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Münsch Eselsohr
Beiträge: 415 Wohnort: Berlin
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27.06.2008 21:27 Wahre Liebe wartet von Münsch
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Billige Erfüllung gibt mir nichts.
Ich bin die Jüngerin des willigen Verzichts.
Ich bin die Rose in der vollen Blüte,
nicht die gebroch'ne, weggeschmissene.
Ich bin das Tuch von edler Güte,
nicht das verdreckte und verschlissene.
Ich kann im Spiegel stolz in meine Augen sehen,
denn mein Herz und Leib sind unberührt.
Ich werde niemals einen Irrweg gehen,
weil mich kein Versucher führt.
Meine Nächte gleichen kalten Allgefilden
wo kein Komet in schwarze Löcher drängt,
wo Staub und Hitze keine jungen Sterne bilden
und keine Sonne fremde Erde sengt.
Meine Brüste ähneln alten Schläuchen,
in die man keinen neuen Wein gefüllt.
Meine Hand lag nie auf fremden Bäuchen.
Ich war und bleibe stets verhüllt.
Und während mich die Zeit zertrümmert,
in faltige Ruinen legt,
ist heimlich meine Lust verkümmert;
hat weder sich noch mich bewegt.
Der Tag versinkt im Rot des Dämmerlichts.
Und ich warte noch – auf nichts.
Weitere Werke von Münsch:
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Brynhilda Felix Aestheticus
Alter: 44 Beiträge: 7760 Wohnort: Oderint, dum probent.
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30.06.2008 09:34
von Brynhilda
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Liebe Münsch!
Ein sehr nachdenkliches Gedicht. Bei dem Titel fragt man sich sofort: Wo ist die Liebe?
Das lyrische Ich wirkt leer und kalt. Es kreist um sich selbst, und es fällt einem der Spruch von Oscar Wilde ein: "Die Liebe zu sich selbst ist eine lebenslange Romanze." (Den ergänze ich gern damit, daß man sich unter diesen Umständen auch keine Sorge um Nebenbuhler machen muß.)
Das lyrische Ich ist, ohne es gemerkt zu haben, an der Eigenliebe zerbrochen und gescheitert, weil es nicht geschafft hat, diese Liebe ins Mitmenschliche zu übertragen.
Eine leidende Seele. Sie leidet an sich selbst, an der Einsamkeit, an der verstrichenen Zeit.
Wenn der Goethe-Spruch, daß die Summe unseres Lebens die Stunden seien, in denen wir liebten, dann ist hier wohl ein Leben, von dem nichts zurück bleibt.
Kann ein Mensch wirklich durch diese Welt gehen, ohne einen anderen zu berühren, zu bewegen, ohne zu betrachten und betrachtet zu werden?
Vielleicht dann, wenn er sich verschließt vor der Welt und den Menschen. Doch das geschieht nie ohne Grund.
Es gibt zwei Gründe: Schmerz und Furcht. Beides höre ich heraus aus den Worten des lyrischen Ichs.
Um zum Ende zu kommen: Das ist ein wunderbares Gedicht.
Nur an der handwerklichen Seite ist noch ein wenig zu feilen. Du hast ja hauptsächlich, nehme ich an, den jambischen Pentamenter verwendet. Aber hin und wieder bist du in Vierheber abgeglitten. Wenn du magst, kann ich dir die entsprechenden Stellen gern aufzeigen.
Ansonsten finde ich gerade den jambischen Pentameter überaus passend als Versmaß dieses Gedichts. Ich mag an seinem Klang, daß er sich so sehr der beinahe gewöhnlichen Sprachmelodie annähert, ohne seine poetische Kraft aufzugeben.
Viele Grüße,
Brynhilda
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Münsch Eselsohr
Beiträge: 415 Wohnort: Berlin
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30.06.2008 12:30
von Münsch
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Hallo Brynhilda,
es freut mich, dass das Gedicht gut bei Dir "ankommt".
Ich würde mich sehr freuen, wenn du mir die entsprechenden Stellen zeigst, da ich kaum theoretischen Kenntnisse bzgl. Versmaß etc. habe und sozusagen ins Blaue hinein schreibe.
Textarbeit von Dir wäre mir sehr hilfreich und wird gerne angenommen.
Vielen Dank und Gruß vom Münsch
Da ich mehr und mehr merke, dass mir die Lyrik liegt, werde ich in der nächsten Zeit deine Lyrikwerkstatt durcharbeiten.
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Pismo Eselsohr
Beiträge: 212 Wohnort: Berlin
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01.07.2008 10:01
von Pismo
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Hallo Münsch!
Uff... vom Versmaß verstehe ich recht wenig, bzw. müsste tief in meinen Hirnwindungen kramen. Mir war in manchen Zeilen eher, wie ein jambischer Trimeter, aber da kann ich mich gut und gerne täuschen.
Inhaltlich top! Ein bitterer Abgesang auf diese "True Love waits" "kein Sex vor der Ehe-Bewegung", die aus den USA herüber geschwappt ist.
Sehr schön kommt das noch mal rüber: Fehlende Liebe lässt früh altern, schadet eher, als dass sie irgendjemandem nützt.
Was für ein Blödsinn.
Uns kann allen morgen der Himmel auf den Kopf fallen und dann sind wir tot ohne vorher mal ordentlich... na ja. Jeder, wie er denkt.
Tolles Gedicht!
LG,
Pismo
_________________ Autoren sollten stehend an einem Pult schreiben. Dann würden ihnen ganz von selbst kurze Sätze einfallen.
Ernest Hemingway |
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Brynhilda Felix Aestheticus
Alter: 44 Beiträge: 7760 Wohnort: Oderint, dum probent.
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01.07.2008 10:11 Re: Wahre Liebe wartet von Brynhilda
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Münsch hat Folgendes geschrieben: | Billige Erfüllung gibt mir nichts.
Jüngerin des willigen Verzichts.
Bin die Rose in der vollen Blüte,
nicht gebrochen und nicht weggeschmissen.
Ich bin das feine Tuch von edler Güte,
nicht verdorben und auch verschlissen.
Ich kann im Spiegel stolz in mein Auge sehen,
denn mein Herz und Leib sind unberührt.
Ich werd niemals einen Irrweg gehen,
weil mich kein Versucher je führt.
Nächte gleichen kalten Allgefilden
wo kein Komet in schwarze Löcher drängt,
wo Staub und Hitze keine Sterne bilden
und keine Sonne fremde Erde sengt.
Meine Brüste ähneln alten Schläuchen,
in die man keinen neuen Wein gefüllt.
Meine Hand lag nie auf fremden Bäuchen.
Ich war und bleibe immer nur verhüllt.
Und während mich die kalte Zeit zertrümmert,
ungnädig, faltig in Ruin mich legt,
ist heimlich meine warme Lust verkümmert;
hat weder sich noch mich jemals bewegt.
Der Tag versinkt im Rot des Dämmerlichts.
Und ich warte lange noch – jedoch auf nichts. |
Liebe Münsch!
Ich war mal so frei, ein wenig herum zu basteln.
Einige Zeilen habe ich recht grob umgestellt. Aber sieh selbst!
Wenn du versuchst, das Metrum mit zu klatschen, klingt es vielleicht an.
Zur näheren Verdeutlichung noch ein Tondokument, in dem ich versuche, es zu erklären.
Bitte nicht lachen, ich rede wirklich so. Und ich habe es nicht nachbearbeitet, damit es spontan wirkt, was es ja auch ist.
Herzlichst,
Brynhilda
Kritik für Münsch.mp3 (1.91 MB)
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Münsch Eselsohr
Beiträge: 415 Wohnort: Berlin
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02.07.2008 16:27
von Münsch
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@Brynhilda
WOW. Ich bin ganz baff, dass Du dir sogar die Mühe gemacht hast, mir eine Audio-Datei zu besprechen.
Vielen, vielen Dank!!
Durch das betonte Sprechen wird der Rhytmus klar und ich kann es mir besser vorstellen.
Dieses Wochenende bin ich allein zu Hause, dann kann ich das mal in aller Ruhe laut für mich ausprobieren.
Also nochmals Danke, das finde ich echt richtig nett von Dir!
Viele Grüße vom Münsch!
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Brynhilda Felix Aestheticus
Alter: 44 Beiträge: 7760 Wohnort: Oderint, dum probent.
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02.07.2008 18:33
von Brynhilda
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Liebe Münsch!
Das war doch selbstverständlich.
Aber ich freue mich darüber, daß du dich freust.
Solche Dinge kann ich einfach nicht mit geschriebenen Worten erklären.
Ausprobieren ist wirklich das beste. Ãœberhaupt sollte man immer ein Gedicht, nachdem man es geschrieben hat, erst mal laut lesen.
Liebe Grüße,
Brynhilda
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Münsch Eselsohr
Beiträge: 415 Wohnort: Berlin
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03.07.2008 16:55
von Münsch
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@ Pismo:
Schön, dass es dir auch gefallen hat, obwohl du ja dem Ungereimten näher stehst!
Viele Grüße und vielleicht sieht man sich ja mal wieder im RL!
Münsch
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Egopus Cholyriker
Alter: 60 Beiträge: 851 Wohnort: Duisburg
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03.07.2008 21:58
von Egopus
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Ein fantastischer Text.
Es passiert sehr selten , dass man sich einfach durch Texte liest und dann auf ein solches Juwel stößt.
Natürlich hapert die Metrik hier und da,
aber weißt du was: Egal, denn der Ton und die Aussage deines Gedichtes sind es wert hier in Lyrik zu stehen.
Es ist wundervoll authentisch und lässst den Leser endlich mal wieder aufhorchen, weil er hier nicht den 08/15 Mist zu lesen bekommt, mit dem die Foren gefüllt werden,
sondern was Großes.
Ehrliche gute Lyrik.
Gratulation
Michael
_________________ Brachial-Poet |
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Münsch Eselsohr
Beiträge: 415 Wohnort: Berlin
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07.07.2008 18:24
von Münsch
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Danke, Michael, für die Kritik.
Schön, dass der Text dich berührt hat.
Viele Grüße, Münsch
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