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Deutsches Schriftstellerforum Foren-Übersicht -> Antiquariat -> Zehntausend 11/2014
Das Arrangement

 
 
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anderswolf
Geschlecht:männlichReißwolf


Beiträge: 1069



Beitrag02.11.2014 20:00
Das Arrangement
von anderswolf
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Wie immer ging ich hin, als sie mich riefen. Ich verteidige das nicht. Ich verteidige mich nicht. Ich hatte keine klare Vorstellung davon, was ich wirklich wollte. Vielleicht war es ein Impuls unbewusster Loyalität oder die Konsequenz eines dieser ironischen Zwänge, die in den Gegebenheiten der menschlichen Existenz lauern. Ich weiß es nicht. Ich kann es nicht sagen. Aber ich ging hin. Ich ging hin, wie immer, wenn sie gerufen hatten. Nur dieses eine, dieses letzte Mal ging ich hin, um zu sterben.

Das erste Mal war ich sechzehn gewesen, mittelmäßiger Schüler, mittelmäßige Ziele, mittelmäßiges Leben. Ich war unauffällig, ein Niemand. Dass genau dieser Zug sie an mir reizte, erkannte ich erst Jahre später in der mittelmäßigen Frau. Auch in diesem Punkt verteidige ich mich nicht. Vielleicht verbot mir ein Impuls unbewusster Loyalität, das Arrangement je zu hinterfragen. Vielleicht verbot die Angst vor den Antworten alle Zweifel. Ich weiß es nicht. Ich kann es nicht sagen.
„Komm mit uns“, sagten sie und natürlich ging ich mit. Sie drohten nicht, baten nicht, sie versprachen nichts. Wie der Herbst dem Sommer folgt, ging ich mit ihnen, weil es mir unmöglich war, nicht mit ihnen zu gehen.

Die Erinnerung an das Danach ist zerfallen in Fragmente: fremde Worte rauer Stimmen, metallene Kälte unter meinem nackten Körper, steife Finger auf meiner Haut, Stechen von Nadeln in meinem Fleisch. Darüber Dunkelheit, so dicht, so allverschlingend, so durchdringend, dass sie bis in mein Gehirn reichte. Ich erinnere mich an das endlose Schwarz und an das dann so plötzlich aufflammende Licht, das rotgoldene Leuchten eines Sonnenaufgangs, das mich und meinen Geist aufbrach und alle Dunkelheit vertrieb. Ich erwachte in meinem Zimmer, in meinem Bett, in meinen Kleidern, doch nicht mehr in meinem Körper. Der Körper, den ich trug, gehörte mir nicht mehr, ich hatte ihn verkauft.

Seit diesem Erwachen habe ich nicht mehr geschlafen. Manchmal nur überfällt für wenige Sekunden eine Dunkelheit meinen Geist, die eine Erinnerung an jenes erste Schwarz ist, und ich höre die Stimmen, spüre die Hände, fühle die Nadeln. Dann aber kehrt die Welt zurück, für Augenblicke noch überzogen mit dem Rotgold des Sonnenaufgangs.
Der weitaus größere Lohn für meinen Leib aber war das Wissen. Der mittelmäßige Schüler, der lieber aus dem Fenster als zur Tafel sah, kannte nun alle Antworten. Da niemand Verdacht schöpfen sollte, gab ich vor, mich langsam und durch Fleiß zu verbessern, bis ich schließlich als Jahrgangsbester die Schule abschloss, mit dem Angebot eines Stipendiums und eines Studienplatzes an einer amerikanischen Eliteuniversität in der Tasche. Natürlich lehnte ich beides ab, weder brauchte ich das Geld, noch sollte sich eine Universität mit mir schmücken. Zudem war kurz zuvor der zweite Teil des Arrangements in Kraft getreten. Sie hatten mich zu sich gerufen und ich war hingegangen.

„Wir haben einen Auftrag für Dich.“
Ich erinnere mich an meine Auftraggeber nicht. Ich könnte weder ihre Körper noch ihre Stimmen beschreiben. Ich kenne nicht einmal ihre Zahl. Ich weiß, dass mir alle Erinnerung an sie genommen wurde. Ich sollte nichts verraten können. Hätte ich aber jemals an meiner Loyalität gezweifelt, hätten sie es nicht zuvor getan? Ich kann es nicht sagen.
„Es geht um diesen Mann.“
Tadeusz Bobrowski. Ich erkannte ihn auf dem Bild, das sie mir zeigten. Der Spion auf der Flucht hatte eine Pressekonferenz angekündigt. Er wollte seine Kenntnisse mit der Welt teilen.
„Du weißt, was Du zu tun hast?“
Hatten sie mir nicht die Augen geöffnet, damit ich das Offensichtliche erkannte?
„Natürlich.“

Die Pressekonferenz fand nicht statt. Bobrowski war auf dem Weg dorthin in eine katatonische Starre gefallen, Hirnschlag vermuteten die Medien. Seine Bewacher, die ihn rund um die Uhr und sogar bis zur Toilette begleitet hatten, bekräftigten diesen Verdacht. Sie hatten versagt und so argumentierten sie mit den Gegebenheiten der menschlichen Existenz: „Tadeusz Bobrowski hat uns dafür bezahlt, ihn vor allen Gefahren zu schützen. Doch wie schützt man einen Menschen vor seinem eigenen Körper?“ Mich hatten sie nicht wahrgenommen, nur Bobrowskis Sturz, seine starren Augen, seinen offenen Mund. Er hatte nicht einmal mehr schreien können, so schnell war sein Geist der noch atmenden Hülle seines Körpers entrissen worden.

Bobrowski war der Erste von Vielen. Männer und Frauen, Junge und Alte. Selten waren die Menschen, in deren Weg ich gestellt wurde, prominent, die meisten wohl Kollateralschäden, zur falschen Zeit am falschen Ort. Auch das verteidige ich nicht, ich verteidige mich nicht. Ich zweifelte nicht an meinen Auftraggebern. Ich stellte das Arrangement nicht in Frage.
Denn ansonsten führte ich das, was man ein angenehmes Leben nennt. Das Wissen, das ich erhalten hatte, verhalf mir zu Wohlstand, ich war Journalist, Pressesprecher, Berater. Ich handelte mit Autos, Kunst, Immobilien, wahrscheinlich auch mit Menschen. Ich gebe zu, irgendwann entglitt mir die Übersicht, verlor ich die Lust daran. Besitz relativiert sich. Mit jedem Auftrag wurde mir deutlicher, dass nichts, was man besitzen oder lieben kann, davor bewahrt, mir zu begegnen.

„Wir haben einen Auftrag für Dich.“
„Es geht um diese Frau.“
„Du weißt, was Du zu tun hast?“
Nadja. Ein Sommer am See. Wasserperlen auf der Haut. Ihr silbriges Lachen. Unser erster Kuss. Die Nacht unter den Sternen. Wir waren sechzehn gewesen.
„Natürlich.“

Natürlich log ich.

Nadja zu finden, war nicht schwer. Sie hatte das kleine Haus und das enge Leben ihrer Eltern übernommen. Sie arbeitete in der Stadtverwaltung, ging einkaufen, spielte mit ihrer Tochter, liebte ihren Mann, fütterte den Hund. Ich folgte ihr mehrere Tage lang, beobachtete sie aus der Ferne, versuchte zu verstehen. Warum gerade sie?
Bei keinem Auftrag zuvor hatte ich mir diese Frage gestellt. Konnte es wirklich sein, dass meine Auftraggeber nicht von Nadja und mir wussten? Es gab nur eine Erklärung: sie wollten mich und meine Loyalität auf die Probe stellen. Sie wollten das Werkzeug prüfen, das sie erschaffen hatten. Allerdings würden sie feststellen müssen, dass das Werkzeug nicht ohne Fehler war. Dieses Mal würde ich versagen.
Ich saß in meinem Wagen gegenüber von Nadjas Haus, als ein Auto vorfuhr. Ihm entstieg eine mittelgroße Frau in einem schlichten Kostüm. Sie hatte keine auffälligen Gesichtszüge, trug keinen Schmuck, war dezent geschminkt. Bis auf den Koffer in ihrer Hand, der sie als Vertreterin einer Kosmetikfirma auswies, war ihre gesamte Erscheinung so unspektakulär und mittelmäßig, dass mir zweierlei bewusst wurde. Erstens erkannte ich, wie sehr diese Mittelmäßigkeit bei der Ausführung der Aufträge half. Darum also war ich ausgewählt worden. Zweitens erkannte ich, dass ich zu lange gezögert hatte. Nach mir war nun auch diese mittelmäßige Frau beauftragt worden, sich um Nadja zu kümmern.
Als die Frau das Gartentor öffnete, stieg ich aus. Als die Frau zur Haustür ging, rannte ich über die Straße. Als die Frau ihren Finger auf den Klingelknopf legte, griff ich nach ihrem Arm. Ein Glockenton. Die Frau sah mich an, in ihren Augen ein rotgoldener Schimmer und - ganz kurz nur - Neugier. Als Nadja die Tür öffnete, hielt ich noch immer den Arm der mittelmäßigen Frau umklammert, als hinge nicht das Gewicht eines leblosen Körpers daran. Dann ließ ich los und floh.

Ob ich danach eine Wahl gehabt hätte, weiß ich nicht. Ich kenne das Gefühl nicht, wählen zu müssen. Ich habe nie eine klare Vorstellung davon bekommen, was ich wirklich wollte. Seit die rotgoldene Sonne in meinem Geist aufgegangen war, war mein Leben einfach passiert, und alles schien richtig gewesen zu sein. Doch jetzt war die Welt aus den Fugen und ich hatte immer noch keine Vorstellung davon, was sonst ich hätte tun können.
Wie immer also ging ich wieder hin, als sie mich das letzte Mal riefen. Ich ging hin, um zu sterben.

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fancy
Geschlecht:weiblichSchmuddelkind

Alter: 64
Beiträge: 2758
Wohnort: Im sonnigen Süden


Beitrag03.11.2014 15:26

von fancy
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Hallo,

interessanter Text. Hat mir bis jetzt gut gefallen.


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Don't start doing things, just do them. Fang nicht an, Dinge zu tun, tu sie einfach! (Me)
Wer wenig denkt, irrt viel (Leonardo da Vinci)
Meinungsverschiedenheiten über ein Kunstwerk beweisen, dass das Werk neu, komplex und lebenswichtig ist. (Oscar Wilde)
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Einar Inperson
Geschlecht:männlichReißwolf


Beiträge: 1675
Wohnort: Auf dem Narrenschiff


Beitrag03.11.2014 22:52

von Einar Inperson
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Hallo Mr Conrad, hallo Ms Conrad,

deine Geschichte gefällt mir. Ich bin deinem mittelmäßigen Prota mit der tödlichen Gabe gerne bis zur Erkenntnis gefolgt. Mit Zudrücken aller Augen (inkl. Hühner- und Fettaugen) kann man das vielleicht analog einem Entwicklungsroman lesen, eher wird diese Geschichte wohl unter Scifi-Thriller eingeordnet werden.

Aber sehr unterhaltsam.


Ich kann nur 10 Texte mit Punkten bedenken. Ob du dabei bist, werde ich mir erlesen.


_________________
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Zitat: "Ich habe nichts zu sagen, deshalb schreibe ich, weil ich nicht malen kann"
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Lese Lina
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Beiträge: 60
Wohnort: Teneriffa


Beitrag04.11.2014 01:37

von Lese Lina
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Das Arrangement hat das Zeitliche gesegnet.

Klasse geschrieben.

Wink

Liebe Grüße
Lese Lina
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hobbes
Geschlecht:weiblichTretbootliteratin & Verkaufsgenie

Moderatorin

Beiträge: 4292

Das goldene Aufbruchstück Das goldene Gleis
Der silberne Scheinwerfer Ei 4
Podcast-Sonderpreis


Beitrag05.11.2014 11:47

von hobbes
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Hm. Das ist jetzt schwierig. Bisher hatte ich nur die Kategorien: potentielle Punkte / keine Punkte. Bisher war es auch ziemlich einfach, die Texte da einzusortieren. Hm. Da muss wohl eine neue Kategorie her: weiß noch nicht.

Weil im Grunde gibt es hier nichts, was ich eindeutig nicht mag, was eindeutig auf "keine Punkte" hinweist. Es gibt aber auch nichts, was mich neugierig macht, zum Wiederkommen einlädt, was ich spontan total gern mag.

Tja. Wird sich noch zeigen.

edit: Punkte, jetzt also doch. Wenn auch nicht so viele.
Und noch ein bisschen mehr an Kommentar.
Was ich mag: diese Idee des Hineinschlitterns in eine Sache, des Dabeibleibens, des nicht hinterfragens. Und dass es dann doch immer eine Sache gibt, die wichtig genug ist, auszubrechen, sich für den eigenen Weg zu entscheiden.
Allerdings: Nadja rettet er ja trotzdem nicht. Wenn er hingeht, um zu sterben. Denn sie werden natürlich die/den nächste/n auf sie ansetzen.
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Constantine
Geschlecht:männlichBücherwurm


Beiträge: 3311

Goldener Sturmschaden Weltrettung in Bronze


Beitrag05.11.2014 22:46

von Constantine
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Bonjour!

Liebe/r Verfasser/in,

deine Geschichte hat mich leider nicht überzeugt. Vielleicht etwas zu viel Holzhammer-Methode, etwas zu viel am Zitat und dessen Wortlaut hängen und ihn so oft wie möglich variieren, damit er bloß zur Aufgabenstellung des integrierten Zitats passt. Allein schon in den ersten vier Abschnitten ist mir zu viel Wiederholung drin. Diese Redundanzen, wahrscheinlich als stilistisches Mittel einzusetzen, ist mir zu viel und hat mir leider nicht gefallen.
Du bist für mich leider nicht unter den Texten, die Punkte bekommen: zéro point.

Merci beaucoup!

LG,
Constantine
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Merope
Geschlecht:weiblichKlammeraffe


Beiträge: 716
Wohnort: Am Ende des Tals
Der Goldene Käse


Beitrag06.11.2014 17:39

von Merope
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Den Text mag ich.
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Lapidar
Geschlecht:weiblichExposéadler

Alter: 61
Beiträge: 2701
Wohnort: in der Diaspora


Beitrag06.11.2014 20:26

von Lapidar
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Gefällt mir vom Gedanken her. Das Zitat ist gut eingebaut und es ist auch im Schluss für mich schön rund.

_________________
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shatgloom
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Beitrag06.11.2014 21:12

von shatgloom
Antworten mit Zitat

Bei diesem Text zieht sich das Zitat (zusätzlich dazu, dass es komplett ziemlich am Anfang steht) durch die ganze Geschichte. An sich keine schlechte Idee, mir ist es nur manchmal zu viel.
Ich interpretiere den Text so, dass der Junge schon früh zu so einer Art Killermaschine wurde.Er war sechzehn, als das anfing.
 
Ich habe immer so ein kleines Problem mit den Texten, bei denen das Zitat gleich am Anfang steht. Auch hier scheint mir das nicht so ganz schlüssig.

Was mir gut gefällt, ist die Idee. Dieses Handeln, wenn der Körper von jemand/etwas anderem gesteuert wird. Er hatte ja wohl nie eine Wahl, außer dieses eine Mal bei der Frau, die er kannte und dann auch rettete.

Auch dieser Text gefällt mir immer besser, je öfter ich ihn lese.
Ich vermisse etwas das Unerwartete,  etwas, was mich ins Grübeln bringt.
Auf jeden Fall habe ich die Geschichte gerne gelesen, danke.
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crim
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Die lange Johanne in Gold Lezepo 2015
Pokapro und Lezepo 2014 Pokapro VII & Lezepo V



Beitrag06.11.2014 21:13

von crim
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Dieser Text funktioniert bei mir nicht. Vielleicht ist es das oftmalige Zurückkommen auf das Zitat, oder die Thematik, die nicht so recht an mich ran will, oder es ist, dass vieles übertrieben auf mich wirkt. Dieser Erzählstimme traue ich nicht zu, ein Auftragsmörder zu sein. Nicht authentisch, zu naiv, eher sogar schwer von Begriff, wenn dem Erzähler erst am Ende klar wird, warum Mittelmäßigkeit bei seinen Aufträgen behilflich sein könnte. Außerdem lese ich eigentlich nichts wirklich Neues. Ich glaube um das Thema interessant zu machen, braucht es einen glaubwürdigeren Protagonisten, der sein Handeln besser reflektiert. So bleibt der Text zu oberflächlich.
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tronde
Klammeraffe
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Beiträge: 522

Das goldene Aufbruchstück Das silberne Niemandsland


T
Beitrag06.11.2014 23:36

von tronde
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Das Arrangement

Die unten folgende Liste war mir Anhaltspunkt, eine Reihenfolge in die Texte zu bekommen.
Es gab nach subjektiver Einschätzung Plus- oder Minuspunkte für die Stichpunkte, am Ende noch Minuspunkte für Fehler. Grob jeweils von +2 bis -2, wobei es keine absoluten Bewertungsmaßstäbe gab, und - so befürchte ich - die Bewertung auch von den unterschiedlichen Tagen/Stimmungen abhängen könnte. Rechenfehler gehen auf meine Kappe.

Das Subjektive sei besonders bei den Punkte Neue Wege und die Frage nach dem E vorgehoben, weil ich das einerseits gar nicht bewerten will/kann, es aber hinsichtlich der Aufgabe dazugehört. Falls Du (AutorIn) dich falsch verstanden fühlst, liegt das möglicherweise an meinem fehlenden Wissen/Verständnis. Das gilt auch für alle anderen Dinge, die ich nicht wahrgenommen habe. Nachvollziehbar wäre für mich auch, wenn sich jemand ungerecht behandelt fühlen würde.

Weil es mir schwerfiel, eine Reihenfolge zu erstellen, war ich bei der Rechtschreibung, Satz recht pingelig, nur alleinige doppelte Leerzeichen haben keinen Abzug gegeben.

Bei Gleichstand unter den 10 platzierten Texten hat das Subjektive den Ausschlag gegeben.

Cut-off für die Platzierungen: ≥ 8,5

Aus Zeitgründen fallen die Kommentar nicht ausführlicher aus, sondern bestehen aus meinen kaum überarbeiteten Notizen beim Lesen der Texte. Wenn Ihr genauere Anmerkungen zu Stichpunkten haben wollt, meldet Euch. Inhaltlicher Art; Fragen zur Punktevergabe werden nicht beantwortet, weil diese subjektiv ist und auch nicht korrigiert wird.

Dieser Text steht vor allen meinen Kommentaren, beim nächsten könnt Ihr ihn überspringen.


Plus-/Minuspunkte
Neue Wege/Experimentell?: Ja, Nein, welche?
nein 0

Eigene Einstellung überprüfen, zum Nachdenken anregen, Mehrdimensionalität, Kanten?
nein
0

Zitat flüssig integriert?
ja, mit der Klammer am Ende. Auch der implizite Vorwurf ist klar
2

Bezug auf Loyalität (Regierung, Übergeordnet, auch Gegenüber)
Ja, überbeordnete Macht
1

Aufbruchstellen (tatsächlich mehrere Aufbrüche/Aufbrüche an mehreren Stellen, in welchem Sinn auch immer?)
Brechen des Arrangements? Eintreten in das Arrangement? Ist mir unklar
Zeitpunkte der Aufbrüche zu den Aufträgen? 0,5

Einstieg
Als Absatz ok, erster Satz auch ok.
0,5

Idee
Unklare Macht (Aliens), denen der Prota »seine Seele verkauft« hat, um mit Auftragsmorden Wissen zu erkaufen. Schließlich muss er seine erste Liebe töten
1

Plot (Wendung?, Schlüssig?)
Motivation verliert sich, dann der Auftrag als Überprüfung seiner Loyalität.
1,5

Titel
passt, sagt aber nicht viel, mir fällt aus dem Stegreif was Richtung »Letzter Auftrag« oder »Des Arrangements Ende« ein
0,5

Stil
flüssig geschrieben, schöne Bilder
1

Subjektiv
Gute Kurzgeschichte, Bezug zur Aufgabenstellung für mich schwammig
0,5

MinusPunkte
Schrift (Schreibfehler, Komma, Grammatik)
0


Gesamtpunkte 8,5
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Akiragirl
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Beitrag07.11.2014 11:30

von Akiragirl
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Hallo Inko!

Ich versuche, jedem Text des Wettbewerbs einen kurzen Kommentar dazulassen, bitte aber um Verständnis dafür, dass ich denjenigen, die Punkte von mir bekommen, ausführlicher schreibe und allen anderen nur kurz umreißen kann, warum es nicht zu Punkten gereicht hat.

Warum ich keine Punkte vergeben habe:
- das gefühlt ständige Wiederholen von Zeilen aus dem Zitat über den ganzen Text verstreut hat mich unheimlich genervt und ich verstehe den Sinn dahinter nach wie vor nicht
- die andauernde Wiederholung, dass der Protagonist keine Ahnung hat, nichts weiß und keine Entscheidungsgewalt hat, wirkte auf mich irgendwann nur noch ermüdend; dafür, dass er/sie so intelligent ist, kam er mir im Text eher zurückgeblieben vor
- eine Geschichte über eine Art Geheimagenten mit übermenschlicher Intelligenz, der im Auftrag eines Killer-Syndikats irgendwelche Menschen umbringt, ist nicht gerade das, was ich mir unter E-Literatur vorstelle

Liebe Grüße
Anne


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Maria
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Beitrag07.11.2014 11:56

von Maria
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Servus !

Für mich ein klarer Unterhaltungstext. Linearer Handlungsstrang ohne Hintertürchen oder doppelten Boden, keine Tricks, kein Nachhall. Der Reihe nach erzählt, keine Ecken und Kanten.
Wir befinden uns ja aber in diesem anderen Wettbewerb.

Sauber geschrieben, dafür mein Kompliment.

VG, maria


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holg
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Bronzenes Licht Der bronzene Roboter


Beitrag08.11.2014 12:15

von holg
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Ich versuche mich mal an einer Art Schema. Anders komme ich der FLut an Texten in der kurzen Zeit nicht bei. Ich vergebe jeweils 1 bis 5 rein subjektive Punkte.

Originalität der Story     2
Sprache                       3
Stil                              3
Relevanz                      1
Das Zitat eingefügt       3
Aufbruchstellen                         
E.igkeit                        1

Highlights

stereotype Auftragskilleraussteigerstory. Bietet nichts neues, weder vom Plot noch von der Konstruktion her. Plätschert dahin, unterbrochen von tollen Formulierungen.
"Als Nadja die Tür öffnete, hielt ich noch immer den Arm der mittelmäßigen Frau umklammert, als hinge nicht das Gewicht eines leblosen Körpers daran." ---- Der Satz ist genial.

Das Zitat findet Anknüpfpunkte im Text. Aufbruchstellen. Einmal bricht was. Eher raus als auf, aber egal.

Gesamt:            2,1


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fancy
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Wohnort: Im sonnigen Süden


Beitrag08.11.2014 13:54

von fancy
Antworten mit Zitat

Hallo,

ich bin gespannt, wie dein Text von dir gemeint ist.

Ich wüsste gerne, warum er hingeht, um sich töten zu lassen. Warum macht er das nicht selbst, warum flieht er nicht? Weil er mittelmäßig ist? Weil er keinen eigenen Willen hat?

Und wofür steht er? Für uns alle, die gesichtslose Masse?

Oder interpretiere ich zu viel hinein und du erzählst nur eine Geschichte über einen Mörder?

Liebe Grüße

fancy


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gold
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DSFo-Sponsor


Beitrag08.11.2014 21:38
Re: Das Arrangement
von gold
Antworten mit Zitat

Hallo Inko,

Zitat:
Ich erinnere mich an das endlose Schwarz und an das dann so plötzlich aufflammende Licht, das rotgoldene Leuchten eines Sonnenaufgangs, das mich und meinen Geist aufbrach und alle Dunkelheit vertrieb.


Mir wird nicht ersichtlich, wodurch das rotgoldene Leuchten entstanden ist.
Mir ist diese Beschreibung zu unkonkret.

Zitat:
Ich erwachte in meinem Zimmer, in meinem Bett, in meinen Kleidern, doch nicht mehr in meinem Körper. Der Körper, den ich trug, gehörte mir nicht mehr, ich hatte ihn verkauft.


Du hast doch eher die Seele bzw. den Geist verkauft?

Deine Geschichte ist mir zu vage.

Tut mir Leid.

LG gold


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lilli.vostry
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Beitrag10.11.2014 01:18
aw:DasArrangement
von lilli.vostry
Antworten mit Zitat

Hallo,

eine packende, geheimnisvolle Geschichte über einen Auftragsmörder, der am Ende doch Gefühle zeigt und sich seinen Auftraggebern selbst ausliefert...
Wie sachlich und lakonisch der Icherzähler sich beschreibt, wirkt erschütternd und komisch zugleich, fast wie eine Farce. Ansonsten wäre es gar zu simpel gestrickt, die Sache mit dem Verstand ausschalten mit dem schönen gleißenden Sonnenlicht das wohl wie eine Droge auf den ansonsten in allem mittelmäßigen Typen!

An einer Stelle heißt es, dass er seinen Körper verkauft habe (dazu gehören doch auch Gefühle?? Die existieren nicht außerhalb vom Körper....) und nur noch ein williges Werkzeug sei. Doch wieso weigert er sich dann, den Auftrag auszuführen und seine Jugendliebe Nadja zu töten?!  
Das leuchtet mir nicht ein. Woher auf einmal dieser Gedankenblitz?  Weil ihm eine ebenfalls mittelmäßige Frau in die Quere kam und er so nicht mehr weitermachen wollte...
Wieso hatte er nie eine Wahl? Ist er sein Leben lang gefoltert worden oder anderen extremen Umständen groß geworden...

Ist er ein Mensch oder eine ferngesteuerte Marionette, das Ganze Sience Fiction oder eben eine Groteske?
Es wirkt jedenfalls reichlich überzogen in der Figurendarstellung und damit unglaubwürdig.

Sehe die Geschichte eher im mittleren Bereich in der Bewertung.

VG,
Lilli


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Flush
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Beitrag10.11.2014 21:56

von Flush
Antworten mit Zitat

Hallo,
ich verstehe die Geschichte, und ich verstehe sie nicht.
Warum muss der Prot am Ende sterben?
Lag es nur daran?
Zitat:
Der Körper, den ich trug, gehörte mir nicht mehr, ich hatte ihn verkauft.

Und daran?
Zitat:
Ich gebe zu, irgendwann entglitt mir die Übersicht, verlor ich die Lust daran. Besitz relativiert sich. Mit jedem Auftrag wurde mir deutlicher, dass nichts, was man besitzen oder lieben kann, davor bewahrt, mir zu begegnen.

Was es die einzige Notwendigkeit?
Gut geschrieben.
Grüßle
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Jenni
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Beiträge: 3310

Das goldene Aufbruchstück Die lange Johanne in Gold


Beitrag11.11.2014 18:11

von Jenni
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Der Text braucht lange, um in Fahrt zu kommen, was auf mich ein bisschen wirkt, als hättest du selbst nicht recht gewusst, wo du hinwillst.
Dann entwickelt es sich zu einer wenig originellen Geheimagentengeschichte. Von der Story her unoriginell, weil gefühlt schon oft ähnliches gelesen oder in Filmen gesehen. Unoriginell auch von den Gedanken her, die sich der Protagonist dazu macht.

Tut mir leid, aber mich hast du damit nicht erreicht.
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Mardii
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Beiträge: 1774



Beitrag11.11.2014 20:03

von Mardii
Antworten mit Zitat

Bei der Lektüre des Textes beschlich mich das dunkle Gefühl, dass es sich bei dem Protagonisten um einen Auftragskiller handeln kann. Er hat einen starken Thriller-Touch. Dann stellt sich die Frage, was ein Krimi mit ernster Literatur zu tun hat. Dazu fallen mir die Krimis von John le Carre, Georges Bernanos und Patricia Highsmith ein. Also ernste Krimis mit politischem, psychologischem und gesellschaftskritischen Hintergrund ein.
Bei diesem Text hier bin ich nicht sicher, ob er wirklich ernste Hintergründe beleuchtet oder ob es sich eher um eine Annäherung an ernstere Themen handelt. Diese Unklarheit besteht meiner Meinung. ZB. bei den Andeutungen an Durchschnittlichkeit, was Vertreter des Metiers betrifft.
Ich bin hier ganz und gar unentschlossen.


_________________
`bin ein herzen´s gutes stück blech was halt gerne ein edelmetall wäre´
Ridickully
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Zinna
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Das Silberne Pfand Der silberne Durchblick
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Beitrag13.11.2014 20:32

von Zinna
Antworten mit Zitat

Hallo Inko!


Mit diesem Text werde ich nicht warm. Ich kann nicht erklären, weshalb, er lässt sich lesen, sperrt sich nicht, doch auf meine oberen Ränge schafft er es nicht.
Sorry Inko.

Lieber Gruß
Zinna


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Wenn alle Stricke reißen, bleibt der Galgen eben leer...
(c) Zinna
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anderswolf
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Beitrag14.11.2014 01:13
Das Arrangement (Remix)
von anderswolf
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Wie der Herbst dem Sommer folgt, war wiederkehrend seither die Dunkelheit, die alles auslöscht bis auf die Erinnerung an Stimmen, die sich in meine Gedanken, an Nadeln, die sich in mein Fleisch bohren. Bruchteile von Sekunden nur überspülte seither meinen Geist die Dunkelheit, deren Zerfasern jenem ersten Erwachen nach Abschluss des Arrangements gleicht: Schwarz, das sich in das Rotgold eines  neuen Morgens auswäscht. Die Gezeiten der Dunkelheit sind Teil des Arrangements, das ich traf in jenem Herbst, als ich sechzehn war. Als sie mir damals geboten zu folgen, ging ich nicht mit ihnen, als hätte ich eine Wahl gehabt. Ich ging mit ihnen, wie der Herbst dem Sommer folgt. Weil alles andere unmöglich gewesen wäre.
Das Arrangement änderte alles. Änderte mich. Der mittelmäßige Schüler, der lieber aus dem Fenster als zur Tafel sah, kannte plötzlich alle Antworten. Doch nutzte ich das Wissen nicht, sondern verließ die Schule. Die Eltern. Die Heimat. Ich verteidige mich nicht. Wieder und immer wieder verließ der Junge, der alles wusste, alles was er kannte, um die eine Frage zu finden, die er nicht würde beantworten können. Und doch fand ich immer wieder nur die alles verschlingende Dunkelheit, und immer wieder fand mich das Rotgold, mit dem die Welt zurückströmte in meinen Geist.
In der Dunkelheit verborgen war ihr Ruf, ihr Zeichen, dem Folge zu leisten ich hatte. Sie riefen und ich ging hin. Über alle Jahre seither waren sie die einzige Konstante in meinem Leben. Sie, denen ich alles verdanke, sie, die mich besitzen seit jenem Tag, da ich mit ihnen ging. Gleichzeitig kenne ich sie nicht. Auch das ist Teil des Arrangements. Ihre Stimmen, ihre Gesichter, ihre Zahl, an nichts davon erinnere ich mich. Jegliches Wissen darum haben sie meinem Bewusstsein verborgen, um sich vor jeglichem Verrat zu schützen. Hätte ich ihn aber je erwogen, hätten sie nicht zuvor an meiner Loyalität gezweifelt?

"Wir haben einen Auftrag für Dich."
"Es geht um diesen Mann."
"Du weißt, was Du zu tun hast?"
Hatten sie mir nicht die Augen geöffnet, damit ich das Offensichtliche erkannte?
"Natürlich."

Der Erste von Vielen, der einzige, dessen Namen ich mir merkte, hieß Tadeusz Bobrowski. Ein Bewahrer vieler Geheimnisse, der nun sein Wissen mit der Welt teilen wollte. Einer Welt, der er in Konsequenz eines dieser ironischen Zwänge, die in den Gegebenheiten der menschlichen Existenz lauern, so sehr misstraute, dass er sich rund um die Uhr und an jedem Ort bewachen ließ. Vergebens. Hinterher vermuteten die Medien einen Hirnschlag. Seine Beschützern sprachen sich gleichermaßen aller Versäumnisse frei: "Wie rettet man einen Menschen vor seinem eigenen Körper?" Mich nämlich hatte niemand wahrgenommen, auch nicht das rotgoldene Leuchten, das Bobrowskis Sturz vorweg gegangen war. Sie hatten ihn mit starren Augen und offenem Mund auf dem Boden gefunden. Er hatte nicht einmal mehr schreien können, so schnell war sein Geist der noch atmenden Hülle seines Körpers entrissen worden.
Die wenigsten derer, die Bobrowski folgten, waren prominent, nur in wenigen Fällen ahnte ich, warum ich ausgesandt wurde. Mit jedem weiteren Auftrag aber wurde mir mehr bewusst, dass nichts, was einen Mensch auszeichnet, eine Begegnung mit mir verhindern konnte. Nur einmal, das letzte Mal stellte ich das Arrangement in Frage, zweifelte ich an der Entscheidung, in wessen Lebensweg ich gestellt wurde.

"Wir haben einen Auftrag für Dich."
"Es geht um diese Frau."
Nadja.
"Du weißt, was Du zu tun hast?"
Hatten sie mir die Augen geöffnet, ohne selbst das Offensichtliche zu erkennen? Ich weiß es nicht. Ich kann es nicht sagen.
"Natürlich."

Natürlich log ich.
Nadja. Der Sommer am See. Der Geruch frisch gemähten Grases, der Geschmack ihres Körpers. Wasserperlen auf ihrer Haut, ihr furchtloses Lachen. Schläfrige Stunden in der Sonne, unser erster Kuss. Das Feuer auf den Felsen, wir unter den Sternen, sechzehn, unsterblich für einen Moment.
Natürlich wusste ich nicht, was ich zu tun hatte.

Nadja hatte das kleine Haus und das enge Leben ihrer Eltern übernommen. Sie arbeitete in der Stadtverwaltung, ging einkaufen, spielte mit ihrer Tochter, liebte ihren Mann, fütterte den Hund. Nadja zu finden, ihr zu folgen, war nicht schwer. Je länger ich sie beobachtete, umso geringer wurde meine Distanz. Je mehr ich meine Auftraggeber zu verstehen versuchte, umso weniger gelang es mir. Wie konnten sie nicht wissen, wie sehr Nadja Teil meines Lebens vor dem Arrangement gewesen war? Es sei denn, sie stellten mich und meine Loyalität auf die Probe. Das war die einzige Erklärung: sie prüften das Werkzeug, das sie erschaffen hatten. Ein Werkzeug, das, wie sie würden feststellen müssen, nicht ohne Fehler war.
Ich saß in meinem Wagen unweit von Nadjas Haus, als ein Auto direkt davor hielt. Die Frau, die ihm entstieg, trug ein schlichtes Kostüm und keinen Schmuck, war dezent geschminkt und hatte ein fast schon obszön ereignisloses Gesicht. Bis auf den Koffer in ihrer Hand, der sie als Vertreterin einer Kosmetikfirma auswies, strahlte sie eine so auffällige Unbestimmbarkeit aus, dass mir zweierlei bewusst wurde. Ich verstand, wie sehr diese Unauffälligkeit, die meiner eigenen glich, die Ausführung der Aufträge erleichterte. Vor allem aber erkannte ich, dass ich zu lange gezögert hatte. Diese Frau war ebenfalls beauftragt worden, sich um Nadja  zu kümmern.  
Als die Frau das Gartentor öffnete, stieg ich aus. Als die Frau zur Haustür ging, rannte ich über die Straße. Als die Frau ihren Finger auf den Klingelknopf legte, griff ich nach ihrem Arm. Ein Glockenton. Die Frau sah mich an, in ihren Augen ein rotgoldener Schimmer und - ganz kurz nur - Neugier. Als Nadja die Tür öffnete, hielt ich noch immer den Arm der Frau umklammert, als hinge nicht das Gewicht eines leblosen Körpers daran. Dann ließ ich los und floh.

Doch wohin fliehen, wenn man weiß, dass nichts, was ein Mensch lieben kann, eine Begegnung mit dem Schicksal verhindert? Was tun, wenn man alle Antworten kennt und doch niemals eine Ahnung davon bekommen hat, was man wirklich will? Seit die rotgoldene Sonne in meinem Geist aufgegangen war, hatte ich keine Richtung mehr wählen müssen, alles Leben war einfach passiert und schien richtig gewesen zu sein. Doch jetzt war die Welt aus den Fugen und mir alle Gewissheiten abhanden gekommen. Der Junge, der alle Antworten gekannt hatte, zerfiel angesichts seiner plötzlichen Unwissenheit.
Als sie mich darum danach das letzte Mal riefen und die Dunkelheit meinen Geist überrollte, kämpfte ich nicht dagegen an. Wie einen alten Freund umarmte ich das Dunkel, ersehnte ich das Rotgold des Sonnenaufgangs. Ich verteidige mich nicht. Ich hatte keine klare Vorstellung davon, was ich wirklich wollte. Vielleicht war es ein Impuls unbewusster Loyalität oder die Konsequenz eines dieser ironischen Zwänge, die in den Gegebenheiten der menschlichen Existenz lauern. Ich weiß es nicht. Ich kann es nicht sagen. Aber ich ging hin.
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