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fahrt schieflage: kein plan stoß dämpfer


 
 
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Lorraine
Geschlecht:weiblichKlammeraffe


Beiträge: 648
Wohnort: France
Das goldene Stundenglas Ei 10
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Beitrag11.08.2014 12:40
fahrt schieflage: kein plan stoß dämpfer
von Lorraine
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.


    fahrt schieflage: kein plan stoß dämpfer


    ich weiß ja nicht mal wo ich bin und
    draußen fliegt d-land in fetzen vorüber bildbrei
    mein haar in salven fahrtwind stiehlt mir lange züge
    meiner zigarette presst mir atem zu betankt mich
    luft! ein schloss ein turm und ampelspiel
    in leeren straßen windgekehrte schnipsel

    was wenn jeder blick ein erster und ein letzter
    wäre wenn mich nie mehr einer hier her bringt wohin
    zurück wie komm ich an und wozu sollte ich da ist doch
    die musik in dosen die nicht rosten werden und

    dann liege ich drei sitze ganz für mich allein ab-
    teil geschlossne lider und die sonne hinter masten bäumen:
    schattenspiele rhythmisch vorhang knattern alles für ein
    endogenes video und pixelblitzen pumpt mir um den blinden fleck
    entgegen (den ich als schwarzes loch wie einen tunnel kommen
    sehe einfahrt dunkel feuer dunkel kranz und feuer frei!)
    schotter schwellen eisen alles schallt und stampft von unten
    meiner halben träume vibrationen lullen mir die
    hohlen knochen ein ich bin ich bin ich werde resonanz
    mein körper war einmal ein haus dort liegt es liebt es leer


.

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niko
Geschlecht:männlichEselsohr

Alter: 66
Beiträge: 233
Wohnort: Göttingen


Beitrag12.08.2014 15:06

von niko
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hi lorraine,

das hat was.... ich finde das durchlaufende, scheinbar willkürlich zeilengebrochene sehr ausdrucksfördernd! besonders gefällt mir deine erste strophe und die letzte zeile! "stiehlt" müsste doch "stielt" heißen, oder? an manchen stellen fehlt mir persönlich der lyrische aspekt, das verdichten, da ist es mir zu banal formuliert....-aber bitte: wir sind eine andere generation......schreiben verändert sich. in bild und ton Smile

das ist jetzt mal ein unqualifiziertes feedback. keine wirkliche kritik. das fällt mir schwer, weil die art text so ziemlich anders , fast entgegensätzlich meiner art zu schreiben ist.
aber ich denke, mit einem leseeindruck kannst du auch etwas anfangen für's erste... Embarassed

beste grüße - niko


_________________
Ein Gedicht auf dem Hintergrund der Biographie des Autors zu interpretieren ist so, als würde man einem schwimmenden Schiff das Wasser nehmen. (NJK)
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Lorraine
Geschlecht:weiblichKlammeraffe


Beiträge: 648
Wohnort: France
Das goldene Stundenglas Ei 10
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Beitrag12.08.2014 16:56

von Lorraine
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Hallo niko,

herzlichen Dank für deinen "Lese-Eindruck" - ja, ich kann damit durchaus etwas anfangen.  Willkürlich sind die Zeilenumbrüche nicht gesetzt, das hast du ganz richtig beobachtet, wenn die Entscheidung(en) bezüglich ihrer Fest-Schreibung auch Gegenstand weiterer Überlegungen sein können.

Sich mit, innerhalb eines fahrenden Zugs in Bewegung zu befinden, durch eine - grösstenteils unbekannte - Landschaft "gezogen" zu werden, sollte in diesem Versuch der rhythmischen Darstellung fühlbar gemacht werden.

Es fällt mir schwer, mit dem etwas allgemein gehaltenen "Fehlen des lyrischen Aspekts" klar zu kommen und was das "Verdichten" betrifft ... auch hier ist mir nicht sehr deutlich geworden, wie ich den Zusammenhang  mit dem "etwas banal" Formulierten herstellen könnte. Nachdenklich macht mich das allerdings.

"Stehlen" ... ich stehle, du stiehlst, er stiehlt ...?? Erst bekam ich Stielaugen, hab doch tatsächlich nachgesehen, stellte fest, dass alles i. O. ist, mit dem Diebstahl smile , danke für die Schrecksekunde, hrmpf.

(Danke an Rübenach, an dieser Stelle, für den Hinweis auf das überflüssige "p", das ich noch wegschnippeln konnte) smile

Hat mich gefreut, niko, dich hier zu treffen. Ich werde mich weiter umsehen und (wieder) einlesen, deine Texte werde ich bestimmt nicht übersehen, vielen Dank nochmals,

Lorraine
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Aranka
Geschlecht:weiblichBücherwurm
A


Beiträge: 3106
Wohnort: Umkreis Mönchengladbach
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A
Beitrag12.08.2014 17:08

von Aranka
Antworten mit Zitat

Hallo Lorraine,

der Titel öffnet erst einmal ein riesiges Feld:

fahrt schieflage: kein plan stoß dämpfer

Fahrt=Bewegung/ Schieflage: spricht für sich / kein plan: kann bedeuten:mal sehen! Spontan! Offen! Aber auch Wirr! Planlos eben! / Stoß Dämpfer: auf planloser Fahrt sicherlich manchmal bös spürbar oder auch heilsam: nur aufhaltend oder gar schmerzhaft.

Wie gesagt, der Titel macht erst einmal alles möglich.  

Zitat:
ich weiß ja nicht mal wo ich bin und
draußen fliegt d-land in fetzen vorüber bildbrei
mein haar in salven fahrtwind stiehlt mir lange züge
meiner zigarette presst mir atem zu betankt mich
luft! ein schloss ein turm und ampelspiel
in leeren straßen windgekehrte schnipsel  


Dann braust der Text mit der „Planlosigkeit und Orientierungslosigkeit“ los. Er greift Sichtbares und Fühlbares. Eine wilde Fahrt. Ein guter Rhythmus. Das passt schon zum Inhalt. Da kann ich mit mitreißen lassen. Die kleinen Atemholer im Zeileninnern lassen sich fast wie von selbst finden.
Lese ich hier „bildbrei“. Ist das korrekt? Ich setze mal ein Fragezeichen dahinter.
 Ich finde Bilder, die greifen und andere, die mir weit hergeholt scheinen (turm/schloss), oder sage ich besser so märchen- oder auch metaphernhaft zwischen den andern (ampelspiel/windgekehrte schnipsel) stehen. Ich bin da sehr unentschlossen und hin und hergerissen, zwischen „zu viel“ und „passt schon“.

Zitat:
was wenn jeder blick ein erster und ein letzter
wäre wenn mich nie mehr einer hier her bringt wohin
zurück wie komm ich an und wozu sollte ich da ist doch
die musik in dosen die nicht rosten werden und


Ein kurzer Stoßdämpfer! Hier habe ich mehr Probleme die Lesezäsuren zu finden. Gut, das sind dann die eingebauten Stoßdämpfer und wahrscheinlich beabsichtigt.

Zitat:
dann liege ich drei sitze ganz für mich allein ab-
teil geschlossne lider und die sonne hinter masten bäumen:
schattenspiele rhythmisch vorhang knattern alles für ein
endogenes video und pixelblitzen pumpt mir um den blinden fleck
entgegen (den ich als schwarzes loch wie einen tunnel kommen
sehe einfahrt dunkel feuer dunkel kranz und feuer frei!)
schotter schwellen eisen alles schallt und stampft von unten
meiner halben träume vibrationen lullen mir die
hohlen knochen ein ich bin ich bin ich werde resonanz
mein körper war einmal ein haus dort liegt es liebt es leer


Ich finde auch hier gute Bilder. Bilder, die bei mir als kurzer Film weiter laufen, so wie die Eingangszeilen.
Aber in der gesamten Strophe entsteht für mich ein zu viel: endogenes video / schwarzes loch/ blinder fleck/ (das sind ja lauter riesige Assoziationswelten, die der Text da aufreißt. Da finde ich dann nicht mehr den Zipfel, den er nun wirklich meint. Das sind und bleiben mir dann einfach nur gewaltige Worte.
schattenspiele / schotter schwellen/ hohle knochen/ Da geht es dann bildhafter zu, dennoch habe ich das Gefühl, mir flasht da nur etwas entgegen und ich beschließe dann: lass es einfach vorbeifliegen, wie an einem Zugfenster. Ich weiß nicht, ob das so angedacht ist, der Text das bewirken will.

In der letzten Zeile kommt die Fahrt zum stehen. In einem Haus, das leer liegt und (leer)liebt. Das Haus der eigene Körper. Es war einmal so. Ich bleibe rückwärtsgewandt in ein Gestern stehen ohne ein morgen.
In dieser letzten Zeile schlägt der Ton und auch der Rhythmus um. Hier spüre ich als Leser die „Schieflage“.

Lorraine, ich denke der Text ist vom Rhythmus, vom Drive her und von der Gestaltung der Zeilen ein stimmiges Gebilde. Da kann ich mich schon packen und treiben lassen. Da schreibt einer, der mit den Worten umgehen kann, sie ins Fließen bringt, das spüre ich. Inhaltlich packt er mich nur an wenigen Stellen. Ich bin wahrscheinlich eine, die lieber den Bummelzug besteigt, einen mit vielen Haltestellen.

Vielleicht lese ich den Text auch von einer falschen Warte aus. Nimm aus meinem Leseeindruck das heraus, was zutrifft und womit du dann als Aussage etwas anfangen kannst.

Liebe Grüße Aranka


_________________
"Wie dahingelangen, Alltägliches zu schreiben, so unauffällig, dass es gereiht aussieht und doch als Ganzes leuchtet?" (Peter Handke)

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schokotod
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S

Alter: 54
Beiträge: 15



S
Beitrag12.08.2014 21:11

von schokotod
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Hallo Lorraine,

als durchschnittlicher Medienkonsument sage ich auch mal was dazu.

also, die Bilder finde ich klasse, ich liebe Bilder. Deine Wortwahl hat mich richtig in den Zug geschmissen.

Allerdings habe ich nicht alle Bilder verstanden,
Zitat:
hohlen knochen ein ich bin ich bin ich werde resonanz
mein körper war einmal ein haus dort liegt es liebt es leer


konnte ich persönlich nicht einordnen.
Wenn dein Text ein Bild wäre, würde auch mich der Gesamteindruck umhauen, für Details bräuchte ich einen Experten.

Zitat:
mein haar in salven fahrtwind stiehlt mir lange züge
meiner zigarette presst mir atem zu betankt mich
luft! ein schloss ein turm und ampelspiel

Die Zigarette konnte ich richtig riechen.

Züge, gestohlen durch den Zug in einem Zug ... Smile

Liebe Grüße,

schokotod
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Stimmgabel
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Bronzener Sturmschaden Der goldene Spiegel - Lyrik (2)



Beitrag12.08.2014 22:10

von Stimmgabel
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-



Hallo Lorraine,


irgendwie verstehe ich nicht so recht die innere Linie/Aufbau/Absicht [ für den Leser ] dieses Stückes.


Die Lyrik-Plotfläche:
 
____________________ Setting und Einstieg:
ein LI besteigt seinen figurierten ICH_Zug, eine Reise in/zu seinem Ich; die Reise scheinbar ihm bekannt und mMn sehr Erwartungs_abgesteckt. Für LI existiert sein Jetzt, seine Umgebung einzig als Bildbrei, alles verschwimmt wie üblich ... .

____________________ Mini-Krise1:
LI stellt sich während die wohl immer gleiche Frage nach der Existenz/Sinn/Funktion der Erinnerung – kommt zum Resümee: Musik ist ja in Dosen. [ <-- was das auch immer bedeutet Wink ]

____________________ Konklusio:
LI rast stringent auf ein immer gleiches Schwarzes ICH_Loch zu.


____________________ Mini-Krise 2:
LI erkennt sich nur noch als Körper; dieser schreit quasi: “ich bin / ich bin“

________________________________________________________________ Ende.


MMn liegt hier ein großes Ungleichgewicht von stakkato’eskem, über_bebildertem und schweifendem Telling zur tatsächlichen, kleinen Gedankenlinie vor. Desweiteren erkenne ich nicht die Funktion/Bedeutung der sprachlichen Umsetzung insofern, dass einerseits eine uninspirierende und ungelenke Prosa mit einer über_prall verdichteten flash_Bilderkette kombiniert ist.

Für mich psycho_tanzt hier ein LI [ unglaubwürdig, im Grunde retortisch ] herum, agilt seine quasi selbstdefinierte Daseins-Leere mit dem permanenten Versuch, quasi in einem ICH/Schwarzen Loch agonisch verschwinden zu wollen ... aber sein Körper lebt weiter und weiter, und verreckt nicht. / mmhhh ... ein Plot_Faden, der mich irgendwie nicht mitnehmen will ... liegt bestimmt an meiner Denke ...


einen lieben Gruß, Stimmgabel


-


_________________
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firstoffertio
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Beitrag12.08.2014 23:03

von firstoffertio
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Bevor ich andere Kommentare lese, möchte ich sagen, dass ich das für unglaublich gut halte. Würde ich hier noch nominieren, würde ich dieses,
denn dir gelingt hier auf geniale Weise etwas, vor allem für mich, fast Unmögliches: dass Sprache fast eins mit Geschehen, Denken, Wahrnehmen und Fühlen wird. Dass ich da kaum einen Unterschied mehr erkennen kann zwischen Sprache, Worten und Welt. Ich kann das nicht besser beschreiben, leider, als vielleicht so: Dieser Text bedeutet nicht. Er ist.
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Lorraine
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Beitrag13.08.2014 05:19

von Lorraine
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Hallo Aranka,

Schön, dass du hergekommen bist und diesen Einstands-Text betrachtet hast.
Ich möchte gern vom Ende deines Kommentars her mit meiner Antwort beginnen:

Aranka hat Folgendes geschrieben:
Vielleicht lese ich den Text auch von einer falschen Warte aus. Nimm aus meinem Leseeindruck das heraus, was zutrifft und womit du dann als Aussage etwas anfangen kannst.


"Falsche Warte" ... vielleicht traf dich hier nicht ganz das, was du erwartet hast? Wir lesen vielleicht zuerst einmal von einem ganz eigenen Standpunkt, der aber nicht (denke ich) ein falscher ist, sondern notwendigerweise ein anderer, wir können uns ja nur von aussen und lesend einem Text nähern. Es könnte hier ein wenig so sein, dass man sich wehrt, hinein gezogen, in den Bildbrei gerührt zu werden?

Was von deinen Eindrücken für mich "zutrifft" ... ist im Moment noch schwer zu sagen. Dass sich Assoziationswelten auftun, beim Lesen, das entspricht so ziemlich dem, wie es mir während der gesamten Zugfahrt und ganz besonders dann ging, als ich versuchte, einzuschlafen.

Ob man das, was einem im Text begegnet, "einfach vorbei fliegen lässt" ... das kann nur der einzelne Leser beantworten, im Gegensatz zum Fahrgast in einem Schnellzug und dessen Sicht nach draussen hat er ja die Wahl. Und ja, es ist intentionell, die Schnelligkeit in der Abfolge der Bilder, der Versuch, Sinneseindrücke/Körpergefühl zu erinnern ... ob mir das gelungen ist? Eine Frage der "Warte", vielleicht und von Lesegewohnheit?

Aranka hat Folgendes geschrieben:
Ich bin da sehr unentschlossen und hin und hergerissen, zwischen „zu viel“ und „passt schon“.

So ähnlich ging es mir während der Fahrt.

Aranka hat Folgendes geschrieben:
Lorraine, ich denke der Text ist vom Rhythmus, vom Drive her und von der Gestaltung der Zeilen ein stimmiges Gebilde. Da kann ich mich schon packen und treiben lassen.
Das freut mich.

Aranka hat Folgendes geschrieben:
Inhaltlich packt er mich nur an wenigen Stellen. Ich bin wahrscheinlich eine, die lieber den Bummelzug besteigt, einen mit vielen Haltestellen.

Das erscheint mir eher logisch, vielleicht auch, weil du z.Z. auf andere, "grössere" Themen blickst? Allerdings lebt dieses LI hier in derselben Zeit, in einer Welt, der es sich nicht entziehen kann.

Aranka hat Folgendes geschrieben:
In der letzten Zeile kommt die Fahrt zum stehen. In einem Haus, das leer liegt und (leer)liebt. Das Haus der eigene Körper. Es war einmal so. Ich bleibe rückwärtsgewandt in ein Gestern stehen ohne ein morgen.
In dieser letzten Zeile schlägt der Ton und auch der Rhythmus um. Hier spüre ich als Leser die „Schieflage“.

Der Eindruck, hier käme die Fahrt zum Stehen, erklärt sich durch den Versuch des LI, das eigene Bild zu projizieren, eine Erinnerung in der Erinnerung fest zu schreiben. Und durchaus ein "Morgen". Schieflage.
Im Moment würde es zu weit führen, den "Plan", die Ebene im virtuellen Raum, in der Video-Produktion (und den ganzen Rest, Koordinaten, Vektoren ... Karten) auch noch zu thematisieren.

Danke, Aranka, für deine Gedanken. Wie schon oft, bringen sie mich ein Stück weiter. Guten Morgen von hier,
Lorraine
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Lorraine
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Beitrag13.08.2014 16:47

von Lorraine
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Hallo schokotod!

Deine Rückmeldung hat mich sehr gefreut. Auch, dass du direkt auf den fahrenden Zug aufspringen konntest.

Ob es möglich ist, einen Text in allen Einzelheiten aufzuschlüsseln, bzw. deckungsgleich zur Intention eines anonymen Verfassers zu interpretieren, wenn weitere Texte nicht bekannt sind, weiss ich nicht. Ich habe kein Problem damit, wenn ein Leser nicht alles einordnen kann, oder nicht auf Anhieb; es bleibt Platz für weitere, eigene Gedanken.

Schön, dass du hier warst,
Lorraine
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Rainer Zufall
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Alter: 70
Beiträge: 801

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Beitrag13.08.2014 17:08

von Rainer Zufall
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Hallo Lorraine,
Einstand? Das ist ja ein Ding, das hätte ich im feedback erwartet.
Ich würde deinen Text gerne gesprochen hören, ich glaube, das stampft und stampft und empfindet so das Rattern des Zuges und das Stakkato der Räder nach.
Mir gefällt dein Gedicht, obwohl ich mir sicher bin, niemlas sowas schreiben zu können oder auch nur zu wollen, zu fremd sind mir die Zeilenwechsel. Aber ich sags gerne nochmal, sie gehorchen einem treibenden, vorwärtspreschenden Rhythmus und von daher, ja, das passt wirklich toll.

Nicht so gefallen hat mir der Titel.
Ich muss gestehen, ich fühl mich bei Titeln noch sehr unsicher. Von einem anderen User habe ich den Tipp bekommen, den Titel selbst so zu setzen, dass er den Leser führen kann wie an einem Faden, gleichzeitig aber auch eine tiefere Bedeutung ahnen lässt.
Das finde ich jetzt hier nicht auf Anhieb. Hmmm, kann ja aber auch an mir liegen.

fahrt schieflage: kein plan stoß dämpfer
Von dem Anfang her erhalte ich den Eindruck, da geht jemand auf eine Fahrt, die er antritt, ohne, dass er weiß, wohin es gehen, wohin es ihn treiben wird, Es geht dem Menschen nicht gut. So übersetze ich die Schieflage.
Und zum Schluss dämpft etwas die Stöße. Also mit dem anfang des Titels kann ich was anfangen, der stoßdämpfer aber stört mich.

mein haar in salven fahrtwind stiehlt mir lange züge

Also mir fällt auf, dass du viel mit dem Gleichklang der Vokale arbeitest, nicht nur hier, das erzeugt auch das Rhythmische, Treibende deines Gedichts. Gefällt mir gut.
Insgesamt sehe ich die erste Strophe als den Auftakt der Reise des lyr Ich.
Es ist keine fröhliche, unbeschwerte Reise. Es hat etwas Ungewisses, es ist halt wirklich nur Fahrt.

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die musik in dosen die nicht rosten werden und

In der zweiten Strophe wird das dann verstärkt. Das lyrIch weiß nicht, was werden wird, ein Gefühl von Orientierungslosigkeit wird erzeugt, was du über die wenn-Konditionen hergestellt hast. Mir gefällt das, ist etwas, das vielleicht nicht furchtbar neu ist, aber es passt den Leser ab, erwischt ihn bei einem bekannten Gefühl, hat nicht jeder sich schon diese Frage gestellt, wenn er irgendwo durchgefahren ist?
Die Musik in Dosen allerdings finde ich irgendwie blöd. Ich glaube, ich muss zu sehr an einen Mp3Player oder sowas denken und hab dann den Eindruck, das passt nicht. Oder an ein altes Bild für digitalisierte Musik, vielleicht raffe ich einfach was nicht. Aber das hat mich richtig rausgehauen.

dann liege ich drei sitze ganz für mich allein ab-
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endogenes video und pixelblitzen pumpt mir um den blinden fleck
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schotter schwellen eisen alles schallt und stampft von unten
meiner halben träume vibrationen lullen mir die
hohlen knochen ein ich bin ich bin ich werde resonanz
mein körper war einmal ein haus dort liegt es liebt es leer

Die letzte Strophe gefällt mir dann wieder uneingeschränkt gut.
Die Doppelbedeutungen, die du durch die Zeilenumbrüche erzeugt hast, und dann die Allterationen von schotter - schwellen schallt stampft ...
Man wird förmlich mitgezogen in diesen Rhythmus, in das Treibende einer Fahrt, die einen einhalten lässt, die Geist und Körper und selbst den eigenen Kummer in einen Rhythmus verwandelt.

Also ich hoffe, du kannst auch mit unkritischem Lobgedudel was anfangen, im Moment bin ich glaub einfach noch nicht soweit wie ihr anderen, eine wirklich profunde und konstruktive Kritik abzuliefern, die einem Autor weiterhilft, zu sehr bin ich noch damit beschäftigt, euch Lyrikerumbrechlern hier auf die Spur zu kommen. smile

Bis die Tage und einen schönen Gruß von Zufall

Also
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Lorraine
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Beitrag13.08.2014 17:55

von Lorraine
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Hallo Stimmgabel,

Du hast dir Mühe gegeben, deinen Gedankengang zu einer sog. "Lyrik-Plotfläche" möglichst klar und übersichtlich zu gliedern. Schon die farblich gestaltete Titelzeile gibt einen deutlichen Hinweis auf die von dir festgestellte Problematik. Mir ist bewusst, dass das Erstellen eines solchen Kommentars einen nicht unerheblichen Zeitaufwand erfordert.

Ich habe markiert, was mir in deinem Fazit besonders aufgefallen ist:

Stimmgabel hat Folgendes geschrieben:
MMn liegt hier ein großes Ungleichgewicht von stakkato’eskem, über_bebildertem und schweifendem Telling zur tatsächlichen, kleinen Gedankenlinie vor. Desweiteren erkenne ich nicht die Funktion/Bedeutung der sprachlichen Umsetzung insofern, dass einerseits eine uninspirierende und ungelenke Prosa mit einer über_prall verdichteten flash_Bilderkette kombiniert ist.

Für mich psycho_tanzt hier ein LI [ unglaubwürdig, im Grunde retortisch ] herum, agilt seine quasi selbstdefinierte Daseins-Leere mit dem permanenten Versuch, quasi in einem ICH/Schwarzen Loch agonisch verschwinden zu wollen ... aber sein Körper lebt weiter und weiter, und verreckt nicht. / mmhhh ... ein Plot_Faden, der mich irgendwie nicht mitnehmen will ... liegt bestimmt an meiner Denke ...


Es liegt ohne Zweifel an meiner Wahrnehmung, dass ich ernsthafte Schwierigkeiten habe, deinen Einlassungen zu folgen. Ich denke, dass der Leser wahrscheinlich mehr von deiner Aufschlüsselung profitieren kann als die Autorin. Auch mich hat der von dir entknotete "Plot-Faden" in dieser Form nicht "mitnehmen" wollen. Ich bitte um Verständnis, wenn ich es hierbei belasse.

Einen Gruss,
Lorraine
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Klemens_Fitte
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Beitrag13.08.2014 19:34

von Klemens_Fitte
Antworten mit Zitat

J’ai rêvé la nuit verte aux neiges éblouies,
Baisers montant aux yeux des mers avec lenteurs,
La circulation des sèves inouïes,
Et l’éveil jaune et bleu des phosphores chanteurs !

(Rimbaud, Le bateau ivre)


Hallo Lorraine,

auch der Passagier des Trunkenen Schiffs ist ein (Dahin)Getriebener, einer, der zwar an die Ufer neuer, unbekannter Sinneseindrücke gelangt, gebadet wird dans le Poème de la Mer, der aber auch um die Ziellosigkeit und die Selbst-zersetzende Kraft dieser Reise weiß. Mais, vrai, j'ai trop pleuré!

Ein Ticket für das Trunkene Schiff zu lösen, das dürfte ähnlich schwer werden, wie auf deine schiefliegende Fahrt aufzuspringen; und das liegt nicht nur daran, dass sie außerhalb des Fahrplans stattfindet und keinem bekannten Streckenverlauf folgt. Denn obwohl es dir gelungen ist, ihre Dynamik, das Scheppern und Rütteln, den Strom der Eindrücke und Zustände abzubilden, wird hier (ein Gedicht ist ein Gedicht ist ein Gedicht) aus dem Danach ein Jetzt konstruiert. Warum? Wozu dafür die literarische Form bemühen? Aus Langeweile, Überdruss? Lese ich hier eine reine Sprachspielerei oder ein Aufgehen in der Gefühlsseligkeit (=Todessehnsucht, für den gelehrigen Interpreten)?

Ich denke nicht. Mir jedenfalls zeigt sich in deinen Zeilen das Ringen um eine formulierende Souveränität, eine Sprache, die sich eben nicht mit Erinnertem konfrontiert sieht, sondern mit der Wucht eines Erlebens; und für die eine Frage wie „Was will die Autorin/das LI uns sagen?“ geradezu lächerlich banal sein muss.

Der Körper kein Haus mehr. sondern im Transit, die hohlen Knochen eingelullt, das Ich nur Projektionsfläche für Pixelblitze und Schattenspiele – wieviel können Worte dem entgegensetzen? Und geht nicht jeder, der sich treiben lässt, sich auffüllen lässt vom Rhythmus und dem Lärm seiner Reise, das Risiko ein, schließlich (wenn die Fahrt an ihr unweigerliches Ende kommt) nur noch eine leere Hülle zu sein?

Ich komme nochmal wieder, wenn die Vibrationen nachlassen, moniere dann die „Schnipsel“, die sich mir noch nicht so recht in die Sprache einfügen wollen und fordere eine eingesprochene Version.

Gruß,
Klemens


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Stimmgabel
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Bronzener Sturmschaden Der goldene Spiegel - Lyrik (2)



Beitrag14.08.2014 10:26

von Stimmgabel
Antworten mit Zitat

-


Hallo Lorraine,

auch wenn du wegen meines Komms in eine Zug-Harre gekommen bist, könntest du mir vllt dennoch einen kleinen Lichtglitz-Tip zu deinem Bild "Musik in Dosen" verschenken ... war ja nur eine kleine, leichtschwere Frage Wink


Danke im VorAUS, Stimmgabel ...


-


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Beitrag14.08.2014 16:27
Re: fahrt schieflage: kein plan stoß dämpfer
von Zinna
Antworten mit Zitat

Hallo Lorraine,

ich möchte  auch einen Gedanken zu deinem Gedicht hier lassen, zwei kurze.
Ich bin mir nicht einig, etwas in mir sagt Wow! wegen starker Bilder, aber andererseits bleiben mir Fragezeichen im Bauch, was ich so assoziiere beim Lesen. Hier zum Beispiel:



 
Lorraine hat Folgendes geschrieben:
da ist doch
die musik in dosen die nicht rosten werden und

Da gab es mal ein Lied. Früher, als die Erde noch eine Scheibe war...
"Alte Liebe rostet nicht"
Das kam mir in den Sinn. Embarassed
Bin aber nicht sicher, ob ich das der Musik zuordnen soll oder etwas Aufgewärmten des LI.

Eine Stelle gefällt mir sehr:

 
Lorraine hat Folgendes geschrieben:
  lullen mir die
hohlen knochen ein
ich bin ich bin ich werde resonanz
mein körper war einmal ein haus dort liegt es liebt es leer



Hier höre ich das Rattern der Schienenstöße bei der Fahrt.

Nur soweit meine Rückmeldung. Ich behalte ein Auge auf dem Faden.

Schön, dich wieder zu lesen.smile

LG
Zinna


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Rübenach
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R
Beitrag14.08.2014 17:47

von Rübenach
Antworten mit Zitat

dann versuche ich auch mal, meine wirren gedanken strukturiert zu äußern (ohne allzuviel zu wiederholen, was bereits angemerkt wurde):

der rhythmus
ich bin begeistert. besonders gut gefällt mir das zusammenspiel von scheinbar zusammenhanglos nebeneinanderstehenden begriffen und einigen sehr ruhigen, prosanahen passagen.

dunkel feuer dunkel kranz und feuer frei!)
schotter schwellen eisen alles schallt und stampft


hier snapt ein begnadeter bassist,

was wenn jeder blick ein erster und ein letzter
wäre wenn mich nie mehr einer hier her bringt wohin
zurück wie komm ich an und wozu sollte ich


während hier miles davis seinen typischen, aus dem nirgendwo kommenden und in der unendlichkeit endenden (natürlich geloopten) trompetenton beisteuert.

sehr gelungen auch das vorwärtsdrängende

ein schloss ein turm und ampelspiel

in metrum und rhythmus dem kindervers: "ein hut ein stock ein regenschirm" gleich.

zur ersten strophe:
keine frage, es geht ums fahren. neben bahnfahrttypischen bildern draußen fliegt (...) in fetzen vorüber eine menge details, die zumindest nicht zum modernen bahnfahren passen wollen fahrtwind stiehlt mir.... so kenn ich das bahnfahren aus meiner teeniezeit. die schiebefenster nach unten gezogen, den kopf in den wind gehalten. zumindest mit den modernen ice mit ihrer ständig defekten klimaanlage hat das nichts zu tun. aber vielleicht verweisen auch das ampelspiel und die leeren straßen auf ein kleines, gelbes cabrio.

was ich nicht begreife, ist der ausdruck d-land. wenn er nur deutschland heißen sollte, hättest du deutschland geschrieben. ein verweis auf den d-zug? und: wie liest man den bindestrich beim vortrag?

zur zweiten strophe:
mit der musik in dosen hatte ich wenig probleme. einmal steht es für mich als musik aus der konserve (im gegensatz zur live-musik; vielleicht befinden wir uns ja auch ein wenig im metal-train nach wacken) zum anderen lässt sich dosen ja auch als plural von dosis lesen. schwieriger der halbvers die nicht rosten werden. am ehesten kommt mir neil young und sein album "rust never sleeps" in den sinn ("It’s better to burn out than it is to rust“). vermutlich ist das aber extrem überinterpretiert.

in der dritten strophe
wird es ganz deutlich. die zugreise, die das lyrische ich hier beschreibt, findet nicht in einem sanft dahingleitenden ice statt. hier knattern noch vorhänge, wo es heute nur noch rolos gibt. schwierigkeiten habe ich mit dem begriff pixelblitzen, verweist er doch auf digitale technik, die nicht so recht zur stampfenden eisenbahn passen will.
die hohlen knochen in verbindung mit mein körper war einmal ein haus bringen etwas bedrohliches ins gedicht, während ich bin ich bin ich werde resonanz eine transformation vom rein materiellen, körperhaften in klang und/oder energie anklingen läßt.

das alles nur meine lesart, die vermutlich dem kunstwerk nicht gerecht wird. sehr gerne gelesen und schön, dass du wieder hier bist.


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Einar Inperson
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Beitrag14.08.2014 18:20

von Einar Inperson
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Mein Lesen findet sich in den Kommentaren von firstoffertio und Rübenach wieder. Ein Text, der erlebt wird.

Ich habe mich an Lesungen von Erich Fried erinnert gefühlt, der seine Texte in den Achtzigern  musikalisch untermalt hat.

Wie atemlos würde dieser Text die Hörer machen. Ein rasanter Parforceritt, dessen letzte Zeile mir nicht das Ende des Gedichtes, sondern dessen Anlass zu sein scheint.

Soweit nur ein kurzer Eindruck.


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Traurige Grüße und ein Schmunzeln im Knopfloch

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Lorraine
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Beitrag20.08.2014 21:26

von Lorraine
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Liebe firstoffertio,
Zitat:
Sprache fast eins mit Geschehen, Denken, Wahrnehmen und Fühlen


... das und und alles andere in deiner Rückmeldung hat mich ein wenig verlegen gemacht. Und gefreut. Was du beschreibst, sollte sein. Ich bin ja immer auf der Suche. Wenn mir halbwegs gelingt, was mir vorschwebt, dann bin ich (fast) zufrieden.
Vielen Dank dir.

Hallo Rainer Zufall,
schön, dass du hier warst und ja, ich kann mit deinem "unkritischen Lobhudel" durchaus etwas anfangen, und der Hinweis auf die Dosen war sehr deutlich ... ich kann dich da nur (faul) auf Rübenachs Kommentar verweisen und hinzu fügen, dass Konserven in vielerlei Hinsicht reiselustig sind.
Du schreibst vom Rhythmus, vom "mitgezogen werden", vom "Treibenden eines Gedichts" ... das ist es, was ich mir wünsche. Einmal ein Gedicht zu schreiben, das an Musik  (oder das Gefühl zumindest, das Musik im Körper und im ganzen Rest auslösen kann) grenzt. Mir ist allerdings klar, dass Musik (je nach "Genre" (oder "Gattung"?)) auf jeden Hörer eine andere Wirkung hat und beim geschriebenen Wort verhält es sich nicht anders, wahrscheinlich.
Und immer auch: In welcher Stimmung "erwischt" mich etwas. Oder: Kann mich ein Gedicht in eine Gefühlslage hinein katapultieren? Wie weit lasse ich mich ein, was lässt mich scheuen, wann wende ich mich (kopfschüttelnd) ab? Ich beende meine Antwort hier, vorerst. Ich bin sehr im Ver-Zug, bitte deswegen um Nachsicht. Hat mich gefreut, dir "direkt" zu begegnen,
Lorraine
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nebenfluss
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Beitrag30.08.2014 17:09

von nebenfluss
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Nun ist der Zug wohl längst abgefahren. Letzte Woche wollte ich noch aufspringen und stand am falschen Gleis - Feedback? Werkstatt? Ja, wo isser denn bloß hingerollt? Lorraine im Einstand, da muss man erstmal drauf kommen!

Dennoch. Im Hinterkopf hab ich dies die ganze Zeit rumgeschleppt. Hinein- und mitgezogen haben mich die ersten Zeilen aus ganz persönlichen Gründen - eine nächtliche Zugfahrt durch die halbe Republik, über ein Jahrzehnt ist das jetzt her, in einem damals schon antiquierten D-Zug, und ich war offenbar der einzige, der nicht Schlafwagen gebucht hatte. Ich hätte nicht nur drei Sitze, sondern wechselweise ganze Abteile abliegen können, an Schlaf war höchstens anteilig zu denken. Da blieb nur lesen, rausgucken und viele, viele Zigaretten rauchen am offenen Fenster im Gang. Die Erinnerung an dieses eigentümlich nostalgische, melancholische Gefühl, scheinbar ganz allein und exklusiv von einem Zug durchs Land gefahren zu werden, sehe ich hier in eine überaus gelungene lyrische Gestalt verpuzzelt, und allein dafür mag ich dir danken, auch wenn's natürlich nicht dein Sinn der Übung war.

Für mich dann schade, ohne Stoßdämpfer in eine andere mir bekannte Stimmung hinübergerüttelt zu werden: Migräne. So simpel-engstirnig jedenfalls habe ich das um den blinden Fleck pumpende Pixelblitzen übersetzt. Und passt ja auch: die gleiche Form, die ich eben noch als wertfrei / loses Gedankentreibenlassen gelesen habe, erscheint mir nun als unangenehmes Sich-nicht-Konzentrieren-Können bei gleichzeitiger Übersensibilität. Der zeilenübergreifende Fluss wird für mich erst mit "schotter schwellen eisen" zum erfühlbaren Rhythmus. Auch das passt.

Ich weiß, du bist nicht unbedingt per du mit der Technik, aber trotzdem - ich hätte das gern vorgelesen. Zipped

Gar nicht schlecht für einen Einstandstext Wink
und jetzt schön Kohlen nachgeschippt und rausgedampft!


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Lorraine
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Beitrag02.09.2014 06:03

von Lorraine
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Ach Klemens_...

 
Klemens_Fitte hat Folgendes geschrieben:
Mir jedenfalls zeigt sich in deinen Zeilen das Ringen um eine formulierende Souveränität, eine Sprache, die sich eben nicht mit Erinnertem konfrontiert sieht, sondern mit der Wucht eines Erlebens;


Ja. Inzwischen sehe ich das Ringen mehr und mehr. Ich zitiere mal frech aus der nie geposteten Fortsetzung von "Stoff", also mich selbst Rolling Eyes


Zitat:
Zündstoff. Dieses Wort zischte mir durch den Kopf, als ich die Stimme wieder las, die sie mir in ihrer nächsten Sprache angedichtet hatte. Zitternd stand ich am Ufer, Wind riss am Protokoll, zu allem Überfluss. Als genügte der Regen nicht, als müsste ich nicht die Löcher stopfen, aus denen mein Gedächtnis floh, als rollte sich das Stück Schrift nicht schon von den Rändern her ein.



Klemens_Fitte hat Folgendes geschrieben:
Und geht nicht jeder, der sich treiben lässt, sich auffüllen lässt vom Rhythmus und dem Lärm seiner Reise, das Risiko ein, schließlich (wenn die Fahrt an ihr unweigerliches Ende kommt) nur noch eine leere Hülle zu sein?


Ich kann (mir) diese Frage (gerade jetzt) nicht beantworten. Zuviel hängt vom Grund einer Reise ab, vom Ziel, von Richtungen, Begegnungen.

Und:
Zitat:
dort liegt es liebt es leer
... es könnte eine Lesart geben, die die Leere in die Zukunft verschiebt.
Abgesehen davon, dass ich auch mit diesem Vers inzwischen hadere.

Klemens_Fitte hat Folgendes geschrieben:
[... ] und fordere eine eingesprochene Version.
Es gab einen Versuch, ich fürchte aber, dass ich das auch nicht besser hinkriege als die misslungenen Vertonungen anderer Texte in der Vergangenheit.


Ich danke dir sehr für so manchen Anstoss, den mir dein Kommentar beschert hat. Zu Rimbaud und diesem einzigartigen Langgedicht, das du eingangs zitiert hast: PN.

L.
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Mettbrötchen
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Beitrag02.09.2014 18:21

von Mettbrötchen
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Hallo Lorraine,

ein guter Sound weht durch diese Verse. Ich denke, hier haben Sprache und Wahrnehmung im Gedicht zueinandergefunden. Ich mag es wie sich in den Versen so nach und nach die Klänge herausheben (kann es schlecht anders beschreiben) und wie die Langverse und Enjambements die Fortbewegung des lyrischen Ichs transportieren, die sowohl eine rein physische ist (indem es im Zug sitzt) als auch eine gedankliche. Das lyrische Ich ist hier natürlich ein sehr passives, ich erlebe es als eine reine Wahrnehmungs- und Verarbeitungsinstanz, die selber nicht in Aktion tritt. Ich finde das immer etwas gewagt, weil ich mir denke, entweder positioniert sich ein lyrisches Ich als starkes Subjekt in einem Text oder es wird als meinungskompetente Person und als Denk- und Redefigur merklich inszeniert. In einem solchen Gedicht, bei den Rhythmus und Klanggestaltung Überhand gewinnen, kann es schnell mal von seiner eigenen Sprache überrollt werden und das Ganze erhält so einen dissoziativen Touch. Das finde ich auch legitim und vermutlich ist es persönlicher Geschmack, wenn ich sage, dass die Wirksamkeit eines literarischen Verfahrens durch Antithese verstärkt werden kann. Hätte hier gerne gesehen, wie das lyrische Ich mir nahegebracht wird und Kontur erhält, in einem Moment vor der Reise z.B. und dann quasi vom Wortfluss verschluckt wird. Wie gesagt, das ist nur meine Position und entweder kannst du sagen, darin findest du dich nicht wieder oder sie schlägt etwas in dir an, worüber du dir selbst unsicher warst bei dem Werk.
Formal gesehen, wird diese Suada durch Rhythmus und Klanggestaltung, aber auch durch Interferenzen hergestellt

Zitat:
mein haar in salven fahrtwind stiehlt mir lange züge
meiner zigarette presst mir atem zu betankt mich


Als etwas gewollt empfinde ich hier diese semantische Verknüpfung zwischen dem Zug, in dem das L.I. sitzt und den Zigarettenzügen. Hätte hier wenn dann an Atemzüge gedacht, wenn die physische Wortbewegung auf die Sprachbewegung abgepaust wird.

Zitat:
luft! ein schloss ein turm und ampelspiel


Hier scheinen mir schloss und turm nicht richtig zu passen. Sie bringen so eine mittelalterlich-märchenhafte Note rein und kommen auf mich eher so rüber als sei nach etwas gesucht worden, was das L.I. dort draußen sehen kann. Der Rest des Gedichtes ist ja sehr durch funktionale Motive gekennzeichnet, z.B. ampelspiel, endogenes video, pixelblitzen. Das sind alles Bilder die eine technizitäre Haltung gegenüber Wahrnehmung einnehmen und das lyrische Ich als Subjekt der Perzeption in ein kritisches Licht rücken. Da stechen Bilder wie schloss und turm heraus und wirken wie Fremdkörper, da sie keine weitere Entfaltung erfahren.

Zitat:
was wenn jeder blick ein erster und ein letzter
wäre wenn mich nie mehr einer hier her bringt wohin
zurück wie komm ich an und wozu sollte ich da ist doch


Aha! Hier wird das L.I. reflexiv, es ist ein kleiner reflektiver Augenblick, der von dem Wortschwall wieder weggerissen wird. Steht aber auch etwas lose hier drin. Ich hätte da gerne mehr Ausführung, am Anfang oder Ende. Es bleibt für mich etwas in der alltagsphilosophischen Schwebe, sollte aber irgendwo geerdet werden.

Zitat:
(den ich als schwarzes loch wie einen tunnel kommen
sehe einfahrt dunkel feuer dunkel kranz und feuer frei!)


Das ist so ein Moment, an dem es für mich ausufert und wo ich unter reinem Schlagwörterbeschuss stehe. Damit kann ich am Wenigsten anfangen.

Zitat:
mein körper war einmal ein haus dort liegt es liebt es leer


Wieder ein Moment, der mich das lyrische Ich spüren lässt. Aber wer ist das lyrische Ich? Seine Redeposition ist mir noch zu unkonturiert. Die Emotionen, die es an manchen Stellen direkt beschreibt und die es mich als Person mit eigener Identität und konkretem Gefühlswelt erleben lassen, sind für mich mehr Behauptungen. Die emotionale Fundierung dieses Bewusstseinsstroms und dieser Dissoziation ist noch nicht so ganz gegeben. Zwar schafft es sich Inseln der Subjektivität und es ist auch reizvoll, diese überflutet werden, aber ich finde da fehlt noch etwas.
Gut durchgearbeitet finde ich das Gedicht allemal, nur seine innere Balance hat es m.E. noch nicht ganz gefunden. In dieser Hinsicht hat es für mich ein ähnliches Problem wie das Gedicht von Ralf Langer, das ich vor ein paar Tagen kommentierte.

Hoffe, mein Kommentar ist hilfreich.

Es grüßt
das Mettbrötchen


_________________
I read somewhere how important it is in life not necessarily to be strong... but to feel strong.
(Christopher McCandless
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Lorraine
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Beitrag03.09.2014 10:07
Re: fahrt schieflage: kein plan stoß dämpfer
von Lorraine
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Hallo Zinna ... eine reiselustbedingt stark verzögerte Antwort, aber doch:

Zinna hat Folgendes geschrieben:
Hallo Lorraine,

ich möchte  auch einen Gedanken zu deinem Gedicht hier lassen, zwei kurze.
Ich bin mir nicht einig, etwas in mir sagt Wow! wegen starker Bilder, aber andererseits bleiben mir Fragezeichen im Bauch, was ich so assoziiere beim Lesen. Hier zum Beispiel:



 
Lorraine hat Folgendes geschrieben:
da ist doch
die musik in dosen die nicht rosten werden und

Da gab es mal ein Lied. Früher, als die Erde noch eine Scheibe war...
"Alte Liebe rostet nicht"
Das kam mir in den Sinn. Embarassed
Bin aber nicht sicher, ob ich das der Musik zuordnen soll oder etwas Aufgewärmten des LI.

Ob "alte Liebe" noch Liebe ist, ob so etwas rostet oder nicht - da kann ich nicht mitreden. Also ja: Es geht um Musik. Als Begleiterin. Oder als Eine, die man unverhofft wieder trifft, irgendwo, wenn die Welt mal wieder ganz klein wird. Musik, die nicht alt wird. Die keine Notwendigkeit darstellt, irgendwo ankommen, an bestimmte Orte zurückkehren zu müssen.

Eine Stelle gefällt mir sehr:

 
Lorraine hat Folgendes geschrieben:
  lullen mir die
hohlen knochen ein
ich bin ich bin ich werde resonanz
mein körper war einmal ein haus dort liegt es liebt es leer



Hier höre ich das Rattern der Schienenstöße bei der Fahrt.

Nur soweit meine Rückmeldung. Ich behalte ein Auge auf dem Faden.

Schön, dich wieder zu lesen.smile

Danke für die Rückmeldung, sie zeigt mir, was angekommen ist. Ob wohl die Fragezeichen im Bauch noch unverdaut sind? Mir geht es mal wieder so, dass sich der eigene Text von mir entfernt, ich ihn kritischer betrachte, er aber nur geringe Chancen hat, noch nachgebessert zu werden, wohl eine Frage der Notwendingkeit.


LG
Zinna
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Lorraine
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Beitrag03.09.2014 14:19

von Lorraine
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Lieber Rübenach,
gerade heute fällt es mir schwer, andernorts meine wirren Gedanken strukturiert zu äussern, oder auch nur für mich zu ordnen. Also, sage ich mir, könnte das der richtige Moment sein, den Versuch zu starten, diesen Faden hier zu einem - zumindest für die Eröffnerin - zufriedenstellenden Ende zu bringen, deinen und die restlichen noch ausstehenden Kommentare zu beantworten, so gut es mir möglich ist. Denn jede Minute, die jemand hier mit dem Lesen oder Wirken-lassen und gar Kommentieren eines Textes verbringt, stellt für mich ein Geschenk dar, das ich nicht als selbstverständlich erachte.
Nicht zeitnah zu antworten, hat den Nachteil, dass ich nachfolgende Kommentare nicht mehr ausblenden kann, es mag also sein, dass meine Antwort(en) nicht nur durch längeres Reflektieren, sonderen auch durch weitere Meinungen/Eindrucke beeinflusst werden, das halte ich für unvermeidlich. Dann mal los:

Rübenach hat Folgendes geschrieben:
dann versuche ich auch mal, meine wirren gedanken strukturiert zu äußern (ohne allzuviel zu wiederholen, was bereits angemerkt wurde):

der rhythmus
ich bin begeistert. besonders gut gefällt mir das zusammenspiel von scheinbar zusammenhanglos nebeneinanderstehenden begriffen und einigen sehr ruhigen, prosanahen passagen.

dunkel feuer dunkel kranz und feuer frei!)
schotter schwellen eisen alles schallt und stampft


hier snapt ein begnadeter bassist,

was wenn jeder blick ein erster und ein letzter
wäre wenn mich nie mehr einer hier her bringt wohin
zurück wie komm ich an und wozu sollte ich


während hier miles davis seinen typischen, aus dem nirgendwo kommenden und in der unendlichkeit endenden (natürlich geloopten) trompetenton beisteuert.

sehr gelungen auch das vorwärtsdrängende

ein schloss ein turm und ampelspiel

in metrum und rhythmus dem kindervers: "ein hut ein stock ein regenschirm" gleich.

Dass mein Versuch, rhythmisch zu "erzählen" (ja, es sind wohl Erzählverse*), die Musik, die mich in den Tagen, die dieser Fahrt vorausgingen, so intensiv beschäftigte (das ist noch untertrieben), hinein zu schreiben in diese Verse, bei dir angekommen ist, freut mich natürlich. Weil das Teil dessen war, was ich unbedingt versuchen wollte. "Teil" deshalb, weil es auch um diese Verbindung zur musikdurchdrungenen Vergangenheit und um eine Art Zeitreise gehen sollte. Da triffst du dann ins Schwarze mit deiner Anmerkung zum "Kindervers"!**

*Was mich dazu bringen wird, die "Plot-Theorie" Stimmgabels nochmals zu lesen
**Hier sehe ich eine Verbindung zu Mettbrötchens Kommentar
 


zur ersten strophe:
keine frage, es geht ums fahren. neben bahnfahrttypischen bildern draußen fliegt (...) in fetzen vorüber eine menge details, die zumindest nicht zum modernen bahnfahren passen wollen fahrtwind stiehlt mir.... so kenn ich das bahnfahren aus meiner teeniezeit. die schiebefenster nach unten gezogen, den kopf in den wind gehalten. zumindest mit den modernen ice mit ihrer ständig defekten klimaanlage hat das nichts zu tun. aber vielleicht verweisen auch das ampelspiel und die leeren straßen auf ein kleines, gelbes cabrio.

Alles in fett trifft es punktgenau. Die Fahrt fand in genau dieser Art Zug (aus deiner/unserer Teeniezeit) statt.

was ich nicht begreife, ist der ausdruck d-land. wenn er nur deutschland heißen sollte, hättest du deutschland geschrieben. ein verweis auf den d-zug? und: wie liest man den bindestrich beim vortrag?

"d-land" ... Deutschland, ja, und (Kleinschreibung macht's möglich) ich wollte es einerseits als "Durchgangs-" land kennzeichnen (was es in inzwischen für mich geworden ist, ich bleibe eben nie sehr lange), aber auch als "dream-land", denn: na ja, manchmal träume ich mich hin, oder zurück in ein Land, das ich erst seit einiger Zeit wieder entdecke, welches ich erst jetzt mit einem vagen Heimatbegriff verbinde. Sprach-Heimat, Ort(e) nicht genutzter Gelegenheiten, geplatzter Träume. Land der Unmöglichkeiten.
Wie liest man einen Bindestrich? Liest man ihn? Ich denke mir eine Kürzestpause ... "Dé Land" halt, oder so ähnlich.



zur zweiten strophe:
mit der musik in dosen hatte ich wenig probleme. einmal steht es für mich als musik aus der konserve (im gegensatz zur live-musik; vielleicht befinden wir uns ja auch ein wenig im metal-train nach wacken) zum anderen lässt sich dosen ja auch als plural von dosis lesen. schwieriger der halbvers die nicht rosten werden. am ehesten kommt mir neil young und sein album "rust never sleeps" in den sinn ("It’s better to burn out than it is to rust“). vermutlich ist das aber extrem überinterpretiert.

Ja: Konserve. Im Sinne von "Tonträger", der bewahrt und Musik haltbar, auch transportierbar, ortsungebunden macht - wie es eben auch Konserven für andere Lebensmittel tun. Ich habe das natürlich gesehen, "dosis - dosen", habe aber nicht versucht, es auch umzusetzen, zugunsten des "die nicht rosten": Hier begegnet mir deine Lesart wieder insofern, dass die (schnelle) Bewegung ein (Ein-)Rosten hinauszögert, der Preis dafür jedoch ein (vorzeitig) ausgebranntes Potential sein kann, oder - positiv ausgedrückt - eine Intensität, vor der die Angst verschwunden ist.
Neil Young ... nein, gar nicht überinterpretiert: Das Album kenne ich gut, auch so ein Begleiter.


in der dritten strophe
wird es ganz deutlich. die zugreise, die das lyrische ich hier beschreibt, findet nicht in einem sanft dahingleitenden ice statt. hier knattern noch vorhänge, wo es heute nur noch rolos gibt. schwierigkeiten habe ich mit dem begriff pixelblitzen, verweist er doch auf digitale technik, die nicht so recht zur stampfenden eisenbahn passen will.
die hohlen knochen in verbindung mit mein körper war einmal ein haus bringen etwas bedrohliches ins gedicht, während ich bin ich bin ich werde resonanz eine transformation vom rein materiellen, körperhaften in klang und/oder energie anklingen läßt.

Wie schon erwähnt, ist das Ganze (oder will es sein) ein Text, der wiedergeben soll, was LI auf dieser Fahrt begegnet ist: Bilder, Empfindungen, Ein-Wirkung. Das hier:

Zitat:
endogenes video und pixelblitzen pumpt mir um den blinden fleck
entgegen (den ich als schwarzes loch wie einen tunnel kommen
sehe einfahrt dunkel feuer dunkel kranz und feuer frei!)


soll begreiflich machen, was hinter geschlossenen Lidern ensteht, wenn (Sonnen-)Licht und Schatten in schneller rhythmischer Folge einwirken, was LI sieht (ich habe mir in diesen Momenten versucht, zu erklären, wodurch dieses kreisrunde Schwarz entsteht (es sah aus wie eine Pupille, oder ein Tunneleingang, das Licht blitzte "aussen" herum auf, salvenartig), der "blinde Fleck" ist ja die Stelle auf der Netzhaut, mit der wir keine Lichtreize aufnehmen können, weil sich dort die "Verbindungsstelle" zwischen Auge, Sehnerv und Gehirn befindet; ich dachte einfach, dass man ihn szs in dieser Situation wahrnehmen kann. Es sind mit diesen Versen noch weitere Assoziationen verknüpft, ich verzichte aber darauf, näher auf sie einzugehen.
Ingesamt sah das alles aus (und wurde durch die Geräusche und Musikerinnerung vertont) wie eine Video-Installation (in Variationen schon in Ausstellungen so gesehen), bei der Musik in bewegte Bilder "übersetzt" wird. "Technik" war hier nur im Sinne physikalischen/physiologischen Funktionierens von Augen/Gehirn im Spiel.

Das "Bedrohliche". Manches geht bis ins Mark.
Und: Resonanz braucht Hohlräume.

Der letzte Vers ... ist (zusammen mit dem Titel) das, was mir inzwischen am meisten Kopfzerbrechen bereitet, ich komme darauf zurück, wenn ich Mettbrötchens Einlassungen betrachten werde.


das alles nur meine lesart, die vermutlich dem kunstwerk nicht gerecht wird. sehr gerne gelesen und schön, dass du wieder hier bist.


Doch, ich denke, dass deine Lesart diesem Text sehr wohl gerecht wird, danke für dein "ich bin begeistert" und für den ganzen Rest.
"Was hält dich hier?", wurdest du heute gefragt. Ich hoffe, dass meine Texte dazu beitragen können, dich hier zu halten.
Hochachtungsvoll,
Lorraine
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