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Deutsches Schriftstellerforum Foren-Übersicht -> Antiquariat -> Zehntausend 11/2014
Fickbar

 
 
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Autor Nachricht
hexsaa
Geschlecht:weiblichReißwolf

Alter: 56
Beiträge: 1826
Wohnort: im Schneckenhaus
Ei 6 Extrem Süßes!


Beitrag02.11.2014 20:00
Fickbar
von hexsaa
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Fickbar


Was ich fühle?
Ich fühle mich leer, wie ein Haus, in dem niemand mehr wohnt, Spinnweben in jeder Ecke und Schimmel an der Wand. Die Fenster blind, eine Scheibe zersprungen. Kalte Luft weht durch die Ritzen meiner Selbstachtung. Wie dieses Haus stehe ich abseits, verborgen hinter einer Mauer aus Stein und gebe vor, nicht zu existieren. Was eine Lüge ist, denn in Wahrheit wünsche ich mir, dass mich jemand bemerkt und über die bröckelnde Fassade hinweg meinen Wert erkennt.
Ich zeige meine Gefühle nicht, die grenzenlose Leere in mir verberge ich hinter einem Lächeln und meinem untadeligen Erscheinungsbild, doch ein Makel liegt auf mir, auf meiner Seele, er ist wie ein mikroskopisches Erdbeben - man kann ihn nicht sehen, aber spüren.

Fragen:
War ich nicht perfekt? Nicht schön genug? Habe ich mich nicht gekümmert und gesorgt? Hätte ich es verhindern können? Fragen, die mich quälen und die ich zu beantworten versuche, indem ich stundenlang aus dem Fenster starre und die Menschen draußen beobachte, aufrecht sitzend, die Hände im Schoss gefaltet. Viktorianisch. Einst war ich makellos wie sie. Von tadellosem Ruf, fleißig, zuverlässig, beliebt - die Liste ließe sich endlos fortsetzen.
 
Ein Nachbar wäscht sein Auto in der Einfahrt vor seinem Haus. Das Radio läuft, nicht zu laut, er will ja nicht die friedvolle Idylle kleinstädtischer Harmonie stören. Wie zufällig schaut er zu meinem Fenster hinauf, den grünen Gartenschlauch in der Hand, aus dem noch immer das Wasser rinnt. Er sieht mich nicht, die Vorhänge verbergen meine Gestalt. Vielleicht erkennt er einen Schatten, einen Umriss hinter dem transparenten Chiffonstoff, doch das könnte alles Mögliche sein. Eine Pflanze, ein Schrank, eine Lampe. Nicht ich. Er kann mir nichts vormachen. Er belauert mich. Alle belauern mich, die Frau mit dem Makel. Ich höre sie tuscheln.
Über mich.
Eine Nachbarin kehrt die Straße. Sie ist leger gekleidet, trägt Jeans und ein einfaches, blaues Sweatshirt, ihr Haar ist ordentlich frisiert, das Gesicht geschminkt. Ich versuche mir vorzustellen, wie sie ohne Make-Up aussieht. Älter. Aber nicht schlechter. Früher habe ich das auch getan. Die Straße gekehrt. Das Haus sauber gehalten. Den Garten. Ich war stolz auf meinen Rhododendron mit den wunderschönen lila Blüten und der akkuraten Rasenfläche, die ich regelmäßig bis auf drei Zentimeter kürzte. Ja, früher war ich wie diese Frau dort unten, wie jeder hier. Jetzt weiß ich nicht einmal, welcher Tag heute ist.
Ich denke nach.
Die Zeichen deuten auf Samstag.
Ich denke über das Wort Makel nach.
Ein Makel oder Schandfleck ist ein deutlicher Hinweis auf eine Unreinheit oder eine von einer Norm abweichende Eigenschaft oder einen Fehler, die einer Sache, einem Gegenstand oder einer Person anhaftet.
Mein Fehler verbarg sich hinter einer blauen Tür, der, wenn ich sie nicht geöffnet hätte, verborgen geblieben wäre. Gelegentlich versuche ich zu ergründen, warum dieser Mann mich gedemütigt, in den Schmutz getreten, mir seine Liebe und damit meine Macht genommen hat. »Du hast dich verändert«, sagte er, als ich ihn danach fragte. Als wäre das eine Erklärung. Als würde ihn das freisprechen von seiner Schuld.

Was wäre wenn?
Wenn ich nicht durch diese Tür gegangen wäre? Wenn ich stattdessen zuhause geblieben wäre und die ganze Sache ignoriert hätte? Wäre mein Leben dann besser? Einfacher?

Rückblende:
Ich verteidige mich nicht. Ich hatte keine klare Vorstellung davon, was ich wirklich wollte. Vielleicht war es ein Impuls unbewusster Loyalität oder die Konsequenz eines dieser ironischen Zwänge, die in den Gegebenheiten der menschlichen Existenz lauern. Ich weiß es nicht. Ich kann es nicht sagen. Aber ich ging hin. Nicht weil ich musste, sondern weil ich die Ungewissheit nicht mehr ertragen konnte, das erkannte ich, während ich die Stufen hinaufstieg, den Blick auf die blaue Tür geheftet. Ich hätte den Fahrstuhl nehmen können, doch ich entschied mich für die Treppe, obwohl ich unsportlich bin und mir der Aufstieg den Atem nahm. Jede Stufe schenkte mir Zeit. Minuten, in denen ich mir einreden konnte, dass die Kreditkartenabrechnung ein Irrtum sein musste. Dass sich hinter der blauen Tür nicht das Ende meiner Ehe verbarg.
»Brigitte«, sagte er geschockt.
Ich sah an ihm vorbei auf das Bett.
Sie war jünger als ich. Schöner als ich. Und blond. Seine Sekretärin.
Die unglaubliche Banalität der Situation war demütigender als sein Betrug, gab es doch kein Klischee, das er ausgelassen hatte. Statt Zorn verspürte ich Angst, von einem Augenblick zum anderen stürzte mein Wert ins bodenlose, nur weil die beiden ihre Geschlechtsteile ineinander verhaken mussten.
Männer wollen nur das eine.
Und sie wollen es von Frauen wie dieser.
Sein Verlangen war mein Untergang. Banal. Ironisch. Lächerlich. Abstoßend. Ich weiß. Mein Selbstverständnis zerbrach. Das strahlende Bild, das ich von uns hatte, von meiner Ehe, unserem gemeinsamen Leben brach auf und offenbarte Hässliches.
Was ich tat?
Ich ersparte ihm eine Szene.
Ich gab ihn frei.

Und jetzt?
Ich stehe auf, entferne mich von dem Platz am Fenster, steige über tausend Sachen am Boden. Kisten, verkrustete Teller, Kleidungsstücke, Mülltüten. Meine Wohnung ist ein Dreckloch. Mein Blick fällt auf den Kalender an der Wand, der bereits bei meinem Einzug dort gehangen hat. Er sagt, es ist Juli, aber draußen welken die Blätter und es sind höchstens 10 Grad.
Der Sommer ist längst vergangen.
Bestandsaufnahme: Ich bin neunundvierzig Jahre alt. Ich färbe mein Haar braun. Meine Periode kommt unregelmäßig, ich schlafe schlecht. Die Wechseljahre klopfen an meine Tür (die nicht blau ist). Nächstes Jahr werde ich fünfzig. Wohin soll die Reise dann gehen? Ich brauche eine Perspektive, einen Plan, der mich über die Banalität des bloßen Seins erhebt, der meinem Leben einen Sinn gibt, es einzigartig macht.
Unvergesslich.
Ich bin alt. Und ich bin jung - kommt darauf an, aus welcher Perspektive man es betrachtet. Mein Gesicht ist ein Diagramm der Vergänglichkeit, die Falten sind die Koordinaten, sie zeigen, wo ich stehe. Ob ich noch fickbar bin.
Barfuß schleiche ich durch den Flur, weiche den Schuhen aus, den Umzugskisten, die ich irgendwann mal auspacken sollte, gehe ins Schlafzimmer. Noch mehr Kisten, drapiert um mein funkelnagelneues Bett.
Zwei Möglichkeiten:
Erstens - ich könnte einen Liebesroman lesen und mich in erotische Abenteuer träumen, von jener Art, wie ich sie nie erleben werde, denn seien wir mal ehrlich, mit 49 zeigt die fickbar Kurve steil nach unten.
Zweitens - ich könnte einen dramatischen Abgang hinlegen und mich umbringen. Ganz banal und klischeehaft, aber der Situation durchaus angemessen.
Ich lege mich auf die Matratze, nehme das »Haus der Versuchung« in die eine Hand, in die andere die Tablettenpackung. Das Buch verspricht ein prickelndes Abenteuer, romantisch und sinnlich. Die Tabletten versprechen mir Krampfanfälle, Bewusstseinseintrübung bis hin zum Koma, Atemstillstand, falls man sie überdosiert. Mein Hausarzt hat sie mir verschrieben, damit ich ihn nicht fortwährend mit meinen Problemen belästige und vom Geld verdienen abhalte.
Habe ich erwähnt, dass er geschieden ist?
Zwei Möglichkeiten ...

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femme-fatale233
Geschlecht:weiblichFüßchen

Alter: 31
Beiträge: 1913
Wohnort: München
Das Bronzene Pfand


Beitrag03.11.2014 02:13

von femme-fatale233
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Zugegeben, ich habe diesen Text als allerersten hier im Wettbewerb gelesen, weil ich neugierig war, was sich hinter diesem Titel verbirgt. Nun weiß ich nicht so recht, was ich davon halten soll, von diesem Text zwischen Süßholz und dem einen, klaren Wort ("Fickbar"). Der Titel, dieses eine Wort, ist das, was den Text kühn, mutig macht und ihn ein bisschen über das hebt, was er ist: Die Betrachtungen einer alternden Frau, die sich eben nicht fragt, ob sie noch begehrenswert ist, sondern einfach nur noch fickbar - ich mag so klare Worte ja. ABER: Der Rest der Geschichte funktioniert für mich trotzdem nicht so richtig. Warum?
1. Die Klischees - Ja, du versuchst immer wieder sie als gewollt zu markieren, indem sich deine Protagonistin darüber wundert, wie sehr die Affäre ihres Mannes doch dem Klischee entspricht. Aber nur, weil man das macht, ist das ja trotzdem noch nicht gut, weil es so unheimlich schnell erwartbar wird, was für eine Art von Geheimnis sich hinter der blauen Tür verbirgt.
2. Der Suizid-Gedanke - Da werden wir uns sicher noch streiten, über diesen Punkt. Ich kann generell schon nachvollziehen, dass diese Gedanken in so einer Situation kommen, ich kenne genug Leute diesen (und auch anderen) Alters, die in ähnlichen Situationen ähnliche Gedanken haben. Aber die Art, wie du diese Todessehnsucht hier einführst, die Worte, die deine Protagonistin benutzt, um darüber zu erzählen, wirken auf mich so wenig glaubwürdig, so konstruiert, so folienhaft. Vielleicht ist das mein Problem mit dem Text: Man spürt nichts von ihr als Figur, sondern immer nur die Sätze eines Prototypen. Es sind nicht individuelle Gedanken, die sie in dieser Situation beschäftigen, sondern die Gedanken über ihre eigene Klischeehaftigkeit - und diese Gedanken machen sie selbst wieder zum Klischee und somit für mich nicht glaubwürdig.

Da werden eigentliche alle großen Themen aufgezeigt: Sex im Alter, Allein sein im Alter, Todeswunsch usw. aber trotzdem schafft es die Geschichte für mich nicht diese so oft gelebten Biographien mit ihren Altersängsten und ihrer weiblichen Einsamkeit mit einer individuellen Geschichte zu füllen. Schade.
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Einar Inperson
Geschlecht:männlichReißwolf


Beiträge: 1675
Wohnort: Auf dem Narrenschiff


Beitrag03.11.2014 22:58

von Einar Inperson
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Hallo Mr Conrad, hallo Ms Conrad,

zwei Möglichkeiten also. Leider wird deine Figur mir nicht so vertraut, dass ich ein Gefühl dafür bekäme, dass es wirklich zwei Möglichkeiten für sie gibt. Was soll der Makel sein?

Und was sind die Alternativen. Ein romantisches, spannendes U-Buch (was an sich schon mal eine freche, witzige Idee in diesem E-Wettbewerb ist. Mein Grinsen kam von Herzen), oder Tabletten. Optionen, die der Titel verspricht, werden nicht angegangen. Ja, der Titel. Der Text gehörte aufgrund des Titel zu den Texten, die ich als erste gelesen habe. Ehrlich gesagt, habe ich den Text dahinter anders vermutet, aber das ist natürlich mein Problem. Fickbar taucht dann im Text wieder auf, wirkt aber auf mich innerhalb der Textsprache wie ein Fremdkörper.

Ich kann nur 10 Texte mit Punkten bedenken. Ob du dabei bist, werde ich mir erlesen.


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lilli.vostry
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Beitrag03.11.2014 23:00
aw:Fickbar
von lilli.vostry
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Hallo,

abgesehen vom reizvoll, mehrdeutigen Titel hat mich diese Geschichte leider wenig berührt.
Vor allem stören mich die den Erzählfluss unterbrechenden Fragen, die so deutlich hervorgehoben werden. Warum? Auch der Hinweis "Rückblende" ist m.E. nicht nötig, um das vorgegebene Zitat einzuleiten.

Die Geschichte sollte sich doch aus sich selbst erschließen, es wirkt, als vertraue der Autor ihr selbst nicht.

Ich würde den Text auch eher dem Unterhaltungsgenre zuordnen als der E-Literatur, weil er weder sprachlich noch inhaltlich einen besondern Mehrwert sprich Erkenntnisgewinn besitzt, für mich.

Nicht gut finde ich auch Plattitüden wie "Männer wollen nur das E(e)ine" - da substantiviert, Großschreibung. "Von Frauen wie dieser."
Das sind leere Behauptungen. Wie es so weit kommen konnte, dass ihr Mann sie betrügt, hätte mich mehr interessiert. Aufhorchen ließ mich der Satz: "Du hast dich verändert."
Das bezieht sich doch sicher nicht nur auf ihr Äußeres oder?!

Daher von mir nur 4 Federn.

LG,
Lilli


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crim
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Beitrag04.11.2014 09:48

von crim
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Mir gefällt die formale Aufgliederung. Das Setting und die Erzählstimme. Nicht nur der Titel, auch der Text wirkt. Gut gemacht.
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fancy
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Beitrag04.11.2014 14:45

von fancy
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Der Einstieg hat mir gut gefallen, ich war gespannt, ob sie nur alt, alt und krank oder eine Person mit einer anderen Hautfarbe ist. Aber dann war sie leider doch nur eine betrogene Ehefrau ...

Ich finde, da hättest du mehr draus machen können.


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saher
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Beitrag04.11.2014 14:50

von saher
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Nach dem ersten Lesen gestern einer meiner Favoriten. Jetzt ist er abgelöst worden. Mal sehen, ob es noch für Punkte von mir reicht (die Bewertung hat ja eben erst begonnen).

Was hat mir gefallen?
Das Alter der Frauen als gesellschftlicher Aussortierungsgrund. Erschreckend, es so schonungslos vor's Auge geklatscht zu bekommen. Deine Art zu schreiben ist sehr lebendig, sehr professionel.
Warum also gehörst du nicht zu meinen großen Favoriten?

Was mir nicht so gefallen hat?
Der Titel. Läuft es nur darauf hinaus? Im Leben? In deiner Geschichte? Nicht wirklich. Es ist immer eine verzweifelte Suche nach Gründen. Die Suche deiner Prota hat aufgehört, bei 'fickbar'. Irgendwie erscheint mir das zu platt. Da ist nichts mit neuen Wegen. Selbst der Auszug aus dem ehelichen Häuschen war eher Ab-, denn Aufbruch. Ebenso wie die Wahl, vor die sich die Prota am Ende selbst stellt: Abbruch so oder so? Nicht wirklich ein Aufbruch, wenn man nicht an nachweltliche Welten à la Astrid Lindgren glaubt... Das hat irgendwie gefehlt. Auch der Aufbruch zur blauen Tür, war doch eher ein Aufbruch zum Abbruch. Da fehlt in meinen Augen einfach etwas. Diese Art, das Ganze als Liste zu erstellen ist originell (gehört also ins 'was mir gefallen hat', aber (ja, 'aber' ist immer doof) es hemmt hier den Fluss. Denn im Gegenteil zu einem anderen Beitrag hier im Wettbewerb, ist dein Text eher so geschrieben, als solle es ein flüssiger Text sein. Es haut einen (jedenfalls mich) immer so aus der Spur, wenn du einen neuen Absatz mit dieser Art Auflistung beginnst. Es stellt mMn eine Art Countdown zum Ende dar. In durcheinander gewürfelter Reihenfolge. Das hat durchaus seinen Reiz, aber es geht so weit am Thema vorbei. Ich habe es jetzt so oft gelesen und entdecke noch immer keinen neuen Weg, keinen Aufbruch. Es ist mehr eine Chronik des Untergangs, des Endes. Sorry, keine Punkte mehr von mir.
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Merope
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Wohnort: Am Ende des Tals
Der Goldene Käse


Beitrag05.11.2014 16:46

von Merope
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Der Titel hat mich zunächst einen anderen Text erwarten lassen.
Insgesamt gefällt mir der Text: spröde, zurückhaltend.
Nur das Ende passt nicht dazu, wirkt für mich aufgesetzt.
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hobbes
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Beitrag06.11.2014 00:06

von hobbes
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Die für mich beste Stelle im Text:
Zitat:
Die Zeichen deuten auf Samstag.


Was heißt das nun? Tja.
Der Inhalt ist jetzt nicht so meins. Bisschen platt. Bisschen lahm.
Dabei nicht schlecht. Aber eben auch nicht so, dass mir danach ist, Punkte zu vergeben.
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firstoffertio
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Beitrag06.11.2014 00:48

von firstoffertio
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Dieser Text kommt unter meine ersten zehn. Genauen Platz weiß ich noch nicht, noch, ob ich Zeit zu einem ausführlicherem Kommentar finden werde.

Das ist ein interessanter Text, der etwas herausragt von den anderen. Finde jedoch schwer Zugang zu Prota.
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Constantine
Geschlecht:männlichBücherwurm


Beiträge: 3311

Goldener Sturmschaden Weltrettung in Bronze


Beitrag06.11.2014 02:44

von Constantine
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Bonjour!

Liebe/r Verfasser/in,

es ist alles rein subjektiv, aber dein Beitrag ist mMn sehr unlogisch:
- Woher weiß deine Protagonistin, wohin sie laut Conrad-Zitat hin muss? Wessen Haus/Wohnung ist das hinter der blauen Tür?

- Deine Protagonistin erwischt in einer Rückblende ihren Ehemann in flagranti mit der Sekretärin, macht keine Szene, sondern spricht ihn frei. Weiter oben sinniert sie von Demütigung, in den Schmutz getreten, seine Liebe und ihre Macht genommen und fragt ihn "Warum?" Er antwortet:"Du hast dich verändert." Als würde ihn das freisprechen von seiner Schuld. Doch sie hat ihn in besagter Situation bereits freigegeben. Das passt für mich leider nicht.

- Deine Protagonistin ist gegenwärtig eine Messi, hat aber von sich ein "untadeliges Erscheinungsbild". Etwas weiter unten meint sie über sich im Vergleich zu den Menschen draußen:"Einst war ich makellos wie sie. Von tadellosem Ruf, fleißig, zuverlässig, beliebt - die Liste ließe sich endlos fortsetzen." Diese eigentlich gegensätzliche und doch gleiche Selbstreflexion früher zu heute passt für mich leider auch nicht.
 
- Deine Protagonistin spricht von "grenzenloser Leere". Was mich in diesem Zusammenhang etwas gestört hat, war ihr Lesen romantischer Romane, die Gedanken, den Single-Arzt anzubaggern oder eine Überdosis Tabletten zu nehmen. Das man Sehnsüchte hat und diese in Form von romantischen Romanen oder möglichen Partnern zu stillen versucht, ist ok. Aber dieses "grenzenlos" ist mir zu stark.

- Der wichtigste Grund, weil er zur Aufgabenstellung gehört:
Ich finde, die Integration des Conrad-Zitats ist nicht optimal. Der Inhalt des Zitats passt mMn von der Logik her nicht zum Inhalt deiner Geschichte.


Du bist für mich leider nicht unter den zehn Texten, die Punkte bekommen: zéro point.

Merci beaucoup!

LG,
Constantine
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Lese Lina
Geschlecht:weiblichWortedrechsler

Alter: 58
Beiträge: 60
Wohnort: Teneriffa


Beitrag06.11.2014 04:51

von Lese Lina
Antworten mit Zitat

Dritte Möglichkeit: Bude aufräumen und sich dann den Hausarzt schnappen

 Smile

Liebe Grüße
Lese Lina
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Maria
Geschlecht:weiblichEvolutionsbremse

Alter: 52
Beiträge: 6000

DSFo-Sponsor Ei 1
Ei 4


Beitrag06.11.2014 16:56

von Maria
Antworten mit Zitat

Servus !

Der Titel will freilich gelesen werden. Er nimmt zwar alles vorweg, aber da ich ohnehin auf keinen Überraschungsmoment gehofft habe, ist das völlig in Ordnung und erleichtert mich sogar ein wenig. Dachte erst, es wäre aggressiv-rotzige Pop-Literatur, von der ich zZ total gelangweilt bin.

Ok. Anfangs war sie mir zu wehleidig, eine Spur nur, später kam eine Prise Zorn hinzu und da gewann der Text hinzu.
Das Zitat, jaaaa, ist in Ordnung ^^
Zitat:
Ich verteidige mich nicht. Ich hatte keine klare Vorstellung davon, was ich wirklich wollte. Vielleicht war es ein Impuls unbewusster Loyalität oder die Konsequenz eines dieser ironischen Zwänge, die in den Gegebenheiten der menschlichen Existenz lauern. Ich weiß es nicht. Ich kann es nicht sagen. Aber ich ging hin.

Für was sollte sie sich an dieser Stelle denn verteidigen? Und klar wollte sie was, du schreibst es ja selbst: die Ungewissheit loswerden. Nur wem gegenüber wäre sie loyal. Vielleicht sich selbst gegenüber, aber dazu passte mir dann die Zögerlichkeit nicht, das Dehnen der Zeit bis zum Augenblick der Wahrheit (die nimmt die Treppen z.B.) Aber hey... ^^

Sprachlich ist das ein schönes Teil; für meinen (e)Geschmack sind konkrete Erklärungen drin, ich nenne es einfach mal so, die es gar nicht braucht. Das fiel mir besonders bei der unaufgeräumten Wohnung auf. Wenn sie über einen verkrusteten Teller steigen würde, dann genügt das bereits um das Bild von „Verwahrlosung“ zu erzeugen. Denn wer lässt schon Teller verkrusten und obendrein am Boden stehen. Der Hinweis „Drecksloch“ ist damit überflüssig. Mehr Mut zur Lücke.

Punkte? Aber freilich, ich mags.

VG, Maria


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gold
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Beiträge: 4936
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DSFo-Sponsor


Beitrag06.11.2014 19:03
Re: Fickbar
von gold
Antworten mit Zitat

Guy Incognito hat Folgendes geschrieben:
Fickbar


Was ich fühle?
Ich fühle mich leer, wie ein Haus, in dem niemand mehr wohnt, Spinnweben in jeder Ecke und Schimmel an der Wand. Die Fenster blind, eine Scheibe zersprungen. Kalte Luft weht durch die Ritzen meiner Selbstachtung. Wie dieses Haus stehe ich abseits, verborgen hinter einer Mauer aus Stein und gebe vor, nicht zu existieren. Was eine Lüge ist  das Vorgeben an sich, ist keine Lüge. Daher fände ich es logischer, wenn du schreibst:  "dabei wünsche ich mir" denn in Wahrheit wünsche ich mir, dass mich jemand bemerkt und über die bröckelnde Fassade hinweg meinen Wert erkennt.



Hallo Inko,

dein Text gefällt mir gut. Besonders die Stelle:

Zitat:
Mein Gesicht ist ein Diagramm der Vergänglichkeit, die Falten sind die Koordinaten, sie zeigen, wo ich stehe. Ob ich noch fickbar bin.


hat es mir angetan. Auch der Titel "fickbar" ist originell. Aber wenn ich länger darüber nachdenke, trifft er die Aussage des Textes nicht ganz. "Fickbar" ist die Prota m.E. immer, in jeder Lage, seitdem sie geschlechtsreif ist, bzw. wahrscheinlich schon davor, eigentlich müsste es fickenswert heißen, so verstehe zumindest ich den Text, was bedeutet attraktiv genug, um den Wunsch bei A auszulösen, B zu ficken ....

Aber wie dem auch sei, trotz dieses "Makels" ( Laughing ) ist dieser Text für mich lesenswert und kommt in die engere Auswahl, ihn in die Reihe der besten zehn Geschichten dieses Wettbewerbs einzuordnen.

LG gold


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es sind die Krähen
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tronde
Klammeraffe
T


Beiträge: 522

Das goldene Aufbruchstück Das silberne Niemandsland


T
Beitrag06.11.2014 23:32

von tronde
Antworten mit Zitat

Fickbar

Die unten folgende Liste war mir Anhaltspunkt, eine Reihenfolge in die Texte zu bekommen.
Es gab nach subjektiver Einschätzung Plus- oder Minuspunkte für die Stichpunkte, am Ende noch Minuspunkte für Fehler. Grob jeweils von +2 bis -2, wobei es keine absoluten Bewertungsmaßstäbe gab, und - so befürchte ich - die Bewertung auch von den unterschiedlichen Tagen/Stimmungen abhängen könnte. Rechenfehler gehen auf meine Kappe.

Das Subjektive sei besonders bei den Punkte Neue Wege und die Frage nach dem E vorgehoben, weil ich das einerseits gar nicht bewerten will/kann, es aber hinsichtlich der Aufgabe dazugehört. Falls Du (AutorIn) dich falsch verstanden fühlst, liegt das möglicherweise an meinem fehlenden Wissen/Verständnis. Das gilt auch für alle anderen Dinge, die ich nicht wahrgenommen habe. Nachvollziehbar wäre für mich auch, wenn sich jemand ungerecht behandelt fühlen würde.

Weil es mir schwerfiel, eine Reihenfolge zu erstellen, war ich bei der Rechtschreibung, Satz recht pingelig, nur alleinige doppelte Leerzeichen haben keinen Abzug gegeben.

Bei Gleichstand unter den 10 platzierten Texten hat das Subjektive den Ausschlag gegeben.

Cut-off für die Platzierungen: ≥ 8,5

Aus Zeitgründen fallen die Kommentar nicht ausführlicher aus, sondern bestehen aus meinen kaum überarbeiteten Notizen beim Lesen der Texte. Wenn Ihr genauere Anmerkungen zu Stichpunkten haben wollt, meldet Euch. Inhaltlicher Art; Fragen zur Punktevergabe werden nicht beantwortet, weil diese subjektiv ist und auch nicht korrigiert wird.

Dieser Text steht vor allen meinen Kommentaren, beim nächsten könnt Ihr ihn überspringen.


Plus-/Minuspunkte
Neue Wege/Experimentell?: Ja, Nein, welche?
nein
0

Eigene Einstellung überprüfen, zum Nachdenken anregen, Mehrdimensionalität, Kanten?
Wert von Menschen in den Augen anderer
0,5

Zitat flüssig integriert?
ja
1

Bezug auf Loyalität (Regierung, Übergeordnet, auch Gegenüber)
nein
0

Aufbruchstellen (tatsächlich mehrere Aufbrüche/Aufbrüche an mehreren Stellen, in welchem Sinn auch immer?)
Vor dem Aufbruch am Ende des Textes
0

Einstieg
Schönes Bild
1

Idee
Verlassene Endvierzigerin sinnt über Demütigung und ihren Wert nach.
0,5

Plot (Wendung?, Schlüssig?)
psychischer Verfall. Offenes Ende.
1

Titel
tja, erstmal ein Hingucker. siehe auch Subjektiv
1

Stil
Flüssig, schöne Bilder
1

Subjektiv
Das Ordinäre sticht dann auch aus dem Text heraus, zeigt einerseits die Verletztheit der Prota, andererseits traurig, dass sich die Prota nur am Wert des sexuellen Begehrens misst. Ich wünschte der Prota eine selbstbewusstere Haltung, sie sieht die Schuld ja bei ihm (für das Fremdgehen oder auch für das Beziehungsende). Wenn der Mann wirklich nur nach dem Aussehen geht, kann sie doch froh sein, wenn sie ihn los ist, über die sonstige Beziehung zwischen den beiden erfahre ich nichts. Außer die Prota sich ihrer Macht über den Mann beraubt fühlt. Ich ahne nichts Gutes vom bisherigen Zusammenleben der beiden.
Also: Innenleben gut beschrieben, aber die Grundhaltung der Prota gefällt mir nicht
1


MinusPunkte
Schrift (Schreibfehler, Komma, Grammatik)
0


Gesamtpunkte 7
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Lapidar
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Beitrag08.11.2014 18:25

von Lapidar
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Frau in Depressionen nach Trennung/ Betrug/Scheidung vom Ehemann. Ja auch ich war da mal in dem Loch.
Gut nachvollziehbar. Das Zitat eingebaut und auch dieses Aufbrechen (in dem Fall erstmal die Ehe und dann wie gehts weiter) ist drin. ... und doch...
Vielleicht liegts an dem Wort "Fick" es kommt mir so vor, als hätte man das hier verwendet um etwas provokativ zu sein.
Aber der Pep fehlt mir ein bisschen.


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fancy
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Beitrag09.11.2014 17:05

von fancy
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Ich noch einmal.

Es ist nicht deine Schuld, wenn ich nach dem Anfang etwas anderes erwarte.
Deine Geschichte dreht sich um eine Frau, die betrogen wurde, und sich überlegt, ob sie sich deswegen und weil sie sich alt fühlt, umbringen soll.

Auf der einen Seite weiß ich, dass es sicher viele Frauen, wie deine Protagonistin gibt, auf der anderen denke ich unweigerlich, wer an die 50 und drüber ist, und so fühlt, wie du es beschreibst, der hat es meist selbst in der Hand, das zu ändern.


Liebe Grüße

fancy


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Wenn Kritiker uneins sind, befindet sich der Künstler im Einklang mit sich selbst. (Oscar Wilde)

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fancy
Geschlecht:weiblichSchmuddelkind

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Beitrag09.11.2014 17:06

von fancy
Antworten mit Zitat

Ich noch einmal.

Es ist nicht deine Schuld, wenn ich nach dem Anfang etwas anderes erwarte.
Deine Geschichte dreht sich um eine Frau, die betrogen wurde, und sich überlegt, ob sie sich deswegen und weil sie sich alt fühlt, umbringen soll.

Auf der einen Seite weiß ich, dass es sicher viele Frauen, wie deine Protagonistin gibt, auf der anderen denke ich unweigerlich, wer an die 50 und drüber ist, und so fühlt, wie du es beschreibst, der hat es meist selbst in der Hand, das zu ändern.


Liebe Grüße

fancy


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Wer wenig denkt, irrt viel (Leonardo da Vinci)
Meinungsverschiedenheiten über ein Kunstwerk beweisen, dass das Werk neu, komplex und lebenswichtig ist. (Oscar Wilde)
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Flush
Geschlecht:weiblichWortedrechsler

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Beiträge: 74



Beitrag09.11.2014 20:56

von Flush
Antworten mit Zitat

Hallo,
vielen Dank für deinen Beitrag.
Er bekommt von mir die zweitbeste Wertung, weil ich der Prot, so wie du ihre Gedankenwelt und ihr Erleben beschreibst, gut nachempfinden konnte.
Außerdem, jeder, der eine schmerzvolle Trennung hinter sich hat, versteht das Leben dieser Frau.
Mir gefällt die Verwendung des Zitates in Bezug auf "Blaubart" in Form der "blauen Tür".
Und dann:
Zitat:
Statt Zorn verspürte ich Angst, von einem Augenblick zum anderen stürzte mein Wert ins bodenlose, nur weil die beiden ihre Geschlechtsteile ineinander verhaken mussten.

Toll! Und das in einem Satz! Statt "mein Wert" hatte ich zuerst "meine Welt" gelesen... Passt aber auch. Wink
Ich hätte die Geschichte beinahe wegen des Titels nicht gelesen, und dachte, naja, was wird denn da kommen... Dann diese Überraschung. smile
"Der Makel" wäre eine weitere Titelvariante gewesen, auch wenn es nur ein empfundener Makel ist...
Der Zynismus wirkte erfrischend.
Danke für diese Geschichte.
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shatgloom
Geschlecht:weiblichEselsohr


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Beitrag09.11.2014 22:17

von shatgloom
Antworten mit Zitat

Hier ist das Thema interessant umgesetzt mit den trüben Gedanken einer betrogenen und verlassenen Frau. Man fragt sich, in welche Richtung sie aufbrechen wird.
Der Text ist flüssig geschrieben und ich habe ihn gerne gelesen.
Trotzdem wird er wohl ganz knapp nicht in meine top ten kommen,
einfach deshalb, weil ich andere Texte außergewöhnlicher finde. Trotzdem danke für die Geschichte
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nebenfluss
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Beitrag10.11.2014 00:45
Die Banalität eines jeden
von nebenfluss
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Was für ein Abtörn. Das muss wohl E sein - schon der unleckere Titel eine Warnung: Sich selbstgefällig satt zu lesen am Unglück dieser Prota ist nicht vorgesehen. Je mehr ich las, desto weniger wurde dieser Hunger gestillt, bis zum salzlosen Ende. Ich könnte mich in doppelter Hinsicht beleidigt fühlen - nicht nur sprachästhetisch, sondern auch als Mann ('Männer wollen nur das Eine Shocked und sie wollen es von Frauen wie dieser Shocked Shocked ') Ich mochte längst nicht mehr, und durfte doch nicht zum nächsten Gang übergehen. Immer wieder musste ich hierher zurück, noch einmal kosten von dem faden Zeugs, und nun werde ich mir das Steckengebliebene aus dem Hals schaffen.

Diese Frau bräuchte Hilfe, das wird schnell klar – sie benennt es nach wenigen Sätzen selbst
Guy Incognito hat Folgendes geschrieben:
in Wahrheit wünsche ich mir, dass mich jemand bemerkt und über die bröckelnde Fassade hinweg meinen Wert erkennt.

und lockt mich beim Erstlesen in den trügerischen Glauben, ich könne ihren Wert erkennen. Also mühe ich mich brav die Fassade hinauf. Ja, wirklich, typisch E - statt mir in knappen U-Sätzen zu erzählen, wie hübsch, selbstbewusst, klug und sexy die Prota ist (und dass sie nur diesen kleinen Makel hat, der sie und die Geschichte aber noch interessanter macht, der da wäre …), soll ich mir alles selbst zusammensuchen.

Klar, man hätte es vorhersehen können: Die Prota, aus der 'grenzenlosen Leere' cry hmm ihres Ichs heraus, kann mir über ihren (Liebens-)Wert nichts erzählen, da sie ihn selbst nicht kennt. Stattdessen fällt mir eine Fähigkeit auf, oder wird sie mir nur vorgegaukelt - der distanzierte, schonungslose, streckenweise analytische Tonfall; der Versuch einer Gliederung der Gedanken. Die Prota ist einer Wahrheit auf der Spur. In der Auseinandersetzung damit (wie verhält sich ihre Wahrheit zu meiner?) finde ich doch noch (m)eine Faszination für diesen Text.

Der Schlüssel, denke ich nun, liegt nicht in ihrem Wert, sondern in ihrem Makel. Deutlich zeigt die Erzählerin auf das relevante Ereignis, die Aufbruchstelle, szs den Moment, als die Waschmittelreklame für eine wichtige Durchsage pausieren musste. Dennoch bleibt mir dieser Punkt zunächst unklar: Ist es, ganz handfest, der Beginn der "Unbemanntheit"? Ihr Schuldanteil an der Scheidung, zu dem sie sich mit Fragen quält? Ist es, abstrakter, dieser Wahrheitsdrang selbst, das Wesen der Dinge zu entlarven und damit das umgebende auf Fassade bedachte Spießertum vor den Kopf zu stoßen? Oder besteht der Makel in der depressiven Disposition, die wahrscheinlich (von der Denke der Prota abweichend) in dem Ehebruch nur ein Ventil gefunden hat?
Für all das lassen sich Belege finden, ist aber für das Begreifen dieser Passage nicht konkret genug:
Zitat:
Die unglaubliche Banalität der Situation war demütigender als sein Betrug, gab es doch kein Klischee, das er ausgelassen hatte. Statt Zorn verspürte ich Angst, von einem Augenblick zum anderen stürzte mein Wert ins bodenlose, nur weil die beiden ihre Geschlechtsteile ineinander verhaken mussten.

In einer einzigen unfreiwilligen Originalität ist für die Prota die Affäre ihres Gatten per se nicht das Kernproblem, wird doch dieses 'Verhaken' mit keinerlei Sinnlichkeit assoziiert. Sie teilt mit 'diesem Mann' (!) keine erotische Intimität, die sich lohnen würde, sie anderen zu missgönnen. Die kleinbürgerliche Einfallslosigkeit, die ich Leser einfach als lächerlich und damit verzeihbar abtue, ist für diese Frau die zentrale Katastrophe: ihre Ohnmacht. Nach der Enttäuschung, hinter der blauen Tür wieder nichts von ihm geboten zu bekommen, was einen Gefühlsausbruch wert wäre, kann sie den Makel des Unspezifischen, ihrer umfassenden Lieb-, Lust- und Leidenschaftslosigkeit nicht mehr leugnen.
Er dagegen besitzt bescheidene, aber echte Macht (über sich und andere), die er in effektiver, spielerischer Leichtigkeit nutzt: ein bisschen Blümchensex mit dem Fleisch gewordenen Diktiergerät, und seine Welt ist wieder in Ordnung.
So bequem, so banal-einfach hätte es die Prota auch gern mal. Sie zieht aus, bleibt aber im Milieu. Ein ebenfalls geschiedener Arzt scheint brauchbar als Sekretärinnenäquivalent: Ihm kann sie ihre Probleme diktieren, er muss ihr schon von Berufs wegen die Illusion einer Besonderheit zurückgeben; von ihm möchte sie als nächstes geliebt werden, ohne selbst lieben zu müssen. Doch das einzige, was sie von ihm in ihr funkelnagelneues Bett mitnimmt, ist eine Packung Antidepressiva.
Man kann nur mutmaßen, was die Prota erlebt hat, während der Sommer in den Herbst überging; ob diese Phase unter Einfluss oder in Verweigerung der Medikamente durchstanden wurde. Ob es die Nebenwirkungen der Psychopharmaka oder ein Selbsthass sind, die sie den eigenen Wert nur noch an ihrem Körper und dem angeblich bevorstehenden Ende seiner F**kbarkeit messen lassen. Vielleicht muss man für eine solche Fehleinschätzung auch nur genug Romane lesen, in denen sich Ärzte junge, blonde Sekretärinnen zwecks prickelnder Romantik in ihr 'Haus der Versuchung' bestellen - ein echter Suchtstoff. Gerade will sie es schon wieder tun, sich trotz toter Libido
Zitat:
in erotische Abenteuer träumen

- ob's noch klappt? Zwei Möglichkeiten sieht sie am Ende - was, wenn die kitschliterarisch inspirierte Erregung ausbleibt?

******

Geschichten aus der Ich-Perspektive, die mit dem Thema Suizid spielen, sind keine Seltenheit – man findet sie immer wieder mal, besonders im Einstand. Ich habe sie bis jetzt ausnahmslos gemieden: Wer weiß, wie autobiografisch das Geschilderte ist. Ohne Vorstellung von der Person des Autors kann man eigentlich nur alles falsch machen. Nie hätte ich geglaubt, dass ich einem solchen Text meinen mit Abstand längsten Kommentar in einem dsfo-Wettbewerb widme, vom 2. Platz mal ganz abgesehen. Aber es ist eben auch ein ganz eigener Beitrag in seinem distanzierten Stil, seiner tragikomischen Ambivalenz, die weder beeindrucken noch amüsieren, sondern aus ihrer Dichte heraus interpretatorisches Potenzial entfalten will (und das in einem Maße schafft, die selten ist im dsfo). Dazu gratuliere ich dir an dieser Stelle schon mal, auch wenn es dieser Beitrag wider Erwarten nicht zu einem der Preise schaffen sollte. Ich drück die Daumen!


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Akiragirl
Geschlecht:weiblichDünnhäuterin

Alter: 33
Beiträge: 3632
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Der goldene Spiegel - Prosa DSFo-Sponsor


Beitrag10.11.2014 10:50

von Akiragirl
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Hallo Inko!

Ich versuche, jedem Text des Wettbewerbs einen kurzen Kommentar dazulassen, bitte aber um Verständnis dafür, dass ich denjenigen, die Punkte von mir bekommen, ausführlicher schreibe und allen anderen nur kurz umreißen kann, warum es nicht zu Punkten gereicht hat.

Warum ich keine Punkte vergeben habe:
- zu viel Gedanken in Fragen gepackt; das wirkt auf mich immer wie pseudo-Tiefsinn (Was wäre wenn? Wenn ich nicht durch diese Tür gegangen wäre? Usw.) und nervt auf Dauer
- der Text wiederholt sich häufig und spricht Offensichtliches aus, was dem Leser kaum eigene Gedanken ermöglicht (für mich steht das im Widerspruch zum Anspruch von E-Literatur)
- die Protagonistin machte mich irgendwie aggressiv mit ihrem Selbstmitleid und ihrem Weltbild, in dem ihr gesamter Wert sich offenbar darauf bezieht, einen Mann abzukriegen
- der mögliche Selbstmord am Schluss wirkt auf mich übertrieben und auf eine düstere Weise kitschig


Liebe Grüße
Anne


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