Zum Thema Absagen und Frust...

[Tape Dispenser]

So, ich habe mir den Leitfaden durchgelesen und hoffe, dass ich jetzt alles richtig gemacht habe.

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Sehr geehrte Damen und Herren,

ich hoffe, Sie sitzen bereits, wenn sie mein Manuskript in den Händen halten. Sie sind sich dieser Ehre vermutlich gar nicht bewusst, dass Sie beinahe die Ersten sind, denen ich mein Meisterwerk anvertraue.

Also, fangen Sie an zu lesen und versuchen Sie ihre Schnappatmung in den Griff zu bekommen.
Denn soviel handwerkliche Meisterkeit, wie ich sie in meinem Werk:
Oleg Popischkoff: oder: Über das Lösen einer Zugfahrkarte an einem verregneten Novembertag in St. Petersburg“ werden Sie vermutlich noch nie in den Händen gehalten haben.

Anbei übrigens das mit Fingermalfarben entworfene Cover meiner dreijährigen Tochter, dass die trübe Stimmung des Romans meiner Meinung nach auf ideale Weise wiederzugeben vermag.

Ich schrieb, und hier zitiere ich mich selber, kleines Späßchen: haha: „beinahe die Ersten“, da ich mein Buch selbstverständlich bereits sehr erfolgreich im Self-Publisching veröffentlicht habe. Die Downloadzahlen sind zwar noch ausbaufähig, andererseits suche ich ja nun auch den Weg zu ihrem Verlag, da ich große Marktchancen sehe, die durch die Verlagsarbeit sicherlich nur einen Weg kennen würden: nämlich steil nach oben.

Bevor ich Ihnen nunmehr mein Expose wärmstens an Herz lege, gestatten Sie mir an dieser Stelle darauf hinzuweisen, mit wie viel Enthusiamsmus, Euphorie und Herzblut ich an diesem Werk gearbeitet habe. Jeden Abend schrieb ich mich um den Verstand und die Sätze prasselten nur so auf das Papier, die Kugelschreiberminen liefen heiß und die Tinte floss so schnell vom Füller, dass manchmal nur noch Fragmente meiner unbändigen Kreativität, gleichsam einem Hauch lilaner Tinte meine purpurumwölkten Gedanken förmlich aufs Papier hauchte, so als ob der fade Schein meines Ichs gleichsam im Nichts zerfaseln, zerfasern würde.


Expose:
„Alles was sein könnte, könnte sein, dass es auch nicht sein könnte aber alles, was ist, ist ein seinendes Sein, das Sein an sich, das wahre Sein, es könnte zumindest so sein.“ (Peter Peerson: Isländsicher Nationaldichter 1423)

Es beginnt mit einer Rückblende: Oleg steht 1917 in Sankt Petersburg an einem Bahnschalter und möchte eine Fahrkarte kaufen, hat aber kein Geld. Jene schicksalhafte Begegnung spielt am Vorabend der russischen Revolution. Die Rückblende, die auf ironisch-magische Weise die Zarenfamilie mystisch überhöht, während die Revolutionäre der Zarenfamilie wie in einer Parabel elliptisch gegenübergestellt werden (Das Werk verbindet auf geniale Weise, Fabel, Lyrik und Fantasy Elemente mit einem Schuss Erotik) spricht Hausfrauen und Intellektuelle gleichermaßen an, aber auch Heimwerker werden gefallen finden an einer Bauanleitung einer sibirischen Zobelfalle.

Ich erwarte ihren Anruf baldmöglichst, da, wie sie sich vorstellen können, zahllose andere Verlage ebenfalls Interesse an meinen Meisterwerk bekunden werden.  

[G.T.]

Wunderschön!

[Jack Burns]

@tape
 
vielleicht sollte man einige Agenturen wirklich mit dem Ding beglücken. Hat was.

[Kris]

Ein Traum!

[Rodge]

Hey Tape_Dispenser,

du könntest das als Service für Autoren anbieten. Du verfasst das Anschreiben und den Pitch (natürlich gegen Bezahlung). Und wenn dann einem Lektor eine zweite Rowling durchs Netz geht, machen wir ihn fertig.

Aber zurück zum Thema: Ich kenne einen Lektor einer bekannten Buchreihe, der allein mit zwei Praktikanten ist. Da mittlerweile Praktikanten Mindestlohn erhalten (was ich gut finde), hat er nur noch einen oder gar keinen. Also liest der Praktikant die eingehenden Bewerbungen. Er selbst spricht mit Autoren und nimmt an Besprechungen teil, wo er u. a. die laufenden Projekt gegen die Bedenken der Verlagsverkäufer verteidigen muß. Ihm ist klar, dass ihm so durchaus ein guter Autor durch die Lappen gehen kann, er kann einfach nur nichts dagegen machen. Wenn er deswegen rausfliegt, muß er das akzeptieren, dann allerdings einen komplett neuen Job suchen, da keiner aus der Branche ihn mehr nehmen wird. Ist im Grunde alles verlogen, der Lektor muss es ausbaden, aber mehr als 60 Stunden die Woche zu investieren wäre Wahnsinn. Und selbst dann hätte er immer noch keine Chance, alles auch nur anzulesen, was reinkommt.

Aus Autorsicht wünscht man sich das anders, aber bei den erodierenden Margen ist das aus meiner Sicht erst der Anfang. Solche Checklisten erscheinen stümperhaft, aber genau so gut kann man auch auswürfeln, was man sich ansieht. Alles schafft man eh nicht!

Grüße
Rodge

[Pütchen]

Hervorragend Wo kann ich das Buch kaufen?

Da hast du ja alles richtig gemacht

[Riddle]

Habe mir die Absagegründe auch durchgelesen, finde die ziemlich krass und macht mutlos...
und auch wenn es schon lange her ist finde ich den Post des Threaderstellers auch mega deprimierend.

Eine Absage, nur weil ein Charakter zu naiv war?
Das kann man doch überarbeiten - der Verlagslektor sollte doch auch noch irgendeine Arbeit haben und das perfekte Manuskript gibts doch nich.

[Stefanie]

[Belfort]

Mich würde wirklich mal interessieren, wie stark Verlagslektoren ein Manuskript überarbeiten. Sind das in der Regel nur Kleinigkeiten, wie versehentliche Wortwiederholungen oder die eine oder andere Kürzung?

Oder wird da noch richtig am Skript gearbeitet, der Spannungsbogen neu gezogen, eine Figur rausgestrichen oder eine neue eingeführt oder "weniger naiv" umgestrickt, ein alternatives Ende geschrieben?

Man darf sich da nichts vormachen: mir hat auch mal eine Agentin gesagt, meine weibliche Hauptfigur sei zu naiv. Das zu ändern, war verdammt viel Arbeit, da musste wirklich sehr viel neu geschrieben werden, damit dieser Eindruck verschwand. Es war nicht damit getan, drei oder vier Äußerungen dieser Figur zu ändern, sondern das gesamte Gefüge der Geschichte hat sich dadurch verändert, in Teilen auch die Handlung, da die Figur sich als weniger naive Person anders verhält, was wiederum Folgen für den Fortlauf der Geschichte hat. Und das zieht sich durch bis zum Ende und hat dann eben auch Konsequenzen für Handlung, Spannungsbogen und ihr neues Verhalten wirkt auch wieder auf das Verhalten der anderen Figuren, die darauf anders reagieren.

[Stefanie]

Hier hat eine sehr erfolgreiche deutsche Autorin mal gezeigt, wieviel die Lektorin in ihrem Manuskript anmerkt.

http://blog.petra-schier.de/2014/06/24/kein-gutes-buch-ohne-lektorat/

[Belfort]

@ Stefanie: Danke, sehr interessant! das ist ja doch noch eine Menge, wobei die Änderungen nachvollziehbar sind und den Text einfach noch straffer und besser lesbar machen.

Es beruhigt mich, dass man selbst bei einer renommierten Rowohlt Autorin noch Wortdoppelungen oder etwas holprige Stellen in ihrem Ursprungsmanuskript findet. Nach den ewigen kritischen Anmerkungen der Agenten hatte ich mittlerweile den Eindruck gewonnen, ein Manuskript müsse von vornherein nahezu perfekt sein.