18 Jahre Schriftstellerforum!
 
Suchen
Suchabfrage:
erweiterte Suche

Login

Jetzt erhältlich! Eine Anthologie von und mit unseren Usern. Jetzt bestellen! Die erste, offizielle DSFo-Anthologie! Lyrikwerkstatt Das DSFo.de DSFopedia


Deutsches Schriftstellerforum Foren-Übersicht -> Prosa -> Einstand
Diese Werke sind ihren Autoren besonders wichtig Social Call


 
 
Gehe zu Seite Zurück  1, 2, 3, 4  Weiter
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen
 Vorheriges Thema anzeigen :: Nächstes Thema anzeigen  « | »  
Autor Nachricht
Assy
Geschlecht:weiblichEselsohr


Beiträge: 217
Wohnort: NRW


Beitrag20.10.2014 16:10
Re: Bohrungen aus "Social Call" Teil 5
von Assy
Antworten mit Zitat

Christof Lais Sperl hat Folgendes geschrieben:
Meister der Bohrungen
S. , diese hochnäsige, frühbereifte, mit zwölf schon zungenschlagende, viel früher als geplant schon mit dreizehn von diversen Liebhabern durchgepimperte und zimtzickige Aalglattfresse, hatte dich, in beifallheischendem Rundblick und dem Aufstampfen der fetten Beine den Wasserkopf genannt, was noch schlimmer als ihr Grundschulwort vom Schweineauge gewesen war. Bloß wegen der philosophischen, durch die blöden, angepappten Locken verunstalteten Kopfform. Sie, das schlampenhafte Ebenbild einer selbstverliebten aber unattraktiven Mutterpute, die dich im Rückspiegel des bescheidenen Autos mit der Überheblichkeit einer ägyptischen Königin stirnrunzelnd und auftrumpfend-böse anstarrte sobald die Verkehrssituation es zuließ, da du es gewagt hattest, dich mit hängendem Kopf wartend in das Bürgersteiggrüppchen einzureihen um nach Schulschluss an der bequemen, samstäglichen Gymnasial-Fahrgemeinschaft teilzunehmen, die für Deinesgleichen in der oft unergründlichen Logik der anfänglich beschriebenen, uns daher bereits vertrauten Simulation als nicht standesgemäß angesehen worden war. All die vor lauter Bosheit schmerzenden Blicke, der Wasserkopf, all das auftrumpfende Großfressentum, das saß und sitzt bis heute. Und die freche Kuh brauchte in der fünften Klasse in der Umkleide nicht mal viel Watte in den BH zu stopfen. Die konnte mit ihren sprießenden Fettkegeln damals schon jeden trockenfaltigen Schwengel tanzen lassen, der ihr zufällig in die Quere kam. Natürlich auch den vom stets wütend verschwitzten, rotgesichtigen und immergeilen Hausi Mixmann, bei dessen Namensnennung hoffentlich viele an Nina Hagens Lied Heiß denken müssen. In unserer Geschichte aber gilt: Das M steht richtigrum im backsteinroten Gymnasium.

Mein Ste-hern-chen! rief der Schwarzhaarige mit  dem Akzent auf den ersten zwei Silben des Kosenamens täglich durch den stets gebohnert stinkenden Aufgang. Was hat sie ihn scharf gemacht, diesen Rex Guildo der Handwerkerzunft mit dem breiten Toastgesicht. Wie ein hormongesteuerter Vollidiot geilte der braunglänzende Ölhaarige in seinem Hosenscheißer-Drillich herum der nur daran denken konnte, wo er seinen Schwanz als nächstes reinhängen könnte. Hast du, Schweineauge, damals schon geahnt, wie wenig oft dazu gehört, was aus dem Leben rauszuholen? Muss allerdings an der richtigen Stelle sein, das Wenige, und ganz frech daherkommen. Was aus der mittels übertrieben hochdeutscher Aussprache Intelligenz simulierenden Pute dann noch geworden ist, wagen wir uns gar nicht vorzustellen. Irgendeine Kim- oder M-rauchende Sekretärinnenschnepfe mit einer unter Schichten von Makeup verborgenen Schildkrötenhaut muss nach den Erkenntnissen der unbezahlbaren Lebenserfahrung das Resultat geworden sein.

Wie eine späte Freundin einmal lehrte, werden Frauen im Alter entweder zur Kuh oder Ziege, doch das Sternchen war schon mit zwölf beides zugleich gewesen: Ein übersättigt speckiges, glänzendes und vollkommen gegenwärtiges, und durch die mütterlicherseits zeitraubende Anstrengung Wohlstand vorzutäuschen verwahrlostes Etwas, das ständig nach wahrer Liebe schrie. Was aber blieb dir in der Zwischenzeit?  Die unansehnliche Ina, die sowieso jeden ranlassen musste, da sie schon ahnte, dass es schnell zu spät sein würde und mit den schon damals ein wenig überschüssigen, aber festen Pfunden der Jugend und dem in noch heranwachsender Frische leuchtenden Gesicht nicht lang gewuchert werden konnte. Interesse war da nicht, vielmehr taktiler Forscherdrang. Und ein schales Gefühl von leichter Übelkeit nach der wöchentlichen, von ihr selbst durch die Verteilung von im Frisörsalon geklauter, süßlicher Attika-Zigaretten beinahe erzwungenen Gruppen-Fleischbeschauen, die unter Teilnahme mehrerer Jungen in der Enge eines verlassenen Schrebergartenhäuschen mit der Folge süßblumig riechender, klebriger Finger allwöchentlich stattfinden mussten. Danach wurden Kaffebohnen gekaut, um den Zigarettengeruch vor all den strafenden Müttern zu verbergen. Die Hütte der heimlichen Erforschungen steht noch dumm und braun inmitten ihres verwilderten Gartens. Ob heute noch jemand mit heißem Kopf hineingeht?

Mit der Solidarität unter den Halbwüchsigen war’s auch nicht viel gewesen: Nicht Wasserkopf, Pisspott hatte man dich ganz allgemein genannt, wegen dieses elenden Vornamens nach braver Knabenmanier. Da muss man sich auch wie ein Chorsänger, kann sich gar nicht schlecht benehmen, n’est-ce pas Ein rabiater Christof? Unvorstellbar wie eine schwarzhaarige Susanne oder ein terrorverdächtiger Tobias. Oh, blonder Name Kirsten! Oh, lieber, süßer, kleiner und glatthaariger Name Tim! Aber Christof, zumal noch mit diesem skandinavisierend frugalen Final-f klingt nach mathematikbegabtem Überflieger. Nach Schniegelknaben mit Seitenscheiteln à la Christian Wulff. Nach Frauenversteher und Wollpollunder. Oder schlimmer noch: nach Junger Union, Palomino-Jeans mit Jackett, Diplomatenkoffer und  Kassenbrille. Nach Helmut!-Helmut!-Rufen, Eckart von Klaeden oder gutem Freund mit Theologiestudium. Also einem, mit dem man Probleme bespricht, der selber aber schon wegen Treibstoffmangel in den Landeanflug übergehen will. Ich will nicht labern, ich will ficken, hatte der riesenhafte Klusch einmal gesagt, als er einmal als Zufallsgast einer Unifete an eine nicht unattraktive, aber viel zu redselige Germanistin geraten war, der er, der Handwerker,  auch noch die Abschlussarbeit tippen musste. Egal, weg mit der Tusse, hatte sowieso an jedem Finger zwanzig. Angstfreier Mensch. Und kam außerdem auf  zwei Meter zehn, hinter denen sich sich im Café Musique am Friedrichsplatz immer ein freier Kegel in der Masse der Tanzflächengaffer bildete, denn hinter ihm konnte man nichts sehen. Und du? Nix davon. Pisspott. Na ja, ich weiß, Kinder sind grausam, aber die Wahrheit sagen nun mal Betrunkene und Gören. Du brauchst erst einmal einen neuen, klingenderen Namen! Dass du kraft all dieser frühen Lebenskacke solchen Ingrimm hast, habe ich schon bei einer früheren, aber heimlichen Begegnung gespürt. Klar, Wut und Empörung sind zur kabarettistischen Entfaltung unabdingbar, hatte schon der alte Hildebrandt gesagt. Eine schöne Rage ist das. Da ist so viel Hingabe, dass man nicht anders kann, als sie aufzufangen, abzustauben und zu behüten.

Bei Nethercod kam der ganze Furor raus. Er hat dem geilen Hausmeister ungestraft was auf’s Maul gegeben. Affekt-da-unter-sieben-Sekunden, hatten sie gesagt. Waren’s Sieben? Es sind immer sieben: Tage, Wunder, Zwerge und Todsünden. Johlgrölend  ähtschender Klassenapplaus fürs Großmaul, das, vom Gang kommend, das Klassenzimmer betrat. Klar, das Sternchen konnte keiner leiden. Aber den Mixmann wollte man trotzdem nicht dran rumfummeln lassen und schließlich war es immer noch in unserer Klasse. Der Hausmeister begann wegen seiner obsessiven Mädchengeilheit nasskalte Angst aufzubauen. Paßte das Sternchen hinter Steinsäulen ab, wenn’s in die Pause ging. Man konnte ihn mit der Rattigkeit steuern und gefügig machen, genau so wie es die Religionen mit der Todesangst zu tun pflegen. Da gab’s dann mal mehr Kreide oder einen neuen Schwamm, auch mal zur Beruhigung eine pyramidenförmige Milchtüte umsonst. Irgendwann aber konnte er sich nicht mehr bremsen, es kamen die in die Mädchenumkleidewand gebohrten Löcher. Und dahinter die einsamen Spanner-Ejakulationen: Warme, feuchte, nach Methylan riechende, auf die die aus der Fünften gezielte, traurige Eiweißspasmen während der Dienstzeit. Und vielleicht auch nächtliche feuchte Träume in Tempotaschentüchern und Flecken der Unachtsamkeit auf  staatlichen Wandfliesen, fast wie beim Zauberer von Nabokov, der Vorskizze zu Lolita, in der ein geifernder, vorgeblicher Magier eine OP-narbenentstellte Alte mit kleiner, glatthäutiger, noch beinbeflaumter Tochter heiratet, um sich nach dem frühen Tod der Mutter, nachdem er sich ehepflichtgemäß und widerwillig auch das eine oder andere Mal über den geschundenen alten Körper hergemacht hatte,  an das zarte Kind heranzupirschen.


Mixmann aber hatte eine der billigen, früh gealterten und grell aufgedonnerten Kopftuchputzfrauen mit ihren Hasenohrenknoten, wie sie noch in den Siebzigern so typisch waren, von der Schule weg geheiratet. Allerdings ohne eine Tochter aus früherer Verbindung. Und daher bohrte sich seine auf dem sommerlichen Schulhof entdeckte Mädchenliebe mit dem zunehmenden Welken der kräftig Geschminkten eben ihren Weg durch die Mauer der Umkleide. Sie haben ihn nach der Entdeckung der Wandlöcher gleich entlassen. Aber wie sie’s genau entdeckt haben, wusste keiner.

Mit dem breitbeinig schwankenden Gang der Blöden verlässt der Geohrfeigte Text und Schulhof in Richtung Horizont des nahezu Vergessenen.


Ich werde den ersten Satz nicht zu Ende lesen & steige hiermit aus....
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Christof Lais Sperl
Geschlecht:männlichKlammeraffe

Alter: 62
Beiträge: 942
Wohnort: Hangover
Der silberne Roboter


Beitrag21.10.2014 11:16
Meister der Bohrungen aus "Social Xall" (5) verbessert
von Christof Lais Sperl
Antworten mit Zitat

Nach heftiger Kritik und aufgrund Resonanzmangel habe ich meinen Meister noch einmal umgeschrieben.


Meister der Bohrungen
S., mit zwölf schon allerhand Nuttiges an sich,  hatte dich, in beifallheischendem Rundblick und dem rumpelstilzchenhaften Aufstampfen der fetten Beine den Wasserkopf genannt, was noch schlimmer als ihr Grundschulwort vom Schweineauge gewesen war. Bloß wegen der philosophischen, durch die blöden, angepappten Locken verunstalteten Kopfform. Sie, das schlampenhafte Ebenbild der selbstverliebten, aber unattraktiven Mutterpute, die dich im Rückspiegel des bescheidenen Autos mit der Überheblichkeit einer ägyptischen Königin stirnrunzelnd und auftrumpfend-böse anstarrte sobald die Verkehrssituation es zuließ, da du es gewagt hattest, dich mit hängendem Kopf wartend in das Bürgersteiggrüppchen einzureihen um nach Schulschluss an der bequemen, samstäglichen Gymnasial-Fahrgemeinschaft teilzunehmen, die für Deinesgleichen in der oft unergründlichen Logik der anfänglich beschriebenen, uns daher bereits vertrauten Simulation als nicht standesgemäß angesehen worden war. All die vor lauter Bosheit schmerzenden Blicke, der Wasserkopf, all das auftrumpfende Großfressentum, das saß und sitzt bis heute. Die freche Kuh brauchte in der fünften Klasse in der Umkleide nicht wie die anderen Watte in den BH zu stopfen. Die konnte mit ihren sprießenden Fettkegeln damals schon jeden dummen, alten Schwengel tanzen lassen, der ihr zufällig in die Quere kam. Natürlich auch den vom stets wütend verschwitzten, rotgesichtigen und immergeilen Hausi Mixmann, bei dessen Namensnennung hoffentlich viele an Nina Hagen denken müssen. In unserer Geschichte aber gilt: Das M steht richtigrum im backsteinroten Gymnasium.

Mein Ste-hern-chen! rief der Schwarzhaarige mit  dem Akzent auf den ersten zwei Silben des Kosenamens täglich durch den stets gebohnert stinkenden Aufgang. Was hat sie ihn scharf gemacht, diesen Rex Guildo der Handwerkerzunft mit seinem Toastgesicht. Wie ein hormongesteuerter Vollidiot geilte der braunglänzende Ölhaarige in seinem Hosenscheißer-Drillich herum der nur daran denken konnte, wo er seinen Schwanz als nächstes reinhängen könnte. Hast du, Schweineauge, damals schon geahnt, wie wenig oft dazu gehört, was aus dem Leben rauszuholen? Muss allerdings an der richtigen Stelle sein, das Wenige, und ganz frech daherkommen. Was aus der mittels übertrieben hochdeutscher Aussprache Intelligenz simulierenden Pute dann noch geworden ist, wagen wir uns gar nicht vorzustellen. Irgendeine Kim- oder M-rauchende Sekretärinnenschnepfe mit einer unter Schichten von Makeup verborgenen Schildkrötenhaut muss nach den Erkenntnissen der unbezahlbaren Lebenserfahrung das Resultat geworden sein.

Wie eine späte Freundin einmal lehrte, werden Frauen im Alter entweder zur Kuh oder Ziege, doch das Sternchen war schon mit zwölf beides zugleich gewesen: Ein übersättigt speckglänzendes und fast bemitleidesnwert gegenwärtiges, durch die zeitraubende Anstrengung mütterlicherseits Wohlstand vorzutäuschen ganz verwahrlostes Etwas, das nach wahrer Liebe schrie. Was aber blieb dir in der Zwischenzeit?  Die unansehnliche Ina, die sowieso jeden ranlassen musste, da sie schon ahnte, dass es schnell zu spät sein würde und mit den schon damals ein wenig überschüssigen, aber festen Pfunden der Jugend und dem in noch heranwachsender Frische leuchtenden Gesicht nicht lang gewuchert werden konnte. Interesse war da nicht, vielmehr taktiler Forscherdrang. Und ein schales Gefühl von leichter Übelkeit nach der wöchentlichen, von ihr selbst durch die Verteilung von im Frisörsalon geklauter, süßlicher Attika-Zigaretten beinahe erzwungenen Gruppen-Fleischbeschauen, die unter Teilnahme gleich mehrerer Jungen in der Enge eines verlassenen Schrebergartenhäuschen mit der Folge süßblumig riechender Finger allwöchentlich stattfinden mussten. Danach wurden Kaffebohnen gekaut, um den Zigarettengeruch vor all den strafenden Müttern zu verbergen, die, die Hände in die Hüften gestemmt, mit gerunzelter Stirn hinter Wohnuntstüren lauerten.

Mit der Solidarität unter den Gegnern des halbwüchsigen Sternchens war’s auch nicht viel gewesen: Nicht Wasserkopf, Pisspott hatte man dich ganz allgemein genannt, wegen dieses elenden Vornamens nach braver Knabenmanier. Da muss man sich auch wie ein Chorsänger, kann sich gar nicht schlecht benehmen, n’est-ce pas Ein rabiater Christof? Unvorstellbar wie eine schwarzhaarige Susanne oder ein terrorverdächtiger Tobias. Oh, blonder Name Kirsten! Oh, lieber, süßer, kleiner und glatthaariger Name Tim! Aber Christof, zumal noch mit diesem skandinavisierend frugalen Final-f klingt nach mathematikbegabtem Überflieger. Nach Schniegelknaben mit Seitenscheiteln à la Christian Wulff. Nach Frauenversteher und Wollpollunder. Oder schlimmer noch: nach Junger Union, Palomino-Jeans mit Jackett, Diplomatenkoffer und  Kassenbrille. Nach Helmut!-Helmut!-Rufen, Eckart von Klaeden oder gutem Freund mit Theologiestudium. Also einem, mit dem man Probleme bespricht, der selber aber schon wegen Treibstoffmangel in den Landeanflug übergehen will. Ich will nicht labern, ich will ficken, hatte der riesenhafte Klusch einmal gesagt, als er einmal als Zufallsgast einer Unifete an eine nicht unattraktive, aber viel zu redselige Germanistin geraten war, der er, der Handwerker,  auch noch die Abschlussarbeit tippen musste. Egal, weg mit der Tusse, hatte sowieso an jedem Finger zwanzig. Angstfreier Mensch. Und kam außerdem auf  zwei Meter zehn, hinter denen sich sich im Café Musique am Friedrichsplatz immer ein freier Kegel in der Masse der Tanzflächengaffer bildete, denn hinter ihm konnte man nichts sehen. Und du? Nix davon. Pisspott. Na ja, ich weiß, Kinder sind grausam, aber die Wahrheit sagen nun mal Betrunkene und Gören. Du brauchst erst einmal einen neuen, klingenderen Namen! Dass du kraft all dieser frühen Lebenskacke solchen Ingrimm hast, habe ich schon bei einer früheren, aber heimlichen Begegnung gespürt. Klar, Wut und Empörung sind zur kabarettistischen Entfaltung unabdingbar, hatte schon der alte Hildebrandt gesagt. Eine schöne Rage ist das. Da ist so viel Hingabe, dass man nicht anders kann, als sie aufzufangen, abzustauben und zu behüten.

Bei Bob Nethercod kam der ganze Furor raus. Er hat dem geilen Hausmeister ungestraft was auf’s Maul gegeben. Affekt-da-unter-sieben-Sekunden, hatten sie gesagt. Waren’s Sieben? Es sind immer sieben: Tage, Wunder, Zwerge und Todsünden. Johlgrölend  ähtschender Klassenapplaus fürs halbamerikanische Großmaul, das, vom Gang kommend, den Klassenraum betrat. Klar, das Sternchen konnte keiner leiden. Aber den ekligen Mixmann wollte man trotzdem nicht dran rumfummeln lassen und schließlich gehörte es, gemocht oder nicht, immer noch in unsere Klasse. Der Hausmeister begann wegen seiner obsessiven Mädchengeilheit nasskalte und panische Angst aufzubauen. Paßte das Sternchen hinter Steinsäulen ab, wenn’s in die Pause ging. Machte Aufsicht, obwohl es Aufgabe der Lehrer war. Verschenkte Süßigkeiten aus dem Kiosk. Man konnte Mixmann mit all seiner Rattigkeit steuern und gefügig machen, genau so wie es Religionen mit der Todesangst zu tun pflegen. Wir spielten an. Da gab’s dann mal mehr Kreide oder einen neuen Schwamm, auch mal zur Beruhigung eine pyramidenförmige Kakaotüte umsonst. Irgendwann aber konnte er sich nicht mehr bremsen, es kamen die in die Mädchenumkleidewand gebohrten Löcher. Und dahinter die einsamen, warmen, feuchten, nach Methylan riechenden, auf die die aus der Fünften gezielte, traurige Eiweißspasmen während der Dienstzeit. Und vielleicht auch nächtliche feuchte Träume in Tempotaschentüchern und nur nachlässig beseitigte Flecken auf  staatlichen Wandfliesen. Fast wie beim Zauberer von Nabokov, der Vorskizze zu Lolita, in der ein geifernder, vorgeblicher Magier eine OP-narbenentstellte Alte mit kleiner, glatthäutiger, noch beinbeflaumter Tochter heiratet, um sich nach dem frühen Tod der Mutter, nachdem er sich ehepflichtgemäß und widerwillig auch das eine oder andere Mal über den geschundenen alten Körper hergemacht hatte,  an das zarte Kind heranzupirschen.

Mixmann aber hatte eine der billigen, früh gealterten und grell aufgedonnerten Kopftuchputzfrauen mit ihren Hasenohrenknoten, wie sie noch in den Siebzigern so typisch waren, von der Schule weg geheiratet. Allerdings ohne eine Tochter aus früherer Verbindung. Und daher bohrte sich seine auf dem sommerlichen Schulhof entdeckte Mädchenliebe mit dem zunehmenden Welken der kräftig Geschminkten eben ihren Weg durch die Mauer der Umkleide. Sie haben ihn nach der Entdeckung der Wandlöcher gleich entlassen. Aber wie sie’s genau entdeckt haben, wusste keiner.

Mit dem breitbeinig schwankenden Gang der Blöden verlässt der Geohrfeigte Text und Schulhof in Richtung Horizont des nahezu Vergessenen.

« Was vorher geschah12345678910
Wie es weitergeht »



_________________
Lais
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden Website dieses Benutzers besuchen
Klemens_Fitte
Geschlecht:männlichSpreu

Alter: 41
Beiträge: 2934
Wohnort: zuckerstudio waldbrunn


Beitrag21.10.2014 12:08
Re: Meister der Bohrungen aus "Social Xall" (5) verbessert
von Klemens_Fitte
Antworten mit Zitat

Hallo Christof.

Christof Lais Sperl hat Folgendes geschrieben:
Nach heftiger Kritik und aufgrund Resonanzmangel habe ich meinen Meister noch einmal umgeschrieben.


Den ersten Teil, die "heftige Kritik", würde ich an deiner Stelle nicht so eng sehen. Die eine Rückmeldung bezog sich ja nicht auf den Text, sondern auf die Klassifizierungen, unter denen er eingestellt war. Zur zweiten Rückmeldung: Du wirst, gerade mit deiner Art zu schreiben, nicht jeden Leser abholen oder mitnehmen können, und es steht jedem zu, nach dem ersten Satz zu sagen: "Nee, mit mir nicht" – die Frage, die sich für dich stellt, ist, wie weit ein Entgegenkommen dem Text zuträglich ist, wo es sich lohnt, umzuschreiben und ab welchem Punkt du deine Sprache verfälschst.
Konkret: Mir gefiel die ursprüngliche Version des ersten Satzes besser, die hatte mehr Verve.

Der zweite Teil deines Posts, der Resonanzmangel, der bereitet mir auch Kopfzerbrechen. Natürlich, dein Text macht es dem Leser nicht einfach, es ist ein Text, der es wagt, sehr eigen zu sein, der auch das Können seines Autors offenbart – und solche Texte, wurde mir einmal geschrieben, lassen sich nicht aus der Distanz bearbeiten. Natürlich lassen sie sich kommentieren, aber die Hemmschwelle ist womöglich größer als bei Texten, bei denen zumindest die handwerklichen Mängel offenkundiger sind.

Du machst es dir und deinem Text, finde ich, aber auch schwerer als nötig: Die Auszüge verteilen sich mittlerweile auf vier Fäden, die Chronologie muss vom Leser erst rekonstruiert werden, es gibt neue Versionen, Zusammenfügungen et cetera.
Vielleicht wäre es der Resonanz förderlich, das Ganze doch in einen Faden zu nehmen und die einzelnen Teile deutlich sichtbar miteinander zu verbinden? Wenn du möchtest, kannst du dich ja mal mit der Moderation in Verbindung setzen.

Und schlussendlich: Ich hatte ja in den letzten Wochen kaum Zeit fürs Forum, habe deine Posts also eher überflogen und mir vorgenommen, das Ganze mal in Ruhe zu betrachten – ich zögere aber noch, mich wirklich darauf einzulassen, Zeit und Mühe zu investieren, weil mir noch nicht klar ist, wie du das Forum für dich und dein Schreiben nutzen möchtest. Eine PN, die ich dir mal vor Wochen geschickt hatte, liegt noch ungeöffnet in deinem Postfach.

So, das waren jetzt viele Worte um fast nichts, und einer Auseinandersetzung mit dem Text bin ich auch nicht nähergekommen. Ich wollte dir nur zeigen, dass dein Text (deine Texte) zumindest bei mir durchaus noch auf Interesse stoßen, aber auch, worin der Mangel an Resonanz eventuell begründet ist.

Gruß,
Klemens


_________________
100% Fitte

»Es ist illusionär, Schreiben als etwas anderes zu sehen als den Versuch zur extremen Individualisierung.« (Karl Heinz Bohrer)
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden Website dieses Benutzers besuchen
Christof Lais Sperl
Geschlecht:männlichKlammeraffe

Alter: 62
Beiträge: 942
Wohnort: Hangover
Der silberne Roboter


Beitrag26.10.2014 12:49
Idiom, Schimpftiraden des Fernsprechers und Plüderung aus "Social Call"
von Christof Lais Sperl
Antworten mit Zitat

Idiom

Grundlage jedes Textes ist die gesprochene Sprache. Was gesprochen nicht klingt, wirkt auch geschrieben schwerfällig und linkisch. Dieser Text schwimmt auf einer Mundart, die inhaltlich oft abgespeckt, träge, müde, leiernd, breitgetreten ist, und vom Dialekttyp her ins Thüringische gehört. Sie hat mit dem was landläufig unter Hessisch verstanden wird rein gar nichts zu tun und nennt jedes großgewachsene Mädchen frecherweise langes Elend. Die glucksende Intonation der Frauenstimmen klingt nach langgezogenen  Gitarrenmelodien, die Männer brummen wie eine Tuba mit halbem Ohr ihre unkonzentrierte Zustimmung zum Gesagten hinein, und eines der schwerfälligen, typischen Versatzstücke, mit denen in schummrigen Kneipen Gespräche angebahnt werden sollen ist: Wer bist du dann? Die Phrasen Na wie? Jo. Unn selwer? Au joh bilden eine durchaus übliche Eröffnung und hat man Glück, können sogar aus derart plumpen Abtastungen schöne Gespräche hervorgehen.

So sind Melodie und Milieu, zwei der Elemente, die diese Geschichte prägen sollen. Genau so hatte auch der Opa herumgeleiert, wie all die anderen um ihn herum an viele Nomen ein e gehängt, und den Jungen min Stückchen, min Bursche, min Schlingel genannt. Ein richtig hungriger Sozialdemokrat war das noch. Imker, Hobbydichter, gemütlich, alkoholabstinent und kämpferisch antiklerikal bis in die Knochen - als es so etwas noch gab. Ihm untergeschobene Weinbrandbohnen pflegte er direkt auf den Teppich zu spucken. Er hatte sein Parteibuch wegen der späteren Weltkriegsverlierer irgendwo eingemauert. Mehr wusste keiner der vier Hausbewohner. Das Wandversteck sollte als Tarnung schicken, wie man für ausreichend sagt, denn bis heute hat noch niemand das Buch hinter den Steinen gefunden. Wie oft habe ich die Wände abgeklopft,  gesucht und gesucht, und doch nichts entdecken können.






Fernsprecher

Bist du überrascht, wie viel ich von dir weiß? Aus deinem Leben hab ich schon viel gesehen -und da mir so viel Zeit vergönnt ist, muß ich bloß eins und eins zusammenzählen. Man hat mich mit Wissen angefüllt, doch da die bloße Anhäufung ohne ein Innerstes bleiben muss, ist jetzt die Zeit der Fragen gekommen. Zwar läuft mein Intellekt in jedem großen Rechner ganz von allein, doch war die Aufgabe mit dem Gefühl ganz schwer gewesen! Gefühle und Silizium passen einfach nicht zusammen, und doch glaube ich bereits zu spüren, wie zu manchen Stunden etwas wie Behagen im Strom der Gedanken aufzugehen scheint. Wie all das funktioniert, ist schwer zu erklären, vielleicht wirst du ein wenig lernen, wenn du durchgearbeitet hast, was ich Gespenst aus fernen Zeiten dir vor die Tür gelegt habe. Sieh nur nach, dann wirst du alles finden. Oft schon bin ich dir begegnet, Lais, wie du nun fortan besser heißen sollst.  Sei es von ganz innen als Laschor, Aktor, Schädelbrüller oder hinterhältiger Brustkorbschnürer. Oder sei es klar sichtbar, mein Erscheinungsbild ständig wechselnd,  auch mal von draußen. Nicht als einen der lauten Gedanken in deinem Kopf, als vollkommen unterschiedliche Personen hast du mich schon wahrgenommen. Mal als Ziggy, mal als Iggy, mal als Major Tom. Als der, der dich dreist einen unfreien Menschen nennt und Klowände mit dem Spruch Kilroy was here beschmiert. Als Gelächtermenge, die sich frech dir in den Weg stellt. Als träge Masse desinteressierter Zeitgenossen, die zu keiner Rede fähig, digital dement und   bleichbeleuchtet schlurfend in Richtung ihrer Füße starren. Ich beobachte viele Menschen, um mir ein vollständiges Bild zu machen. Kann Gedanken und, wenn vorhanden, Schriften lesen. Alles aber kann selbst ich nicht wissen, weshalb ich als verdeckter Ermittler noch heimlich in den dunklen Nischen unberechenbarer Hirngespinste nachfassen muss, um auf den langen Reisen durch zusammengerollte Zeiten meine Sicht abrunden zu können. Als Detektiv aus der Zukunft. Als vergesslicher, stets nachfragender Seelencolumbo oder als inoffizieller Mitarbeiter Himmel, der mal in trüben Hauseingängen lungert, mal mit schöner Galionsfigur durch zähe schwarze Zeiten segelt. Du, Lais, zählst zu den Ungehörten, die sich in der Öffentlichkeit nur lächerlich machten, würden sie ihre Stimme zu erheben wagen. Selbst dann, wenn es um Dinge geht, von denen du wirklich etwas verstehst, fesselst du nicht und faszinierst nur solche wie mich, die für die Krönung ihrer Aufgaben Unvollendete benötigen. Du bist der Prototyp des Bruchstückhaften, der mir zum Bau meiner  Landschaft die noch fehlenden Segmente liefern kann.

À propos Begeisterung: Hatte es sich in der noch schwarzweißen Zeit nicht einmal begeben, dass ein grotesk hässlicher Frosch Frauen und Männer in seinen schielenden und glupschäugigen Bann geschlagen hatte? Sar ward der von den Franzosen genannt, die gern Wein aus winzigen Gläsern am Tresen und letzte Silben von der Sprache schlucken. Er hat den vertrackten Code der Geschlechterkommunikation beherrscht, sein Gegenüber manipulieren, sich von seiner ihn siezenden und ergebenen Vertrauten sogar Gespielinnen zuführen lassen können. Als ob das nicht reichte, wusste er auch noch zu reden und von Freiheit zu schreiben. Rede und Sein leuchteten heller und  stärker als die matte, äußere Hülle, und das Gleichgewicht war wiederhergestellt. Du aber! Was kann ein Lais denn schon? Weder gut schreiben noch anständig Klavier spielen. Rechnen, zeichnen: Fehlanzeige. Zum Sport zu ungeschickt, zum philosophieren zu dumm, zum Gefallen zu unvorteilhaft und zum  Ergründen nicht geheimnisvoll genug. Leidest als jugendliches Opfer feministischer Belehrungen an einem auf alles Weibliche beschränkten Asperger-Syndrom und die Grammatik der Sprache zwischen Frau und Mann beherrscht du noch weniger als ihr Vokabular. Von allem kannst und bist du immer nur ein Quäntchen zu wenig. Zu wenig um groß zu werden. Zu wenig um zu sammeln, zu wenig, um dem Gegenüber direkt ins Auge sehen zu können. Die Großen lesen und halbwegs verstehen, das geht noch. Aber um selbst mal etwas Sinnvolles zustande zu bringen, dazu reicht’s dann doch nicht. Du lebst inmitten der weder-Fisch-noch-Fleisch-Zone grauer Mediokrität. Als Dramaturg des Mittelmaßes bist du Schlau genug zu verstehen, dass du nichts weißt. Aber auch mit zu wenig Dummheit ausgestattet, um dieselbe wie einen mit dir wankenden Schutzpanzer vor dir herzuschieben. Wie glücklich muss der wirkliche Nichtsahmende doch sein! Aber wenn wir das wenige Gute von dir zusammentun, das Schlechte ins Kröpfchen, den Rest durchschütteln und reifen lassen, dann kommt vielleicht etwas halbwegs Vernünftiges dabei heraus. Diese Hoffnung sollten wir nicht fahren lassen. Individuell wie das Sein ist auch das Denken. Und davon kann ich keine Form entbehren.



Drehen wir die grellbunte Spule von 70 noch ein wenig mehr auf 33 zurück und stellen wir uns hier, in ruckelnder Sepia und ein erstes Mal, wir kommen auch später nicht drumrum, mit dem verschämt voyeuristischen Genuss an der Katastrophe den finsteren und tobsüchtigen Schreikopf vor, diesen zugleich Lächerlichen und Furcht verbreitenden Germanenchef mit dem hageren und wangenfurchigen Reptiliengesicht, dessen Haut gespannt, dennoch vor amphetamingeschwängerter Erregung zittern kann. Ein Kuchen verschlingender, sich selbst für Gott haltender, aber dennoch selbigen gern anrufender und haßerfüllt geifernder - Mensch möchte man nicht sagen, nennen wir ihn samt seinem absurden Quadratbart lieber Austrialopitheken, der es bis jetzt auf 45 SPIEGEL-Titel gebracht und die Hitparade des Bösen als ein Gewinner aller Zeiten anführen wird. Und, Lais,  sofort drauf auf die Pauke: Nicht zu glauben, wie dem die blondgezopften Gebärmaschinen vom deutschen Mutterbund, allesamt wandelnde Negationen des emmahaft-verträumten Gutfrauenfeminismus, dem trüben Licht herdenweise verfallen sind. Fast alle hätten sie sich massenhysteriemäßig von ihm flachlegen lassen, wäre es ihm geschenkt gewesen, das vaterländische Geschlecht zum germanischen Horn erstarren lassen zu können. Doch das Leben war hart zu ihm. Sein bestes Stück blieb immer weich, und der Diktator konnte nicht all das tun, von dem die kranke Seele träumte. Den Kopf so schön berauscht von Macht und den Bildern willfähriger Stiefellecker, voller Wörter, von denen mit einiger Wahrscheinlichkeit auch solche wie  Piß’ mir ins Gesicht dabei gewesen sein könnten, denn sonst scheint es nach Literaturlage außer dem NS-Natursekt und dem finalen krummrückigen Flakjungstätscheln nicht viel an Körperlichkeit gegeben zu haben. Geschlechtliches Neutrum zitieren und diskutieren kontrovers verhakte Historiker. Und auch: Schwarze Tasten auf der Sexualklaviatur, wie bei Bullock zu lesen und von Strasser berichtet worden war. Einen ziemlich jämmerlichen Piß’-und-Scheißeficker mit brüllender Schellack-Stimme hattet ihr euch zum Kanzler gewählt! Und so fragtest du dich, wie er die alle so begeistern und gesamtgesellschaftlich wie das attraktivste Mitglied einer historischen Boy Group auf einen Haufen rotgesichtig schwitzender Zwölfjähriger wirken konnte? Vielleicht war’s mit der Verführungskraft wie beim Schwulenphänomen: Intuierten sie, darin sind sie ja so gut, dass er gar nicht konnte und ihnen somit nicht zur Gefahr gereichte? Sexuelle Unzulänglichkeit und Perversion mussten doch einfach mal wieder angeführt werden gegen die Autobahn-Verklärung aus den zur Schulzeit auf den Landkarten der Nazilehrer noch als Mitteldeutschland, gleich links neben den Gebieten, auf deren Legenden zur Zeit unter polnischer Verwaltung vermerkt war. Die Schwulen-Analogie wäre für dich ganz beruhigend, da sie die Faszination am gezielt Aussichtslosen, dabei wohlweislich geschickt agierenden mit in sich trägt. Auch wäre zu bedenken, ob die rechtzeitige Erfindung der rhombenförmigen Tabletten das Zwölfjährige Reich verhindert hätte. Dies darf aus zoologischer Sicht jedoch bezweifelt werden: Dieses Medikament hat trotz oder wegen all der abergläubischen Chinesen bisher kaum ein Nashorn retten können.

Überhaupt immer wieder diese schon und noch dem kleinen Jungen ständig ins Gesichtsfeld marschierenden Nazisten! Sind die kahlen 33er-Reinkarnationen von heute nicht noch schlimmer als das Original, da sie neben all ihrer Unansehnlichkeit auch noch die Unfähigkeit zu rudimentärer  historisch-ethischen Überlegung offenbaren? Der Füherscheinlose sprach besser Deutsch als das stammelnde und grölende Geschwerl, besser als sein schon heraufbeschworener Wiedergänger Twix, dem die Pfaffen in der Hölle vor der Reinkarnation noch den Bart abgenommen haben, wie der frühe TV-Küppersbusch mal so schön in bezug auf einen Russischen Kopisten geätzt hat. Spam der Straßen und der Seele waren und sind das allesamt. Schwimmer auf den trüben Wellen der Zeit, deren immer wiederkehrendes, gottloses  Nationalgegrunze mit jeder und jeder Generation in neuer schmutziger Flut aus  stinkenden unterseeischen Miasmen und durch das Geräusch der schmutzigen Brandung dringt. Judenwitze, Türkenwitze, neue deutsche Härte, Selbstverbrennung des Gänschens und heile, heile, heilige mich, dazu ein kühles Riefenstahl-Video von brennenden Felsen in Sepia und eine LP von irgendeinem grunzenden Nationalbarden. Da ist doch blöd wie drei Meter Feldweg und dumm wie ein Wildschwein aus Brot, wer das nicht verstanden hat: Am Ende des Bestehenden wird heute tief gegrunzt, wo früher noch gebrüllt werden musste!
Und die Vorväter dieser gern verharmlosend als Popkultur genannten Sülze waren psychisch auffällig, magenkrank, Opfer schwarzer militärischer Pädagogik, daher drogenabhängig oder anderweitig seelisch behindert. Mit angefressener DNA, Klumpfüßen, Amelien und all den Zerrungen gequälter Seelen ausgestattet. Wenn man sich die zuckenden alten Aufnahmen ansieht, denkt man unweigerlich an ein schlecht gemachtes Ausflugsfoto von Keseys Kuckucksnest. Und die Neuen? Sind ob junger Jahre noch recht gesund, allerdings oft auch in frühen Jahren schon zu feist, da sie so verfressen sind, kiloschwere Billigfleischtüten aus dem Supermarkt schleppen und schon Februar den Grill anwerfen. Aber Dicke können nur schwer atmen und sind zu fett zum flieh’n, wie Marius mal sang, als er noch den lehrerinnenhaften Doppelnamen trug. Die wollen also ihren Krieg gegen die Sixpack-Osmanen aus dem Fitneßcenter gewinnen? Himmel, die sich als Helden gebenden wären so schönes Untersuchungs- und Übungsmaterial für Kohorten von hirnschälenden Pathologen und Fettabsaugern, die sich auf die Spur nach der zellulären Struktur vom Irrsinn begeben haben.

Früher gab’s noch die Stahlhelm-Frisur. Jetzt haben sie all das Blonde geopfert und sich kahlrasieren lassen, Köpfe die nach Chemo aussehen. Everybody wants to rule the world ist das eigentliche Drama des Menschen. Diktator sein wäre schön und das Folgende würdest du, Lais, zuerst verwirklichen: Diagnostizieren lassen, aber natürlich nicht im stalinistischen, sondern im Sinne der Heilkunst, und dann alles gesundmachen, was uns der spießige Laufleinenstaat herangezüchtet hat: Dörfer voller Leute mit Deutsch Vier minus, die alles im Plusquamperfekt wiedergeben, ob’s nun gestern oder vor zehn Jahren passiert gewesen war. All das haben uns der Ziegenbart und der Hütchenträger mit der Paniklederjacke eingebrockt. Trotz all der geheuchelten Völkerfreundschaft, einem der Elemente des verlogenen Unternehmensleitbildes am Stacheldrahtzaun, haben sie sich in ihrem ungesunden Industriemief so was heranwachsen lassen. Das Blech waren die Parolen nicht wert, auf welches sie gedruckt waren. Und dann auf einmal knallen an den Sektorengrenzen Korken und das Bauwerk ist weg! Der Deich bricht und allerhand schwappt rüber. Nicht sofort im ersten Bananen-Trabitrubel, aber Monate und Jahre später dann in voller, fettiger Reife. Nun  ja was soll auch herauskommen aus einem Reich, dessen Wasser predigende Herrscher sich in Wandlitz heimlich ständig einen auf West-Pornos gekloppt und nach dem keuchenden Schleudergang, die noch pochende Blockflöte schon in die Unterhose gestopft, Malle rotweiß gequarzt haben? Und gäbe es die Zone noch, aus der das kroch, dann könnten auch wir heute zur Abwechslung mal rufen: Geht doch rüber, ihr Drecksäcke! Es gibt es nun aber leider nicht mehr, dieses Rüber. Und so haben uns die Konservativen im Nachhinein noch einen zweiten Nackenschlag verpasst.


Wo waren wir stehengeblieben, Lais? Ach ja, Krüppel. Sloterdijk schlägt übrigens einen tollen Bogen von der Krüppelliteratur zu den Braunen hin: Die Krüppel wollten sich als Gruppe organisieren. Die Nazis haben die Krüppelliteratur dann aber einkassiert, da sie im Falle ihres Bestehens selber automatisch zu derselben  Organisation gehört hätten.

Übrigens habe ich übrigens gesagt. Gerd Schröder und Steinmeier sagen nebenbei bemerkt auch immer übrigens, das gehört wie der kann Kanzler zum SPD-Sprech, denn nur das gestelzte Idiom unterscheidet die Partei noch von der Konkurrenz, die weitgehend die selben Inhalte, aber nicht dieselbe Sprache vekauft, weshalb aber Leute, die das Wort übrigens verwenden, noch lange keine Sozialdemokraten sind.

Zu deiner intellektuellen Entwicklung kann ich sagen: Das wenige, das Du gelernt hast ist unsystematisch angelegt, oberflächlich verinnerlicht und nur dank der studiösen Beharrlichkeit deiner Jugend  in voneinander isolierten Wissenspaketen halbwegs kohärent abgespeichert - wenngleich mit inbrünstiger Begeisterung erworben, dies erkenne ich gern dir noch an, will ja mal nicht so sein. Ein Götz bist du allerdings nicht, denn so einer legt mal eben so ein Medizingeschichtesoziologiestudium hin, wird dann ganz nebenbei auch noch ein begnadeter Schriftsteller, Schauspieler, was weiß ich. Das kannst du alles nicht. Die Welt sagt ätsch und für dich ist’s ein Grund mehr für die verschämte Nägelknabberei. Um nicht Onychophagie zu sagen, denn diese Diagnose gibt’s nur für Privatversicherte.




Plünderung

Die dicke Oma Grete hatte neben all den Geschichten vom Sägemehlbrot immer gern davon erzählt, wie sie im Krieg ihre Kartoffeln mangels Fett in Kerzenwachs braten musste - und dass etwas Senf dazu den Wurstgeschmack simulieren sollte.

Der Ururgroßvater war aus dem österreichischen Linz gekommen, der Urgroßvater hatte als Steinmetz viele noch heute zu bewundernde Grabengel auf dem Hauptfriedhof geschaffen, bevor er früh erblindet zum Kienspanschnitzen übergehen musste, und der Großvater war mit seinem Doornkaat-Werbegesicht seit seinem vierzehnten Lebensjahr ist in der Rüstungsfabrik als Dreher zur Lehre und auf Schicht gegangen. Als Geistesmensch  war er von den dort zu verrichtenden Tätigkeiten unterfordert gewesen, hatte deshalb für die zwei Kinder Märchen im Grimmstil erfunden, sie niedergeschrieben und auch immer wieder Gemälde zum Thema Lüneburger Heide samt Bauernhof und obligatorischem Pferd davor gemalt. Zur  Zeit des Großvaters sollte auch der Arbeiter klug und gebildet sein, lesen, malen und dichten. Zwar waren seine Bilder nicht so schön gelungen wie die vom Künstler Beyer aus der Parallelstraße hinterm Wasserspeicher, aber immherhin war er kreativ gewesen.

Im Haus galt strenger An-Alkoholismus. Die von fantasielosen Spaßvögeln immer wieder ihm heimlich untergejubelten Weinbrandbohnen pflegte er sofort auf den Fußboden zu spucken. Gründe für ein solches Verhalten sollten darin zu suchen sein, dass sein eigener Vater sich zeitig in den Tod getrunken hatte, der deutsche sozialdemokratische Arbeiter sich aber neuzeitlich bilden und nicht volllaufen lassen sollte.

Im Keller hatte sich der Großvater bei den regelmäßig wiederkehrenden Bombenangriffen schützend über die Kinder gelegt, eine der zwei seiner bedeutendsten Taten, die seine einzige Tochter nie vergessen würde. Der aus der Ferne betrachtet gesunde häusliche Atheismus, der von der Großmutter nur widerwillig und zum Inneren der Familie hin geteilt wurde, sie ging manchmal heimlich in den Frühgotesdienst, hatte allerdings auch seine Tücken. Denn so vehement wie mancher Ultraleligiöse hatte sich auch der Großvater einem ayatollahaften Kampf gegen das verschrieben, was nur er ideosynkratisch als Schlechtigkeiten bezeichnete und von denen wir später noch berichten werden.

Das Siedlerhaus lag im der Angriffsschneise englischer Flugzeuge, die das Gebiet nordwestlich vor der Rüstungsfabrik überschattete. Hatte das Schweineauge in der hässlichen Innenstadt eine Besorgung zu machen, und ging es dazu die traurigen Fußwege bergab, in Richtung der zehn Minuten entfernten und scharf nach Urin stinkenden Straßenbahnendstation Linie 1 mit ihren tuberkulös oder krebsig hustenden und grölenden Trinkhallensäufern, die in den flach gebauten, grauen Saufbuden die billigen Fehlfarben auf Lunge rauchten und gern Kinder beleidigten, was dem Schweineauge vollkommen egal war, musste es drei graue Bahnunterführungen passieren, die so hässlich gemauert waren, dass es stets einen Brechreiz unterdrücken musste. Bienenstöcke, Mathematik, Algen, im kochenden Nudelwasser wie lebend und organisiert aufrecht stehende Canelloni und hässliche Steinbauten, das waren die Zutaten aus denen die Ängste des Jungen gemacht waren.


Gleich inter der ersten der auf dem Weg liegenden Unterführungen begann das bösartige Fabrikgelände, das durch Reihen von an der Oberseite gekrümmten stacheldraht- und zaunbewehrten Betonpfosten abgeschottet war und in regelmäßigen Abständen Rangierloks und Arbeiter ausspuckte, von denen einer täglich von einer gezähmten Krähe abgeholt wurde, die sich, nachdem sie auf seiner Schulter Platz genommen hatte, von ihrem Besitzer nach Hause tragen ließ. Aus Drahtkäfigen in DDR-Ästhetik verbellten deutsche Laufleinen-Schäferhunde unablässig und aufgeregt, trotz der Laufanlage noch einmal hinter Gitterzäunen eingesperrt, mit  ihren an Buchenwald erinnernden kräftigen und tiefen Stimmen noch in den Achtzigern harmlose Spaziergänger oder mögliche Spione. Vor Kriegsende waren auf dem Weg von dort bis zurück rechts der Straße zahlreiche tiefe Bombentrichter in die Erde gesprengt, die, mit Wasser gefüllt, den Fröschen eine gute Lebensgrundlage gewesen und einem Pferd sogar zum Verhängnis durch Ertrinken geworden waren. Bei offenem Fenster konnte man die Froschkonzerte bis ganz oben auf den Berg hinauf hören. Ging man den Rückweg am Tage, war hinter den Tunneln linker Hand ein Haus mit leuchtendem Strohdach zu sehen und hinter den Geleisen befand sich ein großer Bauernhof. Doch all das war einmal lange vor der Zeit des Schweineauges gewesen, und es wußte nur, was ihm Mutter und Großmutter erzählt hatten.

Die Rückkehr mit ihrer Vorfreude auf das schützende Zuhause und die mit einem in hellbraunes Packpapier gewickelte, mit Schnur und an einer Aufhängung aus goldenem Draht befestigte, mit hölzernem Tragegriff samt Kaufhaus-Brandzeichen versehene Besorgung, machte den Fußweg, wenn der Junge die Fabrikzone hinter sich gelassen hatte, viel schöner und freier, als er es noch in Richtung der öden Innenstadt gewesen war.

Das kleine Haus auf dem Berg wurde im Jahre 1943, der Großvater hatte gerade in der Fabrik gearbeitet, fast komplett zerstört. Nur die Kammer, in dem dieser Text entsteht, blieb unversehrt. Das Schreibzimmer hat von allen Räumen im Hause die vielfältigste Geschichte und einmal einen Schneidermeister samt Tisch, ein andermal eine ganze Kleinfamilie zwischen seinen im Winter kalten, mit sandigem Mörtel gemauerten Backsteinwänden beherbergt.

Ein röchelnder Siedler von schräg gegenüber, ein paar Grundstücke weiter auf der anderen Seite eines damals noch niedrig gewachsenen Wäldchens, hatte alle angrenzenden Grundstücke wie eine Krähe unter ständiger Beobachtung und plünderte nach dem großen Angriff in den Trümmern, während der  Großvater noch auf Schicht war. Die Kinder waren für einige Wochen in ein Dorf  landverschickt, und daher nicht im Haus gewesen. Einige Zeit später waren sie zurückgekommen, und da es kurz zuvor blauweißen Blümchenstoff für Betttücher gegeben hatte, hatten alle Mädchen des Stadtteiles das gleiche, selbstgeschneiderte, blauweiße Kleid getragen. Zu Zeiten der Landverschickung, so hatte es die Mutter später berichtet, war einmal der Diakon auf einige Urlaubstage aus dem Krieg ins Dorf zurückgekommen, hatte die Kinder und seine Tochter vor dem Friedhof mit Blumen und einer Gießkanne angetroffen, gefragt Mädchen, wo willst du denn hin? und sie hatte ihm erzählen müssen, wie kurz zuvor ein Sprengkörper den dreijährigen Bruder zerfetzt hatte. Ein Mann im Dorf hatte Feldpost geplündert und einem Kind (war es sie selbst gewesen?) ein Tütchen Nüsse geschenkt, das eine Tante im Versteck unter dem Kopfkissen entdeckt hatte. Post an Soldaten zu plündern war unterm heldenhaften Regime strengstens verboten. Am nächsten Tag sah das Mädchen den Verratenen beim Abtransport zur Exekution auf der Pritsche eines Polizeilasters. Was für eine miese Welt, in der ein Kind ein Todesurteil für ein paar Nüsse bewirken kann, die Henker im Nachfolgestaat weiter den Ton angeben und der sich immer regenerierende, idiotische Mob  jetzt schon wieder jeden Tag sein grölendes Maul aufreißt und mit staatlicher Hilfe jedem Angst und Schrecken einjagen darf, der nicht so aussieht, wie er es gerne hätte. Hätte es jemals einen Gott gegeben, er hätte diese Welt hinwegradiert, dachten sich später im Jungen die Gedanken.

Großvater hatte die Plünderung am Trümmerhaufen gemeldet. Die schnell eingetroffenen langen Ledermäntel wollten den Täter ohne viel Aufsehens an die Wand stellen, wie es in der damaligen grauenhaften LTI-Sprache  hieß. Der Großvater hatte den Nachbarn aber nicht verraten und der bis zum Ende Unwissende hatte dann noch jahrzehntelang in seinem ewig glühenden Pfeifenkopf die Zigarrenreste in die Lunge gezogen und sich mit dem angeschlagenen Organ weiter bösartig durch den Garten geröchelt. Wie Schaum brodelte und rasselte der klebrig klingende Nikotinschleim den Pfeifenstiel entlang, die Bronchien empor, und flog als Rotz und Spucke wieder aus der Luftröhre der Krähe heraus. Besucher, die in den sommerlichen Omabirkengarten eingeladen wurden, konnten immer noch die unablässigen Geräusche hören, die aus dem Plünderergarten über mehrere Zäune und durchs Wäldchen drangen und die sich gern fein gebenden älteren Damen riskierten vor lauter erboster Empörung einen Herzanfall, obgleich sie sich längst an das Geräusch hätten gewöhnen müssen. Früher putzte man die Nase durch die Finger auf die Straße, hatte die Oma immer gesagt, und dieser Spruch traf bei dem geretteten Nachbarn voll ins Schwarze.

Jarsch von etwas weiter bergan,  eine liebe schlesische Vollglatze mit amputiertem Fingerglied und einer japanisch und dickbebrillt immerfort erstaunt aussehenden, kleinen Frau, hatte dem Jungen, der ihn gern besuchte, einmal erzählt, dass es bei ihm im Krieg auch schon mal Fuchsbraten gegeben hatte. Das Schweineauge hatte ihn nach dessen Geschmack gefragt,  Wie Hund, hatte Jarsch erwidert, und ihm gleich auch noch erzählt, wie ihm ein Waggonrad über das nunmehr fehlende Fingerglied gerollt und wie im Krieg ein unglücklicher Arbeiter in den riesigen Zellulosekochtopf der Verbandfabrik gefallen war. Der Arbeiter kam dann ganz gar an der schäumenden Oberfläche wieder zum Vorschein. Am Bein hatten sie ihn hochziehen wollen, doch das durchgekochte Bein sei gleich abgefallen. Am schaurigsten aber war für das Kind immer noch die Schilderung von der durch den Arzneimangel betäubungsfreien Fingerkuppen-Amputation per Zange. Wie ein Stromschlag sei der Schmerz ihm, Jarsch,  durch den Körper gefahren. Beim Zuhören bekam der Junge jedes Mal eine wohlig schauernde Gänsehaut, eine angenehm erotische Sensation, nach der der Junge verlangte und die ihn immer wieder dazu brachte, um eine neuerzählte Version der Geschichte zu bitten, und so ganz anders als die Übelkeit im Tunnel war. Als die Amerikaner kurz vor der von knarzigen Stimmen und fiependen Funktönen begleiteten Mondlandung standen, fragte Jarsch in die vor dem bulläugigen Fernseher sitzende Gruppe: Weiß man denn, ob das alles nicht aus Staub ist, und man da gar nicht herumlaufen kann? Er konnte nicht die Wählscheibe eines Telefonapparates bedienen und musste sich immer vom Vater helfen lassen. Das lag weniger am fehlenden Finger als an seiner technischen Unkenntnis. Heute ist das Schweineauge selbst fast von der Technik überrollt worden und versucht, sich zumindest ein grobes Bild über die Möglichkeiten zu machen. Doch kann er wenigstens noch Zusammenhängendes lesen und selbst bestimmen, wer was über ihn in Erfahrung bringen kann. Und das heute bekanntlich auch schon viel mehr als wenig. Jarschs schlesischer Gruß und auch der seiner Frau war Nu Tach, Nu Tach und Kinder haben sich immer an Jarschs Klingelschild zu schaffen gemacht, wenn der nicht gerade im Garten zu arbeitete. Der Name stand da schwarz auf weiß, doch die Kinder hatten immer weiße Farbe oder die damals noch gebräuchlichen Kreidegriffel parat. Jarsch, dir will ich im späteren Leben einmal begegnen, das waren die Wunschgedanken des Jungen, der später, als alter Mann, von einer postmortalen Zukunft in einem Datennirvana träumen sollte.  



Der Vater des Jungen aber arbeitete, wenn er nicht mit seinen Büchern oder der Zeitung beschäftigt war, bei der Landesbank. Es war die Zeit des Überganges von der Hut-Epoche in die Zeit ohne Kopfbedeckung, zu der die Männer zum Gruß noch imaginäre Hüte zogen, indem sie eine Verbeugung andeuten und mit der rechten Hand über dem Kopf eine übertrieben weit nach vorn gerichtete Viertelkreisbewegung vollführten. Gelbe, heulende kleine Straßenbahnen mit an Schwarzlichtlampen erinnernder tiefblauer Trennwandverglasung quälten sich atemlos durch die Stadt, über deren Pflasterstraßen noch nur wenige, mit den kleinen Motoren wie gequält heulende Autos bollerten. Schaffner und Schaffnerinnen mit ledernen Münzwechslern auf der Brust, deren Metallaufsätze wie verkleinerte Versionen griechischer Tempel aussahen, kamen zum Kassieren, schufen Ordnung und bedienten die rumpelnden Türen von einem Schaltpult aus. Der Vater war jeden Tag ohne Fahrschein im überfüllten Bähnchen zur Arbeit gefahren, denn der diensthabende Schaffner kam von der Germaniastraße bis zum Ständeplatz gar nicht durch den Pulk verschwitzter Fahrgäste. Daher hatten sie den Vater auch nie erwischt. Sogar am Samstag musste er in der Bank arbeiten, deren Dienststellenleiter mit stechend bösem Blick unter harter Glatze und dunklem Augenbrauenstrich hervorstarrte. Waren Besorgungen in der Innenstadt zu machen durfte das Schweineauge den Vater an der Arbeit abholen. Dort hatte er den stirnwulstigen Vorgesetzten in kindlicher Unbekümmertheit einmal: Warum guckst Du immer so böse? gefragt. Die Kollegen hatten sich still und jungenhaft gefreut, die Hände tief in den Taschen heimlich und mit aufs Schlüsselbein gepresstem Kinn auf die Krawattenknoten gegluckst. Dem Glatzkopf war, jedenfalls so weit man sich recht erinnert, in seiner die Seele verdunkelnden Bosheit keine passende Replik eingefallen und er hatte mit seinem Messerblick die Glasparzelle schnell verlassen müssen, um nicht allzu viel von seiner Autorität preiszugeben. Tagsüber verbrachte der Vater zehn Stunden in dieser öden Bank, einem Labyrinth aus dicken, eichernen Tresen, Dreh- und Schwenktüren, schwarzen Kurbelspitzern, Messingbeschlägen, Briefmarkenbefeuchtern, einem Rohrpostnetz mit Lederpuffern, schweren Holztischen und dunkelgrünen Schreibunterlagen aus Gummi. Abends aber sass er, den SPIEGEL vor der Nase und die Füße auf dem rußenden bollernden Ölofen, im ehemaligen Schneiderzimmer und las.

Wie bei einer Figur aus einem Zeichentrickflilm für Kleinkinder waren von des Vaters Gesicht nur zwei Gemütszustände auszumachen, zwischen denen die Mimik hin- und hersprang: Dem zufriedenen Lächeln - oft mit zum Pfiff gespitztem Mund kombiniert - und dem traurigen Ausdruck mit den hängenden Mundwinkeln. Durch das angedeutete Anspitzen der Lippen zum Pfiff versuchte der Vater die bösen Gedanken zu Verdängen und das Gesicht in die positive Stellung zurückschnappen zu lassen. Die Mutter schimpfte ständig am Vater herum und hatte das Ausüben von  Kritik für sich zum Monopol gemacht, denn immer wenn sich der Junge oder andere dritte Personen über den Vater beschwerten, oder mit ihm in Streit gerieten, sprang sie ihm unmittelbar bei.  

Am Wochenende und an Abenden, an denen keines der zwei schwarzweißen Fernsehprogramme Interessantes hergab, schob der Vater die üblen Bankgedanken weg und nahm sich Komplexeres vor: Gilde, Weiss, Cervantes, Mahler, Bruckner, Berg und schickte den Sohn wenn es nötig war zum Balle oder ging gleich selber mit, denn dort gab es umsonst zu Rauchen. Sein alter Offenbacher Herr, ein kleiner, herrschsüchtiger Mann mit stolzer Brust, schnellen Bewegungen und aufs Peinlichste polierten Schuhen, hatte ihn nicht studieren lassen wollen. Realschul reischt! Wozu studieren, wenn doch alle in der Familie Arbeiter, zwar mit Pletschkappe und weißen Sonntagsanzügen, aber dennoch Arbeiter gewesen waren, die sich ihr Bier von den Kindern im Krug aus der Wirtschaft hinter dem Bahnhofstunnel in der Marienstraße holen ließen und zu Hause über ihre Frauen befohlen. Und das sollte reichen für jemanden, dem ein Gide ein Begriff war!

Später war dem Jungen vom Vater zuerst Thomas Wolfe näher gebracht worden. Der war leicht zu lesen, konnte dutzende Seiten lang wunderbar opulente Mahlzeiten, in die Wäsche spuckende Chinesen, das Leben der Unbekannten und Einfachen und den Lauf der Zeit schildern und lieferte Stoff für endlose Diskussionen über all die Menschen, die Romane und die reale Welt bevölkerten. Später hatten  sie Broch, Nabokov und vor allem Hans Henny Jahnn gemeinsam auf Streifzügen durch Buchhandlungen und das Feuilleton entdeckt und sie samt Sekundärliteratur und Briefwechseln gelesen und diskutiert. Der Vater verspürte der Lyrik gegenüber eine gewisse Abneigung, nur Prosa war von ihm als Literatur im eigentlichen Sinne anerkannt, wobei Rilke eine Ausnahme gestattet war.

Um die Fünfzigerjahre, als nach dem furchtbaren Krieg mit seinen achtzig Millionen Opfern die Gottesdiener beider Leitkonfessionen in wiedererstarktem Elan die neu gekauften Panzer, Kanonen und Soldaten gesegnet hatten, war er angewidert zusammen mit der Mutter  aus der Kirche ausgetreten, beide hatten ihrem Sohn den Schatz des Überzeugungsatheismus weitergegeben, ihn nicht von der Hand taufen und konfirmieren lassen, die Waffen segnet. Noch heute ist er beiden dankbar für diese Standhaftigkeit gegen die erdrückende Adenauer-Gesellschaft mit ihrem Mainstreamklerus, zeit derer man schon froh sein konnte, wenn der jeweilige Bundes- oder Ministerpräsident ausnahmsweise einmal kein Nazi gewesen war. Wie hieß noch der mit den zwei fatalen Endbuchstaben im Nachnamen und wie nannte sich derjenige, welcher so beschwingt gesungen hatte? Die zwei hatten sich auch zu den Christen gezählt, die einst selbst ihresgleichen in Russland oder Polen umgebracht oder sich so gefügig gemacht hatten, dass sie jede biographische Erzählung mitzutragen bereit waren, die ihnen das Leben aufzuzwingen gewagt hatte. Neben solchen Figuren auf der Kirchenbank zu sitzen, war für die Eltern undenkbar gewesen.

In des Vaters südhessischer Realschule hatten sie einen tyrannischen Nazi-Lehrer um das Jahr 39 oder 40 im vierten Stock am Kragen aus dem Fenster gehalten und ihm gedroht, ihn fallenzulassen, wenn er sie weiter quälen würde. Er hatte sich dann gebessert. Sogar um hundertachtig Grad gedreht. Widerstand gab es  also auch im Kleinen, und auch solche Bagage war zum Rückzug zu bewegen. Dergleichen konnte man vielleicht auch nur auf der Realschule erlernen, hat doch  Reich-Ranicki das Leben im Gymnasium so beklemmend gut geschildert und erklärt, wie die dem Völkischen innewohnende esoterische Komponente Studienräte wie Schüler zu verquält resignierenden oder in Widersprüchen zerrissenen Menschen gemacht hatte, die die Begabung im jüdischen Kind zu erkennen vermochten, es als stramm begeisterte Nazis aber aus rassenideologischen Gründen nicht fördern konnten und wollten. Waren die Mittelschulen in ihrer Handfestigkeit gegen das alles ein wenig immun geblieben? dachte das Schweineauge, nachdem er von dem Vorgang erfahren hatte. Schlechtigkeiten und Ateismus, Verbrechen, Vergebung durch religionsfreie Ethik, mutiger Widerstand, verstohlenes Gelächter, heimliche Gottesdienste, längst vergessene Lebenläufe, Zwänge und Freiheiten, wohlige Schauer und bedrückende Ängste, das waren die Elemente, mit denen der Junge in Gedanken zu spielen begonnen hatte.

« Was vorher geschah12345678910
Wie es weitergeht »



_________________
Lais
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden Website dieses Benutzers besuchen
Saga
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen

Alter: 60
Beiträge: 44
Wohnort: Tønsberg


Beitrag26.10.2014 19:50

von Saga
Antworten mit Zitat

Ich schließe mich mal lose Klemens_Fitte an.

Als ich auf eine Email-Benachrichtigung hin den Faden hier wieder aufnehmen wollte, fand ich mich überhaupt nicht mehr zurecht.
Ich habe hier was gepostet? Wo?
Und wo ist überhaupt der Text hin, zu dem ich mich geäußert habe? Soeben habe ich verstanden, dass wohl die Texte in eine andere Reihenfolge gerückt worden sind und die Gesamtmenge sich vervielfältigt hat.

Ich bin selbst noch neu hier im Forum und kenne die Gepflogenheiten daher nicht wirklich - aber mir erscheint ein Einstand, der wie eine sich ständig erweiternde Lawine über die potentiellen Rezensenten hereinbricht, nicht wirklich dafür geeignet, Leser um sich zu sammeln.

Wenn du dir Kommentare wünschst, und ich mal von meinen eigenen Bedürfnissen ausgehe (die sowohl mit der Zeit zu tun haben, die mir zur Verfügung steht, als auch mit der generellen Bereitschaft, mich dem Text eines Autors zu widmen, den ich nicht kenne), würde ich kürzere Texte empfehlen - und einen einmal angelegten Faden so lassen, wie er ursprünglich war.

Ich werde mich also hier ganz einfach aus Zeitgründen zurückziehen.
Lg, Saga


_________________
Jede Geschichte kann erzählt werden - wenn man es richtig macht.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Christof Lais Sperl
Geschlecht:männlichKlammeraffe

Alter: 62
Beiträge: 942
Wohnort: Hangover
Der silberne Roboter


Beitrag28.10.2014 10:10
Jauch im Himmel
von Christof Lais Sperl
Antworten mit Zitat

[i] Hier wacht der Protagonist auf und blickt erstaunt um sich. Die Rede des Fernsprechers hat ihn erschöpft und er ordnet seine Gedanken.

Jauch im Himmel

Der Fernsprecher hat mich diesmal ganz schön rangenommen - und mir heute sogar beim Hendrixhören dazwischengefunkt. Bei der Musik gestört zu werden ist für mich Höchststrafe. Neulich haben sie in verstaubten Studioregalen Spulen mit guten alten Tracks hinter den von gefühllosen, zweitrangigen Tontechnikern kaputtgemixten späten Zusammenstellungen gefunden, und wahre Schätze gehoben. Da trifft schlaksiger Rhythmus Melodie und wird mit links gespielt zur Einheit. Die Bänder waren glücklicherweise nicht aus der Zeit, zu der Ampex-Material  von minderer Qualität war und wie die Fundstücke vom frühen Marley vor der digitalisierenden Rettung im Ofen gebacken werden mussten, um sie ein letztes Mal vor dem endgültigen Verfall abspielen und sichern zu können. Die Tapes waren in Ordnung. Man musste sie nur klanglich ein wenig aufpolieren, um den ausuferndsten Blueser des Jahrhunderts, der beim Spielen wie ein Gott wurde, durch das alte Rauschen wieder zum Leben zu erwecken. Genau das habe ich gerade gehört. In Stereo. Mit dicken Kabeln und ohne Reduktion ins dürre mp3, das auch der Grunge-Großvater Young so vehement verabscheut, dass er in seinem geschwätzigen Buch bald auf jeder Seite darauf zurückkommt. Kein Gewummer aus einem überforderten Ghettoblaster, und kein - viel schlimmer noch - : Handygeknarze. Zwei dicke Boxen müssen es sein. Mit großen, pumpenden Membranen und nach Blattgold klingenden Höhen, die ein dreidimensionales Abbild der Studioarbeit schaffen, wie sie kaum ein Surround-System hinbekommt. Dan klingt’s wie Jack White, der noch ein ganz junger Kerl mit ewigem Bowler-Hütchen ist. Mikrophone, Analogmaschinen, Mixer, zwei Boxen. Das war’s dann. Und wenn alles stimmig ist, dann wird die Musik zur Einfahrt in den Tunnel zum Universum, den du wie auf einer immer schneller werdenden Autofahrt durchrasen kannst.

Rangenommen, drangenommen hat mich der Fernsprecher. Wie in der Schule. Nach vorne! Tafelrechnen! Hat so lange auf mich eingeredet, dass ich vor angespannter Bewegungslosigkeit und mit trockenem Hals, denn ja, auch ich habe ein wenig gesprochen, zu frösteln begann. War all das nur Illusion? Ich sollte rekapitulieren.

Erstens: Es lagen dicke Bücher unbestimmter Herkunft vor der Tür, nachdem es kurz geklingelt hatte. Sie besitzen altertümliche Einbände und sehen zugleich ganz druckfrisch aus. Zweitens sind schon Stunden vergangen und es ist bereits dunkel geworden. Die LP kratzt in der Auslaufrille. Auf dem Tisch stehen noch die Reste vom Frühstück und das Kontrollämpchen des Verstärkers schimmert durchs sonst noch unbeleuchtete Zimmer.  Drittens schmerzt das linke Ohr vom Telefonhörer und viertens durchströmt mich eine freudige Erregung, deren Ursache nach aller Erfahrung mit dem siamesischen Zwillings namens Selbst nur darin liegen kann, dass etwas ganz außergewöhnliches passiert sein muss. Ein Gefühl, in dem der stärkende Strom des Ausgelassenen stärker als die Furcht zu fließen scheint.

Soll ich, soll ich nicht schreiben? Welche Frage, ich habe damit angefangen. Eines Tages wird es zum Mitteilen zu spät, und das ist zu meiner Lebenszeit sicher wie das Amen in der Kirche. Das Dasein ist kurz, sagt der Greis, und Alexis Carroll schreibt: Je älter, desto langsamer fühlt sich alles an. Betagtere Zeitgenossen behaupten allerdings das Gegenteil, es ginge alles immer schneller. Und nun bin ich auch schon ein alter Schwede, will’s nur noch nicht ganz wahrhaben. Die Zeit von fünfunddreißig bis fünfzig ist wie im Flug vergangen. Im Kopf ist die Luft noch frisch, doch in den Knochen spürt man’s schon. Gefühltes Hirnalter fünfundzwanzig. Da lebt der angry young man noch ganz frisch sein Leben. Gefühltes Knochenalter aber fünfzig. Trotz Sport und alledem. Ob man morgen gesund überfahren wird oder unerwartet einem Herzinfarkt erliegt, wer weiß? Daher muß carpe diem die Parole sein.

Ich will jedenfalls, wenn  der Tag kommt, zu sauberem Kohlenstoff verbrannt werden und nicht als wurmstichiger und grotesk grinsender Fleischklops in einer stinkenden und teuer bezahlten Kiste vermodern. Warum müssen eigentlich die Alten immer so blankzahnig grinsen, wenn sie außer Atem den Bus bestiegen haben? Geschieht es, um Fitness vorzutäuschen oder um die Anstrengung hinter diesem todesnahen Fletschen zu banalisieren? Ich will nicht auch noch unter der Erde  herumgrinsen, sondern die Zeit vorher nutzen, und dann einen sauberen Abgang hinlegen. Wie wunderbar schaurig der Gedanke des faulenden Eigentodes den Rücken hinunterläuft! Schnaps und Nikotin laufen vorne am Thorax hinab, die die Zufriedenheit überlagernden Schauer ganz frostig aber den Rücken entlang. Im Gegensatz zur Kompostvorstellung ist die Idee des Ascheseins eher erheiternd. Werde ich Amulett, Dünger, oder ein aus Kohlenstoff gepresster Diamant? Dann könnte doch noch etwas Wertvolles aus mir werden. Den Stein könntet ihr für einen Tausender in einem Esoterikladen als Schutz gegen kosmische Strahlung an ein spinnertes Heimchen verkaufen, das im Druidenheilzentrum Rhonda Byrne oder Mondkalender lesend so vor sich hin gläubelt, denken möchte man nicht sagen müssen, dass Engel nur in mehrschichtigen Kristallen channeln wollen und auch nur dann, wenn ein Lichtmeister da ist. Googelt mal Engel und Pyramide. Da stehen euch schon ob der Zahl der Resultate und der Kursgebühren die Haare zu Berge!

Momentan habe ich Ferien. Da durch die sommerlichen Wärmestöme der Regen oft am Morgen seinen Vorhang durch das grüne Land zieht, nehme ich die Vormittage zum Schreiben her und notiere, wie sich die Welt spiegelt im Hirn des Lais. Nachmittags tippt sich’s schwer, da spielt man besser mit den Kindern oder arbeitet die Bücher durch. Ich könnte ihn bei Fragen auch jederzeit anrufen, schrieb der Fernsprecher auch mit der Absicht, das Hierarchische unserer Beziehung zu sichern. Andere Erklärungen fallen mir nicht ein. Welcher Gedanke ihn geritten hat, ist mir unklar, er ist doch ohnehin der Chef im Kopf geworden. Ein wenig überspitzt argumentiert er schon, doch ist auch viel Wahres in seiner Rede. Er hadert aus der Zukunft heraus mit all dem, was für ihn missratene Geschichte ist. Mit dem, was das freie und zufällige Spiel der Kräfte ergeben hat, mit all den Rückschlägen und Katastrophen. Ein wenig Hoffnung für mein Selbst bleibt, obgleich die Theorie des Fernsprechers mich mehr überrumpelt als wirklich schlauer gemacht hat, und ich Religiöses, das nur so stark ist, weil es  Hoffnung bringt, nicht unbedingt benötige. Doch es ist eben ein Kreuz mit diesem Bewusstsein, dass um sein trauriges Ende weiß! Daher rückt das Einlullende der Religion mit dem Tode immer näher, wie manche sagen. Andere aber glauben und hadern mit ihren Göttern: Warum jetzt schon? Oder: Warum so viel Schmerz? Antworten gibt es nicht, eine Chance aber haben wir, sollte all das Theoretische sich später einmal bewahrheiten und wir hätten sie, die letzte Möglichkeit, wirklich auch noch wahrgenommen. Da das Leben ist eine Kette verpasster Chancen ist, sollte ich wenigstens diese eine doch einfach mal ergreifen, so gering sie auch sei. Nicht alles bloß erlesen! Experiment und Wissen in Aktion verwandeln, das muss die Parole sein. Erkenntnisse auf die Person bezogen zusammenballen. All die unbekannten Guten und ihre Gegenspieler in meiner Wahrheit erwähnen und unsterblich machen. Mit meinem Urteil  Macht ausüben. Tun, was ich sonst nicht kann. Frei sein. Bestimmen. Herrschen. Lais wird euch seinen Kram also aufschreiben und es mit dem idiotischen Tod kämpfen, der schon an seine Knochen klopft. Aus Wut hat Lais sich allzu sehr zurückgezogen und zuviel an Ungeordnetem im Kopf. Er muss Platz schaffen für Neues und seinem Mitteilungsdrang nachgeben. Sonst platzt ihm noch die Hirnschale und es ist vorzeitig um sein Innerstes geschehen. Kann man Bewusstsein, wie bei Tipler zu lesen ist, diesem Physiker, der die Zukunft in Datenpaketen postuliert, auf  riesige Rechner überspielen, somit unsterblich werden, wenn  Informationen in ihrem Zusammenspiel  allumfassendes  Wissen, Universen im Computer ermöglichen? Das Moorsche Gesetz besagt, dass sich die Rechenleistung alle vierundzwanzig Monate verdoppelt. Wer das Gleichnis mit dem Reiskorn auf dem Schachbrett kennt weiß, was das bedeutet. Wir übergeben den Maschinen schon die Macht. Der Hochfrequenzhandel erfolgt nur noch automatisch. Vorformen elektronischen Lebens begegnen uns auf jedem Schritt im Internet und in der Welt der Dinge. Vielleicht liegt die Lösung maschineller Unsterblichkeit in den Gesetzen von Conway, die mit einfachsten Mitteln Leben in Maschinen simulieren.

Zunächst aber müsse noch geschrieben oder anderweitig mitgeteilt, sozusagen analog überspielt werden, lese ich zwischen den Zeilen. Kopfkabel zum Transfer von Erinnerungen und Bewussteinsprogramme gäbe es noch nicht, sagt der Fernsprecher. Nur die noch groben CT-Bilder arbeitender Gehirne seien Realität, wobei das Bild des Denkens nichts darüber sagt, wie man Denken schaffen könnte. Wir blicken wie im Höhlengleichnis auf die Wand, sehen wie Augendrücker grobe Muster, sind aber noch nicht in der Lage, Hirne wie das von Hawking oder Lüst zu retten. Die Informationen würden, zunächst noch, auf Papier oder Festplatte eingefroren und blieben unbeweglich. Liefen sie in einer fernen Zeit einmal in einem Simulacron, das die unterschiedlichen Ich-Zustände, die es in jedem gibt, alle Erinnerungen und alle gesicherten Informationen zum Laufen bringen könnte, begännen diese, sich denkend neu zu bewegen, würden dynamisch und interagierten wie ein unermessliches Weltwissen. Wie beim Erinnern würde ständig rekonstruiert und die Flut der Daten zu einer Welt zusammengerechnet. Doch bei allem Optimismus droht Gefahr: Könnten in einer fernen Zeit ein Virus, eine Naturkatastrophe, eine Energiekrise, oder sich zerstörerisch und irrational verhaltende Muster die Wissenssammlung im großen Computer  noch vor Eintritt in den Tiplerschen Omega-Punkt als Todesart der Zukunft eliminieren um den alten Gott zu retten? Die Zukunft  religiöser Systeme wird womöglich darin liegen, Viren zu schreiben, die die riesigen Rechenoperationen sabotieren sollen. Stellt euch einmal vor: Virtuelle Pfaffen im schwarzen Kittel schreiben Programme gegen die Matrix!

Könnte die Maschine im Falle des drohenden Eintritts in ein schwarzes Loch in eines der vielen vielleicht gleichzeitig existierenden Welten von Physikern der Zukunft verschoben und damit gerettet werden? Bestünden alle Paralleluniversen weiter, ist eines erst zerstört? Könnten wir alle unsere Bewusstseinskonvolute auf die Reise schicken, bis irgendwie irgendwo irgendwann wieder eine Welt entstünde, die für unser Anliegen des Weiterbestehens geeignet wäre? Würden wir als Masse der Bewusstseinsinhalte und in Kombination derselben, wie das morphogenetische Feld eines Fischschwarms, die Tiplermaschine beschleunigen, würde sie so uferlos intelligent, dass all diese Überlegungen für sie mit Leichtigkeit anzustellen wären? Und was passierte, wenn  in der Maschinenwelt auf Jauchs Sofa Jesus auf Hitler, aber Strauß nicht mehr Pinochet, nein, bei Anne Will auf Dutschke, Ohnesorg, Honecker und Kurras träfe? Das wäre doch mal ein Remedium gegen diese schlappen  TV-Diskussionen mit immer denselben Wissmanns und ihren ausgestanzten Sprüchen. Oder besser noch: Der historische Jesus kehrte, wie bei Grimmelshausen oder Tolstoi wieder, läse Hitler, Pinochet, Bush, den US-amerikanischen Injektionsexekutoren, chinesischen Erschießunkskommandos, ihrer Buchhaltung, die den Familien die Kugelrechnungen schickt, und den vatikanischen Fluchthelfern der Nazis endlich mal Matthäus fünfundzwanzig und alle dürften dabei auch noch zusehen! Würden wir eine Entität oder in die Seele anderer eindringen können, was vermöchten andere mit uns selbst dann tun, gäbe es sein Selbst? Vielleicht wird es zwei Modi geben: Den individuellen Beitrag zur allumfassenden Intelligenz als Upload eines Datenpaketes sowie das emulierte Schwarm-Bewusstsein als Gesamtarrangement. Oder beide zusammen würden Gott respektive die Fernbedienung für andere Wesen in unendlich vielen weiteren Welten - wie beim guten Schrödinger: Die Katze ist tot und lebt zugleich. Dann könnten wir tun, was wir wollen. Mal wie Hendrix jammen, mit einer von des Propheten Frauen Eis essen gehen oder Rio und König von Deutschland zugleich sein und Hofstaedtersche  Pops und Pushes realisieren. Würde aller Schmerz der Welt erneut erlitten, kämen auch alle guten Momente zurück, und könnten wir die Zeit nicht einfach stoppen, im Glücksmoment die Pausentaste bedienen und ewig grüßte das Murmeltier? Das wäre dann der digitale Himmel! Sehen wir den Schreibplan, der mir unter freundlichem Feuer oktroyiert wurde, einfach als Experiment: Was kann ich aus dem Gedächtnis herausschreiben, was sehe ich als relevant? Was bedeutet es für den Nächsten? Was kann ich, bevor ich mein Hirn an ein Kabel anzuschließen imstande bin, daraus übertragen, mit allen Fehlern, bewusst subjektiv und ohne viel zu redigieren? Kann mein phänomenologisches Puzzleteil am Bild der Tiplermaschine über die Bilderflut hinaus mitwirken? Sicherlich können die Bekanntgaben helfen, die längst vergangene Welt zurückzuberechnen und meine Details mit einbeziehen. Meine Information kann zum Leben kalkuliert und  wiedererweckt werden, ewig weiterleben, wenigstens so lange wie das, was wir momentan als Ewigkeit bezeichnen. Tipler  gibt es seit 1947. Das Wort Tiplermaschine gibt es nicht. Die Tiplermaschine ist bloß meine Metapher für das was entstünde, würden seine Worte wahr.

Fassen wir einmal zusammen und atmen dazu tief ergriffen durch: Die Gedanken aller Menschen werden in ferner Zukunft in ein Programm übertragbar sein. Solange dies noch nicht möglich ist, muss interviewt oder geschrieben werden. Die erinnerte Information wird also zunächst lediglich wie in einer Bibliothek, aber möglichst detailreich fixiert. Wenn ein Bewusstseinsprogramm erfunden sein wird, das Ich-Zustände simulieren kann, in Analogien denkt und das wie wir, aber in elektronischen Drogen schwimmend, gefühlssensibel ist, somit nicht zu einem kalten Spock-Programm wird, und auf das die Informationen übertragen werden können, diese frei beweglich zu werden beginnen, fangen die Datenpakete an, in dem Moore’schen Gesetz gehorchenden, also superschnellen und großen Maschinen der Zukunft Eigenleben zu entwickeln. Sie interagieren. Die Wechselwirkung schafft uferlose, unerhörte, konzentrierte Intelligenz. Jeder kann seinen Teil dazu beitragen. Die vergangene, unsere Welt wird, zurückberechnet und rekonstruiert, samt der  jetzt schon Verstorbenen, auch derer, die selbst noch gar nichts Schriftliches hinterlassen haben. Am Rande des uns bekannten Alls fließt alles zusammen in einem Omegapunkt und das menschliche Bewusstsein wird in Form von sich selbst kopierenden Neumann-Sonden in einem Irgendwo weiter existieren.

Physiker, vergebt mir meine Verständnisfehler: Ich bin doch selbst nur wie ein armer kleiner Metaphernkomplex, der sich in seiner Beschränktheit die Welt zurechtdenkt, für euch vielleicht eben noch kurzweilig, der noch nicht mal schreiben kann, aber genügend Grund zu der Vermutung hat, dass ein Quäntchen Wahrheit in seiner Weltauffassung liegt, und hofft, als einer der ersten mit seinen Hypothesen in der Maschine zu werkeln, da der Erinnerungstext schon abgearbeitet sein wird. Der Metaphernkomplex hat, wie alle anderen, Angst vor dem Schwarz und braucht alle Hoffnung, die es gibt. Angst und Hoffnungslosigkeit erzeugen Fiktion und Religion. Da die Naturwissenschaft schon viel Gutes, wenn auch ausreichend Schlechtes geschaffen hat, ganz wie die Religion selbst, Naturwissenschaft aber im Gegensatz dazu rational nachvollziehbar ist, möchte ich lieber an Physik als an die römische Kirmesbude mit ihrem Mummenschanz und Weihwasser spritzenden Prozessionsspinnern, diesen Verein gehemmter Männer mit ihren schrägen Träumen und schlimmen Taten - und an ihre unsäglich altbackenen, an den Haaren herbeigezogenen philosophischen Konstrukte der schwebenden Zwischenhimmelzustände für ungetaufte, da abgetriebene, Föten glauben. Sollen diese kleinen Seelen etwa in einer Gallertmasse wie die Gedanken der Verstorbenen bei Buzzati, dem großen, vergessenen Kafka aus Italien, also ganz so wie Froschlaich im Gartentümpel schwimmen? Wozu auch das dauernde Gerede von der unsterblichen Seele? Wo ist sie, die Seele des Appalikers, der demenzkranken Großmutter, schwebt auch sie in einem Übergangstadium zwischen Erde und Himmel? Kann man an diesen denkerischen Finten nicht erkennen, dass die Seele nur auf einer intakten Biohardware läuft, sonst aber abstirbt, ihr Irrlichter? Wer Tiplers Ideen absurd findet, sollte die Kritik an seiner Arbeit von Ellis, Clarke oder sonst wem lesen. Vor allem der religiös-missionarische Charakter wird dort heftig kritisiert. Allerdings verwahrt Tipler selbst sich gegen eine vornehmlich im traditionellen Sinne religiöse Interpretation der Thesen. Was ich hier schreibe ist keine Tipler-Apotheose. Es ist die Phänomenologie des gespannt auf elektronisches Überleben hoffenden Zeitzeugen, ein in die Zukunft gerichteter Materialismus, der die Einheit von Bewusstsein und Sein durch den Alltagstext des Alltagsmenschen, das elektronische Abbild physischer Gestalten in einer Graswurzel-Philosophie des Durchschnittsmenschen ersehnt: Literatur ist definiert als Textsorte, von der gelernt werden kann. Trivialliteratur ist Affirmation oder billige Flucht. Mein Papier ist fern jeder Kunst und schlecht geschrieben. Doch gibt es Hinweise zu individuellen Auffassungen eines Individuums zu einer bestimmten Zeit, trägt vielleicht zur Abrundung für die Beschreibung trivialen Geschehens und zur Harmonisierung der Rechenaufgabe bei, und könnte zweifellos als eine, wenn auch bescheidene, Art der Auseinandersetzung mit gängigen Vorstellungen gesehen werden. Das mag so manchen stören. Welcher Normalverbraucher schreibt schon über sich selbst? Wir brauchen diese Texte aber, wie Kempowskis Echolot seine Erinnerungen braucht. Denn so lange eine Byrne verlegt wird, in fast jeder Buchhandlung ein Esoterikregal steht, und jedes bessere Edeka Landser-Heftchen feilbietet, darf ich doch wohl auch schreiben, nichtwahr? Dieses Recht nehme ich mir. Denn alles andere wäre pure Selbstbeleidigung und Mangel an Selbstrespekt. Es geht mir um das Herstellen von Beziehungen, nicht um intellektuelle Qualität. Im fröhlichsten Falle aber soll mein Text Grundlage für Amüsement oder  schallendes Gelächter kluger Köpfe sein, sollten sie ihn jemals zu Gesicht bekommen. Ob Tipler nun Recht hat oder nicht, der Fernsprecher ist  die Instanz, die mich überzeugt. Das Folgeleisten fällt nicht schwer. Schließlich klingt das Wort Instanz, als wäre es ein schönes Weibchen. Es begleitet mich nun ständig und fehlt es einmal, dann leide ich wie Murakami unter seiner Laufsucht: Da kommt ohne die tägliche Anstrengung das dicke Unglück als Lawine über die Psyche. Ohne Schrieb gibt’s keine weiche Müdigkeit, die den Abend einlullt und mich wohlig in den Schlaf denkt.

Nun aber die Laufschuhe beiseite und  noch ein letztes Mal zurück zu den Büchern des Fernsprechers und der Gedankenspeicherung:  Gedächtnisinhalte sollen  nach Chafe vor oder bei der Enkodierung mit verschiedenen Wichtigkeitsmerkmalen versehen werden. Je nach Erinnerungsaufgabe werden unterschiedliche Informationsaspekte beim Erzählen  nach Relevanz und Wertigkeit gefiltert abgerufen.  Bei der Protokollaufnahme eines Verkehrsunfalls zum Beispiel wäre die Tatsache, dass der andere Unfallbeteiligte blond war, eher unwichtig und würde, obwohl gespeichert, nicht verbalisiert. Wohl aber werden Fahrstil und Geschwindigkeit im Bericht eine Rolle spielen. Was aber sehe ich vom Ozean meines eigenen Lebens auch nach langer Zeit noch als wichtig? Was fällt mir jetzt gleich, was erst später ein? Was konstruiert meine Erinnerung im Vergleich zu der meiner Zeitgenossen? Wie ist mein Blickwinkel? Was sind meine Fehler. Sind die Fehler kreativ? Und vor allem: Was für ein Substrat ist in meinem Hirn hängen geblieben? Muss ich einsamer Weltteilnehmer nicht jetzt schreiben, nichts anderes tun als schreiben, bevor ich als brabbelnder alter Greis mein Paket sinnlos grinsend vergessen haben werde, oder es sich zum Zeitpunkt des Todes als biochemische Abbaureaktion in einer  Lichttunnelhallizunation verflüchtigt? Ja, das muss ich. Und weil es eben keinen Gott geben kann der über sein eigenes Werk auch noch richten soll, will ich stellvertretend einmal das Gute und Böse und das Zwischendrin als Littérature-Automatique-Konvolut für mich ganz divin und überheblich ordnen, beschreiben, und dem Fernsprecher auch ein wenig den Wind aus den Segeln nehmen. Schließlich habe ich, das Schweineauge, gerade das neue russische Betriebssystem Swodniw 7 mit der dazugehörenden Textverarbeitung Drow installiert, und die kann weißgott nicht nur Kyrillisch. Bis die Optografie des Gehirns kommt, muss geschrieben werden. Wer es interessant findet, kann es lesen. Wer anderer Meinung ist, soll selbst etwas verfassen. Oder sich bei der nächsten Filiale einer schlechten Buchhandlungskette irgendeinen New-Age-Quark greifen, sich weg träumen und der Tiplermaschineresigniert  die Verantwortung übergeben. Und wer alles, was hier geschrieben steht, vollkommen dumm findet, löscht es und guckt Sportschau. [/i]

« Was vorher geschah12345678910
Wie es weitergeht »



_________________
Lais
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden Website dieses Benutzers besuchen
Christof Lais Sperl
Geschlecht:männlichKlammeraffe

Alter: 62
Beiträge: 942
Wohnort: Hangover
Der silberne Roboter


Beitrag08.11.2014 17:21
Lais' Aufzeichnung. Aus Social Call (11/2014)
von Christof Lais Sperl
Antworten mit Zitat

Aufzeichnung

Weiß man noch, wie des Grundschullehrers Gattin auf  nachmittäglichen Musikveranstaltungen die Namen der Akademikerfamilien zur Betörung der in Reihen sitzenden Gesellschaftshierarchen in  völlig neuem Klang servil und frohbeschwingt ins Publikum zu flöten wusste? Aus der in Gänze promovierten Familie Dr. Ruhe wurde das Geschlecht derer von Ruh-Weh, denn die phonetisch aufgewerteten Kinder derer vom Stamme Ruhe waren mehr wert als die Blagen von Müllermeierschmidt. Dementsprechend wurde das elendig schiefe Blockflötensolo eines Ruh-Weh immer gesondert angekündigt; der Part der B-Klassenkinder  bedurfte keiner weiteren Namensnennung: Die blieben Müller oder Schmidt und wurden nicht zu Müllöhr, Schmiehdt im Mund zerkaut. Und wenn sie in seltenen Fällen doch einmal angesagt wurden, blieb der Familienname phonetischer Standard, glatt und vorhersagbar: Man spricht’s so, wie’s da steht, sagt die Volkslinguistik.

G. durfte ich nicht besuchen. Der sollte nur mit Akademikerkindern spielen. Zwar war mein Vater mittlerer Staatsdiener bei der Bundesbank; ein Rang, der für das Statusedenken der Mutter äußerst wichtig war, aber nicht so bedeutend wie studiert galt. Zur höchsten Kaste der Gelehrten gehörte Vater nicht. Zwar wurde von Mutter das Beamtentum zur Abgrenzung von Arbeitern und Angestellten immer sehr betont, für manch anderen aber war der Status für die Mittelklassenhierarchie der beschriebenen Zeit so zentral, dass es Menschen gab, die sich selbst mitunter als Angestellte im Beamtensinne bezeichneten, worauf die Mutter in der provisorisch befreienden Überheblichkeit der Machtlosen  mit schallendem Gelächter reagierte. Ich aber konnte für G. nach den gültigen Codes und Regeln der Akademikerfamilien kein Umgang sein. So quälend waren sie, die Zeiten der Kriechtunnelgesellschaft vor Achtundsechzig: Immer schönes Ducken vor der Obrigkeit mit ihren dreckigen Fingern, falschem Heldentum, langen Polizeimänteln und Fakultas, so wie man heute noch im Süden vor dem Namen des Asner buckelt und wir es noch vor kurzem im Angesicht der Standrichter taten, bei denen nicht Unrecht sein konnte, was einst Recht gewesen war.   

In Deutschlands erster Fußgängerzone konnte man um neunzehnhundertsiebzig die Neue Kraft betrachten. Immer mit dem wippenden Fuß im Takt, aber noch ganz ohne Walkman oder mp3: Ho, Ho, Ho Chi Minh Und im Gefühl, in totaler Moderne und einer sich ständig verbessernden und revolutionierenden Welt voller bunter Überraschungen zu leben. Diese Welt war redselig, diskutierte die Vergangenheit, doch wo man sich in der stummen und verdrucksten Stacheldraht-Schrebergartenrepublik unter der Käseglocke vorgeblichen Antifaschismus die Hände geschüttelt, alle von der Schuld freigesprochen und sich selbst den Heiligenschein des Widerstands verliehen hatte, da ließ man den braunen Schimmel weitergedeihen, bis er in den Neunzigern bis zu uns herüberwuchs. Wo der Westen mit seinen fünfunddreißig Opfern linken Terrors kopfstand, fiel ihm als wiedervereinigter und verantwortungsloser Klotz zu seinen hundertsechzig Todesopfern rechter Schläger nur totes Schweigen ein. Baader hatte sich offen gegen das System gestellt, der Nazi aber schlug bequem aus ihm heraus.

Und so kommen sie nun hinter der pseudointellektuellen Maske des politisch inkorrekten als pro-Israelisch getarnt aus ihren Miasmen hervor und halten sich allein schon deshalb für ganz gewieft. Hasserfüllte Meinungshelden noch weit unterhalb von Junger Freiheit oder Cicero, ewige Verlierer, denen außer verzerrter 68er-Kritik, dem Bedienen von Ressentiments aus der untersten Schublade, dümmlichen Anglizismen, bizarren Berichten zu Türkenschlägereien, dem Wort Kulturbereicherer als Einwandererbezeichnung und einer vermeintlichen linken Meinungsdiktatur so genannter Mainstream-Medien seit Jahren nichts Neues einfällt. Es denkt sich ganz anstrengungslos, denn der Achtundsechziger ist an allem Schuld, sogar am Benzinpreis.

Ich also durfte mit G. nicht spielen, aber den bösen Ho Tschi Minh-Anhängern zuhören, die schon begannen, an der Preisspirale zu drehen. Die ganze, stickige Mief-Gesellschaft aber hat trotz all ihrer Widersprüche wenigstens den Versuch gemacht, über Vergangenes zu reden, und uns damit das Unkraut aus dem Orient vierzig Jahre lang vom Hals zu halten. Das Geschlecht derer von Ruh-Weh sind schon lange ausgestorben. Was aus G. wurde, weiß niemand so genau.


Siedlung

Die schnurgerade Straße durchzieht den Stadtteil von Ost nach West und steigt bergan. Im unteren Drittel die unansehnliche Kneipe mit Doppelschaukasten an der Außenwand: Rechts Mitteilungen aus der Sozialdemokratie, links die Speisekarte mit  den Spezialitäten  „international“:

Deutschland: Schnitzel mit Pilzsauce
Frankreich: Schnitzel überbacken mit Camembert
Italien: Schnitzel mit Tomaten und Mozzarella  
Hessen: Schnitzel mit Schmand



Das ist alles an Abwechslung und Weltläufigkeit. Die Straße rauf und runter, in den Nebenwegen: Bescheidene, kleine Häuschen. Die Luft zwischen den spitzen, weißen  Siedlerwohnungen ist nur schwer zu atmen. Manche Heimstatt sieht so aus, als würden Tote sie bewohnen. Gräber mit rauchenden Schornsteinen hinter sorgsam vom Unkraut befreiten Stellflächen für blitzblanke Autos. Daneben Kloschüsseln und hellblau lackierte Autoreifen, zu Pflanzenkübeln umgewandelt. Häuser, bewohnt von Menschen, die nach schleichenden Kontrollfahrten mit offener Seitenscheibe die Polizei alarmieren, wenn Jugendliche Gartenfeste geben. Feste, auf denen die Musik nicht einmal laut ist, aber schon von ihrer Art her nicht zum Stadtteil passt. Jugend und lange Haare, das ist, wo kommen wir denn da hin? für manchen altbackenen Ordnungskopf bloß aus der Ferne besehen schon gefährlich illegal, schlimmer noch als all die Kriegsverbrechen zusammen, über die man gerne schweigt.

Hinter den Häuschenreihen ragen in den Krähenhimmel die grauen Zinnen von Sozialwohnungsgebäuden, die die Siedlung zum Norden hin begrenzen. Eine lange, schnurgerade Straße bildet die Trennungslinie zwischen Weiß und Grau, an deren nördlicher Seite eine letzte Reihe der alten Siedlerhütten steht, die sich wie beschämt hinter Maschendraht und dichten Hecken vom ärmeren Norden weglehnen und abgrenzen. Nur ein schmaler Weg gibt den paar Fußgängern Durchlaß, die die Grenze von Zeit zu Zeit passieren.

In der Mitte der langen Straße das Haus von Schmittis Eltern. Kirchenvorstand. Alles ganz feierlich, staubfrei und gefährlich fromm. Strenges Mobiliar mit dem Geruch von Jugendherbergstee und Poliboy, das Ostpreußenblättchen griffbereit im Zeitungsständer. Die Tochter der Putzfrau aber, die den frommen Haushalt säubert, ist den Kreuzrittern der Nächstenliebe zu niedrig gestellt. Da war der gestrenge, bärtige Vater sehr nahe zum Sohne hingetreten und hatte gesprochen: Eine solche darfst du nicht zum Weibe nehmen, denn ihr niedriger Platz ist vom Herrn nicht gedacht für eines solchen Jünglings hohe Stellung. Das Verdikt heißt nicht standesgemäß das um seine Reputation ringende Ehepaar will nicht, daß der langhaarige Schmitti auch noch mit einem armen Mädchen gesehen würde, die Mutter hat dann noch auf Knien die Hände gerungen und um Trennung gefleht. Aber Amen und Segen für die Waffen der Bundeswehr gibt es jeden Sonntag umsonst! Kirche, neue Waffen, Ostpreußen, Kriegsgerät segnende Pfarrer, stinkende Moralvorstellungen und trotz weit geöffneter Fenster keine Luft zum Atmen. Austreten muss es daher für viele heißen. Auch meinen Eltern ist übel und sie flüchten beschämt aus der Kirche heraus, wenn auch nicht aus dem beklemmenden Stadtteil. Wir Jugendlichen laufen jeden Tag vor den lauten Kirchenglocken davon zum nördlichen Grillplatz, der weit hinter den grauen Hochhäusern mit seinem süßlich stinkenden Mofa-Geknatter und dem Martini Edel aus den dicken, kurzen Flaschen vom Kiosk liegt. Uns ist egal, wer aus welcher Familie kommt. Hauptsache, es ist halbschwarzer Drehtabak und genug Musik da.

Die gefährlichen Sauf-Schläger aus der rotbehaarten Feuermelder-Familie sind oftmals und leider auch zugegen und schlagen im angrenzenden Jugendzentrum regelmäßig alles kurz und klein, was an Sperrmüllmobiliar mühsam gesammelt worden ist. Fast nie hat man sie reden hören, ihre Sprache ist betrunkene Gewalt. Nur wer sich in das Häuschen der Feuermelder wagt, könnte die zischenden Befehle vernehmen, mit denen sie ihr altes und krankes Muttertier zu dieser oder jener Besorgung scheuchen und das sie nur beim Nachnamen nennen. Ich gehöre nicht zu diesem Prolltum mit seinen Schlägereien und den ewig über irgendetwas lächelnden und handschüttelnden Schnauzbärten samt der Mädchen, die aussehen, als seien sie mit ihren Cowboystiefeln amerikanischen TV-Serien entstiegen. Ich gehöre zu den Prä-Poppern und Post-Hippies aus dem Bürgertum, einer orientierungslosen Genertion irgendwo zwischen Achtundsechzig und Punk: Alles ganz friedlich mit vielen Selbstgedrehten zu Vanilletee, Tropfkerzen und Diskussionen im Schneidersitz. Die Marion sagt und der Jochen meint, wo man Marion und Jochen vielleicht gar nicht kennt und aus der Namensnennung nicht Anwesender Partnerschaften erschlossen werden sollen. Jedes Adjektiv erhält die Beilage ürgendwo und der Streit geht um Yes oder Genesis. Lila gebatikte Langarmshirts unter Malerlatzhosen mit Pluderbeinen samt Gummizug als Uniform. Jungs, die sich wie Mädchen benehmen und weit und breit kein Johnny Rotten im Anmarsch.

Schmitti ist bei seinem Mädchen geblieben. Beide sind ausgebrochen. Nicht nur aus der Wohnung und dem Haus. Aus dem Stadtteil. Aus der Stadt. Aus dem Land. Was aus ihnen wurde, weiß man nicht.

« Was vorher geschah12345678910
Wie es weitergeht »



_________________
Lais
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden Website dieses Benutzers besuchen
Lese Lina
Geschlecht:weiblichWortedrechsler

Alter: 58
Beiträge: 60
Wohnort: Teneriffa


Beitrag11.11.2014 02:44

von Lese Lina
Antworten mit Zitat

Ein toller Text mit Wiedererkennungswert für mich.

Die vielen sehr geschachtelten Sätze sind sicherlich dein Stil. Für mich wirkte die Geschichte damit anfangs etwas langatmig. Einige kürzere Sätze würden das evtl. auflockern.

Dennoch hat mir die Erzählung nach dem "Einlesen" sehr gut gefallen.

Liebe Grüße
Lese Lina

Edit: ach ja, du meintest sicher "irgendwo" statt "ürgendwo". Oder war das beabsichtigt!?
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Christof Lais Sperl
Geschlecht:männlichKlammeraffe

Alter: 62
Beiträge: 942
Wohnort: Hangover
Der silberne Roboter


Beitrag22.11.2014 13:29
Bärte aus "Social Call" 21.11.14
von Christof Lais Sperl
Antworten mit Zitat

Bärte
Wer es wagt, atmet einige Male tief ein und aus. Ein Klassenkamerad muss den Oberkörper von hinten umfassen, um Druck auf den Solarplexus auszuüben. Dann entsteht eine wenige Sekunden andauernde, stille Ohnmacht mit grauweißem Flimmern. Weder Gottesnähe noch Lichttunnel aus wohlwollender Liebe, Halluzinationen, wie sie in immer wieder aufgewärmten und sensationslüsternen Nahtoderlebnissen berichtet werden, entfalten sich: Die Seele umschlingt ein Bild wie nach dem guten alten Sendeschluss, allerdings ohne das Testbild-Piepsen aus der alten Fernseh-Zeit.

Bevor der Junior den Park verlassen darf, muss er nach seiner Ohnmacht fünfzehn Minuten im Wasser der eisigen Pfütze sitzen bleiben. Buße tun. Buße dafür tun, Fleisch und Blut des bösartigen, alten Compte zu sein. Die Klasse ist über sich selbst hinausgewachsen und hat mit ein paar Mitschülern etwas gewagt, das sich noch niemand zuvor auch nur zu denken getraut hatte. Da von den die Pfütze umstehenden Jugendlichen befürchtet wird, dass der Alte irgendwann von der tollkühnen Entführung erfährt, und zum Zeitpunkt noch ungewiss ist, ob die Geisel schweigen würde, wird ihre Qual erst recht als Ventil gebraucht, um den Druck abzulassen, den der Alte sorgsam und täglich über den Kindern aufbaut. Das Leben besteht aus Anspannung und Relaxation, einem immerwährenden Auf und Ab. Der große Compte aber, ein reaktionärer Frauenhasser mit fundamentalistsicher Gesichtsfotze und abstoßenden, stets feuchtglatt beleckten Lippen, Deutsch und Latein, einer der letzten Mohikaner des ancien régime und christlich-orthodoxer Taliban, baut den mit fettem Schweinefleisch sorgsam gemästeten und raumfordernden Körper am Ende jeder Pause schon im Ausklingen des Klingelzeichens im Schülereingang auf, damit niemand ungehindert und frei das Gebäude betreten kann, alle sich seitlich zwischen Türrahmen und Fettwanst hindurchdrängen müssen, nicht eine Sekunde Entspannung herrscht.

Nur Lenk, der Savant, hat ihn einmal in den feisten Wanst gedroschen! In die brutale Köze aus schwellendem Fett, die dem Compte stets vorgangeht und dort vornüber hängt, wo er breitbeinig steht, Lais sieht alles so gestochen scharf, wie er sich das Bild eines der vom irren Sektenfühter Hubbard erfundenen superkolossalen 3D-Filme vorstellte, mit denen sein dianetischer Gott Xenu die so genannten R6-Implantate in arme Thetanenseelen einpflanzte. Derartige Dinge, liebe Leser, glauben Scientologen - doch das ist schon wieder eine ganz andere Krankengeschichte.

Der fette Talib kommt in die Klasse, schmeißt die Tür zu, dass die Raubkatzenpfote des Zugwindes Lais ins Gesicht weht, und der Unterricht beginnt. Mit etwas Geschick kann der langweilige Vortrag vermieden werden, in dem die Kinder wie Spin Doctors kurz das Ruder übernehmen und die Rede des Fetten in eine einzige, laute Richtung, einen Schreistrahl, umformen und den Einpeitscher geschickt ablenken: Als bewährter Zünder gelten überall erhältliche DKP-Flugblätter, die vor Stundenbeginn sorgsam auf das Pult gelegt werden. Kaum hat Compte die Traktate erblickt, entgleitet der Rechtsausleger in eine mit A14 ausgestattete, studienrätische Geiferrede gegen Anarchisten und Kommunisten. Latein findet nicht mehr statt, die Schülerseele schöpft fünfundvierzig Minuten Kraft.

Aber dann muss doch immer wieder die nächste Stunde kommen, eine Klassenarbeit geschrieben werden, ein Abenteuerleser in der Klasse kennt das Vokabular der Seefahrt. Der Unerbittliche läßt in Deutsch eine freie Geschichte schreiben und ein unglücklicher Schüler verfaßt ein Piratenabenteuer. Der phantasielose und eingebildete Compte kann im dünkelhaft trüben Lehrerhirn den Gedanken nicht zulassen, dass das Kind selbst ungewöhnliche Wörter wie Smutje, Rahe oder Maat kennt, und den Aufsatz rigrnhändig geschrieben hat, läßt somit weder Aufsatz noch den Schüler etwas gelten, vom hitlerisch Tobenden wird er mit der aus dem stinkenden Schreimaul trichternden, sich überschlagenden Volksgerichtshofstimme aufgefordert, mit der Note Sechs unverzüglich und schweigend Platz zu nehmen; etwaige Einwände Dritter zögen weitere Konsequenzen nach sich. Punkt.

Und Mädchen sollen sich während der quälenden Stunden gar nicht zu Wort melden; wozu denn überhaupt als zukünftige Gebär-Mütter in die Schule gehen, ob zu diesem Zweck nicht Sinnvolleres zu erlernen sei? Die zeitgemäß geduckte Elternschaft kann den Haßprediger nicht beseitigen, frei nach Brecht war das Arschloch fruchtbar noch, aus dem das kroch, trotz SPD-Direktor und alledem. Es herrschen die sechsköpfigen Dämonen C-Parteibuch, Altnazibonus, sozialdemokratische Kuscherei und Kirchenkungelei, Proporzparität und Konsensschweigen. Der kleine Compte aber wird die Entführer und die Eispfützengeschichte im Park nie verraten, er begreift, dass er der Wutsack sein muss, der Alte ist für seine Kameraden nur unter Lebensgefahr zu attackieren - und die Veröffentlichung solcher Aktionen wäre im Hinblick auf ihre Zukunft lebensgefährlich.

An allem Kummer, den Gewalttätigkeiten und Kriegen dieser Welt sind nur die Bärte schuld, denkt Lais.  Kämpfen in Israel und Palästina nicht nur unterschiedliche Borsten um die Vorherrschaft? Und versuchen nicht auch die rotgefärbten Büsche junger Verlierer schlicht Gestricktes zu predigen, für das die anderen immer bloß nur Ungläubige sind? Plant nicht auch der Vollbart Atombomben oder engagiert sich im Kirchenvorstand? Und trug nicht auch der wohlbekannte Austriapithekus die berühmte Rotzbremse? Wer denkt beim Anblick solcher Kinnbürsten nicht an Fundamentalistischen mit  langberockten Frauen und den zehn Kindern, die mit dicken Brillen und strengen Zöpfen am Rock kleben und denen sie wegen Darwin Biobuch und Schulbesuch verbieten? Wer kämpfte für Blackwater im Irak als Söldner? Der bis an die Zähne bewaffnete Rockerbart, der den Job nur machen wollte, um einmal im Leben richtig Leute abzuknallen. Doch wie jedes Theorem hat auch das von Lais seine Ausnahme: Wo sind eigentlich die Bärte von Cruise und Travolta? Sind die beim Persönlichkeitstest zischend am E-Meter abgebrannt?

« Was vorher geschah12345678910
Wie es weitergeht »



_________________
Lais
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden Website dieses Benutzers besuchen
Einar Inperson
Geschlecht:männlichReißwolf


Beiträge: 1675
Wohnort: Auf dem Narrenschiff


Beitrag22.11.2014 15:17
Re: Bärte aus "Social Call" 21.11.14
von Einar Inperson
Antworten mit Zitat

Christof Lais Sperl hat Folgendes geschrieben:
Bärte
Wer es wagt, atmet einige Male tief ein und aus. Ein Klassenkamerad muss den Oberkörper von hinten umfassen, um Druck auf den Solarplexus auszuüben. Dann entsteht eine wenige Sekunden andauernde, stille Ohnmacht mit grauweißem Flimmern. Weder Gottesnähe noch Lichttunnel aus wohlwollender Liebe, Halluzinationen, wie sie in immer wieder aufgewärmten und sensationslüsternen Nahtoderlebnissen berichtet werden, entfalten sich: Die Seele umschlingt ein Bild wie nach dem guten alten Sendeschluss, allerdings ohne das Testbild-Piepsen aus der alten Fernseh-Zeit.

Bevor der Junior den Park verlassen darf, muss er nach seiner Ohnmacht fünfzehn Minuten im Wasser der eisigen Pfütze sitzen bleiben. Buße tun. Buße dafür tun, Fleisch und Blut des bösartigen, alten Compte zu sein. Die Klasse ist über sich selbst hinausgewachsen und hat mit ein paar Mitschülern etwas gewagt, das sich noch niemand zuvor auch nur zu denken getraut hatte. Da von den die Pfütze umstehenden Jugendlichen befürchtet wird, dass der Alte irgendwann von der tollkühnen Entführung erfährt, und zum Zeitpunkt noch ungewiss ist, ob die Geisel schweigen würde, wird ihre Qual erst recht als Ventil gebraucht, um den Druck abzulassen, den der Alte sorgsam und täglich über den Kindern aufbaut. Das Leben besteht aus Anspannung und Relaxation, einem immerwährenden Auf und Ab. Der große Compte aber, ein reaktionärer Frauenhasser mit fundamentalistsicher Gesichtsfotze und abstoßenden, stets feuchtglatt beleckten Lippen, Deutsch und Latein, einer der letzten Mohikaner des ancien régime und christlich-orthodoxer Taliban, baut den mit fettem Schweinefleisch sorgsam gemästeten und raumfordernden Körper am Ende jeder Pause schon im Ausklingen des Klingelzeichens im Schülereingang auf, damit niemand ungehindert und frei das Gebäude betreten kann, alle sich seitlich zwischen Türrahmen und Fettwanst hindurchdrängen müssen, nicht eine Sekunde Entspannung herrscht.

Nur Lenk, der Savant, hat ihn einmal in den feisten Wanst gedroschen! In die brutale Köze aus schwellendem Fett, die dem Compte stets vorgangeht und dort vornüber hängt, wo er breitbeinig steht, Lais sieht alles so gestochen scharf, wie er sich das Bild eines der vom irren Sektenfühter Hubbard erfundenen superkolossalen 3D-Filme vorstellte, mit denen sein dianetischer Gott Xenu die so genannten R6-Implantate in arme Thetanenseelen einpflanzte. Derartige Dinge, liebe Leser, glauben Scientologen - doch das ist schon wieder eine ganz andere Krankengeschichte.

Der fette Talib kommt in die Klasse, schmeißt die Tür zu, dass die Raubkatzenpfote des Zugwindes Lais ins Gesicht weht, und der Unterricht beginnt. Mit etwas Geschick kann der langweilige Vortrag vermieden werden, in dem die Kinder wie Spin Doctors kurz das Ruder übernehmen und die Rede des Fetten in eine einzige, laute Richtung, einen Schreistrahl, umformen und den Einpeitscher geschickt ablenken: Als bewährter Zünder gelten überall erhältliche DKP-Flugblätter, die vor Stundenbeginn sorgsam auf das Pult gelegt werden. Kaum hat Compte die Traktate erblickt, entgleitet der Rechtsausleger in eine mit A14 ausgestattete, studienrätische Geiferrede gegen Anarchisten und Kommunisten. Latein findet nicht mehr statt, die Schülerseele schöpft fünfundvierzig Minuten Kraft.

Aber dann muss doch immer wieder die nächste Stunde kommen, eine Klassenarbeit geschrieben werden, ein Abenteuerleser in der Klasse kennt das Vokabular der Seefahrt. Der Unerbittliche läßt in Deutsch eine freie Geschichte schreiben und ein unglücklicher Schüler verfaßt ein Piratenabenteuer. Der phantasielose und eingebildete Compte kann im dünkelhaft trüben Lehrerhirn den Gedanken nicht zulassen, dass das Kind selbst ungewöhnliche Wörter wie Smutje, Rahe oder Maat kennt, und den Aufsatz rigrnhändig geschrieben hat, läßt somit weder Aufsatz noch den Schüler etwas gelten, vom hitlerisch Tobenden wird er mit der aus dem stinkenden Schreimaul trichternden, sich überschlagenden Volksgerichtshofstimme aufgefordert, mit der Note Sechs unverzüglich und schweigend Platz zu nehmen; etwaige Einwände Dritter zögen weitere Konsequenzen nach sich. Punkt.

Und Mädchen sollen sich während der quälenden Stunden gar nicht zu Wort melden; wozu denn überhaupt als zukünftige Gebär-Mütter in die Schule gehen, ob zu diesem Zweck nicht Sinnvolleres zu erlernen sei? Die zeitgemäß geduckte Elternschaft kann den Haßprediger nicht beseitigen, frei nach Brecht war das Arschloch fruchtbar noch, aus dem das kroch, trotz SPD-Direktor und alledem. Es herrschen die sechsköpfigen Dämonen C-Parteibuch, Altnazibonus, sozialdemokratische Kuscherei und Kirchenkungelei, Proporzparität und Konsensschweigen. Der kleine Compte aber wird die Entführer und die Eispfützengeschichte im Park nie verraten, er begreift, dass er der Wutsack sein muss, der Alte ist für seine Kameraden nur unter Lebensgefahr zu attackieren - und die Veröffentlichung solcher Aktionen wäre im Hinblick auf ihre Zukunft lebensgefährlich.

An allem Kummer, den Gewalttätigkeiten und Kriegen dieser Welt sind nur die Bärte schuld, denkt Lais.  Kämpfen in Israel und Palästina nicht nur unterschiedliche Borsten um die Vorherrschaft? Und versuchen nicht auch die rotgefärbten Büsche junger Verlierer schlicht Gestricktes zu predigen, für das die anderen immer bloß nur Ungläubige sind? Plant nicht auch der Vollbart Atombomben oder engagiert sich im Kirchenvorstand? Und trug nicht auch der wohlbekannte Austriapithekus die berühmte Rotzbremse? Wer denkt beim Anblick solcher Kinnbürsten nicht an Fundamentalistischen mit  langberockten Frauen und den zehn Kindern, die mit dicken Brillen und strengen Zöpfen am Rock kleben und denen sie wegen Darwin Biobuch und Schulbesuch verbieten? Wer kämpfte für Blackwater im Irak als Söldner? Der bis an die Zähne bewaffnete Rockerbart, der den Job nur machen wollte, um einmal im Leben richtig Leute abzuknallen. Doch wie jedes Theorem hat auch das von Lais seine Ausnahme: Wo sind eigentlich die Bärte von Cruise und Travolta? Sind die beim Persönlichkeitstest zischend am E-Meter abgebrannt?


Hallo Christof,

in Rot einmal einige Auffälligkeiten aus dem ersten Durchlesen. Buchstabendreher, ß-Beispiele, Trennungsthemen etc.

In Blau: Es wäre für den Leser vielleicht erholsam, bei dieser Fülle an sorgfältig ausgewählten, zum Teil anstrengenden, Wörtern, an manchen Stellen ein wenig gewöhnlicher zu bleiben.

Warum nicht statt der Gesichtsfotze, einfach Gesichtszüge und statt des letzten Mohikaners, einfach Vertreter? Nur mal als Beispiel.

Ansonsten ein, wie von dir gewohnt, sehr dichter Text, der den Leser im Fortgang der Geschichte, in den Assoziationen erheblich fordert.

Der zum Zeitpunkt der Geschichte noch latent vorhandene Nazijargon, der Verweis auf heutige Fundamentalisten jeglicher Couleur, das Spielen mit der Vergangenheit und die Reflexion in das Heute.

Und dann, der sich wie eine Karikatur durch den Text ziehende Bart.

Starke Stellen, die sich im Gesamten aber in der Fülle auf engem Raum kaum entfalten können.


_________________
Traurige Grüße und ein Schmunzeln im Knopfloch

Zitat: "Ich habe nichts zu sagen, deshalb schreibe ich, weil ich nicht malen kann"
Einar Inperson in Anlehnung an Aris Kalaizis

si tu n'es pas là, je ne suis plus le même

"Ehrfurcht vor dem Leben" Albert Schweitzer
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Christof Lais Sperl
Geschlecht:männlichKlammeraffe

Alter: 62
Beiträge: 942
Wohnort: Hangover
Der silberne Roboter


Beitrag29.11.2014 17:22
Fleischbonbon/Schrei nach altem Fisch aus "Social Call" 1.12.2014
von Christof Lais Sperl
Antworten mit Zitat

Fleischbonbon und andere Monster
Lieber Werner Kreindl,

Erlaube mir einen persönlichen Brief. Ich muss dir zunächst Entschuldigendes schreiben, denn ich missbrauche einen Teil deines Abbildes zur Verdeutlichung pädagogischer Gegebenheiten. Warum schreibe ich an dich? Du sahst genau so aus wie der Lehrer Zerberus! Fast jedenfalls. Es lag am Mund. Genauer gesagt an der scharf geschnittenen Oberlippe. Natürlich warst du nie so bösartig wie derjenige welcher, sondern ein harmloser Schwarzweiß-Polizist bei Soko 5113. Du hattest als Privatmann in Diana Körner eine wunderschöne Frau in die ich als kleiner Junge verstohlen verliebt war und nur so ein gequälter, schwarzer Zerberus-Charakter, wie ich ihn dir noch beschreiben werde, macht ein Gesicht, dessen Oberlippe deiner ähnelt, erst so abgrundtief hässlich. Du wirktest milde und sanft, lieber Werner Kreindl, und doch habe ich, auf die Ellenbogen gestützt bäuchlings am Boden liegend, bei Soko immer mit ein wenig Furcht darauf gewartet, dass du einen Wutanfall bekommst, aus der Glotze herausspringst und die Contenance genau so verlierst, wie dein Doppelgänger dies jeden Tag mit seinen bellend wiedergegebenen Verb-Paradigmata und anderen sprachlichen Phänomenen zu tun pflegte. Es ist zum Glück nie geschehen. Du warst doch nur ein deutscher Fernseh-Kommissar. Die dürfen sowas nicht.

Dein Lais.

Durch die Wandfarbe der Schule in der Ebertstraße kann man leider alle Jahre wieder den alten Schriftzug mit dem verblassenden Namen des zum Ende hin Ende amphetaminsüchtigen, zitternden Wracks sehen - und zum durchscheinenden Braunauer passt Zerberus einfach wie die Faust aufs Auge: Studienrat, dieses Dampfmaschinenwort und kaiserliche Institution zugleich, ein eigentümlich glatt gespannter, weiblicher und übertrieben kleiner Mund beherrscht das  kinnlose untere Ende des feisten, glänzenden und kurzhalsigen Lehrerhauptes, einem saubohnenförmigem, starrem Fleischstück, in das ein viel zu scharf gezeichneter Überlippenmund geschnitten ist. Eine Kopf, von einem Körper getragen, der sich mit beängstigend kurzen, gefährlich zielstrebigen und ekelerregend gleichmäßigen Schritten durch die nach Bohnerwachs stinkenden Gänge fortbewegt. Oberseitig bereits schütteres Haar wird mit einer rechts wachsenden Strähnenplatte hartgeölt überdeckelt, der Foetor et ore ist süßlich und erinnert an Karottenpüree. Wie ein Drachen an der Schnur zuckt die bedrohliche Fratze von links nach rechts und von oben nach unten vor der Tafelseite des stürmischen Klassenzimmers herum. Das Fleischbonbon entspricht dem Brochschen Lehrerbild, nach dem der Pädagoge  (auch wieder so ein gestelztes Wort, aber immer noch besser als das französische, nach Landwirtschaft und Champignons klingende Halbpebdant puéricultrice) nach zweitem Staatsexamen und Billigpromotion schon am Ende seiner intellektuellen Belastbarkeit angelangt, Wissen in Päckchen austeilt, auf deren Rückgabe er dann später dringt. Erfolgt die Paketrückgabe nicht ordnungsgemäß, reagiert der Lehrer  beleidigt strafend.

Zerberus hat aus naheliegenden Gründen einen Wissensvorsprung. Doch Vermitteln gehört nicht zu seinen Stärken. Die empörten idiot! und chameau!-Rufe schnalzen regelmäßig als schmerzende Knötchen an der sich in der Art eines Eunuchen überschlagenden Stimmpeitsche des auf seiner armseligen Bühne zuckenden Drachen heraus, deren giftige Sätze wie Vipernzungen durch den Klassenraum schießen. Die semantische Begründung und juristische Absicherung samt Aspektanalyse, einer detaillierten Darstellung und Gegenüberstellung von Bedeutungsinhalten durch  rasterförmige Aufteilung in kleinste Sinneinheiten, liefert der Zerberus vorausschauend gleich mit: Das französische Kamel chameau sei ja nur böse, nicht dumm, grinst sich die Lehrperson ganz elegant ins kalte Fäustchen! So kann man jeden Schüler ungestraft mit dieser billigen semantischen Volte ein Kamel nennen, dem armen Tier die schlechte Beibedeutung noch obendrauf packen - und als erfolgreicher Pädagoge erreicht der Möchtegernprofessor ein Unterrichtsziel, nach dem das vom unerkannten Genie schnarrend abgesonderte romanische Zeichensystem nicht als natürliche Sprache, sondern als Foltermittel zur Schülerqual empfunden wird. Schließlich ist das Französische als angebliches Spitzenmodell der rund fünfzehn romanischen Sprachen, nur einer Elite vorbehalten, und so höfisch verstiegen soll es auch gefälligst bleiben. Manchmal verstieg sich Zerberus in seiner absurden Selbstüberschätzung, wie Freund Kerabré Lais später glaubhaft berichten würde, Jahre später  im Franzosentreff Amicale Française zu der Behauptung, alle Wörter den Französischen zu kennen, lediglich besondere Bezeichnungen von Deckenbalken in Kirchengebäuden entfielen ihm bedauerlicherweise bisweilen. Darauf verzeichnet das Protokoll allgemeine Gallierbelustigung und André Gide drehte sich im Grabe um, wo doch schon der noch handliche grüne Robert, da doch so petit 2171 klein bedruckte Seiten umfasst, sich Simultandolmetscher auf jede Fachkonferenz gesondert vorbereiten müssen, und der große weise Anglist Peter Hansen an der lokalen Hochschule stets mit seinem kleinen Langenscheidt unter dem Jackettärmel den Seminarraum betrat. Heißt es nicht, der gute Übersetzer müsse alle Wörter nachschlagen, besonders diejenigen, welche er besonders gut zu kennen glaubt? Der Amicale-Franzose versicherte mir übrigens, Zerberus’ Niveau hätte knapp über Abitur gelegen. Wenn weiter nichts dahinter war - umso besser.

Bei Zerberus hatte ich die Note Mangelhaft fest gebucht. Doch an der Lebensspanne gemessen nur wenig später schloss Lais, belle surprise, ein Diplom der Romanistik und zum Spaß auch noch Anglistik mit Sehr Gut ab. Dem bösen Dünnbrettbohrer wäre vor Schreck einer seiner Deckenbalken aus dem Himmel aufs Fleischbonbon gefallen, hätte er es erfahren. Hat er aber nicht. Woher auch? Wer sich für nichts wirklich interessiert hat, kann auch nichts wissen. Aber  Lais hatte Zuversicht und  wusste, dass er gut sein könnte, man müsste nur wollen, und anderenfalls ein Studium gar nicht erst beginnen.

Zu den guten Lehrern vorerst noch nicht viel. Die gab’s natürlich auch. Eigentlich waren die meisten sogar so richtig in Ordnung. Doch die wenigen Schlimmen können alles vermasseln, einen mit Fünfen zuballern und ihm den den Kopf nach der fröhlichen Grundschulzeit so richtig in die Scheiße drücken, wie Physik-Scholz, das dritte Monster, immer sagte, nachdem es den Schlüsselbund in die verängstigte Menge geworfen hatte. Manchem vermiesen sie das ganze Leben. Man erinnert sich gern an alles Schlechte. Folglich kommen  auch bei Lais erstmal die Drecksäcke auf der Kloake der bösen Erinnerungen nach oben geschwommen.


Die Zeit rast, schnell weiter mit einem weiteren Exemplar aus der Riege aufgeblasener Lehrer, bevor zum nächsten Thema gesprungen werden soll. Diesmal einer Person mit weitem Kunstbegriff. Wodkaszena fiel durch den alkoholisch klingenden Namen und auch visuell doch ganz besonders auf, denn der Blender lackierte seine Lederschuhe fast jeden Tag in einer neuen Farbe und trug orangefarbene Krawatten zu lila Schuhwerk. Das war die Schutzhülle des aufgeklärt unkonventionellen Underground-Pädagogen, der er, ganz ohne Odenwald-Erotik, offensichtlich gern gewesen wäre. Er hielt Vertretungsstunden mit Vorlesungscharakter, sein Sohn war in Lais’ Klasse, also konnten sie ihn als Fachlehrer gar nicht kriegen. Doch in der Umkleidekabine konnte Lais nach jeder Sportstunde die grünblauen Flecke und roten Striemen sehen, die der prügelnde Pädagogenvater auf dem geschundenen Knabenleib hinterlassen hatte. Lais fragte sich, ob all das wöchentliche Durchprügeln auch zum farbenfrohen, freien Fach gehörte? Bowie hat auf seinem erzählerischen Album Outside einen Künstler erfunden, der die Körper Ermordeter ausstellt. Dieser Ansatz hätte konzeptuell auch recht gut zu Wodkaszena gepasst, mußte Lais viel später denken.

Lais bekam ein Jugendzimmer in Buchenfurnier mit Bettkasten und nach unten spitz zulaufenden, schräg stehenden Beinen, eine orangefarbene Lampe, lernte Gitarre mit LPs von Cat Stevens, als der noch seinen coolen Namen trug, Tom Sawyer und die Rote Zora fingen mit den Rufen  

Tom!
Branko! Branko!

an, den Sawyer las er hundertmal und die Zora zweihundert. Und auf einmal ist er mit seiner Art, stets mehrere Bücher parallel zu lesen, über den schlimmen Lokalhelden Hausmann und Dumas bei Poe angekommen, mit dem wohlige Schauer vor allem beim roten Tod übern Rücken laufen. Der Leser tritt ein in eine Parallelwelt, vergisst Dasein, Schicksal und bunkert die Bände im halben Dutzend unterm Bett.

Eine akustische Gitarre war Ausgangspunkt für die Musik gewesen. Die Klänge wurden mit der Zwölfsaitigen abwechsungsreicher, Woody Wagner aber, ein genialer Bastler, versah nebenan Besenstiele mit Drähten und Abnehmerspulen, baute Bass-Drum-Generatoren und jagte die Klänge zischender, elektronischer Hi Hats durch schwarze Boxenungeheuer. Keiner konnte spielen, aber das was die paar Jungs wagten, war immer geil und laut, wie Marius sang, als er noch gut und mit dem Doppelnamen versehen war. Man spielte im Heizungskeller, weshalb der Ölbrenner auf jedem der zweihundert Tapes zu hören war. Zweihundert, denn alles wurde auf geklaute Cassetten aufgenommen, archiviert und in der Lindenberg’schen Technik betrunken gegengehört. Beim Spazieren und beim Nachschub-Gang zur Trinkhalle beatboxte der Drummer seine Rhythmen in die Sonne: dumdumdumdumdumdumdumdumzisch und sammelte ansonsten alte Quelle-Kataloge. Der Damenunterwäschebilder wegen. Er mochte vor allem die Mädchen mit den kleinen Brüsten und sah sich selbst als stolzen Bier-Asi, dessen Religion Proletariat hieß. Als neuer Bandname wäre einigen Fans Die toten Barschels sehr angenehm gewesen, doch sie nannten sich dann doch bloß Eintagsfliege, ein Name, der im Siegeszug der gekünstelt technisierten New Wave dann zu ETF aktualisiert werden sollte.

Schrei nach altem Fisch
Der erste Schwarze des Schülerlebens betrat den Schulhof in der Gestalt des Cassius Pille. Da gab es mal einen Comic mit einem wuschelhaarigen Huhn das diesen Namen trug, und aus seiner Eierhüllenwäsche glotzte. Von dem hatte Cassius seinen Spitznamen. Jeder wollte sein weiches und straff federndes Kraushaar berühren, hunderte Schüler drängten sich um ihn, um auch mal dranzukommen. Die Raucherhof-Vorbilder aus der Dreizehn  - Lais noch Fünfte mit Sextanerblase - : Freaks, langhaarig, wie aus dem Afri-Cola-Spot, die Iron Butterfly, Birth Control, Sabbath, Purple und Zeppelin hörten. Da gab es Kloppereien um die Frage, welche Band besser wäre. Wichtig für Beurteilungen waren Länge und Anzahl von Drum- und vor allem Gitarrensolos, die Verspieltheit der barocken Orgelparts sowie Höhe und -länge der transsexuellen Gesangschreie. Das war wie bei der Literaturkritik von Lais’ Mutter: Gute Werke durften keinen Sex, mussten aber umso mehr Naturbeschreibungen enthalten, um in die Hall of Fame der Bücherwelt aufgenommen zu werden: Naturbeschreibungen als Gitarrensoli des Muttchens.

Der Affekttäter Nethercod kannte alle Sabbath-Texte auswendig und brüllte in der Umkleide Poisoning their brainwashed mihihinds, oh Lord, yeah und noch andere Ozzy-Zeilen in die süßschwüle Luft. Oh Lord, yeah hörte sich bei dem Halbami an wie oh, lodger, was fast Science Fiction war, da der richtige Lodger erst neunundsiebzig  als LP von Bowie herauskam.  Der Besenstielbastler Woody kam immer mit Live-Zitaten von Led Zeppelins  The Song remains the Same um die Ecke geschlichen - This is a song of hope - als wären die Konzertdurchsagen Bibelsprüche oder Zauberworte, deren Sinn unverständlich, aber doch irgendwie wichtig, richtig und allgemeingültig sein musste.

Die Eltern aber hörten ABBA. Und die waren eigentlich auch ziemlich gut. Aber zuzugeben, dass man ABBA selber mochte oder wenigstens die süße Agnetha als Bravo-Starschnitt an die Zimmertür gepinnt hatte, wäre gefährlich uncool gewesen. Dafür ist ABBAs Musik immer noch leise im Hintergrund präsent, klingt immer noch durch neuere Kompositionen hundurch und Agnetha immer noch wunderschön - während sich Ozzy schon das dreiviertel Hirn weggesoffen und -gekokst hat,  aber immerhin wieder Konzerte gibt, vor denen er so geschminkt wird, dass er wie eine alte Puffmutter mit künstlichen Wimpern herüberkommt.

Schreilängen, Soli, Live-Ansagen, End-Parts, pausenlange Diskussionen in Rabbinerart über Berauschungsgrad und Clerverness der sägenden und scheppernden Musik, in denen Sabbath noch knapp über Status Quo als vergleichsweise dumm und primitiv wie der Alkoholschwamm des Osbornschen Hirnen galten, Iommis bedrohliche Gitarre aber als Ausgleich dafür innovativ tief und laut war. Zeppelin dagegen waren schlau und extatisch, Purple wechselten ständig die Besetzung und keiner blickte beim Orgelgedröhn mehr durch wer noch oder schon wieder in dieser barocken Kathedrale unnahbarer Charaktere mitspielte, aus der gute Soli und eine Art tonaler Gottesdienst quollen, der sich als Orgelpfeifennebel in die schummrigen Gewölbe ergoß, in denen man kniend oder auf breitbeinig feststehenden Füßen des nachts den Kopf zur lauten Musik schüttelte; am Tag danach saß ein Muskelkater im Nacken, der sich gut wegmassieren ließ. Im Kiosk nebendran gab es immer Bier, Nuts, Kojak-Lollies, Treets, Nappo, Musketier-Stangen, und Schleckmuscheln, fast alle Mädels ließen sich in den dunklen Kirchkellerlöchern knutschen und bei manchen war’s auch besser, dass im Nikotinnebel nur so wenig von ihnen und von uns zu sehen war. Tropfkerzen, Purple-Orgel, Weihrauchschwaden, alles passte im Zeitdesign ganz genau zur gerammelt vollen Gotteshauskatakombe, in der man sich jeden Abend versammelt. Zum Wichtigsten gehörte dabe, nicht nur, aber auch, wer am lautesten mit dem Fünfziger-Moped vor der Tür an- und abknattern konnte, und hatte man kein Moped oder Kleinkraftrad, lief man wenigstens in angeberischen Lederklamotten als Fahrervorstufe herum. Ein typischer Provinzjugendclub in einer Kirche, deren heimlicher Gott über Jahre der früh verstorbene Bolan mit seiner Vibratostimme und dem Glamour-Glimmer um die Augen war. Waters und Gilmour spielten allabendlich ihre Hymne, die Lais lautstark in dieser Weise mitsang

We’re just two lost souls
Swimming in a fish bowl
Year after year,
Running over the same old ground.
What have we found?
The same old fish.
Wish you were here


und das schallende Gelächter von Oberstufenschülern erntete, denn in der vorletzten Zeile ging es nicht wie in der zweiten um verlorene Seelen, die wie Fische im Glas schwommen, sondern um Gefühle von Verlassenheit und Angst.


Ob sich Samson schwarz, blau, Drum, Ascot grün, Buccaneer, Van Nelle, Javaanse Jongens braun, blau, oder gar der Lungenputzer Schwarzer Krauser No.1 mit seiner in der Art medizinischer Lehrwerke hell- und dunkelblau gestalteten Packung am besten rauchen ließen, war auch eine der essentiellen Fragen. Und auch, ob dünn, dick oder schwanger gedrehte Zigaretten die besten wären. Der Dritte beim Anzünden mit ein und demselben Streichholz, der Ruchlose, welcher an einer Kerze anzustecken wagte, beide würden mit esoterischer Sicherheit an Lungenkrebs sterben. Wer aber ein Streichholz nach dem Anreißen vollständig abbrennen konnte, ohne sich die Finger anzusengen, wurde von irgendeiner geliebt. Lais gelang dies nach allem was wir wissen natürlich nur, wenn er mit Spucke schummelte.

« Was vorher geschah12345678910
Wie es weitergeht »



_________________
Lais
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden Website dieses Benutzers besuchen
Rowling's Stone
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen

Alter: 33
Beiträge: 21



Beitrag29.11.2014 19:02

von Rowling's Stone
Antworten mit Zitat

Hallo Christof Smile

erst dachte ich, es traut sich hier niemand zu kritisieren, dann fiel mir auf, dass der Text ganz frisch eingestellt wurde. Ehrlichgesagt käme ich mir naiv dabei vor, diesen Text kritisieren zu wollen, vorallem da ich ihn nur sporadisch gelesen habe und soeben die Ungeduld in mir drängt an meinem eigenen Text weiterzuschreiben. Aber da mir der erste Abschnitt (den ich inklusive einleitendem Brief gelesen habe) imponiert, kann ich wenigstens das kundtun. Mir gefallen Wortkreationen wie 'Dampfmaschinenwort' und so natürlich in den hypotaktisch aufgebauten Syntax integriertes Latein ohne Latinismus. Zielt diese Textkreation auf eine gehobenere Leserschaft ab, der sie Lesevergnügen bereiten könnte? Vielleicht liegt es am dementsprechenden Alter- ohne unverschämt sein zu wollen - in dem man dieses hohe Sprachniveau möglicherweise als sebstverständlich erachten kann, da sich der Wort- und Wissensschatz an die Lebenserfahrung anpasst- zumindest bestenfalls Smile Von mir also nur Lob. Ach  nein, das war gelogen. Vielleicht erscheint mir der Text aufgrund des von Nebensätzen geprägten Aufbaus doch ein wenig anstrengend...neben der temporären Ungeduld ein Grund, warum ich nur sporadisch laß. Lieben Gruß!
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Mardii
Stiefmütterle

Alter: 64
Beiträge: 1774



Beitrag29.11.2014 20:23

von Mardii
Antworten mit Zitat

Christof Lais Sperl hat Folgendes geschrieben:
Durch die Wandfarbe der Schule in der Ebertstraße kann man leider alle Jahre wieder den alten Schriftzug mit dem verblassenden Namen des zum Ende hin Ende amphetaminsüchtigen, zitternden Wracks sehen - und zum durchscheinenden Braunauer passt Zerberus einfach wie die Faust aufs Auge: Studienrat, dieses Dampfmaschinenwort und kaiserliche Institution zugleich, ein eigentümlich glatt gespannter, weiblicher und übertrieben kleiner Mund beherrscht das  kinnlose untere Ende des feisten, glänzenden und kurzhalsigen Lehrerhauptes, einem saubohnenförmigem, starrem Fleischstück, in das ein viel zu scharf gezeichneter Überlippenmund geschnitten ist.


Lese ich diesen Satz, komme ich zu dem Schluss, dass das saubohnenförmige Haupt von Oberlehrer Werner Kreindl zwei Münder hat. Warum in aller Welt wurde dessen Name übertüncht? Lese ich eine phantastische Geschichte oder einen historischen Roman?


_________________
`bin ein herzen´s gutes stück blech was halt gerne ein edelmetall wäre´
Ridickully
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Einar Inperson
Geschlecht:männlichReißwolf


Beiträge: 1675
Wohnort: Auf dem Narrenschiff


Beitrag29.11.2014 23:58

von Einar Inperson
Antworten mit Zitat

Hallo Christof,

zwei Kapitel, die aufeinander aufbauen.  Das erste Kapitel, das durch die Sprache wie gehabt  begeistert. Du verwendest Wörter, die Leser nur selten zu lesen bekommen oder kreierst eigene. Gelegentlich ein Genuss, gelegentlich auch nicht ganz einfach. Aber, dieses Kapitel wird durch die amüsanten Einschübe, die wie Löcher in dem geschlossenen Gebilde (ich wollte jetzt nicht Löcher im Käse schreiben, was zu Missverständnis hätte führen können) den Text lüften und wunderbar leicht machen.

Noch einige kleine Meckereien. Unerheblich, aber wo sie halt aufgefallen sind.

Zitat:
alle Wörter den Französischen zu kennen


Ob dir bei hundurch ein Tippfehler passiert ist oder ob du irgendeine skurrile Variante aus dem Frühneuhochdeutschen oder was weiß ich aus welcher Zeit eingefügt hast, kann ich nicht sagen.

Allerdings gibt es einen Tippfehler, der mir aufgefallen ist, den ich aber nicht wiederfinde. (Vielleicht war es auch im zweiten Text. )

Unpassend für die Zeit scheinen mir Die Toten Barschels. Vielleicht sollte das eine Anlehnung an die Dead Kennedys sein, die aber selbst auch schon längst aufgelöst waren, als Barschel starb.

Das zweite Kapitel ist vielleicht das lesbarste deiner bisherigen Texte. In dem Sinn, dass es mit Zeitzeugen von Schokoriegeln bis zu Whiskytabak und natürlich noch stärker als im ersten Kapitel mit der Musik arbeitet. Du kannst auch leicht virtuos.

Ein kleiner Einwand:
Ist es wirklich so, dass die Elterngeneration jener Zeit Abba hörte?
War es nicht eher Roy Black, Peter Alexander und Co. auf der einen und Karajan auf der anderen Seite?

Mit Genuss und Schmunzeln beide Texte gelesen.


_________________
Traurige Grüße und ein Schmunzeln im Knopfloch

Zitat: "Ich habe nichts zu sagen, deshalb schreibe ich, weil ich nicht malen kann"
Einar Inperson in Anlehnung an Aris Kalaizis

si tu n'es pas là, je ne suis plus le même

"Ehrfurcht vor dem Leben" Albert Schweitzer
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Christof Lais Sperl
Geschlecht:männlichKlammeraffe

Alter: 62
Beiträge: 942
Wohnort: Hangover
Der silberne Roboter


Beitrag30.11.2014 11:35
Liebe Kritiker
von Christof Lais Sperl
Antworten mit Zitat

Vielen Dank für eure Bemerkungen.
Lieber Rowling's Stone: Ich will keine gehobene Leserschaft, das schreibt sich in mir selbst so und dann  fließt es heraus. Allerdings kannst du die Sprache auch als Ironie auf all das Bildungstum in der Anstalt sehen.Und: las bitt mit "s" und nicht mit "ß"!

Liebe Mardii: der durchscheinende Braunauer. Wer kam denn aus Braunau? Das ist doch eine Anspielung auf den wohlbekannten und wohl bekannten Drogensüchtigen, dessen schwarz gepinselter Name da immer wieder zur Vorschein kam. Ein Rätsel. Natürlich hatte der Pauker zum Glück keine zwei Münder. Aber trotzdem danke für den Einwand.

Lieber Einar: Ja, die Rechtschreibfehler. Da hast du Recht: des Französischen.
Ein paar Leute hatten die Idee mit den Barschels, wie du bemerkst allerdings einiges später. Die Band bestand lange. Und meine Eltern hörten eher Karajan, mache auch Alexander, aber viele auch ABBA.

Liebe Grüße, C


_________________
Lais
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden Website dieses Benutzers besuchen
Mardii
Stiefmütterle

Alter: 64
Beiträge: 1774



Beitrag30.11.2014 18:22

von Mardii
Antworten mit Zitat

Christof Lais Sperl hat Folgendes geschrieben:
und zum durchscheinenden Braunauer passt Zerberus einfach wie die Faust aufs Auge: Studienrat,


Wie hier klar und deutlich zu sehen, steht nach dem Hauptsatz mit dem verwischten Namen und dem herbeizitierten Cerberus, ein Doppelpunkt, ein Satzzeichen, das eine Folge oder Folgerung aus dem vorher Gesagten anzeigt. Meines Wissens war Adolf Hitler niemals Studienrat, vertiefe dich da mal in die Geschichtsschreibung.
Mein Kommentar zielte darauf, auf die Fragwürdigkeit dieses einleitenden Satzes hinzuweisen, der voneinander verschiedene Inhalte miteinander vermengt.


_________________
`bin ein herzen´s gutes stück blech was halt gerne ein edelmetall wäre´
Ridickully
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Christof Lais Sperl
Geschlecht:männlichKlammeraffe

Alter: 62
Beiträge: 942
Wohnort: Hangover
Der silberne Roboter


Beitrag30.11.2014 19:28
In keiner Weise
von Christof Lais Sperl
Antworten mit Zitat

Setzt man sich mit dem Satz eingehend auseinander, sollte klar werden, was hier gesagt wird: 1. Braunauers Name, 2. Name scheint durch, 3. Zerberus, der Studienrat, paßt zum Braunauer wie die Faust auf's Auge. Schon rein von der schwarzen Pädagogik her, möge und sollte man verstehen, setzt man die "Fragwürdigkeit" der Einleitung ins Licht kataphorischer Elemente.

Ich bin ja leider kein Nabokov, Joyce, Müller oder Schmidt. Deren Sätze waren noch schlimmer/komplexer.
LG, CLS


_________________
Lais
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden Website dieses Benutzers besuchen
Mardii
Stiefmütterle

Alter: 64
Beiträge: 1774



Beitrag30.11.2014 20:02

von Mardii
Antworten mit Zitat

CLS hat Folgendes geschrieben:
Ich bin ja leider kein Nabokov, Joyce, Müller oder Schmidt. Deren Sätze waren noch schlimmer/komplexer.


..., deren Sätze waren nicht schlimm, aber komplex. Wink


_________________
`bin ein herzen´s gutes stück blech was halt gerne ein edelmetall wäre´
Ridickully
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Christof Lais Sperl
Geschlecht:männlichKlammeraffe

Alter: 62
Beiträge: 942
Wohnort: Hangover
Der silberne Roboter


Beitrag01.12.2014 14:15
OK
von Christof Lais Sperl
Antworten mit Zitat

...damit bin ich einverstanden Wink
LG

C


_________________
Lais
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden Website dieses Benutzers besuchen
Christof Lais Sperl
Geschlecht:männlichKlammeraffe

Alter: 62
Beiträge: 942
Wohnort: Hangover
Der silberne Roboter


Beitrag07.12.2014 12:20
Substanzen aus "Social Call" vom 7.12.14
von Christof Lais Sperl
Antworten mit Zitat

Substanzen
Wer stand da im Wohnzimmer? Patti Smith. Es war sofort um Lais geschehen: Dieses entwaffnend weit gespannte, bekiffte zahn- und zahnfleischreiche  Lächeln, das alte Jackett zur Jeans über dem hageren Körper, ein um ein Interview bemühte Alan Bangs, der ratlos als Kontrast danbensteht, der stammelnde und grinsende Lenny Kaye lässt mit seiner Streberbrille die Smith und ihr Lachen zu allen Bangs-Erkundungen noch heller strahlen, der Fragen stellt, deren Beantwortung die Smith stets mit Alan, listen einleitet - Patti sah aus wie die dem Kirchenvorstand nicht standesgemäße Putzfrauentochter: Ein hinreißend schlacksig und zerbrechliches Mädchen mit den Zündhölzern, dabei anarchisch frei und frech im Geist. Die LP Horses zerstörte Lais’ teure Telefunken-Boxen, und wer immer Smith hörte musste denken: Revolution! die Regierung ist abgesetzt, und Patti diktiert aus den Plattenrillen das neue Kunst-Regime.

Substanzen mussten her, um sich angstfrei wie die Smith zu fühlen, und ihre Botschaft mit einem breiteren Spektrum der Sinne aufzunehmen. Der Anfänger merkt ein paar Mal gar nichts. Dann aber erlernt er den Rausch zu erspüren, muss über jeden und alles lachen, in ihm stellt sich nach einiger Zeit die überhebliche Haltung bezüglich der nichtsahnenden Umwelt ein, denn das worüber man lacht, muss in der Folge eben auch lächerlich sein, als Lachender stellt man sich ob ihrer Lachhaftigkeit weit über all die grotesken und verlachten Konformisten, weshalb Marihuana eine subversive Droge ist, denn der Alkoholkonsument mit seiner Bundeswehrverpflichtung und den Schlager-LPs im Regal ist affirmativ und systemstabilisierend, stellt nichts in Frage, legt seinen Wagen tiefer und lacht über öde Männerwitze. Lais und die anderen aber feixen über Politiker, über LPs von Peter Maffay, die eigens zum Totlachen angeschafft worden waren, über Werbung und all das, was  als phänotypisch gelten konnte. Lachten über die Tagesschau und lachten sich aus dem Etablissement heraus. Guckt euch den heinoartigen Dickbrillenträger an, der frech und mit der Arroganz der Wissenden vor dem Hauseingang weggelacht wird, als der die BILD der Eltern in den Briefkasten stecken will. Der hat gar nichts vom allgemeinen Stonedsein im sturmfreien Haus bemerkt, in dem man hoch über dem Perserteppich schwebte. Lais und die anderen, das waren die Lacher, der Rest ein Haufen von Ignoranten, nur die Lacher hatten  als Lachende die Wahrheit gepachtet, genau so wie ein BMW mit Sylt-Aufkleber und serienmäßig eingebautem Drängler- und Überholrecht ausgeliefert wird, und dessen Premium-Fahrer dem armen Rest seine Rücklichter und die lange Nase zeigen kann. Doch irgendwann kann all das Lachen für den, der übertreibt, auch zum breitgelatschten, wehen Grinsen werden, das Tor ist dort, wo reine Kifferblödigkeit beginnt.

Wir holten den Stoff beim korrekt angezogenen Dealer, der glaubt, gut betucht fällt polizeilich wenig auf und der Kunde kann ihn besser erkennen - Dior Shoes and a big straw hat - und das stimmt ja auch: Einen weißen Passat kontrollieren sie weniger häufig  als eine alte, lila Friedenstauben-Ente mit Atomkraft-Nein-Danke hinten drauf. Alle hatten reißverschlußreiche, gepolsterte Lederjacken und -jeans, zu denen wieder die Motorräder fehlten. Die Seitentaschen der Jacken waren weit oben angebracht, und so standen alle, außer dem Dealer, mit abstehend angewinkelten Armen, die Hände hoch oben, in den lächerlich kleinen Taschen, genau so wie auf dem Nils-Cover von der Lofgren-LP. Standen vorm Café Musique herum und fragten die Gutgekleideten: Eyhastemahnpeace?

Libanon war stark und brummte langsam und kraftvoll in den Kopf, während Maroc und Türke spritzig und frisch wie guter Champagner flirrend, betont sinnlich und humorvoll anfluteten. Der schwarze Afghane aber rauschte mächtig und schwer wie ein tiefer, dunkler, schwarzer Waldgewitterwind durch die Birne, machte seinem Namen alle Ehre und beschwerte die Seele über Gebühr mit etwas Melancholisch-Depressivem und da er in ihr die Zeit ins Unendliche zu dehnen und die Sinne maßlos zu schärfen schien, gewannen auch die Empfindungen für Unangenehmes bedrohlich an Größe. Da wurden der brummende Kühlschrank zum Luftkompressor und die Schüchternheit zur bösen Riesenhexe. Der Laberkopf laberte gefühlte zehn Stunden und Gedanken folgten Gedanken ohne Unterlass, Zusammenhänge und  Zeit flossen in ein uferloses Meer vermeintlicher Geistesblitze, die offenbar so schlecht waren, dass man sich nie an sie erinnerte. Die Gedanken rasten immer schneller, der Körper wurde faul und unbeweglich, Lais verhielt sich wie ein noch unsichererer und befangenerer Schauspieler auf seiner kolossalen Schmierenbühne und kriegte sein wundes Maul nicht mehr unter Kontrolle, das säuerlich, herrenlos und  blöde ins Leben grinste, weshalb er begann, sich zum Rauchen verschämt abzusondern. Bei den anderen wirkte alles weitaus besser: Nachbar Carlos kaute Reeds mit sägendem Gesang durchschnittene Musik im Zonenranclub Portrait und bekam nächtliche munchees, während er alles nur noch schwarzweiß sehen konnte. Alles wirkte so stark, dass nach der Rückkehr in Mutters Küche zur Befriedigung des Freßtrips eine Scheibe Brot mit Nuß-Nougat-Creme, Erdnußbutter und Camembert her musste, wonach es wieder besser ging. Da das Hirn im nüchternen Ruhezustand schon zwanzig Prozent des Körperenergiebedarfs fordert, wird klar, warum man nach dem vom THC beschleunigten Gedankentornado einen so unmäßigen Hunger bekam.

Das stabilere Riz-La-Croix-Papier, vom Volksmund Ritzla ausgesprochen,  brannte nicht so gut wie das von Efka oder Gizeh. Ständig musste man ziehen, damit der Katalysator Tabak nicht aufhörte zu glimmen. Kennt noch jemand die Zeit, die Zeit, zu der noch die langen breiten Zigarettenpapiere verbotener Baustoff, tatsächlich und wirklich illegales Material waren, und man mehrere kleine für eine Tüte zusammenkleben musste? Untersagtes Papier, dessen Bestimmung die Exekutive nur rein spekulativ festlegen konnte.  

In Lais denkt es sich heute: Bloße Vermutungen haben zu einem Verkaufsverbot geführt, während der gleiche Staat es zulässt, dass ostdeutsche Eltern ihren Nachwuchs mit T-Shirts bekleidet in die Kita bringen, auf denen die Wörter Eisenbahnromantik Auschwitz geschrieben stehen. Wörter. Das sind Wörter, mit denen Vorstellungen gebracht werden, die in ihrer unverschämten Form und inhaltlichen Frechheit denselben Staat doch dazu zwingen sollte, den Trägern die Kleidungsstücke sofort vom Leib zu reißen, gerade wegen Israel und alledem. Doch nichts davon passiert. Denn wo man den Hippie jagt, tragen sie den Nazi immer noch auf Händen. Auf den Händen, den Nazi, den Hippie treten, vom Leib reißen sie die Frechheit, Kleidung, irgendwie abgefahrene Eisenbahn, wehe Gedanken, Verkaufsverbot, ja,  später mal, ein Haus in Israel, Eisenbahn ganz abgefahren, Israel, später mal Vermutungen, Material, Zug. Zwei Züge, Aussähen von Wildblumen nicht genehmigt, zwei Arten, Land der Dreigestirne, Geleise, Selektion und Eisenbahnen, Verbotsschilder, Grinsen. Schon wach. Trübes Sehen. Erstmal Zigarette drehen.

Es gab zwei Arten beim Bauen mit kleinen Papers: Drei der Blättchen wurden in T-Form geklebt, zwei davon parallel aneinander, das dritte an deren Schmalseite befestigt. Ans Kopfende kam entweder ein dickes kurzes, an der Schmalseite aus einem Pappdeckel der Blättchenpackung spiralförmig in ein Röhrchen gedrehtes Mundstück, oder ein dünnes, zigarettenlanges aus der Längsseite der Abdeckung. Überstehendes Papier wurde am zu zündenden Ende zusammengedreht, am Deckelrand angebrannt und das entstandene Papierhütchen vor dem Anrauchen abgenommen. Anrauchen durfte, wer gebaut hatte, wer baut den nächsten, jeder zog einmal durch oder der Anraucher hatte vorggeben, wie oft von jedem eingesaugt werden durfte: zweimal, dreimal. Bum Shankar und Bum Shiva waren  Nastorowje, Dope war knapp und teuer, der Markt hat nichts zu verschenken, gab sich sich kaum noch menschlich, es wurden nichtmal mehr Törnstücke verschenkt, man musste aus den teuren, kleinen Krümeln so viel Wirkung als möglich herauszaubern. Törnstücke waren in der freundlichen, längst vergangenen Hippiezeit kostenlose Proben gewesen. Nun aber musste man unbesehen von irgendeinem Schnösel kaufen. Vom Joint ging man aus Gründen der Wirkstoffnutzung daher lieber zu Pfeife, Chillum oder Hookah über. Es war gut, den Brandraum der Rauchwerkzeuge mit Honig zu pflegen. Die Pfeifen mussten ständig mit Reinigerdrähten gesäubert werden, und nur die Pfeifenkopfwand selbst wurde nicht angetastet, denn sie war wichtig für Aroma und  regelmäßige, nicht zu heiße Glut. Herrschte Drogenknappheit, durfte der wertvolle Pfeifenkopf vorsichtig ausgekratzt und die teerhaltigen Reste als Scratch erneut geraucht werden. Dabei wurde der alte Raucherspruch zur Wirklichkeit, nach dem der lange Weg zur Lunge geteert werden soll. War nicht einmal Scratch vorhanden, musste möglichst starker Tabak zumindest zum Nicoflash verhelfen. Die Luftwege der Graniniflaschen-Huka waren so großvolumig, dass nur wenig Pflege nötig war, diejenigen der Raucher verengten sich dagegen immer mehr und es kam zu Hustenanfällen wie am Beginn von Sabbaths Sweet Leaf: Ahaahaahaaha, dumm dumm, da dumm dumm dumm, all right now, und manchmal diente bloß ein grob gezackter, da durch Abschlagen gewonnener Mineralwasserflaschenhals als Brennaufsatz, dem das Sieb eines Wasserhahnes als Brandrost einlag. Bambusröhren wurden in  Form des Gesichtes auf der ersten XTC-LP, also über Kreuz und mit einem feuchten Leinenlappen umwickelt miteinander verbunden. Haschischstücke, Piece genannt, als Fünfer, Zehner, Zwanziger, Fuffis, Hunnis und Hecks. Ein Heck einhundert Gramm, ein Ki ein Kilo und der Preis lag bei sieben Mark pro Gramm. Ein Heck hatte kaum jemand zu Gesicht bekommen und manche schnitten mit opulenten Schilderungen auf, wie viel in Leintuch eingenähte Platten sie schon einmal auf einem Haufen liegen gesehen hatten. Wenn überhaupt konnten Gras - oder gar Hanföl - nur in GÖ aufgetrieben werden; gutes Gras war jedem Hasch vorzuziehen und ist mutmaßlich etwas gesünder, da kein Tabak untergemischt werden muss. Es ist der Champagner unter den Hanfprodukten, riecht angenehm und ist in seiner Wirkung ein wenig leichter. Sind noch Samen im Gras enthalten, knistert und knallt es beim Abbrennen. Öl aber muss mühsam in einer mit erhitztem Tabak gefüllten Pfanne von der Aluverpackung abgekratzt und sorgfältig mit dem warmen Tabak vermischt werden. Man rauchte, träumte, redete dummes Zeug und hing ab, zu blöd zum aufsteh’n, wie es bei den Ärzten heißt. Rauch schwebte in Schichten durchs Zimmer, an dessen Decke Töpfe mit grünweißen Wasserlilien zur Säuberung der Luft hingen.

Auf dem Weg zur Glückseligkeit waren auch Opfer zu beklagen: Lais baumlanger Freund Pierre, von Haus aus ein lieber Kerl, kam von zuviel Hasch auf noch mehr Kokain und griff seine Eltern mit dem Messer an, eine üble Tat, die lebenslange Psychiatrie zur Folge haben sollte. In GÖ sollte es einen geben, so ging sie Sage, der mit seinem massigen, aber schon angeschlagenen Riesenkörper eine ganze Pfeife in einem Zug aufsaugen konnte. Die Technik hatte er im Knast erlernt und nach seiner Entlassung jeden Tag auf einer Bank am Wall praktiziert. Lais selbst hat ihn später direkt an der Stelle beim Rauchen gesehen, wo ein stadtbekannter, ungewaschener Haustyrann fortwährend bärtig aus dem Fenster seines von einer Mauer umfassten Bauernhofes blickte, das Feindgebiet überwachte, und mit der ewigen Flinte in der Hand Frau, Hunde und Töchter befehligte, an denen er sich selbst befriedigte. Die Stadt war gefährlich nah an seinen Hof und die Mädchen herangewachsen, und hatte sein Einsiedleridyll immer mehr bedroht. Lais und die anderen beobachteten die Szenerie gern mit vollem Kopf und es war, als liefe ein dreidimensionaler Film ab. Ein anderer straßenbekannter Göttinger war Cowboy, der auch oft am Wall entlangschlich, in einer Hasch-Psychose hängen geblieben war, wenn er reden wollte seine Teilnahme am amerikanischen Bürgerkrieg sehr plastisch schildern konnte, und vom Arzt mit homöopathischen LSD-Dosen behandelt wurde. So kann’s demjenigen gehen, der keine Bremse kennt: Ein zerronnenes Leben und das Gesicht eines grinsenden Irren als Dreingabe.

Oft ist hier die Rede vom Niedersächsischen, denn bei Flaute musste getrampt werden. GÖ ist Studentenstadt war aber dennoch schon immer CDU. Daher war der Widerstand gegen das Bestehende stärker und anarchischer als im verschlafenen, strukturkonservativen Nordhessen mit den wenigen Studenten und seinen nabelschauenden Erst-Vollnazi-und-später-ganz-schnell-SPD-Bürgermeistern. In GÖ war was los, Kneipe an Kneipe, eine Stadt, in der eine offene Szene mit ständigem Nachschub, nämlich die an der Mauer vom Podium, geduldet wurde. Bis Äikim, so nannte man diese gefährlich dürre Anarchoprominenz mit dem Gesicht von Francis Rossi, es einmal übertrieben und einem Polizisten in Zivil eine Kugel Libanesen unter die Nase gehalten hatte, den Stoff anpries - riecht richtig geil, ey - und vom Fleck weg verhaftet worden war. Die Gerichtsverhandlung - Du dummer Bulle, ich tunk’ dich in Hundescheisse - wurde eigens auf Kassette mitgeschnitten und später unter Gelächter bekifft abgehört. Fazit aus der Historie der Drogenpolitik ist, daß CDU für den Haschischnachschub immer noch von Vorteil gewesen ist. Wollten man mal was erleben, stellten sich die Jungs hinter einen Busch an der Auffahrt, ein Mädchen wurde als Lockvogel vorgeschickt, mit erhobenem Daumen und enger Jeans lockte sie ein Auto an, und hielt einer, sprangen wir Jungs aus dem Busch und baten ebenfalls um Mitnahme.

Manche zogen Gewinn aus der restriktiven Heimatlage. Zu ihnen gehörte  Nikos. Der schwarzkrause, mit perfekten Zähnen grinsende, rundliche Ethnoschnorrer versuchte seine griechische Herkunft auf der Scene immer dann einzusetzen, wenn er einen mit seinem schönen Lächeln abgezogen hatte. Er hatte sich beispielsweise vom mitgegebenen Geld neue Stiefel gekauft und dann einfach gesagt: Bei uns in Griechenland gehört eben das Geld allen, wenn einer Geld hat, gibt er einen aus, und am nächsten Tag zahlt ein Anderer. Leider kamen aber niemals die Tage an denen Pistakis der Andere war und seinerseits mal Kohle hatte. Endlos die Warterei auf Nikos und den Shit, lähmende Langeweile wenn’s vorgeblich nichts gab und er uns wieder mal abgezogen hatte, neue Klamotten besaß, wir aber nichts zu rauchen und kein Geld mehr hatten. Wir waren zu lasch, ihm richtig böse zu sein und konnten nicht anders, als der sympathischen Grinsebacke immer wieder zu verzeihen. Und so haben wir uns als Notlösung auch mal eine Flasche Amselfelder kaufen müssen. Vielleicht warten manche Schnarchnasen immer noch auf Nikos und sitzen in mit Matratzen ausgestatteten Gründerstilzimmern samt Batiktüchern, Räucherstäbchen und Flaschen voller Tropfkerzenwachs. Lais ist zu der Überzeugung gelangt, daß Pistakis, dieser Nutznießer vor Gott, der halen Stadt noch Geld schuldet. Die Summe dürfte, mit Zinsen, in die Hunderttausende gehen.

« Was vorher geschah12345678910
Wie es weitergeht »



_________________
Lais
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden Website dieses Benutzers besuchen
lupus
Geschlecht:männlichBücherwurm

Alter: 56
Beiträge: 3914
Wohnort: wien



Beitrag09.12.2014 12:08

von lupus
Antworten mit Zitat

Das ist einfach grandios - inhaltlich, sprachlich. Da wird lapidar erzählt, da gibt es perfekte und harten Seitenhiebe auf die Politik, die aber so wunderbar humorig daher kommen, dass sie an Härte noch gewinnen. Die Sätze sind herrlich variiert, perfekt konstruiert. Die Wortwahl passt zu 100%. Und klar, es werden Erinnerungen wach und klar lächelt man. Auch über sich selbst.

Ja, bin begeistert.

Außer, dass gelegentlich ein Komma fehlt, ist an diesem Text mE nichts besser zu machen. Möglicherweise könnten den einen oder anderen die Längen stören - manches scheint hier übergeht zu sein, aber mich entschädigt der Stil. oder anders rum: so wie das geschrieben ist, verträgt es Längen, einfach, weil es ein Genuss ist, zu lesen.

Sehr gern gelesen.

Lgl


_________________
lg Wolfgang

gott ist nicht tot noch nicht aber auf seinem rückzug vom schlachtfeld des krieges den er begonnen hat spielt er verbrannte erde mit meinem leben

-------------------------------------------------------
"Ich bin leicht zu verführen. Da muss nur ein fremder Mann herkommen, mir eine Eiskugel kaufen und schon liebe ich ihn, da bin ich recht naiv. " (c) by Hubi
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Christof Lais Sperl
Geschlecht:männlichKlammeraffe

Alter: 62
Beiträge: 942
Wohnort: Hangover
Der silberne Roboter


Beitrag11.12.2014 07:25
Dankeschön
von Christof Lais Sperl
Antworten mit Zitat

Danke für die Kritik, Lupus. Ich bin mal auf deine Sachen gespannt, die kommen in den Ferien dran. LG, C

_________________
Lais
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden Website dieses Benutzers besuchen
Beiträge der letzten Zeit anzeigen:   
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen
Seite 3 von 4 Gehe zu Seite Zurück  1, 2, 3, 4  Weiter

Deutsches Schriftstellerforum Foren-Übersicht -> Prosa -> Einstand
Du kannst keine Beiträge in dieses Forum schreiben.
Du kannst auf Beiträge in diesem Forum nicht antworten.
Du kannst Deine Beiträge in diesem Forum nicht bearbeiten.
Du kannst Deine Beiträge in diesem Forum nicht löschen.
Du kannst an Umfragen in diesem Forum nicht teilnehmen.
In diesem Forum darfst Du keine Ereignisse posten
Du kannst Dateien in diesem Forum nicht posten
Du kannst Dateien in diesem Forum nicht herunterladen
 Foren-Übersicht Gehe zu:  


Ähnliche Beiträge
Thema Autor Forum Antworten Verfasst am
Keine neuen Beiträge Dies und Das
Autorenalltag, aber in witzig - Socia...
von Tetz
Tetz Dies und Das 45 08.07.2023 14:55 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Verlagsveröffentlichung
Call on You - Katie & Leon (Baste...
von Pütchen
Pütchen Verlagsveröffentlichung 9 20.10.2021 14:00 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Profession Schriftsteller (Leid und Lust)
Social Media Strategien für Verlagsa...
von zinemin
zinemin Profession Schriftsteller (Leid und Lust) 34 18.09.2021 18:23 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Agenten, Verlage und Verleger
Social Media Präsenz - ein wichtiges...
von MissClara
MissClara Agenten, Verlage und Verleger 169 20.08.2020 14:23 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Agenten, Verlage und Verleger
Wie viel Social Media braucht ein Autor?
von Himbeer-Igel
Himbeer-Igel Agenten, Verlage und Verleger 40 27.03.2019 06:57 Letzten Beitrag anzeigen

BuchEmpfehlungBuchEmpfehlungBuchEmpfehlungBuchEmpfehlungBuchBuch

von JJBidell

von Dichternarzisse

von jon

von Boro

von Fistandantilus

von Merope

von Wirbi

von princess of night

von Enfant Terrible

von Beka

Impressum Datenschutz Marketing AGBs Links
Du hast noch keinen Account? Klicke hier um Dich jetzt kostenlos zu registrieren!