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Religionsvakuum


 
 
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Eve McFar
Geschlecht:männlichSchneckenpost

Alter: 43
Beiträge: 10
Wohnort: Berlin


Beitrag16.06.2008 13:12
Religionsvakuum
von Eve McFar
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Was konnte ich mir mehr wünschen, als in der DDR groß zu werden?
1979 wurde ich in der beschaulichen Stadt Frankfurt (Oder) geboren und wuchs 10 Jahre in einem für Kinder funktionierenden Osten auf. Keine Sorgen, viel Unsinn im Kopf und jeden Tag Sport im Verein.
Mit der Wende änderte sich alles, die Menschen, das Essen, die Autos und zuletzt die Lehrer. Andere Schulbücher, andere Kleidung und andere Vereine. Sport in der DDR war kostenlos und nun verließ ich Vereine, weil ich nichts von meinen Eltern bekam. Im Politikunterrichte wurde Religion thematisiert und es fiel auf, dass es nur vereinzelt Gläubige unter uns gab. Im Lehrbuch sprach man sogar von einem Religionsvakuum in der DDR.
Pläne waren der Ersatz für die Bibel, Zirkelbesprechungen für das Wort und die Planerfüllung der Übergang in den nächsten Plan.
Als Kind waren Wettkämpfe meine Freizeitbeschäftigung und ich nahm an allem teil, was sich anbot. Es ging nicht um Ruhm, nicht unmittelbar um den Sieg, sondern für die Trainer um die Eignung.
Als Kind wünschte ich mir nur zu spielen. Der Sport, das tägliche Training gaben mir die Ausdauer Stunde um Stunde als Jungpionier hin und her zu rennen. Die Kenntnisse, die ich als Jungpionier erwarb, waren militärisch nützlich und als frühkindliche Erziehung spielerisch in der Gruppe organisiert. Die Kraft, die ich dadurch hatte, ließ mich jedoch auch nie ruhen, ich spielte oder ich streunte herum.
An einem wunderbar warmen Sonntag, ich war noch vor meinen Eltern aufgestanden und raus gegangen, ging ich zu meiner Festung. In unmittelbarer Nähe unseres Plattenbaus lag ein kleiner Hügel, hinter dem die Stadt endete. Es standen dort offene Baracken herum, die keiner betreten durfte, aber ich hatte es mir dort gut eingerichtet. Ich kletterte aufs Dach meiner Festung und sah mich in der frischen Morgenluft um, es war kein Feind zu sehen. Ich nahm mir meine Schleuder und setzte mich auf den Dachrand Richtung Bäume, um Vögel zu beschießen. Sie sangen zwar schön aber wild durcheinander, der eine übertönte den anderen und ich, ich schoss auf alles was sich bewegte.
Es kam ein Freund, der mich mit einer Herausforderung ablenkte, ob ich denn einen Stein von einem Dach aufs andere werfen könnte und ich konnte, ich konnte sogar weiter werfen, als bis auf die gegenüberliegende Garage. Wir kletterten auf das Dach der einen Garage, dort lagen schon viele Steine herum und wir warfen sie hinüber, bis ich einen besonders großen nahm. Ich warf und es schepperte plötzlich laut. Wir machten, dass wir davon kamen, doch zu spät. Ein Mann stampfte auf uns zu und schimpfte mit uns. Eine Autoscheibe war zu Bruch gegangen. Das Auto hatte hinter der Garage gestanden. Ich musste meine Adresse angeben und dann verschwand ich schnell. Daheim traf ich meine schlecht gelaunten Eltern wach. Sie hatten beide quälenden Kopfschmerzen vom feucht fröhlichen Vorabend. Als die Tür ins Schloss fiel, brüllte mein Vater und ich erschrak, worauf meine Mutter noch schlimmer brüllte und ihm drohte. Es klatschte laut und meine Mutter begann zu weinen. Sie schrie ein weiteres Mal und kam dabei in den Flur zur Eingangstür. Ich stand noch da und hatte Angst. Sie nahm sich ihre Jacke und mich am Arm. Das fügte sich für mich, denn der Mann hatte gedroht zu mir nach Hause zu kommen.
Meine Mutter hielt es aber nicht lange aus und fuhr nach zwei Stunden Autofahrt wieder Heim, wo es für mich erst einmal eine ordentliche Tracht Prügel gab. Ich durfte mir mein Fahrrad abschreiben, das mir versprochen war und hatte Hausarrest. Einen solchen Sonntag hätte er noch nicht erlebt, er habe den Rat bekommen, mich lieber am Sonntag einzusperren, dann könne ich keinen Unfug machen. Ich bekam diese Strafe und dazu noch ein Verbot von Fernsehen und Freunden. Ich war also allein und durfte mich mit mir beschäftigen.
Niemand erzog mich in dieser Zeit, ich war allein. Gott, ich danke Dir dafür, doch den gab es nicht. Ich schuf mir hingegen eine andere Person, einen Gesprächspartner. Nicht imaginär, einfach eine Verbalisierung meines Denkens. Ich spreche es laut aus und widerspreche oder rede mit mir. Es kann ein moralisches Widerwort sein, die Vernunft, besseres Wissen, Zustimmung, alles Mögliche und dennoch nur eine Stimme ohne Recht. Mit ihr mache ich mein Leben aus. Mit ihr spreche ich, wenn ich Angst vor dem morgigen Tag habe, ich Geld auftreiben will oder einen Job finden. Dann spüre ich die Einsamkeit, die Leere in dieser Illusion. Diese Stimme bin schlicht ich, ich allein und nichts anderes. Ich lernte früher keine höhere Instanz als meine Person kennen, keinen Geist, vor dem ich letztlich bestehen musste oder der mir half. Kein Glaube an einen Gott versetzte mich in die Lage des Gelingens. Wie schwer auch Prüfungen für die Gläubigen sind, ich sah meine Lebenswelt nie als Reich Gottes.
Heute bin ich skeptisch geworden. Die letzten Tage zeigten mir eine Welt in den Nachrichten, die von Gott nur so gehetzt wird. Wer schwört nicht alles auf dessen Worte und wer glaubt diesen Predigern, den Propheten und Politikern. Ich lebe in einem Land, das zur Hälfte durch Christdemokraten und „Christsozialisten“ repräsentiert wird. Meine Genossen, Deutsche, werden im Ausland als Verbrecher bezeichnet und die Täter machen mich durch Gott verantwortlich für Ihre Handlungen. Was bin ich? Deutscher?
Ich bin beharrlich und ich genieße. Ich verlasse mich auf den gesunden Menschenverstand. Und auf mein Gefühl. Ich bin mit beidem zufrieden. Jetzt, wo ich älter geworden bin, habe ich noch einen dritten Helfer. Das ist meine Erfahrung. Jede meiner Handlungen verantworte ich für mich und vor mir selbst. Darauf beschränke ich mich und bin zuversichtlich keine Fehler zu machen.
Nun, ich bin ein BRD-Bürger geworden und alles ist so rosig bzw. bunt, doch bis heute kann ich es spüren, dass ich ein DDR-Ex-Kind bin. Mit meinem Tatendrang in meiner Jugend, und dem Wissen über mich, kann ich sagen, hätte ich ohne die Wende ein politisch schweres Leben in der DDR gehabt, doch mein Glück schuf mir dieses strenge System mit 10 Jahren vom Hals.
Aber eigentlich war mit der Wende plötzlich alles leer. Die Ämter, die Werkstätten und die Vereine. Niemand kümmerte sich mehr.
Diese Leere wurde durch nichts aufgefüllt! Keine Integration fand statt, ich bin, ich war doch Deutscher. Dieses System jetzt ist nicht meins, ich glaube weder an Gott, noch an die Politik. Die Welt geht zum Teufel und ich nehme mir das Recht, mich um meine Angelegenheiten selbst zu kümmern. Leben und leben lassen.
Jedoch scheint es mir auch, als könnte menschliches Mitgefühl, ohne gesellschaftliche Verpflichtungen, unserer Gemeinschaft nützlich sein. Denn wenn die Menschen von Kindesbeinen an lernen würden, für ihre Mitmenschen Interesse zu zeigen, würde die Welt bestimmt besser aussehen.



_________________


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Olifant
Geschlecht:männlichEselsohr


Beiträge: 417
Wohnort: München


Beitrag16.06.2008 15:58

von Olifant
Antworten mit Zitat

Hi Eve,

vielleicht solltest Du noch ein paar Worte formulieren, um zu erklären, was Du mit diesem Text tun möchtest.
Ist das z.B. ein Auszug aus Deinen Memoiren, möchtest Du einen Roman schreiben, oder soll es eine Art Pamphlet für öffentlichen Gemeinschaftssinn werden?

Geschrieben ist es, wie eine Mischung aus ersterem und letzterem. Wobei die Botschaft - der Aufruf zur Menschlichkeit, trotz egoistischer Lebensstrategie des Protagonisten, gewürzt mit einer eher zweifelhaften Anekdote aus der Kindheit - nicht unbedingt das gewünschte Ziel erreichen wird.
Ich jedenfalls kann keine spezifische, moralische Richtlinie aus Deinem Text herauslesen.
Irgendwie prangerst Du alles zusammen an: ein Tiere mordendes Arschlochkind, propagandistische Kindererziehung in Vereinen, miese Eltern, den Missbrauch des Glaubens und verfehlte Politik. Und all das gedeckelt von 2 verschiedenen politischen Systemen.

Herausgekommen ist eine schwammige Mixtur, die sich für Leserohren nur an wenigen Stellen logisch anhört.
Entweder man vertritt ein Linie, die zu besserem Zusammenleben führt, oder man ist Egoist und tut, was einem selbst hilft. Beides in einen Topf geworfen ergibt ein wenig schmackhaftes Gericht.

Vielleicht bin ich nach einer Genre-Einordnung durch Dich ein wenig schlauer.

Ein bisschen Textarbeit:
Eve McFar hat Folgendes geschrieben:
Sie nahm sich ihre Jacke und mich am Arm. Das fügte sich für mich, denn der Mann hatte gedroht zu mir nach Hause zu kommen……(Hier würde ich noch einfügen, dass es sich um den Mann mit der zerschmissenen Scheibe handelt. Im Kontext könnte das auch der Vater sein.)


Meine Mutter hielt es aber nicht lange aus und fuhr nach zwei Stunden Autofahrt wieder Heim, wo es für mich erst einmal eine ordentliche Tracht Prügel gab. ….(Hier ist ein wenig unklar, weshalb es die Prügel gibt. Wegen der Scheibe oder weil er die Eltern geweckt hat.)


Ich bekam diese Strafe und dazu noch ein Verbot von Fernsehen und Freunden. Ich war also allein und durfte mich mit mir beschäftigen.
Niemand erzog mich in dieser Zeit, ich war allein. ….(Wie viele Jahre hat man den Ärmsten denn eingesperrt, fragt man sich da.)


Heute bin ich skeptisch geworden. Die letzten Tage zeigten mir eine Welt in den Nachrichten, die von Gott nur so gehetzt wird. Wer schwört nicht alles auf dessen Worte und wer glaubt diesen Predigern, den Propheten und Politikern. Ich lebe in einem Land, das zur Hälfte durch Christdemokraten und „Christsozialisten“ repräsentiert wird. …. (Es ist eher anzuzweifeln, dass man skeptisch wird, bloß weil Parteien, Politiker und echte Menschen den Glauben für sich missbrauchen.)


Meine Genossen, Deutsche, werden im Ausland als Verbrecher bezeichnet und die Täter machen mich durch Gott verantwortlich für Ihre Handlungen. Was bin ich? Deutscher? …. (Der Satz ist völlig unverständlich, finde ich. Die Verbrecher sind normalerweise die Täter. Bei Dir sind es aber diejenigen, die über die sogenannten Verbrecher urteilen. Wieso wird man durch Gott für Handlungen verantwortlich gemacht?)


Darauf beschränke ich mich und bin zuversichtlich keine Fehler zu machen. … (Das klingt ein bisschen naiv. Jeder macht Fehler. Nur von Selbstkritik befreite Menschen oder auch die ganz Blöden sind nicht in der Lage, eigene Fehler zu erkennen. Das würde ich in „keine allzu gravierenden Fehler“ abändern.)


dass ich ein DDR-Ex-Kind bin  …. (Gemeint ist vermutlich ein Ex-DDR-Kind, richtig?)


_________________
Liebe Grüße,

Olifant
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Merlinor
Geschlecht:männlichArt & Brain

Alter: 72
Beiträge: 8676
Wohnort: Bayern
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Beitrag16.06.2008 17:13

von Merlinor
Antworten mit Zitat

Hallo Eve

Hmm... Das ist wohl mehr ein Essay.

Anders als  als Olifant glaube ich allerdings schon nachvollziehen zu können, in welche Richtung Eve zielt.
Für viele Ost-Bürger führte die Zeit nach der „Wende“ in eine gewisse Entwurzelung, die ich mir, auch wenn ich als „Wessi“ sozialisiert wurde, lebhaft vorstellen kann.

Der Westen hat damals dem Osten einfach sein System übergestülpt, ohne auch nur im geringsten danach zu fragen, welche Teile des Ost-Systems dem westlichen eventuell überlegen sein könnten.
Er hat sich dem Osten aufgezwungen ohne von ihm zu lernen und zu profitieren.
Hätte er dies wenigstens ansatzweise versucht, dann hätten wir heute eine bessere Kinderbetreuung und ein besseres Schulsystem. Denn da war der Osten um Längen voraus, wie auch in diversen anderen Rubriken.

Ich erinnere mich, wie wir als Schüler den Schaltplan eines Stereoverstärkers analysierten, den ein Freund sich für günstiges Geld über einen Versandhändler angeschaff hatte und der aus DDR-Produktion stammte.
Wir waren fasziniert und begeistert, mit welch einfachen Mitteln die Ost-Ingenieure in diesem Verstärker Leistungswerte realisierten, die weit teureren und aufwändiger konstruierten West-Geräten entsprachen.
Sie hatten dort zwar einen Mangel an Materialien und Bauteilen, den sie jedoch locker mit Fantasie und Grips kompensierten.
Sensibilisiert durch diese Erfahrung habe habe ich dann über Jahre derartige technologische Entwicklungen im Ostblock interessiert und oftmals mehr als nur beeindruckt verfolgt.

Als es dann zur Wende kam, hätte ich als erstes Head-Hunter in die dortigen Betriebe geschickt, um dieses Potential abzuschöpfen.
Statt dessen ruinierten wir gezielt die dortigen Betriebe, sprachen den Ingenieuren jegliche Kompetenz ab ( Da sie sich mit unseren Verfahrensweisen verständlicherweise nicht auskannten) und ließen diese Chance weitgehend ungenutzt verstreichen.

So ging es mit Vielem: Der Westen gerierte sich sich als Sieger und die Möglichkeit, aus den Perlen beider Systeme ein neues, besseres zu schmieden, wurde vertan.

Sicher: Im Osten herrschte ein strenges Regime und viele für uns selbstverständliche Freiheiten waren dort nicht entwickelt. Kein Ex-Ostbürger wird diesen Nachteilen nachtrauern.
Aber alle gemeinsam sollten wir trauern, dass wir die dort wesentlich besser entwickelten Kompetenzen in sozialer Verantwortung und gesellschaftlicher wie individueller Solidarität auf sträfliche Weise zugrunde gehen ließen, anstatt sie in das neue, gemeinsame Haus hinüberzuretten.

Herzlich  Very Happy  Very Happy  Very Happy

Merlinor


_________________
„Ich bin fromm geworden, weil ich zu Ende gedacht habe und nicht mehr weiter denken konnte.
Als Physiker sage ich Ihnen nach meinen Erforschungen des Atoms:
Es gibt keine Materie an sich, Geist ist der Urgrund der Materie.“

MAX PLANCK (1858-1947), Mailand, 1942
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