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Schreibimitation Thomas Bernhard


 
 
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LeoModest
Geschlecht:männlichLeseratte

Alter: 37
Beiträge: 142
Wohnort: Travemünde


Beitrag07.05.2014 23:46
Schreibimitation Thomas Bernhard
von LeoModest
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Siehe diesen Thread:

http://www.dsfo.de/fo/viewtopic.php?t=47996&highlight=

Ich möchte den Schreibstil Thomas Bernhards explizit imitieren. Ich will dies nicht als meinen Stil verkaufen, sondern schauen, ob es mir gelingt, ansatzweise so zu schreiben, wie es Thomas Bernhard tat. Hierfür freue ich mich über alle Rückmeldungen jeder Art.

Ich schreibe jetzt wie Thomas Bernhard


Früher, als er noch in Amerika lebte, sagt Gracher, war es noch ein ganz anderes Leben für ihn. Von allen Ländern in der Welt, so Gracher, ist Amerika das unerträglichste Land, das ist die Wahrheit, und von allen Städten in der Welt ist Atlanta naturgemäß die unerträglichste Stadt. Die Amerikaner, sagt Gracher im Kaffeehaus sitzend und aus dem Fenster schauend, sind ein dumpfes Volk, das ist die Wahrheit. Wenn man über die Amerikaner nachdenkt, und ich meine tiefgehend nachdenkt, also radikal nachdenkt, sagt Gracher, dann kann man nicht umhin festzustellen, dass die Amerikaner das unerträglichste Volk sind. Es ist für einen Menschen wie ich unmöglich in Amerika im Allgemeinen und in Atlanta im Besonderen zu leben, sagt Gracher neben mir im Kaffeehaus sitzend und aus dem Fenster schauend, das ist ganz offensichtlich. Wenn man in Amerika im Allgemeinen und in Atlanta im Besonderen lebt, sagt Gracher, und mit leben meine ich nicht leben im gesunden Sinne, denn leben im gesunden Sinne kann man in Amerika und in Atlanta naturgemäß überhaupt nicht, aber, so Gracher, wenn man leben im gewohnten Sinne meint, und also in Amerika lebt und wohnt, dann macht einen das Leben kaputt, das ist die Wahrheit. Man geht daran zugrunde, sagt Gracher aus dem Fenster schauend, weil ein denkender Mensch in Amerika naturgemäß zugrunde gehen muss. Der denkende Mensch, sagt Gracher sich eine Zigarette anzündend, denkt naturgemäß tiefer als die denkenden Amerikaner, denn wenn die Menschen wenig denken, so denken die Amerikaner noch weniger, so denken die Atlanter am wenigsten, das ist die Wahrheit. Wenn wir in Europa schon verzweifeln müssen, weil die Menschen hier nicht nachdenken, weil sie es gar nicht gewohnt sind nachzudenken, also tiefgehend und radikal nachzudenken nicht gewohnt sind, so müssen wir in Amerika noch mehr verzweifeln, also noch mehr und also vollkommen und endgültig und  radikal verzweifeln, sagt Gracher. Denn alles, was die Europäer vom Nachdenken und also vom tiefgehenden und vollkommenen und radikalen Nachdenken abhält, ist in Amerika naturgemäß viel schlimmer und in Atlanta am schlimmsten, sagt Gracher neben mir im Kaffeehaus sitzend. Die Europäer sind einfach gestrickte Menschen, das ist richtig, so Gracher, aber die Amerikaner sind noch einfacher gestrickt und die Atlanter sind am einfachsten gestrickt. Ein denkender Mensch kann in diesem Umfeld nicht leben, er kann nur zugrunde gehen. Ein denkender Mensch, da kann man sagen, was man will, kann in Amerika nicht leben, sagt Gracher an der Zigarette ziehend. Er, der denkende Mensch, so Gracher, muss naturgemäß in Amerika scheitern. Da ein jeder Mensch, zumal ein denkender, und vor allem ein tiefgehend denkender Mensch zwar oft einfach gestrickte Menschen – also Europäer – ertragen kann und auch manchmal einfacher gestrickte Menschen – also Amerikaner – ertragen kann und wenn auch selten die einfachst gestrickten Menschen – also Atlanter – ertragen kann, so kann er nicht, so Gracher, immer nur die einfachst gestrickten Menschen ertragen, das ist die Wahrheit, da muss ein denkender Mensch zugrunde gehen. Er, so Gracher, ist zugrunde gegangen, also war im Prozess des Zugrundegehens in Amerika und gerade in Atlanta, aber er hat den Prozess erkannt und aufgehalten. Das ist die Gefahr, so Gracher, die Gefahr nicht zu erkennen, die von einem so unerträglichen Land wie Amerika ausgeht und von einer so unerträglichen Stadt wie Atlanta ausgeht, das ist die Wahrheit. Denn die Gefahr des Zugrundegehens ist für den radikal und vollkommen und tiefgehend nachdenkenden Menschen naturgemäß überall sehr hoch, aber sie ist in Amerika noch höher und in Atlanta am höchsten, sagt Gracher. Die Amerikaner sind ein rücksichtsloses und gnadenloses und erbarmungsloses Volk, das braucht man doch gar nicht zu diskutieren, sagt Gracher aus dem Fenster schauend. Wenn wir in Europa schon nur rücksichtslose und gnadenlose und erbarmungslose Menschen sehen, so sehen wir in Amerika rücksichtslosere und gnadenlosere und erbarmungslosere Menschen und in Atlanta die rücksichtslosesten und gnadenlosesten und erbarmungslosesesten Menschen, das ist die Wahrheit, sagt Gracher im Kaffeehaus sitzend. Die Amerikaner lassen die Menschen achtlos zugrunde gehen, sagt Gracher, denn die Menschen in Amerika achten den Menschen nicht und vor allem achten sie den denkenden Menschen nicht und vor allem achten die Menschen in Atlanta den denkenden Menschen nicht, sie verachten ihn.

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U-Banane
Wortedrechsler


Beiträge: 83



Beitrag08.05.2014 00:55

von U-Banane
Antworten mit Zitat

Hey.
Diese Übung ist Dir meiner Meinung nach durchaus gelungen, wobei es mir etwas zu abrupt aufhört. Vielleicht könnte man sich hier und da noch extremer in eine Wiederholung verschrauben, innerhalb eines Satzes.
Aber: Zu kurze Sätze! imo.
:E

Gruß
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EWJoe
Geschlecht:männlichEselsohr
E

Alter: 65
Beiträge: 274
Wohnort: A-2384 Österreich Breitenfurt bei Wien


E
Beitrag08.05.2014 12:24

von EWJoe
Antworten mit Zitat

Servus Leo,

ist eine nette Übung. Ja, redundant hat der Bernhard gern geschrieben. Und geraunzt hat er auch gerne. Gut getroffen.
Einzig ist mir aufgefallen, dass Du in den ersten Zeilen den Gracher auch in der Ich-Form erzählen lässt, während sich das Ich in Folge, ohne, dass das kaffeehausphilosophische Raunzen sich gändert hätte, plötzlich aufhört. Ein indirekter Perspektivwechsel, vielleicht ein kleiner Schönheitsfehler.

Gern gelesen.

LG EWJoe


_________________
Kulissen schiebt man gerne vor die Wahrheit, verdeckt sie auch durch viel Theater. Nur Backstage offenbart sie sich.
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silentsilvy
Geschlecht:weiblichLeseratte


Beiträge: 112



Beitrag13.05.2014 18:33

von silentsilvy
Antworten mit Zitat

Hi LeoModest,

ich möchte mich hier nicht so weit aus dem Fenster hängen, was Thomas Bernhard betrifft. Ich habe von ihm Gedichte gelesen und das Buch "Alte Meister" angefangen zu lesen, das er, ähnlich wie dein Text, ohne Absätze und Zeilenumbrüche und auch stilistisch in der Art geschrieben hat. Ich fand es aber nicht so nervig zu lesen, wie deinen Text. Seine Sprache ist irgendwie farbiger, als deine.
Nimm es mir nicht übel, aber dein Stück zu lesen, finde ich ziemlich anstrengend. Und mir kam beim Lesen der Gedanke, dass du eher eine Bernhard-Parodie geschrieben hast, als eine Imitation.
Die Parodie ist dir von der Ähnlichkeit her sogar gelungen. Nur finde ich Th. Bernhard schreibt weniger nervig.

lg sisi
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Babella
Geschlecht:weiblichKlammeraffe

Alter: 61
Beiträge: 889

Das goldene Aufbruchstück Der bronzene Roboter


Beitrag20.05.2014 20:26

von Babella
Antworten mit Zitat

Ich war neugierig auf Thomas Bernhard und habe mir "Verstörung" ausgeliehen.

Vermutlich ist das nicht eins der Bücher, deren Stil du kopieren wolltest, denn dort finde ich eine relativ einfache Sprache, normal viele Absätze und nichts von diesen endlosen Wiederholungen, die du verwendet hast. Ich kann deinen Text gar nicht im Zusammenhang lesen, ich verlaufe mich dabei in Endlosschleifen und ärgere mich über das impertinente Bestehen auf der "Wahrheit".

Und das finde ich sehr schade, denn es kommt schon eine interessante Stimmung rüber.

Wie wäre es, wenn du den Text auf, sagen wir ein Drittel reduzierst, so dass Grachers Gedanken über Amerika und die Amerikaner auch herauskämen aus dem großen Brei?

Übrigens konnte ich mich an Bernhard nicht festlesen. Ein Grund waren die kursiv gesetzten Wörter. Sie wirken so belehrend auf mich, als sei ich nicht in der Lage, das Wichtige vom Unwichtigen zu unterscheiden.

Gruß!

Babella
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blaettermen
Geschlecht:männlichSchneckenpost


Beiträge: 14
Wohnort: Ruhrgebiet


Beitrag29.09.2015 01:29
@LeoModest
von blaettermen
Antworten mit Zitat

Modest hat sich echt Mühe gegeben! Alle Achtung.


Der von LeoModest im apodiktischen Stil verfasste Amerikatext lässt gewisse Ähnlichkeiten zu Bernhard erkennen. Allerdings bin ich da kein großer Kenner. Mir ist die Stilistik seiner gesprochenen Sprache geläufig. Schon in den Monologen auf Mallorca kommt die Bernhardsche Prosa durch. Oft wirkt es, als habe er alles bereits im Kopf inszeniert. Ich vermute - und man kann es natürlich nur vermuten - das nicht allzuviel Spontanität bei Bernhard dabei ist.
Ich glaube persönlich, dass es nicht allein ausreicht den Schreibstil, einschließlich einiger von Bernhard  verwendeter "Lenkungstechniken" (er macht ja teilweise im ganzen Buch keine Absätze) nachzuahmen bzw. zu kopieren. Dann hätte man es vielleicht erreicht, so auf dem ersten Blick wie Bernhard zu klingen, aber trotzdem müsste man noch den zweiten Schritt konsquent vollziehen. Man müsste nämlich im zweiten Schritt die Bedeutung einbauen. Eine Bedeutung im Sinne einer Tragweite.
Um es konkret zu sagen und ich bin definitiv kein Bernhardiner, mir ist diese spezielle Form der Radikalität nicht ganz geheuer, aber man müsste auch noch eine Freundschaft zum eigenen Tod in sich verspüren, um so zu schreiben. Thomas Bernhard schien mir manchmal mehr im Tod als im Leben verhaftet zu sein.
Was ich also meine, dass er eine sehr spezielle Art der Dialektik verwendete. Möglicherweise nahm er die aus einem bestimmten Gefühl eines selbst empfundenen Leidens. Dies zu kopieren wird quasi nahezu unmöglich sein, da es sich einer anderen Person verschließt. Der Fingerprint als Unikat entwickelte sich bereits in seinem Kopf. Der Wiederekennungswert ergibt sich naturgemäß immer aus den Gedanken und der sich dann resolut bahnbrechenden Semantik des Autors. Alles zusammen ergibt eine Melange. Und ist so einmalig wie der Fingerabdruck eines Menschen.

Man könnte jetzt den Bernhardschen Schreibstil versuchen nachzuahmen indem man die typischen Redundanzen und so weiter übernimmt, mischt die dann mit der eigenen (persönlichen) Dialektik - und das wird ja unumgänglich sein - dann klingt man bestenfalls wie ein anderer (d.h. eigenständiger) guter Autor oder schlechtestenfalls wie eine Imitation, die zur Karikatur geworden ist.
Zweiteres halte ich für wahrscheinlich, ersteres wird auf Dauer nur mit einer bewussten Emanzipation zum Vorbild gelingen.

Sleep well
Euer
Blättermen


_________________
Der Marrakesch Code - Kriminalroman von Ted Bauknecht, erschienen im AAVAA Verlag Hohen Neuendorf
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MarieAnn
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen
M

Alter: 51
Beiträge: 28
Wohnort: St.Pölten, Österreich


M
Beitrag08.10.2015 15:50

von MarieAnn
Antworten mit Zitat

Der Text ist dir verdammt gut gelungen! Auch wenn ich weiß Gott kein Bernhard-Fan bin, weil mir sein Stil einen ganzen Roman lang auf die Nerven geht, gefällt mir deine Idee und die Art, wie du sie umgesetzt hast!
Liebe Grüße
MarieAnn
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