faser meines Körpers.
Der Junge zündete sich eine Zigarette an. Die Blutkruste schimmerte rötlich im Schein der Zigarettenglut.
"Früher, als Junge, hast du schöne Geschichten geschrieben. Voller Dramatik, Liebe und Helden. Vor lauter Eifer und pubertärer Gefühle hast du dein Talent und deine Inspiration wohl verloren, so wie viele andere Dinge."Er zog lange an seinem Glimmstängel.
"Mein Herr macht dir das Angebot, deine Inspiration neu zu erwecken. Ich werde dir meine Hand auflegen und die Bilder des dunkelsten Ortes aller Zeiten werden in dich übergehen. Du wirst sehen, was noch nie jemand zuvor gesehen hat."
"Und was soll mir das bringen?"
"Du wirst diese Bilder als Buch festhalten, sie in Worte fassen. Du wirst ein Werk schreiben, das seine Leser bis in ihre tiefsten Träume begleitet. Einen Bestseller, der dich steinreich und beliebt macht."
Ich grinste; schön wärs.
"Wo ist der Haken?"

"Eigentlich keiner. Nur eine Bedingung: In fünf Jahren musst du eine Nacht an dem Ort verbringen, den du mit deinen Worten geschaffen hast. Nur eine einzige Nacht."



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Gabi
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Beitrag10.08.2008 16:45

von Gabi
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Hallo Lars!
Super Idee für eine Horrorgeschichte. Bis schon gespannt, wie es weitergeht.
Auch, dass du den Leser direkt ansprichst, wirkt schon schaurig.
Also, ich freu mich auf mehr.

L.G.
Gabi


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Valeska
Waldohreule

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Beitrag11.08.2008 12:57

von Valeska
Antworten mit Zitat

Hi denLars

Die Geschichte klingt auch in meinen Ohren vielversprechend!

Nur ein paar Satzzeichen könntest du nochmal sortieren:

Zitat:
1. Hüte dich,...

Hüte dich ...

Das Komma ist ziemlich überflüssig.
Vor und nach den drei Punkten ... lässt man eigentlich immer ein Leerzeichen.

Zitat:
"Ja, ich kann Gedanken lesen, Simon.", beantwortete er

Kein Punkt, wenn der Satz (wie hier) nach der wörtlichen Rede weitergeht.

Zitat:
Ich grinste; schön wärs.

Semikolon finde ich nicht so passend. Vielleicht eher ein Doppelpunkt oder ein Komma ...

Ich grinste: schön wär's!

Viele Grüße
Valeska


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denLars
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LOONYS - Die Vergessenen Rosen der Zeit
Beitrag11.08.2008 14:22

von denLars
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Hey ihr Beiden!

Vielen vielen Dank für eure Kommentare und die Verbesserungsvorschläge, die ich auch gleich in den Text einbauen werde. Da die Geschichte ja bereits fertig geschrieben ist, poste ich mal direkt den nächsten Teil.

1. Hüte dich,...  

Hüte dich ...


Du hast natürlich Recht, Valeska, dass da kein Komma hingehört, allerdings wird dieser Satz von Kapitel zu Kapitel länger und ergibt zum Schluss den Kontext des Ganzen.


Liebe Grüße und nochmal vielen Dank,

denLars


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denLars
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LOONYS - Die Vergessenen Rosen der Zeit
Beitrag11.08.2008 14:29

von denLars
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"Und wie soll ich an einen Ort, der nur in der Fantasie, in den Träumen und auf Papier existiert?"
Der Goth schmunzelte. "Das lass mal meine Sorge sein."
Auch wenn ich wusste, dass dies eh nur irgendein neumodischer Scherz war, ließ ich mich auf sein Angebot ein. "Okay, Junge! Ich bin dabei."
Er reichte mir seine blutige Hand. Ich schlug ein und heiße Wogen einer unendlich fernen Bedrohung durchliefen mich.
Dann legte er seine bleich-blutige Hand auf meine faltendurchzogene Stirn.
"Schließ die Augen!"
Ich tat es.
...Undurchdringlicher Nachthimmel, schwarz wie Menschenpupille, spannt sich über dunkle Stadt, ihr Name ist Obscura...Kutschen, zum Viehtransport dienend, fahren durch die blutroten Pflasterstra゚en. Menschenarme ragen zwischen den wurmstichigen Holzbalken hervor. Sie sind bleich. Ihre dürren Finger greifen nach irgendetwas in der Luft, das überhaupt nicht da ist. Kleine, pummelige Kinderhände sind dabei. Manchen Händen fehlen Finger, sind herausgerissen oder von bösen Krankheiten weggeätzt...Wesen laufen durch die Straßen, die Köpfe voller Augen; Schlangenaugen, Schweinsaugen, Krakenaugen...Menschenaugen. Manchmal nehmen sie ein Auge und stecken es sich als Zwischenmahlzeit ins Maul. Der Augapfel zerplatzt wie ein hartgekochtes Ei....Fabriken ragen gen Himmel, zu ihnen fahren die Kutschen. Rauch steigt auf. Er riecht nach verbranntem Fleisch...Und über all diesem Grauen droht das Unvorstellbare. ICH KANN ES DEUTLICH SEHEN. OH, MEIN GOTT!.."Was können sie deutlich sehen?", .
fragte mich ein Anzugmann.
Ich sah mich verwirrt um. Lag immer noch in der U-Bahn. Der Goth war verschwunden. Schweiß gerann auf meiner Stirn. "Sie haben geschrien", meinte der Anzugmann.
Es kribbelte in meinen Fingern und in meinem Hirn. Ein Gefühl, das ich lange nicht mehr gespürt hatte: unbändige Schreiblust.
Die Cola-Flasche fiel aus meiner Hand. Zersprang klirrend auf dem Boden.Ich stand auf.


2. Hüte dich, die Schatten...
"In Principio erat verbum
 et Verbum erat apud Deum
 et Deus erat Verbum."
(Im Anfang war das Wort, und das Wort
war bei Gott, und das Wort war Gott.)



Genau fünf Jahre später, es war eine erstaunlich kalte Novembernacht in der alles zu einem schwarzen Kosmos verkommen war, schritt ich durch die ausladende Tür meiner neu gekauften Stadtvilla.
Wilde Rosengewächse überzogen das alte Haus ebenso wie unzählige feine Risse. Als ich die Tür schloss, spähte ich noch kurz in die Dunkelheit der Straßen von Stade, das in der Nähe von Hamburg lag. Das merkwürdige Gefühl, beobachtet zu werden, machte sich in meiner Magengegend breit.
Schwachsinn!, dachte ich, Jetzt wirst du schon paranoid.
Ich ließ die Tür zufallen. Das Dröhnen des krachenden Holzes ließ das Gemäuer erzittern.
Zufrieden schlenderte ich ins Wohnzimmer, legte "Bruce Springsteen" in meinen antiken Plattenspieler und machte eine teure Flasche Rotwein auf. Während ich den Rebensaft genoss, schweifte mein Blick durch das Wohnzimmer; ein Flatscreen-Fernseher, edle Kakhi-Möbel, ein Klavier, Bilder, die nur teuer aber nicht schön waren und einige Auszeichnungen als "bekanntester Autor Deutschlands" oder "Mann mit den meist verkauften Büchern aller Zeiten" zierten den Raum.
Ich hatte es geschafft; war ein gemachter Mann. Und eine Sonderausgabe des Werkes, das mich dazu gemacht hatte, stand in einer gläsernen Vitrine in meinem Arbeitszimmer. Es war das Buch, das ich mit Hilfe der Bilder, die der Goth in mein Hirn gebrannt hatte, geschrieben hatte. 1234 Seiten war es stark, der Einband war vollkommen schwarz. Auf ihm prangerte in silbergrauen Lettern:
Simon Nightwish - OBSCURA
Das Buch hatte sich außergewöhnlich gut verkauft. Obwohl es nur um einen Jungen ging, der durch ein Loch in einer schmierigen Bahnhofstoilette in die düstere Stadt Obscura gelang. Die Selbstmordrate war nach der Veröffentlichung des Buches rasant gestiegen, Frauenverbände bezeichneten das Buch als "blutig-brutales Machwerk, das jeden Leser verstört und gefährlicher ist als Drogenkonsum oder Hardcore-Pronos". Aber solche Proteste gingen mir am Arsch vorbei. Ich war reich, mein Leben war endlich so, wie es sein sollte - was kümmerten mich da die anderen?
 Ich zuckte zusammen.
Aus dem ersten Stock war das Knarren einer Tür zu hören gewesen. Ganz deutlich. Es konnte keine Täuschung sein.
Schnell stand ich auf und holte einen Revolver aus dem Wohnzimmerschrank. Ich hatte die Worte des Jungen nicht vergessen, weshalb ich in jedem Raum des Hauses eine Waffe deponiert hatte.
"Wer ist da?", rief ich mit bebender Stimme.
Zur Antwort stieg eine Gestalt die Treppe herab, die mir die Kinnlade nach unten saußen ließ.
Anstatt des Pistolenlaufes richtete ich meine Augen auf die wunderschöne, schlanke Frau mit den pechschwarzen Haaren, die elegant durch das Treppenhaus auf mich zulief.
"Simon!" Sie trug ein schwarzes, seidenes Abendkleid und ein wunderbares Lächeln, das mich an einen Halbmond erinnerte; majestätisch und geheimnisvoll.
Die Fragen, wer sie war und wie sie in mein Haus kam, wurden von niederen Instinkten verdrängt, was die Ausbeulung der Jeans zwischen meinen Beinen zeigte.
"Ich habe gehört, hier wohnt ein reicher Autor. Stimmt das?"
Nickend und sabbernd beobachtete ich, wie sie ihr Abendkleid abstreifte. Unter ihm trug sie nur ihre Blöße. Fasziniert starrte ich auf ihre runden, kleinen Brüste, ihre straffen Schenkel, ihre dunklen Saphiraugen und die kräuselnden Härchen ihrer Scham. Gott war sie schön.
"100.000 Euro, nur lass mich dich nur einmal berühren!", stammelte ich geistesgegenwärtig. Ich wollte sie, verdammt ich wollte sie. Hier und jetzt.
"Für 100.000 Euro kannst du alles von mir haben,..." In Gedanken fügte sie ", du notgeiler Idiot" hinzu.
Rasch und unglaublich euphorisch zog ich Hemd, Jeans und Boxershorts aus. Mein fetter, schwitziger Körper, von Härchen und weißhäuptigen Pickeln übersäht, stand im krassen Verhältnis zu ihrem adretten Leib.
Breitbeinig setzte ich mich aufs Sofa. "Komm schon...Ach, wie heißt du?"
"Noxa!" Sie setzte sich neben mich.
Meine pummeligen Hände glitten über ihre Brüste, ihren Bauchnabel.
Als ich ihren Nacken berührte, zuckte ich zusammen und ließ von ihr ab.
Meine Finger hatten in eine klebrige, warme Flüssigkeit gepackt. Ich betrachtete sie. Es war Blut, so rot wie der Wein auf dem Wohnzimmertisch.
Schreiend stieß ich Noxa von mir, die, ebenfalls kurz aufschreiend, vom Sofa fiel. Sie landete auf dem Rücken, wodurch ich zum ersten Mal ihren Nacken sehen konnte, der von einem centstück-großen Einschussloch verunstaltet wurde. Knorpelsplitter und fleischige Sehnen ragten aus der blutigen Wunde.
Zitternd betrachtete ich meine blutverschmierten Hände, dann bohrte sich mein Mageninhalt wie Sodbrennen die Speiseröhre hinauf und ich kotzte den braun-milchigen, von Essensresten durchsetzten Brei aus, der den frisch-gebohnerten Laminatboden besprenkelte.
"Sehr appetitlich!", bemerkte Noxa, die sich zu meinem größten Bedauern wieder angezogen hatte.
"Du bedauerst es, dass ich mich angezogen habe?", fragte sie mich plötzlich, während ich mir die Kotze vom Kinn wischte. Ich verharrte in der Bewegung. Sie...oder er...oder es...konnte Gedanken lesen...


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MosesBob
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Beitrag02.09.2008 11:57
Re: Obscura [HOR]
von MosesBob
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Sei gegrüßt und willkommen zurück in diesen Gefilden!

denLars hat Folgendes geschrieben:
OBSCURA
Wenn man dich fragen würde, wo das ultimative Böse lauert, hättst du wahrscheinlich geantwortet, es haust in der Hölle, im Inferno,in der Unterwelt, im Tartaros, in der Nacht oder auf dem Friedhof.
An all diesen Orten kann man es zwar mit sehr viel Glück (oder Pech) auch finden, aber dort wird es nie die Intensität erreichen, mit der es mir begegnet war.
Ja, ich weiß wo das Böse ist. Ich weiß sogar, was es ist. Alles fing mit dem Angebot an, das mir in der tiefsten Finsternis meines Lebens gemacht wurde.
Willkommen in meinem Alptraum, werte Freunde.

Wenn Geschichten mit solchen Einleitungen beginnen, wirken sie häufig lächerlich, altklug oder pseudo-philosophisch. Glückwunsch, hier ist das nicht der Fall. Trotzdem habe ich ein paar Einwände. Zunächst einmal klingt die Zeitform inkonsequent: „Wenn man dich fragen würde, wo das ultimative Böse lauert, hättest du geantwortet, ...“ – Da stimmt doch was nicht! Wenn ich jemanden fragen würde, wo das ultimative Böse lauert, dann habe ich ihn noch nicht gefragt, also hätte er auch noch nicht geantwortet, nein, er würde etwas antworten. Weil es aber mit Verlaub scheiße klingt, wenn man diesen Satz zweimal mit dem Konjunktiv „würde“ belastete, schlage ich eine andere Alternative vor, sozusagen einen kleinen Kompromiss: „Wenn man dich fragt, wo das ultimative Böse lauert, würdest du wahrscheinlich antworten, ...“ Und damit kommen wir auf den Punkt genau zur nächsten Stelle, die ich abwandeln würde. Du zählst die Hölle auf, das Inferno und Tartaros – die Nacht und den Friedhof klammern wir hier mal aus, gegen die beiden  habe ich nichts einzuwenden. Einzuwenden habe ich genaugenommen auch nur was gegen das Inferno, was genaugenommen nur ein aus dem Italienischen adaptiertes Synonym für die bereits genannte Hölle ist, und den Tartaros. Der ist griechisch, stammt aber aus einer anderen (polytheistischen) religiösen Orientierung als die Hölle, die man zwangsläufig christlichen Glaubensrichtungen zuordnen mag, obwohl der Begriff eigentlich wesentlich allgemeiner und auch religions-übergreifender angewandt wird. Dennoch sprichst du mit dem Tartaros eine Hölle an, die ... nun, ich sage mal vorsichtig „eingestaubt“ ist. Es ist zwar schön, wenn man das Wort kennt – in der Bibel habe ich es auch mal gelesen –, aber ist es hier wirklich sachdienlich? Ich meine nicht. Auffällig ist hier, dass du einen opulenten ethischen Begriff wie „das ultimative Böse“ zunächst mit religiösen Orten in Verbindung bringst – demjenigen, an den du die Frage stellst, aber keine philosophische bzw. non-religiöse Alternative anbietest. Die Nacht und der Friedhof sind gute Gegenpole, weil sie völlig religionsunabhängig mit Urängsten spielen: Tod und Dunkelheit. Wo aber kann das ultimative sonst noch schwären? Meiner Meinung nach: In uns selbst!

Im darauffolgenden Satz hadere ich wieder mit der Zeitform – und mit der doch etwas fragwürdigen Einschiebung von Glück und Pech: „An all diesen Orten kann man es zwar mit sehr viel Glück (oder Pech) auch finden, aber dort wird es nie die Intensität erreichen, mit der es mir begegnet war.“ Wer wird denn das ultimative Böse „mit sehr viel Glück“ finden wollen (oder Pech)? Nein, dieser verkniffene Wortwitz passt hier meiner Meinung nach überhaupt nicht. Ich würde ihn ersatzlos streichen. Beenden würde ich den Satz dann im stinknormalen Präteritum: „...mit der es mir begegnete.“ Das ist schnittiger, prägnanter.

Der Rest ist in Ordnung – weil ich geschmacklich wohl einen Tick anders gepolt bin, würde ich zwar auf das Anhängsel „werte Freunde“ im letzten Satz verzichten, aber ich würde auch nicht in Tränen ausbrechen, wenn du es so lässt, wie es ist.


denLars hat Folgendes geschrieben:
Missmutig nippte ich an meiner Cola und verschüttete durch ein Ruckeln der U-Bahn einige Tropfen. Obwohl das Gesöff süßlich und synthetisch-lecker schmeckte, konnte ich förmlich spüren, wie die Phosphorsäure in meinem Magen prickelte, der Zucker sich in meinem Blut manifestierte und der Koffein mir das Hirn eindrückte.

Der richtige Artikel für Koffein lautet „das“.

denLars hat Folgendes geschrieben:
Stoffe, von denen auf der Verpackung nichts zu lesen war, fraßen sich in die Tiefen meines Körpers um irgendwann todbringende Tumore oder Diabetes auszulösen.
Grimmig setzte ich die Flasche ab.

Grimmig? Das finde ich überzogen. Ich würde das Adjektiv entweder streichen oder eins wählen, das nicht ganz so heroisch nach langjährigem Alkoholiker und etabliertem Suizid-Kandidaten klingt.

denLars hat Folgendes geschrieben:
Als die Bahn aus der Dunkelheit des Tunnels jagte, kniff ich die Augen zusammen; das fahle Licht des grauen Tages blendete mich. Wie Flammenschwerter bohrten sich dieSonnenstrahlen zwischen den Häusern Hamburgs hindurch, glitzerten in den vor Dreck starrenden, mit Graffitis übersähten Fenstern des Bahnabteils.

Du kündigst den Tag an als grau mit fahlem Licht – und sprichst im nächsten Moment reißerisch von den Sonnenstrahlen, die sich wie Flammenschwerter durch die Häuser Hamburgs hindurchbohren? Da stimmen die Relationen nicht. Wenn ich an einen grauen Tag mit fahlem Licht denke, denke ich an einen wolkenverhangenen, sonnenlosen Himmel. Die flamenschwertergleichen Sonnenstrahlen rechtfertigen einen Auftritt, wenn die Wolkendecke aufbricht, aber davon ist hier nicht die Rede. Der Tag ist grau. „Übersät“ schreibt man übrigens ohne „h“.
  
denLars hat Folgendes geschrieben:
Eines dieser vereinsamten, halbtoten Mütterchen, ein hässliches durchsichtiges Regencape über dem grabsteingrauen, wirren Haar tragend, sah mich wissbegierig an.

Sieben Adjektive in einem Satz aus insgesamt 19 Wörtern – fast jedes dritte Wort ist also ein Adjektiv, und das hört man auch beim Lesen deutlich heraus. Der Satz braucht ein Abführmittel. „Hässlich“ ist hier für mich verzichtbar, weil alle anderen Adjektive nicht den Eindruck von Schönheit und Attraktivität erwecken. Verzichtbar finde ich ebenso „wirr“, denn wen interessiert es, ob die Haare unter dem Regencape wirr sind? Dass sie grabsteingrau sind, ist bildlich genug.

denLars hat Folgendes geschrieben:
Nach einiger Zeit des Nachdenkens schüttelte ich den Kopf. Nein, ich lebte nicht mehr.
Oder würdest du einen 44 -Jährigen, übergewichtigen und an Diabetis leidenden Archivar des Arbeitsamts Hamburg, ledig, schon im Kindergarten ein Einzelgänger, für lebendig halten?

Richtig: Diabetes.

denLars hat Folgendes geschrieben:
Ein Schwarzes, mit Eisenspitzen versehenes Halsband,ein schwarzer Umhang,ein T-Shirt mit einer ans Kreuz genagelten Nackten und schwarz umrandete Augen sowie schwarze Haare und weiß geschminktes Gesicht stempelten ihn für mich als Goth ab. Einer dieser Typen, die nachts in Kirchen einbrechen und dort diabolische Rituale abhalten.

Der erste Satz klingt durch die vielen „und“s und das „sowie“ ungeschickt, wie eine Aufzählung ohne Maß und Ziel. Dem zweiten Satz fehlt der nötige Biss, um das Vorurteil emotionaler zu gestalten. Was hältst du davon: „Schwarzes Eisenspitzenhalsband, schwarzer Umhang, schwarz umrandete Augen, schwarze Haare – und ein schwarzes T-Shirt mit dem Aufdruck einer ans Kreuz genagelten Nackten. Offensichtlicher konnte man nicht zeigen, dass man ein Goth war, einer von diesen Typen, die nachts in Kirchen einbrechen, um ihre leichenblassen Freundinnen in der Sakristei oder direkt auf dem Altar zu schänden, während aufeinanderklatschende Körperpölsterchen den Gehörnten beschworen.“

denLars hat Folgendes geschrieben:
Der Junge zündete sich eine Zigarette an. Die Blutkruste schimmerte rötlich im Schein der Zigarettenglut.

Am helllichten Tag? Zu überzogen.

denLars hat Folgendes geschrieben:
Auch wenn ich wusste, dass dies eh nur irgendein neumodischer Scherz war, ließ ich mich auf sein Angebot ein.

Was ist daran neumodisch? Ich würde seinen Entschluss viel patziger begründen, etwas in der Richtung: „Ich wusste, dass mich der Kerl verarschen wollte. Aber ich wollte sehen, wie lange er durchhielt, also ließ ich mich auf sein Angebot ein.“

denLars hat Folgendes geschrieben:
"Okay, Junge! Ich bin dabei."
Er reichte mir seine blutige Hand. Ich schlug ein und heiße Wogen einer unendlich fernen Bedrohung durchliefen mich.
Dann legte er seine bleich-blutige Hand auf meine faltendurchzogene Stirn.

Wenn die Hand das zweite Mal erwähnt wird, braucht sie keine Adjektive mehr.

denLars hat Folgendes geschrieben:
...Undurchdringlicher Nachthimmel, schwarz wie Menschenpupille, spannt sich über dunkle Stadt, ihr Name ist Obscura...

Sag mal, fehlt da ein Buchstabe bei den Menschenpupillen und ein Artikel bei der Stadt, oder war dieser Stichwort-Slang beabsichtigt? Ich hoffe nicht! Denn wenn man den Satz so liest, klingt er stilistisch wie das Lied „Da sprach der alte Häuptling der Indianer“:

Da kam an
weißer Mann
wollte bauen
Eisenbahn


Ich würde auch nicht explizit von Menschenpupillen sprechen, das klingt hier einfach nicht gut. Eine schwarze Pupille ist naturgemäß schwarz, egal ob sie vom Menschen oder vom Biber stammt. Also: „...Undurchdringlicher Nachthimmel, schwarz wie Pupillen, spannt sich über eine dunkle Stadt, ihr Name ist Obscura...“


denLars hat Folgendes geschrieben:
Manchmal nehmen sie ein Auge und stecken es sich als Zwischenmahlzeit ins Maul. Der Augapfel zerplatzt wie ein hartgekochtes Ei

Unsinn. Du bist zu kurz hier, um beurteilen zu können, ob es eine Zwischenmahlzeit ist. Diese ganze Augen-Szene wirkt leider eher lächerlich und damit kontraproduktiv, zumal du die Augen in all ihren Formen beschreibst, nicht aber den Rest der Kreaturen, geschweige denn ihre Mäuler. Dadurch wirkt die Szene mit dem Auge wie Effekthascherei: „Schnell, ich brauch was Ekliges!“ Das hast du nicht nötig.

denLars hat Folgendes geschrieben:
Als ich die Tür schloss, spähte ich noch kurz in die Dunkelheit der Straßen von Stade, das in der Nähe von Hamburg lag.

Die Straßen in Stade sind nie dunkel. Laughing Aber mal ernsthaft: In der Nähe von Hamburg liegen Norderstedt und Pinneberg auch ... für manch einen vielleicht sogar Kiel. Die Frage ist, ob hier überhaupt erwähnt werden muss, wo Stade liegt (zumal es doch sowieso jeder wissen sollte Laughing ).

denLars hat Folgendes geschrieben:
Das Buch hatte sich außergewöhnlich gut verkauft. Obwohl es nur um einen Jungen ging, der durch ein Loch in einer schmierigen Bahnhofstoilette in die düstere Stadt Obscura gelang. Die Selbstmordrate war nach der Veröffentlichung des Buches rasant gestiegen, Frauenverbände bezeichneten das Buch als "blutig-brutales Machwerk, das jeden Leser verstört und gefährlicher ist als Drogenkonsum oder Hardcore-Pronos".

Damit endet die Berichterstattung um den Hype, den das Buch ausgelöst hat – für mich ganz klar zu wenig! Die Verhältnisse (best book ever!) schaffen doch einen hervorragenden Nährboden, um die ganze Geschichte eines nie dagewesenen Bestsellers hochzuziehen. Junge, das Buch wurde ja offensichtlich häufiger verkauft (und vielleicht auch häufiger gelesen) als die Bibel! Und wenn schon Frauenverbände über das Buch wettern, dann haben sie es gefälligst fundamentalistisch-feministisch zu tun: „Ein blutig-brutales und sexistisches Machwerk, wie es nur von einem Mann stammen kann!“ Du überspringst ein Thema, bei dem ich vor lauter Ejakulationen gar nicht wüsste, wo ich mein Ding zuerst reinhalten  soll! Darüber hinaus gehst du mit dem Anstieg der Selbstmordrate in eine Richtung, die zahlreiche andere Varianten bietet, um dem Leser den Schrecken, den OBSCURA ausgelöst hat, näherzubringen. Sollte das Buch, da es eine solche Wirkung verbreitet hat, vielleicht sogar auf den Index? Warum ist es nicht auf dem Index gelandet? Wurde es von irgendwelchen Gruppierungen verbrannt? Welches Echo hat es in den Religionen ausgelöst? Ist aus ihm vielleicht eine ganz eigene religiöse Gruppierung in Sektenform hervorgegangen (Scientology geht schließlich auch auf einen Sci-Fi-Roman zurück)? Wurden Attentate auf dich verübt oder vereitelt? Wieviele Lektoren hat das Buch wegen seiner Grausamkeit verbraten? Sitzt einer davon heute vielleicht immer noch daumennuckelnd in der Nervenheilanstalt und bekommt hysterische Schreikrämpfe, wenn er Buchstaben sieht?

Siehst du, wie man dieses Thema ausschlachten kann, ohne dabei für Langeweile zu sorgen?

denLars hat Folgendes geschrieben:
Zur Antwort stieg eine Gestalt die Treppe herab, die mir die Kinnlade nach unten saußen ließ.

Das Wort schreibt sich „sausen“. Allerdings klingt das hier ohnehin viel zu harmlos. Je nachdem, ob es sich mit der Persönlichkeit deines Protagonisten verträgt, würde ich schreiben: „Zur Antwort stieg eine Gestalt die Treppe herab, bei deren Anblick mir fast der Reißverschluss explodiert wäre.“ Ich habe den Eindruck, dass dem Protagonisten eine zynischere Art besser zu Gesicht steht.

denLars hat Folgendes geschrieben:
Die Fragen, wer sie war und wie sie in mein Haus kam, wurden von niederen Instinkten verdrängt, was die Ausbeulung der Jeans zwischen meinen Beinen zeigte.
"Ich habe gehört, hier wohnt ein reicher Autor. Stimmt das?"
Nickend und sabbernd beobachtete ich, wie sie ihr Abendkleid abstreifte.

Streichen! Sofort! Das zieht die Szene ins Lächerliche! Du versuchst, eine erotische Szene humorvoll zu beschreiben, begehst dabei aber den Fehler, auf Klischees herumzureiten wie Gina Wild auf ihrem Filmpartner: Du schreist nur das heraus, was dir als erstes durch den Kopf schießt. Versuch mal, die Szene durchaus seriös anzugehen und sie aus der Sicht eines Zynikers heraus zu schreiben, eines Egoisten, Egomanen oder Egozentrikers; ein Hauch von zwischenmenschlichem Arschloch, verzogen und verhätschelt vom Ruhm. Der Zyniker sabbert nicht – der Zyniker wird sich darüber beklagen, dass die Erektion in seiner Jeans zu schmerzen beginnt, dass sich seine Hoden zu Pfirsichkernen zusammenziehen, dass seine Pumpe rast. Kinnladen, die heruntersausen und unkontrollierter Speichelfluss sind verniedlichende Floskeln aus dem allgemeinen Sprachgebrauch. Die ziehen hier einfach nicht.

denLars hat Folgendes geschrieben:
"100.000 Euro, nur lass mich dich nur einmal berühren!", stammelte ich geistesgegenwärtig.

Dieser Satz wiederum passt ausgezeichnet zu einem Zyniker!




Fazit: Deine Qualitäten liegen nach wie vor darin, dass du bestimmte Dinge sehr schön in Szene setzen kannst – wenn du wirklich willst und wenn es dir gelingt, nicht zu überschwänglich an die Sache heranzugehen. Dann passieren nämlich solche halbherzigen Schlendrian-Formulierungen wie die heruntersausende Kinnlade oder das Sabbern, was deiner Geschichte einen zu jugendlich gefärbten Beiklang gibt. Aber das wirst du eines Tages abstellen, da bin ich mir ganz sicher. Was bleibt noch zu sagen? Du spielst mit Worten und traust dich an bildreiche Metaphorik heran. Du schreibst selbstsicher, hier aber zu überhastet, was sich besonders dort zeigt, wo du versuchst, die letzten fünf Jahre in einem Rutsch abzureißen. Hier fehlt der letzte Wille, aus der Geschichte wirklich was Großes zu machen – und den Stoff dazu hat die Handlung auf jeden Fall, auch wenn die Idee vielleicht nicht besonders originell ist, so steckt sie doch immerhin voller Möglichkeiten! Berücksichtigen solltest du auch, dass fünf Jahre eine lange Zeit sind – Jahre verändern die Menschen, ebenso wie der Ruhm. Welche Entwicklung hat der Protagonist durchlaufen? Welche Charaktereigenschaften hat er dazugewonnenen, welche hat er abgelegt? Was ist menschlich aus ihm geworden? Wie ist er mit dem Ruhm umgegangen? Drogen, Weiber, Luxus?

Du machst das schon. Daumen hoch

Beste Grüße,

Martin


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FallenAngel
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Beitrag02.09.2008 13:54

von FallenAngel
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Ich schließe mich da ganz meinem Vorredner an.
Die Geschichte hat Potenzial und bis auf ein paar Schnitzer schreibst du sehr gut. Bin begeistert.  Very Happy


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LOONYS - Die Vergessenen Rosen der Zeit
Beitrag02.09.2008 14:49

von denLars
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Hey Mose, hey Fallen Angel!

Zunächst einmal dir, Fallen Angel, großen Dank für deinen Kommentar und dein Lob. Ich bin begeistert, dass du begeistert bist.


So.
Komme ich zu MosesBob. Die Länge des Kommentars übersteigt ja fast die des bisherigen Textes. Aus Ehrfurcht vor diesem Monumentalbau aus Kommentar weiß ich gar nicht, was ich sagen soll.


Zitat:
Wenn Geschichten mit solchen Einleitungen beginnen, wirken sie häufig lächerlich, altklug oder pseudo-philosophisch. Glückwunsch, hier ist das nicht der Fall.


Wenigstens schon mal etwas ...

Zitat:
„Wenn man dich fragt, wo das ultimative Böse lauert, würdest du wahrscheinlich antworten, .


Einverstanden. Guter Kompromiss. An dem Satz habe ich eine halbe Ewigkeit herumgegrübelt.

Deine Bemerkungen zu den Orten, die man als Beispiele nennen könnte, werde ich mir auch nochmal durch den Kopf gehen lassen. Ich denke, einige Änderungen sind durchaus angebracht.


Zitat:
Grimmig? Das finde ich überzogen. Ich würde das Adjektiv entweder streichen oder eins wählen, das nicht ganz so heroisch nach langjährigem Alkoholiker und etabliertem Suizid-Kandidaten klingt.


Hast Recht. Hmmm, eine Lösung wäre wohl einfach, gar kein Adjektiv zu verwenden. Der Text ist sowieso ausreichend damit gefüllt. Ich sollte vielleicht noch kurz dazu erwähnen, dass der Text Ende letzten Jahres im Zuge eines Geschichtenwettbewerbs entstanden ist, bei dem man maximal nur 20 Seiten schreiben durfte. Deshalb bin ich an einigen Stellen auch nicht wirklich ausführlich geworden. Bei dem Wettbewerb habe ich leider keinen der vorderen Plätze gemacht, weshalb ich nun die Geschichte überarbeiten will, um etwaige Fehler auszubessern.

Den sperrigen Adjektiv-Stil habe ich mir dieses Jahr weitestgehend abgewöhnt, dafür gehe ich jetzt öfter ins Detail, wenn es mich mal juckt. Trotzdem denke ich, dass ich durch konstruktive Kritik an diesem Text noch viel dazu lernen kann.

Zitat:
Sieben Adjektive in einem Satz aus insgesamt 19 Wörtern – fast jedes dritte Wort ist also ein Adjektiv, und das hört man auch beim Lesen deutlich heraus. Der Satz braucht ein Abführmittel. „Hässlich“ ist hier für mich verzichtbar, weil alle anderen Adjektive nicht den Eindruck von Schönheit und Attraktivität erwecken. Verzichtbar finde ich ebenso „wirr“, denn wen interessiert es, ob die Haare unter dem Regencape wirr sind? Dass sie grabsteingrau sind, ist bildlich genug.


Vollkommen richtig. Adjektive sind wie das Salz auf einer leckeren Mahlzeit. Eine Prise lässt es erst richtig gut schmecken, aber das Essen ist nur allzu schnell versalzen.

Okay, die restlichen Fehler werde ich allesamt verbessern. Deine Kritik war wie immer mehr als angebracht, ausschweifend und konstruktiv. Dafür herzlichen Dank. Ich werde dann mal den nächsten Teil posten. Auch Fallen Angel nochmal einen Dank fürs Lesen.

Liebe Grüße,

denLars


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denLars
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LOONYS - Die Vergessenen Rosen der Zeit
Beitrag02.09.2008 14:54

von denLars
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"Ja, das kann ich. Wie ich sehe, hast du mich nicht vergessen. Nun, ich hoffe, du hast auch nicht deinen Teil der Abmachung vergessen. Diese Nacht wirst du in der Stadt verbringen, die du mit deinen Worten geschaffen hast. Außerdem bevorzuge ich es, mit "Er" angeredet zu werden."
"Und wie soll ich nach Obscura kommen?" Fünf Jahre lang hatte ich mich vor diesem Moment gefürchtet und war erstaunt, wie ruhig ich blieb.
"Du hast selbst geschrieben, wo sich Obscura befindet. Es ist weit hinter den Grenzen des Lebens, hinter den Nebeln des Nichts, dort, wo ewige Pupillendunkelheit herrscht und das Dunkle über allem droht. Man kann es nur erreichen, wenn man..."
"...tot ist oder die eigene Seele so schwarz ist, das man nicht mehr unter die Lebenden gehört.", vollendete ich den Satz.
"Es gibt aber noch eine dritte Möglichkeit, die du nicht kennst, mein lieber Simon. "
"Und die wäre?"
Sie lächelte. "Beim Tod trennen sich Seele und Körper. Eigentlich, bis zur Veröffentlichung deines Buches, gelangten die Seelen an einen Ort weit hinter der Ewigkeit, voll unberührter Schönheit und vollkommener Freude. Aber seit du Obscura, die Residenz meines Meisters, in Worte gefasst hast und sie somit zu einem Teil eurer Realität gemacht hast, wofür er dir sehr dankbar ist, gelangen die Seelen der Toten dorthin, wo sie verbrannt werden und mein Meister, das unvorstellbare Böse, ihren Rauch in sich einnimmt, um sich an ihrer Energie zu laben. Also entreiße ich dir deine Seele und bringe sie nach Obscura, wo sie nur eine Nacht bleiben wird..."
"Aber..."
Plötzlich begann Noxa, laut zu kreischen. Ihr Oberkörper bäumte sich auf, das Abendkleid zerriss. Knackend brachen zwei schwarze, zerfledderte Fledermausflügel von gigantischen Außmaßen aus ihrem Rücken. Ihre Zähne wurden lang und schwarz, ihre armlange Zunge schlängelte sich aus ihrem Mund und umfasste meinen noch immer nackten Körper. Auf ihrer nun vollmondblassen Haut zeichneten sich blaue Äderchen ab, schwarze Schuppen sprangen zischend unter den Ellenbogen und an ihrer Scham hervor. Mein Geist schaltete aus, da er von zwei Unmöglichkeiten überwältigt wurde: Die erste war, dass Noxa mich mit ihrer dünnen Zunge hochhob und langsam zu ihrem Rachen zog. Die zweite war, dass ich, obwohl ich noch so groß wie zuvor war, von ihr verschluckt wurde.
Ihr heißer Atem umgab mich, Speichelsäfte flossen auf mich nieder. Dann waltete Dunkelheit. Sie...er...es hatte mir meine Seele entrissen.

3. Hüte dich, die Schatten des Todes...
"Mox nox."
(Bald kommt die Nacht)

Blitzschnell öffnete ich meine Augen, sah mich verwirrt um und wunderte mich, dass mein Herz nicht wie nach jedem bösen Traum wild pochte. Ich legte die Hand auf meine Brust, fühlte keinerlei Pulsieren.
Es schlug nicht mehr.
Noxa war kein böser Traum gewesen.
Ich sah mich um, auch wenn ich die Umgebung nur schemenhaft erkennen konnte. Ein springender Gedanke manifestierte sich in meinem Hirn: Der Alptraum hatte gerade erst begonnen.
Mein nackter Hintern schmerzte. Von faulem Stroh durchstochen, das unter mir auf dem Holzboden ausgebreitet war. Schmale Lichtstreifen drangen zwischen den Brettern hindurch.
Als ich den Kopf anhob, stieß ich mir den Schädel an dem schmalen Dachgiebel über mir. Den Hinterkopf reibend blickte ich zwischen zwei Brettern hindurch.
Ich schloss darauf, dass ich mich in einer Art Futterkrippe befinden musste. Der Raum unter mir wurde von einer Öllampe erhellt, ein Ochse und ein Esel standen in ihren Boxen und fraßen braun-rotes Gras.
Nachdenklich bettete ich meinen Körper ins knisternde Stroh. Es gab keinen Zweifel, ich musste in Obscura sein. Mir schauerte.
An vieles konnte ich mich nicht mehr erinnern.
Noxas aufgerissener Mund, die Schwärze ihres Rachens...dann das Gefühl, in Trilliarden kleine Teile zersplittert zu werden, winziger als Atome.
Danach dumpfe Dunkelheit. Wie als würde man schlafen. Oder vielleicht auch tot sein.
Nun war ich also erwacht und befand mich im Heuboden von irgendeiner Futterkrippe, die wahrscheinlich außerhalb der Stadt lag. Nur diese eine Nacht musste ich hier verbringen, also konnte ich einfach hier im Stall bleiben und mir würde nichts geschehen. Hier waren sicher keine Nightmares.
Doch plötzlich dämmerte es mir.
In Obscura war immerwährende Nacht. Hätte mein Herz noch geschlagen, hätte es nun wohl wirklich den Dienst versagt. Der Schock bohrte sich tief in mein Bewusstsein.
"Diese verdammte Schlampe!", zischte ich und ballte die Fäuste, bis die Knöchel weiß hervortraten.
Tränenflüsse der völligen Verzweiflung strömten über meine Wangen; aus der Bahn geworfen von heftigen Schluchzern. Ich, meine Seele, war auf ewig in Obscura gefangen. Dieser perversen Alptraumstadt, die ich selbst geschaffen hatte. Was für bittere Ironie.
Ein langgezogener Schrei riss mich aus meiner Tränenliturgie.
Ich spähte durch einen Bretterspalt und erstarrte, als mein Blick auf den Nightmare fiel, der breitbeinig in der Krippe stand. Das Licht der ヨllampe setzte seine grauenvolle Fresse perfekt in Szene.
Ich habe ihn mit meinen Worten geschaffen, dachte ich und ein Gefühl von Göttlichkeit und gleichsamer  Furcht vor mir selbst durchlief mich.
Nightmares erinnerten an uns Menschen, allerdings war ihre Haut über und über von eitrigen Geschwülsten, Pickeln und lebenden, ab und an nach Fliegen schnappenden Organismen bedeckt.
Kleine Tentakel hatten sich auf ihren Rücken gebildet, die es ihnen erlaubten, an allen möglichen Orten zu hängen. Man stelle sich nur vor, man liefe durch einen dunklen Gang und auf einmal fällt so ein zwei Meter großes Ungetüm von der Decke.
Doch das schlimmste an den Nightmares waren ihre Köpfe. Denn sie waren über und über von allen möglichen Formen von Augen bedeckt, die man an Augenläden und -ständen in Obscura kaufen konnte.
Das Exemplar im Stall hatte ein fußballgroßes, orangenes Krakenauge mit verwaschener, schwarzer Pupille auf der Stirn, umgeben von winzigen Hühneraugen und einigen Menschenaugen.
Wenn man genau hinsah, konnte man bei den Augäpfeln der Menschen sogar noch die feinen Löcher der Nadel sehen, die den armsten bei lebendigen Leibe ins Auge gebohrt wurden, um an das begehrte Objekt zu gelangen.
Der Nightmare fischte mit einer algenbewachsenen Hand nach einem Auge und stopfte es sich in den modrigen, unter wahren Schimmelstreifen verborgenen Schlund, wo er es schmatzend zerkaute. Augen waren die Nahrung der Nightmares, da in ihnen ein Stück der menschlichen Seele innewohnte.
Ihr Herr, das ultimative Böse, das hoch über der Stadt thront, frisst die Seele selbst.
Ekelerregt musterte ich den Nightmare, diesen Sklaven des Bösen, diese Ausgeburt meiner Fantasie.
"Eine Seele ist hier! Ich kann sie spüren!", schnaufte der Nightmare.
In genau diesem Moment gab der Holzboden unter mir nach und ich stürzte hinab, genau vor die Füße des Alptraumwesens.
 Der Nightmare erhob sein Schwert und wollte es gerade auf mich nierderfahren lassen, da erfüllte ein lautes Krachen und Pulverdampf die Luft. Klirrend fiel der schartige Säbel zu Boden. Der Nightmare presste seine Hände auf ein kindskopfgroßes Loch in seinem Brustkorb, aus dem das Herz, von wenigen Arterien gehalten, noch ein wenig pochend, heraushing.
Knackend und spritzend zerrissen die letzten Lebensfäden, das völlig schwarze Herz polterte schmatzend aus dem Körper. Der Nightmare kippte leblos zur Seite.
Das helle Klingeln von Glöckchen, untermalt von einer hellen, sanften Stimme, ertönte:
"Didelidum, didelidir
  Leider ist's nun aus mit dir
  Walla, walla, wallawand
  Hast nicht gewusst, dass ich hinter dir stand"

Als ich die Getalt erblickte, die singend in den Stall trat, stockte mir der Atem, denn ich kannte sie genau. Ich hatte sie selbst erschaffen.
Es war Leonitio, der singende Löwe. Ein Wesen, das ich in meinem Buch ausführlich beschrieben hatte, weil es der Gefährte meiner Hauptfigur gewesen war.


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MosesBob
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Beitrag10.09.2008 12:50

von MosesBob
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Sei gegrüßt, denLars!

denLars hat Folgendes geschrieben:
Also entreiße ich dir deine Seele und bringe sie nach Obscura, wo sie nur eine Nacht bleiben wird..."
"Aber..."
Plötzlich begann Noxa, laut zu kreischen. Ihr Oberkörper bäumte sich auf, das Abendkleid zerriss. Knackend brachen zwei schwarze, zerfledderte Fledermausflügel von gigantischen Außmaßen aus ihrem Rücken. Ihre Zähne wurden lang und schwarz, ihre armlange Zunge schlängelte sich aus ihrem Mund und umfasste meinen noch immer nackten Körper. Auf ihrer nun vollmondblassen Haut zeichneten sich blaue Äderchen ab, schwarze Schuppen sprangen zischend unter den Ellenbogen und an ihrer Scham hervor. Mein Geist schaltete aus, da er von zwei Unmöglichkeiten überwältigt wurde: Die erste war, dass Noxa mich mit ihrer dünnen Zunge hochhob und langsam zu ihrem Rachen zog. Die zweite war, dass ich, obwohl ich noch so groß wie zuvor war, von ihr verschluckt wurde.
Ihr heißer Atem umgab mich, Speichelsäfte flossen auf mich nieder. Dann waltete Dunkelheit. Sie...er...es hatte mir meine Seele entrissen.

Diese Szene ist mir zu flüchtig beschrieben, sie wirkt zu steif trotz ihrer Dramatik. Ich vermute, dass das zum einen daran liegt, dass du als Ich-Erzähler nur eine Zaungast-Rolle dabei spielst: Obwohl sich das Geschehen unmittelbar vor dir abspielt und es dich unmittelbar tangiert, beobachtest du nur – regungslos die ganze Zeit über, aber auch emotionslos. Zum anderen ist die Szene nicht bildlich genug. Gerade mit den fledermausgleichen Flügeln lässt sich atmosphärisch einiges erreichen: Gigantische Ausmaße haben sie, schreibst du. Und die fährt sie einfach so aus, ohne etwas umzureißen im Wohnzimmer? Tische, Stühle, Nippes, Deckenfluter, vielleicht einen Lüster? Lass es krachen, Junge! Nutze die Dramatik der Verwandlung und die Möglichkeiten, die sie dir eröffnet: Wie durchscheinend sind die Häute der Flügel? Lass die Protagonisten in und mit ihrer Umgebung agieren und reagieren, nicht nur für sich allein im Vakuum. Nach dem, was hier im Angesicht des Protagonisten passiert – selbst wenn es zu schnell geht, es zu begreifen –, müsste sein Kackstift eigentlich genug Runden drehen, um die olympischen Ringe in den Feinripp zu zirkeln.

denLars hat Folgendes geschrieben:
Danach dumpfe Dunkelheit. Wie als würde man schlafen. Oder vielleicht auch tot sein.
Nun war ich also erwacht und befand mich im Heuboden von irgendeiner Futterkrippe, die wahrscheinlich außerhalb der Stadt lag. Nur diese eine Nacht musste ich hier verbringen, also konnte ich einfach hier im Stall bleiben und mir würde nichts geschehen. Hier waren sicher keine Nightmares.

Was hat denn dieser potthässliche Anglizismus da zu suchen! Der passt doch weder stilistisch noch sonstwie! habe ich zuerst gedacht. Klar, immerhin sprachst du gerade darüber, die Nacht hier zu bleiben, und plötzlich fällt da das Wort Nightmares. Später beschreibst du dann auch, worum es sich dabei de facto handelt. Allerdings würde ich dieses Rätsel gleich hier lösen – oder mir zumindest einen anderen Namen für die Geschöpfe überlegen, der nicht so uninspiriert nach Horror-B-Movie klingt. Ein Wort aus dem englischen als Bezeichnung für Lebewesen in einer Welt namens „Obscura“ ... holla, das beißt sich doch, meinst du nicht?

denLars hat Folgendes geschrieben:
Denn sie waren über und über von allen möglichen Formen von Augen bedeckt, die man an Augenläden und -ständen in Obscura kaufen konnte.
Das Exemplar im Stall hatte ein fußballgroßes, orangenes Krakenauge mit verwaschener, schwarzer Pupille auf der Stirn, umgeben von winzigen Hühneraugen und einigen Menschenaugen.
Wenn man genau hinsah, konnte man bei den Augäpfeln der Menschen sogar noch die feinen Löcher der Nadel sehen, die den armsten bei lebendigen Leibe ins Auge gebohrt wurden, um an das begehrte Objekt zu gelangen.
Der Nightmare fischte mit einer algenbewachsenen Hand nach einem Auge und stopfte es sich in den modrigen, unter wahren Schimmelstreifen verborgenen Schlund, wo er es schmatzend zerkaute. Augen waren die Nahrung der Nightmares, da in ihnen ein Stück der menschlichen Seele innewohnte.

hmm

In Obscura werden also Augen verkauft ... puh, das wird schwierig zu erklären. Meine subjektive Meinung: Wenn man das Stilmittel des Ekels überstrapaziert, wird´s lächerlich. Dein „Fehler“ liegt hier nicht mal darin, dass du die Augen als Ware anbietest – sondern dass du den Handel lapidar an Ständen und Läden stattfinden lässt. Das impliziert dem Ganzen zwangsläufig sowas Jahrmarktliches ... wie ein türkischer Basar in Izmir, wenn von den Häuserwänden, umwölkt von brummendem Fliegengeschmeiß, Kuhteile baumeln: Hier ein Kopf, da ein Bein, dort ein Irgendwas. Oder die Szene in „Life of Brian“ in der Arena: „Otternasen! Lerchenzungen! ...“ So driftet auch dein Augenhandel ins Burleske ab, und ich denke nicht, dass das hier beabsichtigt ist. Allerdings würde ich, wie gesagt, nur die Augenläden und -stände dafür verantwortlich machen, nicht den Handel selbst, denn der ist im Vergleich sogar noch harmlos. Ein grausames Beispiel aus dem Diesseits: In manchen Ländern Afrikas werden menschliche Albinos überfallen, um ihnen bei lebendigem Leib Körperteile abzuschneiden (Beine, Fingerkuppen, Arme, etc) – diese gelten als Mittel, um Erfolg, Reichtum und Gesundheit zu erlangen. Global dann noch der Menschenhandel, Kinderpornografie, Zwangsprostitution, Krieg, potenzfördernde Walphallen, das Vormittags-Programm auf SAT1, ... alles, was ein Autor dem Leser an Grausamkeiten auftischen kann, fand oder findet bereits statt. Der Mensch stumpft ab. Wahren Ekel und wahres Entsetzen kann man nur noch über die psychische Schiene stimulieren, händchenhaltend mit der physischen Gewalt. Der langen Rede kurzer Sinn: Diese ganze Augengeschichte – auch das Essen – wirkt auf mich weniger morbid, als vielmehr unbeabsichtigt komisch. Da steckt zu viel aufdringliche Effekthascherei drin. Subtiler könnte hier möglicherweise mehr erreicht werden.

 
denLars hat Folgendes geschrieben:
Ekelerregt musterte ich den Nightmare, diesen Sklaven des Bösen, diese Ausgeburt meiner Fantasie.

So allmählich kristallisiert sich ein kleines Problemchen für mich heraus: Vieles von dem, was du schreibst, entsprang deiner Fantasie, also der Fantasie des erzählenden Ichs ... aber was hat er erdacht und was stammt aus dem Ausschnitt, den er in der U-Bahn gesehen hat? Momentan schreibst du fast ausschließlich so, als wäre Obscura durchweg der Fantasie des Protagonisten entsprungen.

Der Auftritt von Leonitio mit dem Schüttelreim ist klasse.



Im Grunde habe ich also dieselben Kritikpunkte wie bei deinen ersten Leseproben anzumerken: Von deinen Fähigkeiten her bin ich überzeugt, dass du es besser kannst, wenn du dich nur ausführlich und selbstkritisch mit dem Text auseinandersetzt.

Beste Grüße,

Martin


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