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Anfänger fängt an sich zu fangen


 
 
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Bluthund
Erklärbär
B


Beiträge: 2



B
Beitrag17.01.2015 22:53
Anfänger fängt an sich zu fangen
von Bluthund
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Hallo Schriftsteller,
mit dem langfristigen Ziel, den Schreiber in mir kennen zu lernen, habe ich ihn erstmal unverbindlich zum Kaffe eingeladen, um es etwas metaphorisch auszudrücken. Der Text, der dabei rausgekommen ist, will mal der Anfang des ersten Kapitels eines Romans werden und dazu braucht er wahrscheinlich noch etwas Entwicklungszeit. Vor allem weiß ich nicht, ob das Stilmittel, bei dem der Erzähler thematisch total abschweift, um die gedankliche Expansion des Protagonisten in eine Traumwelt zu symbolisieren, vielleicht etwas zu gewagt oder einfach falsch umgesetzt ist (Textstelle kursiv). Auch sonst habe ich irgendwie das Gefühl, es liest sich irgendwie ungewöhnlich. Aber ohne weiteres Gerede, hier mein Output:

Das Pfefferglas

Zuerst sah er nur einen grellen Streifen in der Farbe seiner Zimmerdecke, der verschwand als er seine Augen hastig wieder zu kniff. Nachdem er seine Hoffnungen, der Wecker würde Ruhe geben, wenn er ihn nur lange genug ignoriere, aufgegeben hatte, wälzte er sich genervt über die linke Schulter aus seiner Bettdecke und schleuderte seine rechte Hand aus der Drehung heraus auf den „SNOOZE“-Button. Bäuchlings auf seiner Matraze und froh darüber, dass die geliebte Stille wieder eingekehrt war, holte er entspannt Luft und versuchte, den Schlafzustand noch einen Moment beizubehalten, was ihm jedoch an diesem, wie an zahlreichen anderen Morgenden auch, nicht gelingen wollte. In den nächsten Sekunden würde sein Bewusstsein endgültig aufwachen und alles Wesentliche würde wieder real. Sein Name war Ryan, es war der 25. Mai und wenn er nicht bald aufstehe habe das negative Konsequenzen. Das war ihm erstmal genug Erkenntnis. Ryan drehte sich  auf die Seite und begann erneut, seine Augen zu öffnen. Vom immernoch zu hellen Schein seiner Lampe erleuchtet wirkten der Raum und seine Farben viel stärker - fast schon aggressiv auf seine Netzhaut. Warum hatte er seine große Stehlampe nur an eine Schaltuhr angeschlossen? War dieser schreckliche Ton des Weckers nicht schon schlimm genug? Musste diese akustische Brutaltät, mit der er geweckt wurde, noch durch ein optisches Finale perfektioniert werden? Eigentlich waren Schaltuhren ja absolut keine schlechte Erfindung, elektronische Geräte nach einem Zeitplan zu aktivieren – die Idee war nicht schlecht und für Jalousien oder Fernseher ist ein automatischer Mechanismus, der deren Prozesse regelt ohne Zweifel nützlich und jenseits jeder Kritik. Gerade in dem Moment, in dem er darüber nachzudenken begann, ob man eine Schaltuhr an eine weitere Schaltuhr koppeln kann, erklang das grässliche Piepsen seines Weckers erneut und riss ihn gnadenlos aus seinen abscheifenden Gedanken, wobei er erschrak und er seine Augen auffriss, die anscheinend erneut zugefallen waren. Reflexartig schoss seine Hand in die Richtung seiner Kommode, wo sie, gehetzt nach dem „SNOOZE“-Button tastend, erst eine leere Tasse, dann eine kupfernde Engelsfigur und schließlich den Wecker hinunterstieß. Es half alles nichts. Von dem Gedanken motiviert, heute Abend wieder ins Bett zu gehen, hievte er sich hoch, stand auf, taumelte zu seinem Kleiderschrank, holte wahllos ein paar Sachen heraus und zog sich an; aber nicht ohne vorher noch über das Stromkabel seines Weckers zu stolpern, welches darauf unsanft aus der Steckdose gerissen wurde. Fertig angezogen griff er nach seiner Haarbürste und schaute in den Spiegel, wo ihm ein 14-jähriger, relativ kleiner Mensch mit zerzausten, braunen Haaren und verschlafenen Augen entgegenblickte. Halbherzig kämmte er seine Frisur in eine gewollte Richtung, bis sie schließlich einer Mischung aus linkem Seitenscheitel und verwüstetem Maisfeld ähnelte. So sah das alles viel zu gewollt aus! Dachte Ryan, warf die Bürste auf die Kommode, wütete wild mit beiden Händen über seinen Kopf, strich die Haare wieder etwas glatter, betrachtete sich erneut im Spiegel und grinste. Perfekt.
Er verließ das Zimmer und ging die Treppe hinab in die Küche, wo er Käthe begegnete. Sie grüßte ihn wahrscheinlich knapp wie immer und sagte etwas von Uhrzeit und Schulbus. „Morgen.“, entgegnete Ryan und machte sich geistesabwesend am Kühlschrank zu schaffen, während einige Wortfetzen, die bei ihm ankamen, mutmaßlich seine Haare kritisierten. Routiniert griff er nach dem Brot mit der linken und dem groben Leberwurstaufstrich mit der rechten Hand, stieß mit dem Knie den Kühlschrank zu und ließ die Brotscheibe auf den bereitgestellten Teller fallen. Immernoch mit der allmorgentlichen Stimme im Ohr holte er  sich ohne hinzusehen ein Schmiermesser aus der immer gleichen Schublade und verteilte mit einer über Jahre perfektionierten Handbewegung den Aufstrich gleichmäßig genug auf seinem Brot. Ebenso beiläufig öffnete er den Gewürzschrank, fasste an die Stelle, wo seit jeher der Pfeffer stand, packte den Streuer und verteilte das Pulver schwungvoll auf dem Aufstrich. Schnell fiel ihm auf, dass der Pfeffer nicht wie Pfeffer aussah und nach einem kurzen Blick auf das Etikett entpuppte er sich als Zimt. „Verdammt!“, murrte Ryan und hielt einen Moment inne. „Achja und ich habe den Gewürzschrank umsortiert.“, hörte er aus Käthes Richtung, „Das Salz brauchen wir sowieso viel öfter, deshalb habe ich es nach ganz rechts gestellt und die anderen Sachen einen Platz aufrücken lassen. Ich glaube das ist so besser für uns alle. Bitte stell den Zimt wieder dahin wo er hingehört, wenn du mit ihm fertig bist! Apropos, Leberwurst mit Zimt schmeckt glaube ich nicht so gut.“. Gestresst drehte er sich um und sah ihr ins gewohnt übertrieben herausgeputzte Gesicht. „Danke für den Hinweis! Das hatte ich ganz vergessen.“, sagte er mit trockener Stimme. „Wie kann man sowas vergessen?“ fragte sie, worauf Ryan sich wortlos umdrehte, das Brot einpackte, den Zimt zurückstellte, seine Schultasche nahm und das Haus verließ. Es war ihm immer wieder unheimlich zu bemerken, wie angepasst er an diesen eigentlich so verhassten Ordnungsfimmel war, auch wenn es nur um die Position eines Pfefferglases ging.

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G.T.
Geschlecht:männlichKlammeraffe
G

Alter: 38
Beiträge: 680



G
Beitrag17.01.2015 23:20

von G.T.
Antworten mit Zitat

Hallo und Willkommen!

Dann hau ich direkt mal meine Eindrücke raus: Was mich schon in den ersten Sätzen deines Textes stutzig macht, ist die Fülle an überflüssigen Beschreibungen.
Zitat:
Zuerst sah er nur einen grellen Streifen in der Farbe seiner Zimmerdecke, der verschwand als er seine Augen hastig wieder zu kniff. (überflüssig, weil es nur aussagt, dass der Prota nichts mehr sieht, wenn er die Augen schließt - das ist logisch. Vorschlag: ... und kniff die Augen wieder zu) Nachdem er seine Hoffnungen, der Wecker würde Ruhe geben, wenn er ihn nur lange genug ignoriere, aufgegeben hatte, wälzte er sich genervt über die linke Schulter aus seiner Bettdecke und schleuderte seine rechte Hand aus der Drehung heraus auf den „SNOOZE“-Button. (Was ist daran wichtig, mit welcher Schulter er sich wälzt und mit welcher Hand er draufhaut? Trau dich, so etwas wegzulassen und setz dafür mehr auf Handlung und Stimmung der Situation - eine linke Schulter trägt nichts zu einer bestimmten Stimmung bei. Das fällt mir übrigens auch häufig bei Romanen auf, wo ich mich immer wieder frage, was daran wichtig ist, dass der Prota die Kaffeetasse mit der rechten Hand nimmt - es ist doch sch***egal, außer wenn die rechte Hand eine ganz bestimmte Bedeutung für die Geschichte hat. Etwas weiter unten steht bei dir auch der ähnliche Satz: "Routiniert griff er nach dem Brot mit der linken und dem groben Leberwurstaufstrich mit der rechten Hand, stieß mit dem Knie den Kühlschrank zu und ließ die Brotscheibe auf den bereitgestellten Teller fallen. " So auch hier. Ich bin ein Leser, der sowas gar nicht mag. Vorschlag: ... aus seiner Bettdecke und schlug schwungvoll auf den Snooze-Button) Bäuchlings auf seiner Matraze (auch wieder eine völlig bedeutungslose Info) und froh darüber, dass die geliebte Stille wieder eingekehrt war, holte er entspannt Luft und versuchte, den Schlafzustand noch einen Moment beizubehalten, was ihm jedoch an diesem, wie an zahlreichen anderen Morgenden auch, nicht gelingen wollte. In den nächsten Sekunden würde sein Bewusstsein endgültig aufwachen und alles Wesentliche würde wieder real. Sein Name war Ryan, es war der 25. Mai und wenn er nicht bald aufstehe (aufstehen würde oder (klingt aber gehoben) aufstünde) habe (hätte) das negative Konsequenzen. Das war ihm erstmal genug Erkenntnis. Ryan drehte sich auf die Seite und begann erneut, seine Augen zu öffnen. (öffnete seine Augen) Vom immernoch zu hellen Schein seiner Lampe erleuchtet wirkten der Raum und seine Farben viel stärker - fast schon aggressiv auf seine Netzhaut.

Wohldosiert kann ein zu viel an Beschreibung als stilistisches Mittel sinnvoll sein, um etwas wie in Zeitlupe oder sehr verdichtet darzustellen. Aber hier erkenne ich keinen Sinn hinter den genauesten Beschreibungen, sie halten mehr auf - und sind auf jeden Fall zu viele!
Ich geh das mal nicht im Einzelnen durch, das kannst du selber als gute Übung - streichen, was das Zeug hält.
Ich finde es auf jeden Fall überfrachtet. Und offengestanden auch den Satz mit "Sein Name war Ryan" etc. Wenn ich aufwache muss ich mich nie fragen, wie ich heiße. Das Sich-bewusst-machen von wesentlichen Infos zu sich selbst erinnert mich hier eher an den Zustand eines Epileptikers nach einem Anfall, der sich mühsam wieder an alles erinnern muss. Es wirkt, als sollten die Infos über den Prota in den Text gepresst werden.
Ich würde gerne mehr zu Ryan erfahren, schildere doch besser, wie er die Welt wahrnimmt, anstatt jedes Körperteil, mit dem er etwas ausführt, anzuführen. Übrigens gerät durch deine Genauigkeit meiner Meinung nach auch das Wesentliche am Text verloren: Die Routiniertheit. Das Aufwachprozedere ist etwas, das Ryan jeden Morgen so durchmacht, aber durch die genaue Beschreibung wirkt es viel zu "bewusst", zu präzise, als würde Ryan sich in einer außergewöhnlichen Situation befinden.
Würde mich über eine Überarbeitung freuen. Und vielleicht wäre es gut, mit so etwas wie einer Kurzgeschichte anzufangen? Direkt das erste Kapitel eines Romans schreiben zu wollen, ist sehr hochgesteckt. Ich rate dir, dein Sprachgefühl erstmal in kürzeren Texten zu üben. Mach aus dem Kapitel zum Beispiel eine Kurzgeschichte, in der du auf wenig Raum versuchst, eine genaue Charakterisierung von Ryan zu erzeugen. Im Moment wirkt er noch sehr blass. Junge, der aufsteht. Mehr lese ich da leider nicht.

Viele Grüße!         G.T.
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Lynn
Geschlecht:weiblichErklärbär
L

Alter: 31
Beiträge: 1
Wohnort: FFM


L
Beitrag18.01.2015 00:09

von Lynn
Antworten mit Zitat

Ich bin auch neu hier und hoffe mal, dass ich mich an deinem Text versuchen darf Smile

Ich werde versuchen mich nicht zu wiederholen.

Zitat:
Nachdem er seine Hoffnungen, der Wecker würde Ruhe geben, wenn er ihn nur lange genug ignoriere, aufgegeben hatte, wälzte er sich genervt über die linke Schulter aus seiner Bettdecke und schleuderte seine rechte Hand aus der Drehung heraus auf den „SNOOZE“-Button. Bäuchlings auf seiner Matraze und froh darüber, dass die geliebte Stille wieder eingekehrt war, holte er entspannt Luft und versuchte, den Schlafzustand noch einen Moment beizubehalten, was ihm jedoch an diesem, wie an zahlreichen anderen Morgenden auch, nicht gelingen wollte.

Das sind nur zwei viel zu lange Sätze. Lass den Leser ein bisschen Luft holen und steck all die Infos nicht in zwei lange Sätze.

Zitat:
Sein Name war Ryan, es war der 25. Mai und wenn er nicht bald aufstehe habe das negative Konsequenzen
Eine Androhung von Konsequenzen, die zumindest bei mir absolut nichts hervorruft. Das könnte alles sein. Er könnte seine Bahn verpassen oder gefeuert werden oder oder oder oder. Ich würde es spezifischer machen.

Zitat:
Sie grüßte ihn wahrscheinlich knapp wie immer und sagte etwas von Uhrzeit und Schulbus. „Morgen.“, entgegnete Ryan und machte sich geistesabwesend am Kühlschrank zu schaffen, während einige Wortfetzen, die bei ihm ankamen, mutmaßlich seine Haare kritisierten.
Gibt es irgendeinen Grund, warum er nicht zuhört? Irgendwie finde ich das unlogisch, auch wenn seine Gedanken vielbeschäftig scheinen.

Zitat:
„Achja und ich habe den Gewürzschrank umsortiert.“, hörte er aus Käthes Richtung, „Das
Nicht Punkt und Komma in der Wörtlichen Rede und das "das" wird kleingeschrieben.

Ich finde auch, das es eindeutig zu viele Beschreibungen sind. Das mit dem routinierten Herausholen des Frühstückes fand ich zwar gut, aber ansonsten zu viel. Ist es denn wirklich so wichtig, wie er sich die Haare macht? Oder was genau auf seinem Nachttisch steht?

Ich würde da auch einiges kürzen und umschreiben. Dass du dich nur noch an Kurzgeschichten versuchen darfst, finde ich jetzt nicht unbedingt, denn auch an einem Roman kann man lernen. Aber ja, der Anfang sollte doch noch einmal von dir überdacht werden.

Liebe Grüße
Lynn [/quote]
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Magnus Soter
Geschlecht:männlichEselsohr

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Beiträge: 284



Beitrag18.01.2015 03:24

von Magnus Soter
Antworten mit Zitat

Lynn hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
„Achja und ich habe den Gewürzschrank umsortiert.“, hörte er aus Käthes Richtung, „Das
Nicht Punkt und Komma in der Wörtlichen Rede und das "das" wird kleingeschrieben.

Einspruch! Hinter "Richtung" gehört ein Punkt und "Das" bleibt groß.


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gold
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Beitrag18.01.2015 09:15

von gold
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hallo Bluthund,

teilweise musste ich über die Beschreibung des Ryan schmunzeln, diese Tollpatschigkeit erinnert mich ein bisschen an die Prota meines Romans.
Ich kann die Kritikpunkte der vorhergehenden Kommentatoren unterschreiben. Auch den Punkt, dass es nicht wichtig ist, dass er über die rechte oder linke Schulter aus dem Bett rollt - das hört sich eher an wie eine Beschreibung einer Gymnastikübung -. Laughing

Aber ich habe deinen Text trotzdem gern gelesen!

Liebe Grüße
Gold

Und: Ryan ist nicht allein, er hat noch eine Mitstreiterin namens Edgy. Laughing


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Bluthund
Erklärbär
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Beiträge: 2



B
Beitrag18.01.2015 14:15

von Bluthund
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Erstmal danke an alle. Ich versuche mal die einzelnen Kritikpunkte aufzuzählen und mich dazu zu äußern:

1.Zu genaue und viele beschreibungen
Die Geschichte mit der linken Schulter und dem rechten Arm mag stimmen. Meine Intention dahinter war, den Akt des Wecker-Ausmachens extrem verschlafen und lustlos darzustellen, diesen Effekt zu erzielen bediente ich mich der Beschreibung einer solchen Gesten mit genau dieser unmotivierten Wirkung. Ich habe absichtlich auf Formulierungen verzichtet wie "er war müde" oder "er hatte keine Lust", weil ich es schöner finde, wenn der Film, der im Kopf des Lesers abgespielt wird, auf genau diese Stimmung schließen lässt, statt das die Attitüde eingfach namentlich genannt wird. Ähnlich war es bei der Kühlschrank-Szene gedacht. Die bewegungen sollten mechanisch vorprogrammiert, ja fast ,,robotermäßig" wirken und ein klar definiertes Bild im Kopf des Lesers erzeugen.

2.Bewusstsein wiederfinden beim aufwachen
Es geht weniger darum, woran er sich wieder erinnert, sondern eher um die etwas seltsam rüberkommenden Dingen, die ihm nach dem Aufwachen aus dem Traum als erstes als wichtig erscheinen. Aber du hast recht, das wirkt hier tatsächlich etwas wie ein Komapatient.

3.Nichts wird über den Charakter klar
Was man, wie ich dachte, nach dem Lesen des Textes über den Jungen wissen kann war:
-sehr verträumt (siehe omnipräsente Geistesabwesenheit)
-fast depressiv (von dem Gedanken motiviert, am Abend wieder ins Bett zu gehen, aufzustehen ist wohl kaum eine positive Lebenseinstellung.)
-gleichgültig (wahllose Klamotten, Hass auf Ordnungsfimmel)
-Abneigung gegen seine Mutter (Es war so gedacht, das man erkennt, das Käthe seine Mutter ist und man sich wundert, warum sie es nicht mal wert ist, als diese identifiziert zu werden, geschweige denn dass man ihr zuhört.)



Scheinbar habe ich diesen Intentionen nicht gerecht werden können. Danke nochmal für die Antworten.
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PraetoriusCC
Geschlecht:weiblichWortedrechsler

Alter: 52
Beiträge: 94



Beitrag18.01.2015 18:22

von PraetoriusCC
Antworten mit Zitat

Hallo Bluthund,

Die Intention des Autors ist nicht nur uninteressant, wenn er ihr nicht gerecht wird und sie erklären muss. Sie ist ohnehin uninteressant. Die Geschichte soll interessant sein, und darin geht es nicht um Deine Intention, sondern um die Helden und die Handlung.

Deine Intention sei also nicht, einen sehr verträumten, gleichgültigen, fast depressiven Jungen mit Abneigung gegen seine Mutter und einem Hass auf Ordnungsfimmel darzustellen (was dazu geführt hat, dass Du Dich in Redundanz und heilloser Adjektivitis verloren hast), sondern Deinen Blick für die wichtigen Details zu schärfen. Und damit das keine abstrakte Korinthenkackerei bleibt, werde ich Dir umgehend zeigen, was ich meine - indem ich nachvollziehbar mache, was bei mir Leser angekommen ist und warum.

Guck:

Zitat:
Halbherzig kämmte er seine Frisur in eine gewollte Richtung, bis sie schließlich einer Mischung aus linkem Seitenscheitel und verwüstetem Maisfeld ähnelte. So sah das alles viel zu gewollt aus! Dachte Ryan, warf die Bürste auf die Kommode, wütete wild mit beiden Händen über seinen Kopf, strich die Haare wieder etwas glatter, betrachtete sich erneut im Spiegel und grinste. Perfekt.
  

Diese Szene ist wichtig, da sie den Helden auf ganz ungekünstelte und glaubhafte Weise beim Agieren zeigt und ihm so die Gelegenheit gibt, mir etwas über sein Wesen zu verraten. Nachdem ich vorher einen ganz normalen morgenmuffelig herumklüngelnden Teenager sah (und dazu noch sehr genau hinsehen musste, denn viel deutlicher spürte ich die Erzählmühe und Erklärwut des unsicheren Autors, der mir das einfache Hinsehen noch nicht zutraut), erwacht hier plötzlich der Held zum Leben und offenbart mir, dass er a) auf sympathische Art eitel ist, b) genau weiß, wann er sein Aussehen für perfekt hält und wie er das ganz schnell hinkriegt und c) jetzt wach ist und optimistisch mit perfekter Frisur dem neuen Tag entgegentritt.

So, jetzt bist Du dran. Du wolltest einen depressiven Helden, und dann das. Wie konnte das passieren? Ich sag Dir, was ich denke: Hier kommt einfach die erste wichtige (Geschichten-)Wahrheit ans Licht. Die zweite kommt auch bald und passt wunderbar dazu, pass auf:

Zitat:
„Achja, und ich habe den Gewürzschrank umsortiert“, hörte er aus Käthes Richtung. „Das Salz brauchen wir sowieso viel öfter, deshalb habe ich es nach ganz rechts gestellt und die anderen Sachen einen Platz aufrücken lassen. Ich glaube, das ist so besser für uns alle. Bitte stell den Zimt wieder dahin, wo er hingehört, wenn du mit ihm fertig bist! Apropos, Leberwurst mit Zimt schmeckt glaube ich nicht so gut.“

Dass der Held den Zimt statt des Pfeffers nimmt, ist wichtig, weil Käthe daraufhin diesen Satz sagt. Diese Käthe ist schon gruselig. Sie sortiert den Gewürzschrank um (was ja noch vertretbar wäre), aber dann verbreitet sie sich im Nachhinein ellenlang darüber und begründet ihre still und einsam (in der Nacht zuvor?) vollbrachte Tat damit, es sei so besser für uns alle. Meine Güte. Das ist ... brrr. Aber noch gruseliger ist, dass sie offenbar glaubt, er habe wirklich den Zimt nehmen wollen, aber wahrscheinlich gar nicht mitbekommen hat, dass er ihn bereits über seine Leberwurst gestreut hatte. Dieser Apropos-Satz klingt ja nicht, als wolle sie ihn ärgern, runterputzen oder necken. Er klingt, als wolle sie ihm noch einen Hinweis dazu geben, was besser für uns alle sein könnte.

Ryan tut, was sie sagt, äußert sich nicht weiter zu dem Vorfall und verlässt das Haus. Ich Leser weiß jetzt, dass dieser Junge mit einer Frau zusammenlebt, die psychotische Züge aufweist (dass sie seine Mutter ist, weiß ich hingegen noch nicht), dass er daran gewöhnt ist, obwohl es ihn nicht kaltlässt (trockene Stimme), und dass er trotzdem (noch) ein ganz normaler Teenager ist. Wenn ich freiwillig weiterdenke, kann mir z. B. einfallen, wie viel schwerer das schon für ihn geworden sein muss, seit er kein Kind mehr ist und solch ein Verhalten bewusster vergleichen und so auch differenzierter wahrnehmen und bewerten kann. Aber ich will jetzt nur zu dem denken, was dasteht - meine Gedanken seien Dein Anschauungsmaterial.

Sieh Dir Deinen Helden an: Er wünscht sich Ordnung und Methode, nur nicht so, wie Käthe sie betreibt. Er hat (bzw. zeigt in diesem Kapitel) keine Abneigung gegen Käthe (falls das seine Mutter ist), sondern sieht, dass mit ihr etwas nicht stimmt, schont jedoch ihren wunden Punkt (er sagt ihr nicht, dass sie spinnt oder dass er Zimt auf der Wurst hatte). Er ist sehr aufmerksam, aber auch hilflos und gestresst, was er natürlich sein darf, denn er braucht Käthe (und liebt sie wahrscheinlich auch), aber Käthe ist zumindest schwierig (so, wie es hier steht, hat sie nicht alle Tassen im Schrank).
Ryan ist außerdem tapfer und konstruktiv, denn er freut sich über Kleinigkeiten, mag sich selbst und schafft sich Nischen, in denen er ausruhen kann. Der Konflikt, der hier angerissen wird, ist der zweier Denksysteme, die beide viel auf Struktur setzen. Ryan ist Käthe nicht unähnlich, trotzdem liegen Welten zwischen ihnen.

Okay, das hier ist eine Übung, ich wiederhole: eine Übung. Aber nichts von dem, was ich da schreibe, hab ich von irgendwo hergeholt und reininterpretiert. Das steht in Deiner Geschichte. Nicht nur für mich, sondern das steht drin. Während Du einen Jungen mit einem Hass auf Ordnungsfimmel beschreiben wolltest, hast Du einen Jungen beschrieben, der zwar nicht jede leere Tasse gleich wegräumt (und eventuell ein unordentliches Zimmer hat), aber fasziniert von den Möglichkeiten der automatischen Prozessregelung ist und die Ordnung von Käthe und in der Küche so gut kennt, dass er ihr blind vertraut und beim Zubereiten seiner Nahrung (!) nicht hinsieht.
Vielleicht willst Du jetzt einwenden, das hättest Du doch gar nicht sagen wollen, denn deine Intention wäre doch gewesen, was Du da vorher erklärt hast. Aber ich könnte wetten, dass Du Dich darüber freuen wirst, was Deine Helden trotz Deiner Unsicherheit geschafft haben. smile

Ich bin mal so frech und behaupte: Du hast nicht Deine Intention verfehlt, sondern lernst deine Geschichte jetzt erst kennen. Die Geschichte und die Figuren sind da, Du hast sie nur verschleiert. Sie müssen von all dem überflüssigen Zeug befreit werden, damit sie sich ganz leicht zeigen können und dazu weder Mühe noch Röntgenblick nötig sind. Denn wozu sollte ein Leser sich anstrengen wollen, um zu sehen, was Du geschrieben hast? Ich will mich auch nicht anstrengen und schreib das hier alles nur hin, weil es mir Freude macht.
Das überflüssige Zeug sind auf den ersten Blick tausend Schreib- und Kommafehler, Wurstsätze, verpfuschte Konjunktive und all der Form- und Stilkrempel. Aber bei genauerem Hinsehen fehlen vor allem a) Vertrauen in Deine Geschichte und b) Vertrauen in die Leser. Die musst Du schonmal vorlegen. Das Vertrauen in Dich und deine schreiberischen Fähigkeiten wird dann schon nachwachsen, das ist eine Routinefrage.

Die hohe Fehlerdichte (Rechtschreibung, Interpunktion, Grammatik) hab ich jetzt mal nicht explizit beharken wollen, aber daran musst Du natürlich noch jede Menge arbeiten. Form bestimmt Inhalt bestimmt Form – aber jetzt war es mir mehr um den Inhalt zu tun, und für eine Fehlerliste hab ich gerade keine Lust. Stattdessen hab ich deine Geschichte mal zusammengestrichen und versucht, aus deinen Worten noch mehr Leben für den Helden herauszuholen.

Was dabei überraschenderweise noch stärker nach außen wollte, war die ganz eigene Pedanterie des Jungen.


Zitat:
Das Pfefferglas

Zuerst sah er nur einen grellen Streifen in der Farbe seiner Zimmerdecke. Er wälzte sich über die linke Schulter aus der Bettdecke, schleuderte aus der Drehung heraus die rechte Hand auf den Snooze-Button und lag bäuchlings auf der Matratze, froh über die wieder eingekehrte Stille.
Warum hatte er die Stehlampe nur an eine Schaltuhr angeschlossen? War der Ton des Weckers nicht schlimm genug? Aber die Idee, elektronische Geräte und Prozesse nach einem Zeitplan zu aktivieren und zu regeln, war ohne Zweifel nützlich und jenseits jeder Kritik – nicht schlecht.

Er hievte sich hoch, stolperte über das Stromkabel seines Weckers und riss es damit aus der Steckdose, taumelte zum Kleiderschrank, holte wahllos ein paar Sachen heraus, zog sich an, griff nach seiner Haarbürste und schaute in den Spiegel.

Halbherzig kämmte er seine Frisur in eine Richtung, bis sie schließlich einem verwüsteten Maisfeld mit linkem Seitenscheitel ähnelte. So sah das alles viel zu gewollt aus, dachte Ryan, warf die Bürste auf die Kommode, wütete mit beiden Händen über seinen Kopf, strich die Haare wieder etwas glatter, betrachtete sich erneut im Spiegel und grinste. Perfekt.

Er verließ das Zimmer und ging die Treppe hinab in die Küche, wo er Käthe begegnete. Sie grüßte ihn knapp wie immer und sagte etwas von Uhrzeit und Schulbus. „Morgen“, entgegnete Ryan und machte sich am Kühlschrank zu schaffen, während Wortfetzen bei ihm ankamen.

Er griff sich das Brot und den groben Leberwurstaufstrich, stieß mit dem Knie den Kühlschrank zu und ließ die Brotscheibe auf den bereitgestellten Teller fallen. Ohne hinzusehen holte er ein Schmiermesser aus der Schublade und verteilte mit einer über die Jahre perfektionierten Handbewegung den Aufstrich auf seinem Brot. Ebenso beiläufig öffnete er den Gewürzschrank, fasste an die Stelle, wo seit jeher der Pfeffer stand, packte den Streuer und verteilte das Pulver schwungvoll auf dem Aufstrich. Schnell fiel ihm auf, dass der Pfeffer nicht wie Pfeffer aussah, und nach einem kurzen Blick auf das Etikett entpuppte er sich als Zimt. „Verdammt!“, murrte Ryan und hielt inne.

„Achja, und ich habe den Gewürzschrank umsortiert“, hörte er aus Käthes Richtung. „Das Salz brauchen wir sowieso viel öfter, deshalb habe ich es nach ganz rechts gestellt und die anderen Sachen einen Platz aufrücken lassen. Ich glaube, das ist so besser für uns alle. Bitte stell den Zimt wieder dahin, wo er hingehört, wenn du mit ihm fertig bist! Apropos, Leberwurst mit Zimt schmeckt glaube ich nicht so gut.“

Er drehte sich um und sah ihr übertrieben herausgeputztes Gesicht. „Danke für den Hinweis! Das hatte ich ganz vergessen“, sagte er mit trockener Stimme.
„Wie kann man sowas vergessen?“, fragte sie, worauf Ryan sich wortlos umdrehte, das Brot einpackte, den Zimt zurückstellte, seine Schultasche nahm und das Haus verließ.


Es ist nichts im Text, was nicht schon vorher drin war. Was ich angestellt habe, war nur eine von vielen möglichen Aktionen. Ich will Dir damit zeigen, wie viel man streichen kann, ohne dass etwas fehlt, und dass ein Text durch einfaches Streichen mehr werden kann.

Freundliche Grüße
Christine
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Magnus Soter
Geschlecht:männlichEselsohr

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Beiträge: 284



Beitrag18.01.2015 19:26

von Magnus Soter
Antworten mit Zitat

Das ist richtig gut, Christine. Du würdest es glatt fertig bringen, 300 meiner 850 Seiten zu streichen. Shocked

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Bluthund
Erklärbär
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B
Beitrag18.01.2015 20:45

von Bluthund
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Danke für die Mühe!
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