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Leonce&Lena in Darmstadt: Eine Annäherung


 
 
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Klemens_Fitte
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Beitrag26.03.2015 12:57

von Klemens_Fitte
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Leonce&Lena – Der Annäherung zweiter Teil

Schön war's.









*

Nein, keine Sorge, ein ausführlicher Bericht folgt, sobald ich meine Eindrücke geordnet habe. Zuvor wollte ich mich aber noch bei Sun Wukong und crim für ihre Beiträge, die viel mehr sind als bloße Ergänzungen, bedanken: Vielen Dank.


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nebenfluss
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Beitrag26.03.2015 14:29

von nebenfluss
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Boah klasse, Klemens smile
 Mensch, du machst es aber auch spannend!
Bedenk bitte bei deinem Bericht, dass die meisten von uns keine Berliner sind und mit der Struktur des dortigen ÖPNV wenig Erfahrung haben. Du musst also für uns Ortsfremde ganz genau erklären, was dort für Fallstricke lauern. Gerne auch wieder mit kleinen überraschenden Anekdoten gewürzt, aus dem Leben, wie's so spielt. mit. einem.

@crim: Am amüsantesten fand ich diese Stelle:
Zitat:
noch während die liest, als hätte er mich gerochen, und ich muss sagen, das hätte schon sein können.

Ich hab's kommen sehen und musste doch lachen. Das sind mir die liebsten (mit Vorfreude).

@Sun Wukong: Auch dir ein Dankeschön.
auch für die PN. Antwort kommt noch.


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Mardii
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Beitrag26.03.2015 19:02

von Mardii
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Hui, was ein informativer Thread, und das im Trash.

Ich freue mich sehr für David, er hat etwas unterm Hut. Smile


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Klemens_Fitte
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Beitrag27.03.2015 12:26

von Klemens_Fitte
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Leonce&Lena – der Annäherung zweiter Teil

Ich kann es ja offen sagen: Es gab drei Gründe für mich, nach Darmstadt zu fahren. Einmal, um bekannte und längst liebgewonnene Gesichter zu sehen; dann, um einen Autor, den ich bis dato nur aus dem Forum kannte oder aus dem, was mir von Dritten über ihn erzählt worden war, zu unterstützen – auch wenn ich mir kein klares Bild davon machen konnte, wie eine solche Unterstützung überhaupt aussehen sollte. Der dritte Grund aber – und es klingt albern und kleingeistig, sobald man es offen sagt – war, all meine Vorurteile zu erneuern, die ich gegen den sogenannten Literaturbetrieb habe und derentwegen ich mich bisher damit begnügt habe, an der Scheibe zu stehen und Grimassen zu schneiden.

Um es kurz zu machen: Der Autor, den ich unterstützen wollte, hat gewonnen und der Tag hielt wertvolle Begegnungen für mich bereit; ich kann mir also einreden, mein Vorhaben sei in allen drei Punkten von Erfolg gekrönt gewesen.

Ich möchte nicht über mein Verhältnis oder Nichtverhältnis zur sogenannten Literaturszene schreiben, davon nicht den Platz vereinnahmen lassen, der eigentlich David zusteht – und dennoch kann ich nicht abstreiten, dass zumindest ein kleiner Teil der Gänsehaut, des Staunens, der – in Ermangelung eines weniger riskanten Wortes – Ergriffenheit, die ich auch am Mittwoch wieder bei seinem Vortrag spürte, meinem Eindruck geschuldet war, da rüttele einer mit Worten an den Kulissen und dünnen Bretterwänden der sogenannten Literaturszene. Wo Andere ihre Lyrik vortragen, die eine Gebrauchslyrik ist, eine, die gemacht ist, um Juroren zu gefallen und Kritiker zu Rezensionen anzuregen, wo Andere in ihrem Vortrag, in der Art, wie sie ihre Gedichte sehen und lesen, von Rückmeldungen aus qualifiziertem Mund abhängig sind, sich ständig rückversichern wollen, ob das ankomme, gelinge, antwortet David auf die Frage aus dem Publikum, weshalb er seine Gedichte frei vortrage: er könne sie nun einmal auswendig, und da sei ihm die Idee gekommen, daraus ein Markenzeichen zu machen. Und wo Andere derart im Sprachduktus der sogenannten Literaturszene, in der alles nur Material für Podiumsdiskussionen ist, auch die Werke anderer Lyriker nur dazu taugen, als Einstiegspunkt in eine Podiumsdiskussion zu dienen, wo Andere also derart darin gefangen sind, dass sie schon auf die Frage, warum sie ihre Notizen handschriftlich anfertigten, antworten, ein handgeschriebener Zettel eröffne ihnen einen Raum, gebe den Ideen einen Ort vor – da antwortet David, er notiere alles in seinem iPhone, denn handschriftliche Notizen habe er immer verlegt, und es sei ärgerlich gewesen, wenn dann die Ideen für seine Gedichte verlorengegangen seien. Und damit ist alles gesagt.

Und dann … dann stellt er sich ans Pult, trägt vor, und man glaubt ihm. Man glaubt ihm vor allem, dass nichts, was zuvor ge- und zerredet wurde, irgendeine Bedeutung hat. Und wenn der Applaus dann dreimal so lang ist wie bei der sogenannten Konkurrenz, die keine Konkurrenz ist, dann kann man sich einreden, diese Tatsache rühre aus einem erlösenden Gefühl: da ist etwas, das braucht keine Moderation und keinen Veranstalter, der leise Zeichen gibt, man müsse zum Ende kommen, um innerhalb des zeitlichen Rahmens mit Weinglas am Tresen Nichtgespräche über Literatur führen zu können. Da ist etwas, das mag Kritiken und Rezensionen und Diskussionen anregen – aber es braucht sie nicht, um sich eine Daseinsberechtigung zu sichern.

Am Sonntag, in der Nachlese, las ich, Davids eher konventionell angelegte Gedichte hätten sich im Wettbewerb gegen Werke durchgesetzt, die formelle und inhaltliche Wagnisse eingegangen seien, und schon die Auswahl der Autoren, denen der Blogger »weitere viel spannende Lyrik« bescheinigt, zeigt mir, dass sich sein Verständnis von Wagnissen grundlegend von meinem unterscheidet; denn die Wagnisse, die ich bei den fraglichen Autoren fand, waren nur Wagnisse im engen Rahmen der sogenannten Literatur-, Juroren- und Podiumsszene, sie besaßen zumeist keine innere Notwendigkeit, sondern erschöpften sich in einer anderen Konvention, nämlich der Konvention des nur quasi-literarischen Gebrauchs.

Ich muss dieses erlösende Gefühl, oder anders: diesen beruhigenden Gedanken, noch einmal fassen; es gibt auch in der sogenannten Literaturszene Platz für Literatur. Natürlich wird sie, die sogenannte Literaturszene, es sich nicht nehmen lassen, im Rahmen ihrer Möglichkeiten über Literatur zu reden, sich mit vielleicht nicht fremden, aber doch fremderworbenen Federn zu schmücken, und sie wird das mit der ihr eigenen Ignoranz tun, wird sich nicht entblöden, mit großem Gestus Selbstverständlichkeiten von sich zu geben, von ästhetischen Risiken zu sprechen und davon, dass die Qualität dieser Gedichte einer intensiven Beschäftigung mit Lyrik geschuldet sei – nur erlauben Davids Gedichte die beruhigende Gewissheit, davon nicht angetastet zu werden.

Wenn es in der sogenannten Literaturszene Platz für Literatur gibt, dann ist damit leider noch nicht gesagt, es gebe auch Platz für Literaten. Auch da lassen meine Eindrücke aus zwei Veranstaltungen Hoffnung aufkommen, sicher nicht für einen wie mich, aber für David. Das ist dann vielleicht der beste Grund, hingegangen zu sein, denkt man sich, wenn man eine solche Veranstaltung wie die Literaturwerkstatt Berlin verlässt, die in ihrer läppischen Organisation und Durchführung eigentlich nur Ernüchterung erzeugen würde, dann bei einem ebenso ernüchternden Prenzlberger Italiener sitzt und einem Autor gegenüber, dem – während am Nebentisch Rückversicherung und »Ich schreibe auch Lyrik«-Ranwanzen sich die Hände reichen – beim Gedanken einer Klopapier-App die Lachtränen in die Augen schießen.

Und dann kann man nachts wieder schlafen, auch wenn leider noch kein Lyrikband neben dem Kopfkissen liegt, von dem man sich sicher ist: er wird auch die sogenannte Literaturszene überdauern.

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Rübenach
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Beitrag27.03.2015 13:37

von Rübenach
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Chapeau! Vehement auf den Punkt gebracht. Wie heißt es auf Forendeutsch: gerne gelesen, sehr gerne sogar.

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nebenfluss
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Beitrag27.03.2015 15:07

von nebenfluss
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Klemens_Fitte hat Folgendes geschrieben:
und derentwegen ich mich bisher damit begnügt habe, an der Scheibe zu stehen und Grimassen zu schneiden.

sehr schön Daumen hoch
Zitat:
Wo Andere ihre Lyrik vortragen, die eine Gebrauchslyrik ist, eine, die gemacht ist, um Juroren zu gefallen und Kritiker zu Rezensionen anzuregen, wo Andere in ihrem Vortrag, in der Art, wie sie ihre Gedichte sehen und lesen, von Rückmeldungen aus qualifiziertem Mund abhängig sind, sich ständig rückversichern wollen, ob das ankomme, gelinge,

und das erst. Oder nein: Nennen wir es nicht schön (gefällig), sondern scharf beobachtet und extrem konzentriert verwortet. Denn genau darum geht es ja.
Das resoniert in mir, ist einer der seltenen Fälle, in denen ein Außenstehender ausdrückt, was ich ... fühle?, aber so konkret noch nicht gedacht oder geäußert habe. Mir fällt nun ein, dass ich mich in verschiedenen Vorträgen über diese scheinbar unmotivierten Kopfdrehungen Richtung Jury gewundert habe. Durch deine Erklärung ergibt das Sinn - auch wenn es einer ist, für den man den Täter gerne an der Frisur packen und seinen Blick wieder aufs eigene nichtbeginnende Werk lenken würde. (Freilich laufe ich gerade Gefahr, selbst durch's verdammt dünne Eis zu brechen Wink )
Besonders gekitzelt hat mich die provokante Verwendung des Begriffs "Gebrauchslyrik", der mich zunächst an das denken ließ, was man in den Dachschrägen der Stuttgarter Verkehrsbetriebe findet, der mich dann kontextuell aber sehr überzeugt hat.
Zitat:
Und wo Andere derart im Sprachduktus der sogenannten Literaturszene, in der alles nur Material für Podiumsdiskussionen ist, auch die Werke anderer Lyriker nur dazu taugen, als Einstiegspunkt in eine Podiumsdiskussion zu dienen, wo Andere also derart darin gefangen sind, dass sie schon auf die Frage, warum sie ihre Notizen handschriftlich anfertigten, antworten, ein handgeschriebener Zettel eröffne ihnen einen Raum, gebe den Ideen einen Ort vor

Im (hoffentlich nicht über-ambitionierten) Bemühen um eine unbestechliche Lesart frage ich mich, ob du hier nicht übers Ziel hinausschießt. Denn da liegt ja der Vorwurf auf der Lauer, der "Sprachduktus der sogenannten(!) Literaturszene" sei nichts weiter als Attitüde, und wer ihn bedient, nicht wahrhaftig. Mir kommt es ein wenig so vor, als wolltest du durch diese Gnadenlosigkeit Davids (über jeden Zweifel erhabene) Authentizität erhöhend abgrenzen, was ja gar nicht nötig ist.
Ich denke, man sollte das Werk eines Autors am Werk beurteilen (was du ja kurz darauf auch tust). Dazu gehört für mich eine Verschriftlichung - was z. B. so aussehen kann, dass David auf seinem Neuseeland-Blog * von der Suche nach "Resonanzräumen" spricht und sie mit Resonanzkörpern eines Musikinstruments vergleicht. Das bestätigt zwar, was du forderst, denn der Raum wird spezifiziert und befreit sich damit aus der Enge einer intellektuellen Sprachhülse (bzw. war nie dort drin), aber in der Nachdenklichkeit des Schreibtisches ** wurde ihm eben auch die nötige Zeit zugestanden. Auf einer Bühne eine Atmosphäre (einen Raum) dafür zu schaffen (in bidirektionaler Hinsicht: zu erschaffen und zu meistern), ist extrem schwierig, und ich würde jemandem, der dort von einem Stück Papier als einem "Raum" spricht, der "Ideen vorgegeben wird", nicht unterstellen, er könne auf Nachfrage nur weiteres Jurysprech von sich geben.
Ich weiß, das steht nicht wirklich im Widerspruch, aber muss es ja auch nicht. Danke jedenfalls für diesen Beitrag, der mich auch im folgenden immer wieder zu solchen eigenen Überlegungen inspiriert hat, und dem ich insgesamt sehr zustimme.

Ich musste z. B. auch noch mal an diesen seltsamen Drawert-Satz denken ("Poesie verträgt keine Themen"), der sich bei mir festgefressen hat (und der, klar, auch mündlich geäußert war, aber mit der Prämissenhaftigkeit und Selbstverständlichkeit des "denke und sage ich immer wieder, warum richtet man sich nicht danach?"). Nachdem crim mittags meinte, das sei ja inhaltsleer, darüber könne man nicht diskutieren, habe ich nachgedacht, ob ich da was aus dem Kontext gerissen habe. Nein. Wenn man diesen Satz so sagt, wie Drawert ihn sagt (siehe oben), dann muss er für sich stehen können. Ansonsten ist er ein Beleg für das, was du hier beschreibst und kritisierst.  

Im Trash hat's natürlich längst nichts mehr verloren - macht nichts. Glückwunsch zur Richtungsänderung. An der Überfälligkeit dessen, was ich (hobbes?) hier eigentlich erwartet hatte - also einen Erfahrungsbericht mit dem Titel "Was geschieht, wenn man sich in der Berliner Bahn beim Verzehr tierischer Produkte erwischen lässt" - ändert das natürlich nichts.
Aber vielleicht ist dafür hier wirklich der falsche Raum.

* um meinem Ruf als Marketingprofi gerecht zu werden.

** EDIT: Nachdenklichkeit hinterm Schreibtisch Wink


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Rheinsberg
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Beitrag27.03.2015 16:53

von Rheinsberg
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Einen ganz besonderen Dank auch von mir an Dich, Klemens - so bekomme ich doch aus der Ferne einen gewissen Eindruck. Ich wäre so gerne selbst dort gewesen.
Diesmal finde ich das Ergebnis so einer Preisverleihung mal richtig gut. Ich bin sonst auch eher skeptisch, manches, wenn ich es lese, wundert mich doch sehr. Aber es gibt hier im Forum so ein paar Lyriker, die ich Lyrik-Ignorantin hoch schätze, und es ist schön, wenn einer von ihnen dann Anerkennung auch außerhalb findet.
Und dieser Text hier ist schon wieder ein besonderes Stückchen.


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Beitrag27.03.2015 17:29

von Literättin
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Klemens_Fitte hat Folgendes geschrieben:
Leonce&Lena – der Annäherung zweiter Teil

Ich möchte nicht über mein Verhältnis oder Nichtverhältnis zur sogenannten Literaturszene schreiben, davon nicht den Platz vereinnahmen lassen, der eigentlich David zusteht – und dennoch kann ich nicht abstreiten, dass zumindest ein kleiner Teil der Gänsehaut, des Staunens, der – in Ermangelung eines weniger riskanten Wortes – Ergriffenheit, die ich auch am Mittwoch wieder bei seinem Vortrag spürte, meinem Eindruck geschuldet war, da rüttele einer mit Worten an den Kulissen und dünnen Bretterwänden der sogenannten Literaturszene. Wo Andere ihre Lyrik vortragen, die eine Gebrauchslyrik ist, eine, die gemacht ist, um Juroren zu gefallen und Kritiker zu Rezensionen anzuregen, wo Andere in ihrem Vortrag, in der Art, wie sie ihre Gedichte sehen und lesen, von Rückmeldungen aus qualifiziertem Mund abhängig sind, sich ständig rückversichern wollen, ob das ankomme, gelinge, antwortet David auf die Frage aus dem Publikum, weshalb er seine Gedichte frei vortrage: er könne sie nun einmal auswendig, und da sei ihm die Idee gekommen, daraus ein Markenzeichen zu machen. Und wo Andere derart im Sprachduktus der sogenannten Literaturszene, in der alles nur Material für Podiumsdiskussionen ist, auch die Werke anderer Lyriker nur dazu taugen, als Einstiegspunkt in eine Podiumsdiskussion zu dienen, wo Andere also derart darin gefangen sind, dass sie schon auf die Frage, warum sie ihre Notizen handschriftlich anfertigten, antworten, ein handgeschriebener Zettel eröffne ihnen einen Raum, gebe den Ideen einen Ort vor – da antwortet David, er notiere alles in seinem iPhone, denn handschriftliche Notizen habe er immer verlegt, und es sei ärgerlich gewesen, wenn dann die Ideen für seine Gedichte verlorengegangen seien. Und damit ist alles gesagt.


Am Sonntag, in der Nachlese, las ich, Davids eher konventionell angelegte Gedichte hätten sich im Wettbewerb gegen Werke durchgesetzt, die formelle und inhaltliche Wagnisse eingegangen seien, und schon die Auswahl der Autoren, denen der Blogger »weitere viel spannende Lyrik« bescheinigt, zeigt mir, dass sich sein Verständnis von Wagnissen grundlegend von meinem unterscheidet; denn die Wagnisse, die ich bei den fraglichen Autoren fand, waren nur Wagnisse im engen Rahmen der sogenannten Literatur-, Juroren- und Podiumsszene, sie besaßen zumeist keine innere Notwendigkeit, sondern erschöpften sich in einer anderen Konvention, nämlich der Konvention des nur quasi-literarischen Gebrauchs.




Ich muss zugeben: beim ersten Teil war ich noch dabei. Hier, in der Nachlese, irritiert mich dann aber doch die aversive intellektuelle  Säbelfechterei gegen die anderen Wettbewerbsteilnehmer, die Jury (und mag sie auch fürchterlich im Jargon Herumdrechseln) und den "Literaturbetrieb an sich".

Ich habe mir einige andere Werke per Audio angehört und fand sie nicht verachtenswert. Und auch wenn ich den Diskussionen der Jury (ebenfalls per Audio) nicht wirklich länger als zwei Minuten folgen mochte, so würde ich nicht meine Sympathie für Davids Werk und Vortrag benutzen,  um "den ganzen Rest der Veranstaltung" gleich intellektuell in die Tonne zu kloppen.

Dem link oben bin ich jedoch gerne gefolgt und habe erleichtert den O-Ton des Gewinners selbst gelesen, denn der scheint das Ganze eher rheinisch gelassen zu nehmen, ohne irgendjemand oder irgendetwas "an sich" zu diskreditieren oder Platzverweise zu erteilen.
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BlueNote
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Beitrag27.03.2015 17:37

von BlueNote
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Zitat:

Ich muss zugeben: beim ersten Teil war ich noch dabei. Hier, in der Nachlese, irritiert mich dann aber doch die aversive intellektuelle  Säbelfechterei gegen die anderen Wettbewerbsteilnehmer, die Jury (und mag sie auch fürchterlich im Jargon Herumdrechseln) und den "Literaturbetrieb an sich".

Sehe ich auch so! Der Rest der literarischen Welt sind doch nicht alles nur Deppen! Teil 1 aber war sehr unterhaltsam.
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Klemens_Fitte
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Beitrag27.03.2015 18:13

von Klemens_Fitte
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Oh, da gibt's ja doch schon einige Rückmeldungen. Ich gehe einfach mal der Reihe nach vor.

@Rübenach:
Vielen Dank.

@nebenfluss:
nebenfluss hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Und wo Andere derart im Sprachduktus der sogenannten Literaturszene, in der alles nur Material für Podiumsdiskussionen ist, auch die Werke anderer Lyriker nur dazu taugen, als Einstiegspunkt in eine Podiumsdiskussion zu dienen, wo Andere also derart darin gefangen sind, dass sie schon auf die Frage, warum sie ihre Notizen handschriftlich anfertigten, antworten, ein handgeschriebener Zettel eröffne ihnen einen Raum, gebe den Ideen einen Ort vor

Im (hoffentlich nicht über-ambitionierten) Bemühen um eine unbestechliche Lesart frage ich mich, ob du hier nicht übers Ziel hinausschießt. Denn da liegt ja der Vorwurf auf der Lauer, der "Sprachduktus der sogenannten(!) Literaturszene" sei nichts weiter als Attitüde, und wer ihn bedient, nicht wahrhaftig. Mir kommt es ein wenig so vor, als wolltest du durch diese Gnadenlosigkeit Davids (über jeden Zweifel erhabene) Authentizität erhöhend abgrenzen, was ja gar nicht nötig ist.


Ich denke auch nicht, dass man den Gegensatz überbetonen muss, aber er hat sich für mich eben am Mittwoch noch einmal bestätigt. Ich würde auch den beiden Autorinnen nicht vorwerfen, in ihren Antworten nicht um Wahrhaftigkeit bemüht gewesen zu sein. Es ist aber ein Effekt dieser Sprache, dass sie, was in ihr gesagt wird, auch wenn es noch so ehrlich ist, entwertet oder nur als Angelhaken benutzt, weil es ihr weniger um Wahrhaftigkeit, als um Wirkung geht.

nebenfluss hat Folgendes geschrieben:
Ich denke, man sollte das Werk eines Autors am Werk beurteilen


Keine Frage. Und ich habe zumindest in den Gedichten einer der beiden Autorinnen, die ich am Mittwoch nochmals hören durfte, sehr vieles gefunden, das mich anspricht und mir gefällt; es deckt sich nur nicht mit dem, was in der folgenden Frage- und Antwortrunde von ihr geäußert wurde, was ich, wie gesagt, weniger ihr vorwerfe, als vielmehr diesem Literaturszenensprech. Du gibst ja das Beispiel mit dem Drawert-Satz (wobei ich jetzt gedacht hätte, dass den dieser Koneffke geäußert hatte – aber da sieht man's ja: es macht im Endeffekt keinen Unterschied).

Und natürlich ist das hier nur ein kurzer Abriss, übermäßig zugespitzt; man könnte da sehr lange und kontrovers drüber diskutieren, aber das Forensprech gebietet, alles kurz moderativ zusammenzufassen und dann zum nächsten Thema überzuleiten.

@Rheinsberg:
Wie gesagt, auch den Gedichten der beiden Preisträgerinnen kann ich einiges abgewinnen, zumindest in der gedruckten Form; und insgesamt kann ich mich der Entscheidung der Jury anschließen, nicht nur deshalb, weil David gewonnen hat.

@Literättin und BlueNote:
Die Aversion kann ich nicht leugnen, die war in beiden Fällen – am Samstag noch mehr, da waren es ja ca. 120 Gedichte mit 11 anschließenden Diskussionen – vorhanden, und ich wollte nicht davor zurückschrecken, diesen Empfindungen nachzuspüren, auch auf die Gefahr hin, dass es dann halt weniger kuschelig-unterhaltsam wird.
Verachtung geht mir allerdings zu weit. Ich bin mir natürlich dessen bewusst, dass dieser zweite Teil mehr über die Bitterkeit und die
Klemens_Fitte hat Folgendes geschrieben:
albern(en) und kleingeistig(en) Vorurteile
seines Autors verrät, als über die eigentliche Veranstaltung oder die vorgetragene Lyrik. Dass ich damit weder euren Leseerwartungen, noch eurem ethischen Kompass genüge, ist schade, aber leider nicht zu ändern. Dann freut es mich zumindest, mit dem ersten Teil einen Text geschrieben zu haben, der eurem Geschmack und euren Ansprüchen an einen solchen Bericht entspricht. Obwohl ich da natürlich ein direktes Vorbild hatte und somit auch wieder keine Meriten einheimsen kann.

Vielen Dank für die Kommentare.


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Nordlicht
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Beitrag27.03.2015 18:55

von Nordlicht
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Bei dem Wettpinkeln sehe ich wieder mal meine Vorurteile gegen völlig verkopfte, selbsterklärte literarische/lyrische Platzhirsche bestätigt Rolling Eyes

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Beitrag27.03.2015 19:17

von Akiragirl
Antworten mit Zitat

Nordlicht hat Folgendes geschrieben:
Bei dem Wettpinkeln sehe ich wieder mal meine Vorurteile gegen völlig verkopfte, selbsterklärte literarische/lyrische Platzhirsche bestätigt Rolling Eyes

Reagiere da bloß nicht mehr drauf, David. Steh einfach drüber, das ist doch echt zu doof ....


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Beitrag27.03.2015 19:25

von nebenfluss
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@Nordlicht:
Ich war allerdings gerade sehr versucht, dem Ames mal unter die Nase zu reiben, dass dies
Zitat:
will ich Deine Rückmeldung, lieber David, nicht so stehen lassen, weil dann der Eindruck aufkäme, Frank würde missgünstig gegen eine vom aussterben bedrohte Schreibart eindreschen, wie auf eine kleine süße Robbe. Davon kann nicht die Rede sein!

von unfreiwilliger Komik ist, denn eben, lieber Konstantin: Von einem solchen Eindruck kann überhaupt nicht die Rede sein - du konstruierst ihn nämlich höchstpersönlich aus diesem Konjunktiv heraus, um deine eigenen, lieber Konstantin, ätzenden Taschentuch-Subversitäten zu legitimieren. Du, lieber Konstantin, bist nämlich gekommen, um die Schonzeit zu beenden. Du eskalierst unnötig und erfüllst somit deine eigene Prophezeiung.
Aber nein, ich halte die Finger still. David muss sich schon selbst verteidigen, oder - vielleicht wenigstens das ein guter Tipp vom lieben Konstantin - es einfach unkommentiert lassen.
Ich hab ja das dsfo, um mir den Frust von der Seele zu schreiben Rolling Eyes

@Klemens:
Was "das Forensprech gebietet", kümmert mich ja bekanntermaßen nicht allzu sehr. Aber da ich nicht annehme, dass du den Text an irgendein Feuilleton schicken möchtest, müssen wir von mir aus nicht vom Hölzchen aufs Stöckchen kommen.


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Beitrag27.03.2015 20:06

von Mettbrötchen
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Ich habe da auf facebook so drauf geantwortet:
Zitat:
Ich muss mich jetzt eigentlich bedanken. Jetzt weiß ich endlich, wie ich meinen ersten Band nennen werde: "Lyrik für's Taschentuch". Mit dem Titel wird das weggehen wie warme Semmel. Wenn ich dann noch einen Werbedeal mit Tempo und/oder einem Zwiebelbauern hinbekomme, wird das richtig fett.


Danke euch übrigens für diesen schönen Thread. Bin sehr gerührt smile


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Beitrag29.03.2015 14:01

von Eredor
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Nebenfluss hat Folgendes geschrieben:
du konstruierst ihn nämlich höchstpersönlich aus diesem Konjunktiv heraus, um deine eigenen, lieber Konstantin, ätzenden Taschentuch-Subversitäten zu legitimieren


 Exclamation

Wer nur mal fünf Minuten in der Nähe vom Ames gesessen ist, der weiß, was für ein Typ das ist. Er, genauso wie Walter-Fabian Schmid (der sich nicht mal die Kritik der Jury anhören konnte und auf beleidigten Künstler gemacht hat)...die beiden haben sich total in ihrer Kunst verloren und können wollen nicht einsehen, dass gute Lyrik auch ohne die Sprachkritik, und ohne das künstlerisch abgehobene existieren kann. Ich finde die beiden furchtbar schrecklich, weil sie genau die Sparte an, um Brinkmann zu zitieren, "viehlologischer" Selbstverliebtheit bedienen, die sie selbst kritisieren. Wenn Ames und Schmid die Gedichte der Zukunft sind, will ich keine Gedichte mehr lesen.

Über Levin Westermann lässt sich streiten, ich fand den ziemlich überragend. Leider war sein Vortrag sehr schwach (wie einige andere Vorträge), und die Jury hat seine Texte nur teilweise für gut befunden. Lieber hätte ich seine Texte genommen und ihn anstelle von der Kampmann für den Förderpreis dotiert.
Aber so ein Wettbewerb ist natürlich immer auch ein subjektiver Wettbewerb, das hat man bei einigen Kritiken schon gemerkt.

Soviel von mir,

Danke Klemens für die tolle Zusammenfassung,

Dennis


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Beitrag29.03.2015 14:23

von fancy
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Lieber David,

zu dem Geplänkel passen Auszüge aus Oscar Wildes Vorwort zu 'Das Bildnis des Dorian Grey', die ich dir hier einmal einstelle:

... Wer hässliche Absichten in schönen Dingen entdeckt, ist verdorben, ohne liebenswürdig zu sein. Das ist ein Fehler. ...

... Das sind die Auserwählten, für die schöne Dinge nichts als Schönheit bedeuten.  ...

.... Meinungsverschiedenheiten über ein Kunstwerk beweisen, dass das Werk neu, komplex und lebensnotwendig ist. ...

... Wenn die Kritiker uneins sind, befindet sich der Künstler im Einklang mit sich selber. ...

An diesen Weisheiten hat sich bis heute nichts geändert.

Liebe Grüße

fancy


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Don't start doing things, just do them. Fang nicht an, Dinge zu tun, tu sie einfach! (Me)
Wer wenig denkt, irrt viel (Leonardo da Vinci)
Meinungsverschiedenheiten über ein Kunstwerk beweisen, dass das Werk neu, komplex und lebenswichtig ist. (Oscar Wilde)
Wenn Kritiker uneins sind, befindet sich der Künstler im Einklang mit sich selbst. (Oscar Wilde)

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Mettbrötchen
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Beitrag29.03.2015 16:37

von Mettbrötchen
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Zitat:
Die beiden haben sich total in ihrer Kunst verloren und können wollen nicht einsehen, dass gute Lyrik auch ohne die Sprachkritik, und ohne das künstlerisch abgehobene existieren kann. Ich finde die beiden furchtbar schrecklich, weil sie genau die Sparte an, um Brinkmann zu zitieren, "viehlologischer" Selbstverliebtheit bedienen, die sie selbst kritisieren.


Obwohl die privat durchaus sympathisch sind, vor allem der Walter. Ich kriege das jetzt auch gerade nicht so richtig zusammen.


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I read somewhere how important it is in life not necessarily to be strong... but to feel strong.
(Christopher McCandless
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Eulenbaum
Klammeraffe
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Beiträge: 867



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Beitrag06.04.2015 10:40

von Eulenbaum
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Eredor hat Folgendes geschrieben:
dass gute Lyrik auch ohne die Sprachkritik, und ohne das künstlerisch abgehobene existieren kann.


Hallo Dennis,

ich ziehe hier mal das kurze Stück aus Deinem Beitrag. Ich kann so etwas ganz schwer lesen (und weiß gleichzeitig, daß dein Beitrag noch weitergeht).

Ich kann so etwas ganz schwer lesen aus verschiedenen Gründen.

Einer ist: Ich mag Paul Celans Gedichte.

Ich denke, Du meinst nicht mit dem, was Du oben schreibst, daß ein Gedicht/Text eingängig im Sinne von "leicht verständlich" sein muß, um gute Lyrik zu sein.

Aber oft wird gerade den nicht so leicht eingängigen Texten künstlerische Abgehobenheit vorgeworfen.

Es stehenzulassen, daß das Gedicht nicht leicht oder sogar überhaupt nicht verständlich, eingängig ist, aber dann trotzdem etwas auslöst/auslösen kann (z.B.), fällt vielen Menschen/Lesern schwer.

Schwer zugängliche Texte von selbstverliebtem Konstruieren zu unterscheiden bzw. unterscheiden zu wollen - eine solche vorsichtige Haltung allein reicht aus, damit sich Gedichte verschließen.

Fancy zitiert oben Oscar Wilde:
Zitat:
Wer hässliche Absichten in schönen Dingen entdeckt, ist verdorben, ohne liebenswürdig zu sein. Das ist ein Fehler.


Dabei gibt es dieses selbstverliebtes Konstruieren; eine unlautere Haltung des Autors kann man das nennen.

Daß es das gibt, Autoren, die die Texte nicht wegen der Texte schreiben, sondern um etwas Geniales (ect.) ... also sich ... darzustellen, macht mißtrauisch. So könnte man sagen.

Aber vielleicht machen störrische Texte auch mißtrauisch, weil sie sich dem Verständnis ganz oder teilweise entziehen.

Ich mag Paul Celans Gedichte. Das ist u.a. ein Grund für mein Engagement hier im thread für schwer zugängliche Texte, die bisweilen, selbst wenn sie Klassiker sind wie die Texte Celans, den Stempel "künstlerisch abgehoben" bekommen.

Gruß (an den Lyriker Dennis *mit Verbeugung - Lyrik ist ja schon ein nicht wirklich von vielen geachetes Feld*),
Eulenbaum
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Eulenbaum
Klammeraffe
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Beitrag06.04.2015 11:03

von Eulenbaum
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Mettbrötchen hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Die beiden haben sich total in ihrer Kunst verloren und können wollen nicht einsehen, dass gute Lyrik auch ohne die Sprachkritik, und ohne das künstlerisch abgehobene existieren kann. Ich finde die beiden furchtbar schrecklich, weil sie genau die Sparte an, um Brinkmann zu zitieren, "viehlologischer" Selbstverliebtheit bedienen, die sie selbst kritisieren.


Obwohl die privat durchaus sympathisch sind, vor allem der Walter. Ich kriege das jetzt auch gerade nicht so richtig zusammen.


Hallo David,

manche Dinge muß man so stehen lassen, man kriegt sie nicht zusammen.

Ein Wettbewerb, den man gewonnen hat, dazu mit so viel Wohlwollen der Jury, ist wohl manchmal trotzdem nicht nur einfach "schön".

Ich wünsche Dir, daß er Dir trotzdem vor allem weiter Auftrieb gibt für Deinen Weg.

Gruß,
Eulenbaum
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Klemens_Fitte
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Beitrag06.04.2015 11:08

von Klemens_Fitte
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Hallo Eulenbaum.

Ich bin zwar nicht Dennis, aber ich markiere mal das für mich wichtige Wort in seinem Satz.

Eredor hat Folgendes geschrieben:
dass gute Lyrik auch ohne die Sprachkritik, und ohne das künstlerisch abgehobene existieren kann.


Liest man die Einlassungen bspw. eines Konstantin Ames, dann scheint es hier einen entgegengesetzten Dünkel zu geben, nämlich gegen alles, das seine Auseinandersetzung mit Sprache und Sprachkritik und eher akademischen Fragestellungen nicht vordergründig auslebt oder zum eigentlichen Thema der lyrischen Herangehensweise macht, sondern auch in eine nicht nur kopfmäßig zu erfassende und nicht nur in ironischer Haltung zu goutierende Sprache übersetzt; dass auch diese Lyrik funktioniert, und zwar nicht, weil sie an den Taschentuchfaktor appelliert, sondern weil sie eine eigene Sprache und eine eigene "innere Notwendigkeit" (ich habe immer noch keinen besseren Ausdruck dafür gefunden) besitzt, das glaubt einer wie Konstantin Ames eben nicht. Muss er ja auch nicht. Ich glaube andererseits auch nicht, dass ein Celan der intuitiven Wirkung seiner Gedichte derart misstrauisch gegenüberstand, dass er sie ständig durch die Betonung einer ironischen Brechung persiflieren musste. Mit der Komplexität des lyrischen Gehalts oder der Zugänglichkeit oder Unzugänglichkeit des Gesagten hat es, glaube ich, nicht so viel zu tun wie mit eben dieser Haltung, die sich stets in die ironische oder "akademische" Distanz retten muss, um sich nicht die Blöße des gefürchteten Taschentuchfaktors zu geben.

Das als Gedanken eines Lyriklaien.

Gruß,
Klemens


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»Es ist illusionär, Schreiben als etwas anderes zu sehen als den Versuch zur extremen Individualisierung.« (Karl Heinz Bohrer)
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Eulenbaum
Klammeraffe
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Beitrag06.04.2015 12:13

von Eulenbaum
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Hallo Klemens,

danke für Deine Antwort,
die ein wirkliches und nötiges Gegengewicht zu meinem Beitrag bildet.

Ich habe ja betont, daß ich so eine Formulierung schwer lesen kann, daß ich, trotzdem da noch mehr drumrumstand, auf dieses "Herausgerissene" antworte.

"Trotzdem" war mein Beitrag einseitig. Ich finde es, ja, schön, wie Du meinem Beitrag antwortest, weil es "die andere Seite" zeigt, die genauso problematisch ist und meinem "gekippten Beitrag" ein Gegegewicht gibt.

Lyriker unter sich sind (wohl) oft nicht zimperlich.

Dazu noch die Infragestellung von verschiedener Seite von "Nichtlyrikern", von Leuten, die keinen Bezug zu Literatur haben, aber trotzdem etwas Vernichtendes zu Lyrik sagen (wollen? müssen?) bis hin zu Leuten, die das Richtige (nämlich eben nicht Lyrik!) schreiben und sich über den Elfenbeinturm der Lyriker/Künstler genüßlich unterhalten und das "Unverständliche" auf der Zunge zergehen lassen, um es hinterher auszuspucken. Oder so ähnlich.

Irgendwo, mitten in diesen verschiedenen "Glaubenskämpfen", kämpfen sich Texte hindurch, die "bleiben".

Zwischen diesen Glaubenskämpfen wird "trotzdem" geschrieben, wachsen trotzdem Lyriker heran - und bleiben Lyriker.

Du schreibst, Du bist Lyriklaie, Du triffst aber in Deiner Antwort einen für mich wichtigen Punkt.

Zitat:
dass auch diese Lyrik funktioniert, [...] weil sie eine eigene Sprache und eine eigene "innere Notwendigkeit" (ich habe immer noch keinen besseren Ausdruck dafür gefunden) besitzt, [...]

 Ich glaube andererseits auch nicht, dass ein Celan der intuitiven Wirkung seiner Gedichte derart misstrauisch gegenüberstand, dass er sie ständig durch die Betonung einer ironischen Brechung persiflieren musste. Mit der Komplexität des lyrischen Gehalts oder der Zugänglichkeit oder Unzugänglichkeit des Gesagten hat es, glaube ich, nicht so viel zu tun wie mit eben dieser Haltung, die sich stets in die ironische oder "akademische" Distanz retten muss, um sich nicht die Blöße des gefürchteten Taschentuchfaktors zu geben


Wunderbar!

Gruß,
Eulenbaum
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Christof Lais Sperl
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Der silberne Roboter


Beitrag25.05.2015 11:48
Bart
von Christof Lais Sperl
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Ab vom Streit um des Kaisers Bart, dies ist ein wichtiger und kraftvoller Text. Er bietet, was der Leser sich wünscht und erzeugt "flow". Jedenfalls bei mir. Inhaltlich kann ich schlecht mitreden, da kennen sich andere besser aus. Aber eine Annäherung an diejenigen, die nicht in die Diskussion involviert sind, bietet der Text fernab aller akademischen Finessen einiges an Lesevergnügen. Und das sollte jeder gute Text leisten. LG  CLS

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