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Sehne


 
 
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Storyteller'sPurest
Schneckenpost

Alter: 27
Beiträge: 13



Beitrag01.08.2014 13:41
Sehne
von Storyteller'sPurest
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Da es mit meinem nächsten Prosatext noch etwas dauern könnte, hier ein Auszug aus meinem bisher recht bescheidenen Repertoire an lyrischen Texten.
Das folgende Gedicht ist eines meiner persönlichen Lieblinge; was meint ihr dazu?

Sehne

Die Nacht
Blaute um unsere Fußknöchel
Unsere Schritte
Schluckte der nebelnde Wasserblick
Füße auf erdem Dunkel
Unterflüst in verholztem Gebein.
Gelber Stein unsre Augen
Bogensehne
Versirrend im Tau.

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-Bill Stout
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Aranka
Geschlecht:weiblichBücherwurm
A


Beiträge: 3106
Wohnort: Umkreis Mönchengladbach
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A
Beitrag03.08.2014 17:18

von Aranka
Antworten mit Zitat

Hallo Storyteller'sPurest,

da ich dir hier in der Lyrik zum ersten Mal begegne, ein Willkommen in diesem Textbereich. Du schreibst:

Zitat:
Da es mit meinem nächsten Prosatext noch etwas dauern könnte, hier ein Auszug aus meinem bisher recht bescheidenen Repertoire an lyrischen Texten.
Das folgende Gedicht ist eines meiner persönlichen Lieblinge; was meint ihr dazu?


Ich entnehme diesen Worten, dass du dich selbst durchaus im Lyrikbereich noch als Einsteiger betrachtest und uns hier einen persönlichen Liebling vorstellst. Ich würde dir auch gerne etwas dazu sagen, habe jedoch vorab zwei Verständnisfragen zu einem Wort, wobei ich nicht sicher bin, ob es sich wirklich so geschrieben werden sollte, also eine „lyrische Wortneuschöpfung“ aus deiner Feder sein soll, oder ein Schreibfehler. Denn im üblichen Sprachgebrauch kenne ich beide Worte nicht.

Heißt es wirklich: „unterflüst“? Und „erdem“ Dunkel. Verstehe mich nicht falsch, ich kenne durchaus Neologismen, sperre mich jedoch ein wenig, diese hier als solche anzusehen. Versuche es dennoch einmal.

Der Text bemüht sich sehr offensichtlich um eine „lyrische“ Wortwahl: „blaute“ „Wasserblick“ „Unterflüst“ „versirrend“.
Auch beginnt er, ungeachtet der Wortart, am Zeilenbeginn immer groß. Auch das ist in der Lyrik möglich.
Das alles zeigt mir, dass du sicherlich so Einiges beim Lesen von Gedichten wahrgenommen hast, aber dir noch nicht so richtig Gedanken dazu gemacht hast, was diese Stilmittel bewirken und was du nun damit erreichen willst.

Ich zähle mal auf, was ich hier sehe:

Zitat:
Die Nacht blaute um unsere Fußknöchel
Unsere Schritte schluckte der nebelnde Wasserblick
Füße auf erdem Dunkel unterflüst in verholztem Gebein.
Gelber Stein unsre Augen
Bogensehne versirrend im Tau.


fünf Aussagen / alle beginnend mit dem Subjekt / Prosasätze mit ein wenig vermeintlich „lyrischer“ Wortwahl / für mich beliebig umgebrochen in 9 Zeilen (Satzstücke, keine Verse) / Satzzeichen (Punkte) beliebig gesetzt oder weggelassen / Großschreibung am Zeilenanfang.

So kann man natürlich kein Gedicht basteln.
Da sollte schon jeder Zeilenumbruch Sinn machen und jede andere Entscheidung, die der Autor trifft, auch. Hier wäre zum Beispiel der Verzicht auf die generelle Großschreibung am Zeilenanfang sehr hilfreich und sinnvoll. Auch sollten Punkte konsequent oder gar nicht gesetzt werden. Das nur mal zu den Formalien. Inhaltlich sollte jedoch auch etwas passieren und auf der Spracheben ebenfalls.

Was soll der Text an den Leser bringen? Warum sollte er ihn lesen? Warum wurde er geschrieben?
Fange ich mal mit der letzten Frage an: Der Autor hat Freude an Gedichten. Er hat etwas vor Augen, einen Augenblick im Kopf und möchte ihn auf besondere Weise in Worte fassen. Das spüre ich. Und das ist auch oft ein Anfang für ein Gedicht. Und dann fängt die mühsame Arbeit an: und das schon mit dem Titel!

Zitat:
Sehne


So ein Titel lockt nicht gerade den Leser an. Da böten sich viele andere Stellen im Text besser an. Da ich nicht erfasse, was der Text mir sagen will, kann ich nur schwer einen sinnvollen Titelvorschlag machen. Ich muss ins Blaue greifen, mache es mal, um Beispiele zu geben, für Titel mit etwas mehr Reiz. (Sie müssen natürlich passen.) Bsp.:  umblaut   gelber Stein   Wasserblicke

Zitat:
Die Nacht
Blaute um unsere Fußknöchel


Es gibt ein „uns“, ein LI und ein LDu. Es ist Nacht. Diese „blaut“ um die Fußknöchel. Einmal denke ich jetzt konkret: da gehen zwei durch etwas Blaues (Blumenmmeer / Wasser / oder sie sehen die Nacht im ganzen als etwas Blaues. Versuche ich hier eine übertragene Ebene zu finden, signalisiert mir hier „blaut“ etwas Ungewisses. Seltsam mutet dieses Fußknöchel als Wort, es hebt den Knöchel so hervor.

Zitat:
Unsere Schritte
Schluckte der nebelnde Wasserblick


Hier lese ich einmal, die Schritte waren nicht hörbar oder sie hinterließen keine Spuren. Grund „der Wasserblick“. Tränen in den Augen???? Oder waten da zwei  ganz real durchs Wasser??? Das bleibt erst einmal vage. Aber meine Frage ist hier: warum sagt der Text mir das, was will er „be“sagen. Denn darum geht es ja im Gedicht, was steht da zwischen den Zeilen. Ich sammle erst einmal die Aussagen. (Hier müsste nach deiner Zeichensetzung ein Punkt stehen / nach Fußknöchel auch/ oder nach Gebein und Tau auch keiner.)

Zitat:
Füße auf erdem Dunkel
Unterflüst in verholztem Gebein.


Da verstehe ich nicht viel. „Verholztem Gebein“??? Vielleicht Wurzeln??? Warum dann diese Verschwurbelung?  „unterflüst“ sagt mir nicht viel. Soll da „flüstern“ drin stecken? Du merkst, hier beginnt die Spekulation und der Text gibt mir keinen Halt mehr.

Zitat:
Gelber Stein unsre Augen


Der Blick nun weg von den Füßen, wo er bisher die ganze Zeit war zu den Augen.

Zitat:
Bogensehne
Versirrend im Tau.


Damit diese AugenZeile einen Sinn bekommt, binde ich sie hier ein und lese: die Augen sind die Bogensehne, von der aus der Blick als Pfeil ausschwirrt und im „Tau“ landet (um es mal etwas prosaischer auszudrücken. (Tau gehört für mich zwar eher in den Morgen und weniger in die Nacht, aber das nur am Rande.)

Ich weiß nicht, wie weit ich überhaupt etwas richtig gelesen habe. Wenn doch, bleibt mir die Frage, was ist es, was der Text mir das zeigen will?
Und das wäre das erste, was du als Autor für dich klären solltest: Was ist es, was ich da erzählen will? Was will ich, dass der Leser spüren/erfahren soll?
Und danach kann man dann über Sprachbilder und andere Dinge reden.

Ich habe nun auch mal in die Prosa bei dir reingeschaut. Du hast Spaß am Schreiben und du solltest weiter machen. Vielleicht verrätst du ein wenig, was du hier mit dem Text willst. Nur wenn du magst. Dann kannst du vielleicht daran arbeiten und daran lernen. Aber warte ruhig erst noch ein paar Kommentare ab. Vielleicht haben andere ja einen ganz anderen Zugang als ich und dem solltest du nicht schon mit Erklärungen vorgreifen.

Einen schönen Sonntag. Aranka


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Storyteller'sPurest
Schneckenpost

Alter: 27
Beiträge: 13



Beitrag14.08.2014 15:28

von Storyteller'sPurest
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo Aranka,

Vielen vielen (späten Embarassed) Dank für die ausführliche Rückmeldung!

Ich würde gerne auf alle Punkte deines Kommentars einzeln eingehen, schließlich sollte so viel Mühe mit Gleichem vergolten werden.
Aber ich muss zugeben, dass es mir schwerfallen wird, alle Fragen, die in dem Gedicht offen bleiben, zufriedenstellend zu beantworten. Ich versuche mich jetzt mal an folgender Strukturierung und hoffe, dass sie nicht allzu verwirrend ausfällt.

Wenn ich all deine Punkte einmal grob zusammenfasse, stelle ich fest, dass du hauptsächlich a) den scheinbar willkürlichen oder unstimmigen Inhalt und die dadurch sehr unbestimmte, unklare Aussage des Gedichtes kritisierst, sowie b) die Stilmittel, die, wenn vorhanden, kaum sinnstiftend sortiert sind.

Zu b) muss ich gestehen, dass die formalen und stilistischen Aspekte jeglicher Textsorte herauszuarbeiten oder bewusst zu setzen schon immer meine große Schwäche war. Die Punkte zum Beispiel setze ich meistens instinktiv.
Ich stimme also vollumfänglich zu, wenn du der Ansicht bist, dass ich in diesem Punkt noch stark an mir arbeiten muss.
Tatsächlich glaube ich jetzt, dass vor allem bewusstere Zeilenumbrüche die Wirkung stark positiv beeinflussen würden, ich werde da mal ein wenig experimentieren.

Und ja, ich hatte mich ein wenig an Neologismen versucht. Das Ziel dabei, oder überhaupt das Ziel des Gedichtes war, vor dem inneren Auge des Lesers ein Bild zu schaffen, das er selbst sich nicht zurechtlegt, sondern das durch die Vermischung und "Verdrehung" von Wortarten quasi spontan hervorgerufen wird.

Damit nun zu a).
Wie also bereits angedeutet, ging es mir mehr um das Bewirken einer spontanen Reaktion in Form eines Bildes, vielleicht nur einer Farbe, oder eines Gefühls, das nicht zwingend klar bestimmbar sein muss.

Dass der Titel nicht dringend Appetit auf das Gedicht macht, räume ich ein. Mit Titeln bin ich selten kreativ, aber das lässt sich bestimmt auch üben.

Jetzt kommen von dir ganz viele Interpretationsansätze, die versuchen, die eventuelle Bedeutung der einzelnen Zeilen zu einem sinnvollen Ganzen zusammenzuführen. Diese Ansätze kommen meiner Originalidee zum Teil sehr nahe (z.B. Wurzeln), aber ich halte sie gar nicht für notwendig.

Wahrscheinlich kollidieren hier unser beider Vorstellungen von dem Wesen eines Gedichtes. Du bist der Meinung, ein Gedicht müsse zumindest auf irgendeiner Ebene eine klare Aussage vermitteln, einen "Sinn" haben. Was ich verstehen kann, denn die meisten Gedichtautoren wollen schließlich ein konkretes Gefühl oder eine Meinung an den Leser weitergeben.

Ich allerdings halte das Gedicht an sich für undefiniert. Das ist eine persönliche Meinung, aber sie kann vielleicht erklären, warum das Gedicht bei dir nicht so ankommt, wie ich mir das gewünscht hätte: Es steht schlicht und ergreifend nichts zwischen den Zeilen.

Der spontane Eindruck ist der Kern meiner Zielsetzung beim Dichten. Ich selbst kann dabei nicht kontrollieren, welches konkrete Bild sich dem Leser zeigt, ich kann nur beeinflussen. Wenn ich selbst Gedichte lese, lasse ich auch lieber den Eindruck in mir ruhen, als dass ich es auf die unterschiedlichen Interpretationsmöglichkeiten hin untersuche; es erscheint mir nicht notwendig, um den Künstler würdigen zu können (sofern ich das Gedicht denn für kunstvoll halte).

Was ich mit diesem Text hier also will, um wenigstens noch diese Frage konkret zu beantworten: Ich versuche, herauszufinden, ob diese Rechnung mit dem spontanen Bild aufgeht. Wir können hier wohl von keinem großen Erfolg sprechen, was gut und gerne daran liegen mag, dass du mit der Kritik an meinem Umgang mit Formalien vollkommen recht hast (auch die Fuß-Augen-Geschichte macht das Bild unklar, das stimmt).
Ich hoffe aber, dieses Konzept noch ausarbeiten zu können, sodass früher oder später die gewünschte Wirkung erzielt wird.


Dein Kommentar hat mir auf jeden Fall weitergeholfen. Ich habe bereits festgestellt, dass ich Probleme damit habe, mich in einen "anders tickenden" Leser hineinzuversetzen, der beim Lesen schließlich nicht in meinen Kopf gucken kann. Ich muss wohl einfach versuchen, mir noch mehr Überlegungen zur Konkretisierung von Inhalt und Form und zur Zielgruppe (also zu potentiell jedem) zu machen.

Vielen lieben Dank noch mal für all die Mühe! Ich hoffe, meine Antwort hat ein wenig Aufschluss gegeben.

Gruß,
Storyteller


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