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BefindLichter und ReflekTüren


 
 
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Gast







Beitrag07.03.2014 21:09

von Gast
Antworten mit Zitat

Das ist groß, Lorraine.

Komplex und schlicht zugleich.
Nicht einfach zu erschließen (hab ich's? Wer weiß, für mich schon ..) - aber wunderbarer Klang und viel von dem, was wert ist zu sagen ...

Textarbeit kann ich hier nicht, kann nur lesen.
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Gast







Beitrag11.03.2014 20:21
Re: BefindLichter und ReflekTüren
von Gast
Antworten mit Zitat

holg hat Folgendes geschrieben:
Hi.
Habe das mehrmals gelesen, in den letzten Tagen, wollte es wirken lassen. Die Kommentare nur kurz überflogen, hoffe es doppelt seich nicht allzu viel.
Schreibe meine Gedanken zum Text einfach rein. Ich mag blau.

₭arten 

(in straßengeschichten erfahren körper wandlung, willen:
magnethäutige gäste in farawaykäfigen,
flucht wagen auf ungebremster talfahrt)


Lese einen Prolog, eine Inhaltsangabe. Sehe Straßengeschichten (Großstadt, Kiez), denke  Roadmovie (Flucht, Reise, Entwicklung, Weite, Haltlosigkeit). Wandlung und Willen werden erfahren, kommen von Außen, zufällig, aufgezwungen? Die Körper wandeln sich. Was ist mit den Geistern?
Anziehung, Körperlichkeit. Nur vorübergehend da, ohne Kotrolle über Weg und Richtung. Gefangen in Sehnsucht und doch abgeschirmt, wovon? Ladung, Fluss, Potentialausgleich. Dann ausgesprochen, deutlich. Flucht. Bergab. Ohne Ausweg. Scheinbar.

_
 
fahrig lesen finger adern, falz um
falz: kein herz pumpt mehr
lust auf serpentinen oder
fließenden verkehr

Lese Haut als Karte, Karte als Haut. Erlebtes zeichnet seine Spuren. Finger ertasten Abschnitt für Abschnitt. Alter, Müdigkeit, Tot. Ruhen wollen. Genug von den Wendungen des Lebens, Fortschritt Bewegung. Fließen und Verkehr als erotische Implikation? (Ach, komm, lass stecken!)
_


karte der reisen, hin geworfene zurück
gelassene skizze: gesichtspunkte, blindwürdigkeiten.
war dem wandern der hände verbunden
(entgegen kommende Erhebungen)

Bestandsaufnahme, Rückblick (wo war ich?). Pläne überworfen. Bilder, Gesichter, Menschen, die getroffen. Falsche Entscheidungen (nicht hingesehen, unbeherrscht). Wollte weiter. Auf der Karte, Auf der Haut. getrieben von Lust und Abenteuer. Berge erklettern, Hüften, Brüste erobern oder nur die Adern in der Haut "erfahren".
_

legende?  (stollenmundloch, streuobstwiese,
meilenstein)
kein bedarf, auch maßstab sei doch nur
gedruckte lüge

Erklärungen, Erzählungen, Deutung. Drei Beispiele (Orte, Todes- oder Sexmetaphern), Landmarken, Erlebtes. Punkte auf der Karte.
Maßstab, Vergleichbarkeit, Konventionen nur Geschwätz. Kein Einsortieren. (Seltsamer Pseudo-Konjunktiv den gibt es so im deutschen nur bei indirekter Rede. Die Kids machen den gerade in Latein. Wie heißt der nur? Gibt es das in Französisch? Oder hier tatsächlich Rede? Ein anderer hat gesagt: Lebe spontan und wie du willst. Ordne dich nicht ein. Das ist eine Falle)


wahre ferne lehrt die nähe gern -
auch ohne abgelegtes Zeugnis

Altersweisheit. Zitat? Verdreht? Trochäen??? Der Bindestrich ein Durchstrich? Fehlt da was? Durch die Ferne schätzt man die Nähe?
Keine Quellenangabe, kein Schwur, wilde Ehe?

_

kartenschatz, das häuflein asche
brandursache:  trau dich funkenflug der zündler

Alles verloren. Erinnerung, Erreichtes, Ziele, Spuren, Wege und Lösungen.
Und nur, weil. Lebe spontan und wie du willst. Coup de foudre. Verlockt, verknallt. Kaboum.


flammen
flüsternde fauchende
vergehen verging

Leben, Wut, Mut
lange erstorben, so lange, so lange.

Das ist eine Bildercollage. Ebenen wechseln (Karten/Haut). Bruchstücke, Satzteile. Der Stil scheint sich ein wenig zu wandeln gegen Ende, eigentlich ab dem Fragezeichen. Da finden sich plötzlich solche Phrasen "Maßstab sei doch nur ..." " Wahre Ferne lehrt ..." Dann keine Sraßen/Karten/Haut-Assoziationen mehr, sondern Feuerbilder. Als wenn ein anderer spräche. Und nur noch bedauert. Die erste Hälfte gefällt mir besser. Ab Asche wird es seltsam kalt und öde. Ich will, dass es da zu ende ist. (Wie bei einem Scorcese- oder Michael Mann-Film, bei dem am Ende noch jeder Faden abgeschnitten wird).

Fasziniert mich.


Hallo holg,

die Art, wie du deiner assoziativen Herangehensweise Ausdruck verleihst, hat mir sehr gefallen, ich kann dir fast ausnahmslos folgen, kann auch gut verstehen, was dein "Widerstreben" gegen Ende auslöst.
Ich kann und will auch nicht wirklich auf Einzelheiten eingehen, nur soviel: Alles, von dem du glaubst, dass es da (auch) stünde, ist wirklich. Du hast nichts hinzugefügt, nichts weggenommen.
Was meine Intention angeht, gibt es nur eine oder zwei Ausnahmen:

holg hat Folgendes geschrieben:
Ein anderer hat gesagt: Lebe spontan und wie du willst. Ordne dich nicht ein. Das ist eine Falle


holg hat Folgendes geschrieben:
Altersweisheit. Zitat? Verdreht? Trochäen??? Der Bindestrich ein Durchstrich? Fehlt da was? Durch die Ferne schätzt man die Nähe?
Keine Quellenangabe, kein Schwur, wilde Ehe?


Hier kann ich für mich sagen: Verdrehung, Auflösung der Perspektive, Fragen des Blickwinkels ... das sind Elemente, die in der Lyrik (in meiner?) Motive doppeln, gar selbst zum Motiv werden.

Beispiel "Legende".  Ein bereits mehrfach besetzter Begriff wird zum Anlass genommen, durch die Andeutung der indirekten Rede  dem Gedicht - das ohnehin zweifelhaft subjektiviert ist - eine weitere zeitliche Reflexionsebene zu geben.

holg hat Folgendes geschrieben:
Lese Haut als Karte, Karte als Haut. Erlebtes zeichnet seine Spuren. Finger ertasten Abschnitt für Abschnitt.


Bis hierher folge ich dir (oder du dem Text), danach bleibt offen, so die Intention, wann gelesen, ertastet, erinnert wird, ob so etwas wie Legendenbildung stattfindet, und von wem sie ausgeht, wer die Idee verwirft und wie radikal. Skizzenhaftes oder mündlich Überliefertes gegenüber Gedrucktem, Bezeugtem.

Ein Letztes: "Erotische Implikation" - nicht wegzudenken aus diesem Text, Autorin dankt Kommentator. Und überhaupt: Vielen Dank.

Lorraine
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Gast







Beitrag13.03.2014 14:31

von Gast
Antworten mit Zitat

Noch ein Dankeswörtchen: debruma, schön, dass du hier warst, dass du liest und lobst. Ist mir viel wert.

Es geht jetzt weiter, ich will ja den Karten-Zyklus nach und nach hier einstellen, das nächste Gedicht war ursprünglich n° 3, ich habe das geändert. Manche kennen es vielleicht, es hat in der langen Zeit seit seiner Entstehung einige Veränderungen durchlaufen, für mich ist es jetzt erstmal fertig.

Allen, die hier kommentiert haben, möchte ich sagen, dass mich die Resonanz  überrascht hat, ich bin euch sehr dankbar ...

Lorraine
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Gast







Beitrag13.03.2014 14:34
Karten, II - Jupitermond
von Gast
Antworten mit Zitat

      .


      jupiŧermo

      bloß gestellte fragen
      vielfach gehäutet schon
      veräugt – beschwiegen

      eine karte ist ein zugang ist ein öffne dich
      doch zeit drängt
      engt und züngelt
      frisst den namen bald entstellt bis
      zur ungültigkeit

      eintritt ins bild / schnitt:
      hingabe sucht
      rahmenhandlung
        
      er so nah er
      denkt sie warm er
      sieht sie leise
      nimmt sie mit es quillt
      um sie und krallen einer nächtlich grauen pfote
      wollen hautleuchten durchbohren und sie
      will es wissen will sich stellen
      mondfrau öffnet ihre schenkel sucht den morgen dort
      im fernen blau

      ihre karte ist ein zugang war versprechen an sich selbst
      erträumte reise einmal noch
      wie io leuchten
      wolkenbilder wände und sein
      großes kino


      .

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Lorraine
Geschlecht:weiblichKlammeraffe


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Wohnort: France
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Beitrag15.04.2015 14:50
sie lehnte still ...
von Lorraine
Antworten mit Zitat

.



    sie lehnte still nicht stählern
    nur auf rost gesprüht aus
    linien und stand blau

    fluchtlust bist du noch
    wie sonst erklärte sich
    ein himmeln

    brich mit meinem horizont
    ich will
    auf wetterkarten kreuzen
    schatten weiter werfen weiter
    als ein höhnen reicht

     
    und jedem riss will ich die mitte sein


    tiefer brennt die atemluft bin
    außer dir und auch geschenkt
    will ich der söhne sprache nicht

    ziellinien sind treibende mein weites
    blau wird mir nicht
    abgegraben werden
    können: strömt es doch und speist



.

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Rübenach
Geschlecht:männlichExposéadler
R


Beiträge: 2836



R
Beitrag16.04.2015 11:17

von Rübenach
Antworten mit Zitat

Hallo Lorraine,

also ein spontaner kurzkommentar.

sehr viel personal im gedicht. (sie [s1v1], du/dir [s2v1; s5v2], ich/mein [s3v2; s4; s5v3; s6v1] dazu noch elliptisch in s3v1 und s5v1) sowie eine passivkonstriktion in s6 in der die handelnde (oder nichthandelnde) person nicht in erscheinung tritt.

scheinbar viel personal.

mein erster verdacht: so viele personen sind es nicht, zumindest das "sie" der ersten strophe wandelt sich in s2 zum "du" und in s3 zum "ich". wechsel der "perspektive" als zoom-artige annäherung?

motivisch knüpft [titellos] an "jupiŧermonĐ" und "₭arten" an. (reise/karten-metaphorik: linien, horizont, wetterkarten, kreuzen, evtl. ziellinien) auch das dieses gedicht umschließende "blau" ist als ein "noch fernes" bereits in "jupiŧermonĐ" vorhanden.

die sprachbilder sind gelungen und unverbraucht. mindestens einen intertextuellen bezug hab ich gefunden (oder: hineingelesen?)

Lorraine hat Folgendes geschrieben:

(...)mein weites
blau wird mir nicht
abgegraben werden
können: strömt es doch und speist


Conrad Ferdinand Meyer hat Folgendes geschrieben:

Aufsteigt der Strahl, und fallend gießt
er voll der Marmorschale Rund,
die, sich verschleiernd, überfließt
in einer zweiten Schale Grund;
die zweite gibt, sie wird zu reich,
der dritten wallend ihre Flut,
und jede nimmt und gibt zugleich
und strömt und ruht.


ich weiß nicht, ob du mit meinen anmerkungen jetzt irgendetwas anfangen kannst. aber als spontaner kurzkommentar muss es reichen.

sehr gerne gelesen.

lG Rübenach


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"Vielleicht sollten mehr Leute Schreibblockaden haben." Joy Williams
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Aranka
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A


Beiträge: 3106
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A
Beitrag16.04.2015 12:34

von Aranka
Antworten mit Zitat

Hallo Lorraine,

dieses Gedicht reizt mich, ein paar meiner vielen Gedanken, die es ausgelöst hat, zu formulieren: ungeordnet, spontan. Weil der Text Lust dazu macht.


Zitat:
sie lehnte still nicht stählern


Toller Einstieg, ich habe ein Bild: äußere Ruhe, innen schlägt ein Herz, pulst das Blut in den Adern. Ich denke auch das Wort: Schönheit. Weiß nicht genau warum. Aber „still und stählern“, das hat was, nicht nur klanglich.

Zitat:
nur auf rost gesprüht aus


flüchtig! Rost! Ich mag ihn! Er macht die Dinge aus Eisen lebendig und vergänglich.

Zitat:
linien und stand blau


Flüchtig und doch so fest! „stand blau“! Diese beiden Einsilber stehen unumstößlich. Hier ist das Einfangen der vermeintlichen Gegensätze gut ins Bild eingefangen. Flüchtig heißt ja nicht "unentschieden, unbedeutsam"; da ist ja nur etwas in Bewegung, in einem Übergang, zeigt sich in seiner Flüchtigkeit jedoch kraftvoll.

Zitat:
fluchtlust bist du noch


Das ist eine Frage ans eigene innere ICH. Eine Frage voller Hoffnung und ich spüre Lust, Lust zum Weiter.

Zitat:
wie sonst erklärte sich
ein himmeln


Wunderbar. Da schaut und horcht ein LI voller Staunen in sich hinein.

Zitat:
brich mit meinem horizont
ich will
auf wetterkarten kreuzen


Hier nun spüre ich Kraft, Energie, Wollen. Vielleicht sogar eine Spur von Leidenschaft.

Zitat:
schatten weiter werfen weiter
als ein höhnen reicht


„weiter werfen weiter“ sprachlich gut gelungen. Hier diese Intensivierung durch Wiederholung und Alliteration. Hier gehört sie hin.

 
Zitat:
und jedem riss will ich die mitte sein


Dazu braucht es kein einziges Wort. Diese Aussage steht für sich und steht gut.

Zitat:
tiefer brennt die atemluft bin
außer dir und auch geschenkt
will ich der söhne sprache nicht


Hier hat das LI sein Selbstbewusstsein gefunden, ein schreibendes Li, es hat seine Sprache gefunden, seine eigene und es setzt sie kraftvoll und selbstbewusst. (Übrigens: im gesamten Text ein stimmiger selbstbewusster Ton, voller Kraft. Gefällt mir.)

Zitat:
ziellinien sind treibende mein weites
blau wird mir nicht
abgegraben werden
können: strömt es doch und speist


Erst eine Erkenntnis: "ziellinien sind treibende". Auch hier das Flüchtige, das Weitergehen.
Dann eine Gewissheit, die erst einmal gefunden werden musste: „mein weites blau“. Es gehört mir, ich habe es mir erarbeitet? Erobert? Oder einfach nur nach langem Stillestehen endlich gefunden?
Und noch eine Gewissheit: es wird mir nicht abgegraben werden, dieses weite Blau.
Dann ein wirklich sinniger Zeilenumbruch („können“ am Zeilenbeginn) und eine sinnige Doppellesbarkeit.

Lorraine, ich muss nicht sagen, dass mich dieses Gedicht begeistert und überzeugt. Da hat jemand einen neuen Ton gefunden. Bin gespannt auf Weiteres von dir.

Liebe Grüße Aranka


_________________
"Wie dahingelangen, Alltägliches zu schreiben, so unauffällig, dass es gereiht aussieht und doch als Ganzes leuchtet?" (Peter Handke)

„Erst als ihm die Welt geheimnisvoll wurde, öffnete sie sich und konnte zurückerobert werden.“ (Peter Handke)
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firstoffertio
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Beitrag16.04.2015 23:03

von firstoffertio
Antworten mit Zitat

Das ist schön. Zumindest empfinde ich es so. Das ist aber trotzdem nicht einfach zu lesen, wobei jede Zeile ein Genuss ist, und ich meine, Lust mit eigenen Assoziationen haben zu dürfen.

Zum Beispiel denke ich am Anfang an ein rostiges blau ueberspruehtes Auto, oder auch ein Schiff.

Dann vielleicht Erinnerung, vielleicht eine neue Reise.

Diese Zeilen mag ich besonders:

"schatten weiter werfen weiter
als ein höhnen reicht

und jedem riss will ich die mitte sein "

Hier habe ich eine Idee, was du meinen könntest:

"will ich der söhne sprache nicht"

Und ich selbst fühle mich richtig gut dabei, dass ich hier auch  die schöne blaue Donau assoziieren darf. Das muss nun niemand verstehen.
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Klemens_Fitte
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Beitrag17.04.2015 18:06

von Klemens_Fitte
Antworten mit Zitat

Lorraine,

im Grunde könnte ich einfach den Kommentar, den ich dir vor gut einem Jahr zu »Karten« hinterlassen habe, hier wieder reinkopieren. Und das tue ich auch, nicht nur, weil ich mich gerne selbst zitiere, sondern auch, weil sich inhaltlich nicht viel geändert hat:

Klemens_Fitte hat Folgendes geschrieben:
entgegen anderslautender Vermutungen komme ich ja nicht aus der Lyrik, weder schreibender noch lesender Weise - kann sein, dass mir das Sensorium fehlt, die Qualität eines Gedichtes zu fühlen, und das Vokabular, mein Gefallen oder Nichtgefallen auszudrücken.

Wenn ich also sage, dass dein Gedicht auf einer intuitiven Ebene mit mir gesprochen hat und ich gleichzeitig verblüfft vor diesen wohlgesetzten Worten stehe - dann nimm das bitte einfach für das, was es ist, das Lob.


Lyrik schreibe ich immer noch nicht, ich habe aber seitdem viel an Lyrik gelesen, hier im Forum und anderswo, ich war in Darmstadt und ließ mir Lyrik lesen, und ich habe natürlich auch dein Schreiben mitverfolgt. Man könnte annehmen, mein Sensorium habe sich dadurch verfeinert, würde es mir ermöglichen, hier Interpretations- oder Textarbeit zu leisten (ein Buch mit dem Titel »Wie interpretiert man ein Gedicht?« liegt auf meinem Schreibtisch und ist mir keine große Hilfe) – aber obwohl ich weiß, dass die Frage »Gefällt mir das?« nicht die spannendste ist, hier reicht sie mir aus. Ja, das gefällt mir. Sehr.

Einen der Gründe hat Aranka richtigerweise angeführt:
Aranka hat Folgendes geschrieben:
Hier hat das LI sein Selbstbewusstsein gefunden, ein schreibendes Li, es hat seine Sprache gefunden, seine eigene und es setzt sie kraftvoll und selbstbewusst. (Übrigens: im gesamten Text ein stimmiger selbstbewusster Ton, voller Kraft. Gefällt mir.)


Ob sich ein Werk ankündigt (Rübenach hat den inhaltichen Bezug zu den vorhergehenden Gedichten angesprochen), interessiert mich nicht so sehr wie: ob ein/e Autor/in seine/ihre Sprache und – abhängig davon oder einhergehend damit – seine/ihre Themen findet.

Was täte es da noch, stellte ich einzelne Stellen heraus, die – ich sage das mit einer Mischung aus Neid und Bewunderung – ich gerne geschrieben hätte, wenn ich sowas schreiben könnte?

Zitat:
und jedem riss will ich die mitte sein


Zitat:
tiefer brennt die atemluft bin
außer dir und auch geschenkt
will ich der söhne sprache nicht


In Anbetracht dessen nur: Danke fürs Lesenlassen.

Ein unbedarfter
Klemens


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»Es ist illusionär, Schreiben als etwas anderes zu sehen als den Versuch zur extremen Individualisierung.« (Karl Heinz Bohrer)
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finis
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Die lange Johanne in Bronze


F
Beitrag19.04.2015 21:06

von finis
Antworten mit Zitat

Liebe Lorraine,

Ich kann nur sagen, dass ich sehr beeindruckt bin: von der Spannweite der drei Gedichte und ihrem Zusammenspiel, von dem Ausbrechen des lyrischen Ichs, das seinen Horizont hinter sich lässt. Da steckt so viel drin, dass ich mich gar nicht traue die Verse mit einer Lesart zu besetzen. Ich werde sie immer wieder neu lesen können.

Liebe Grüße
finis


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"Mir fehlt ein Wort." (Kurt Tucholsky)
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Lorraine
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Beitrag07.05.2015 11:12

von Lorraine
Antworten mit Zitat

Geschätzter Herr Rübenach,
Ein gestohlenes Stündchen bietet die Gelegenheit, dir einen Antwortversuch zu schreiben.

Rübenach hat Folgendes geschrieben:


sehr viel personal im gedicht. (sie [s1v1], du/dir [s2v1; s5v2], ich/mein [s3v2; s4; s5v3; s6v1] dazu noch elliptisch in s3v1 und s5v1) sowie eine passivkonstriktion in s6 in der die handelnde (oder nichthandelnde) person nicht in erscheinung tritt.

scheinbar viel personal.

mein erster verdacht: so viele personen sind es nicht, zumindest das "sie" der ersten strophe wandelt sich in s2 zum "du" und in s3 zum "ich". wechsel der "perspektive" als zoom-artige annäherung?


Erstmal entziehe ich mich dem Suggestiven deiner Frage und stelle fest, dass es sich weniger um Perspektivwechsel, denn um Überlagerungen handelt, die es interpretatorisch gesehen ermöglichen, von einer zunächst instabilen Wahrnehmung ausgehend, dem Text mit mehr als einer Lesart zu begegnen.
 
Mein inzwischen konsequenter Verzicht auf Großschreibung und Satzzeichen bei solcherart Texten spielt dabei eine weitere Rolle, und ich versuche, dem Fehlen dieser mir in der Prosa so wichtigen Hilfsmittel einen echten "Wertausgleich" entgegenzusetzen – ob mir das mit semantischer Verknüpfung und dem Zusammenspiel Vers/Zeilenumbruch/Strophe immer gelingt … jedes Gedicht (wenn ich es denn erst mal loslassen kann) stellt eine Station auf einem Weg dar, nicht mehr, aber auch nicht weniger.


Rübenach hat Folgendes geschrieben:
motivisch knüpft [titellos] an "jupiŧermonĐ" und "₭arten" an. (reise/karten-metaphorik: linien, horizont, wetterkarten, kreuzen, evtl. ziellinien) auch das dieses gedicht umschließende "blau" ist als ein "noch fernes" bereits in "jupiŧermonĐ" vorhanden.


Ja, es knüpft an. "₭arten" als Zyklus betrachte ich nicht als abgeschlossen, ich nehme das immer wieder auf und Manches (wie hier geschehen) fügt sich dann selbstverständlich ein.

Rübenach hat Folgendes geschrieben:
die sprachbilder sind gelungen und unverbraucht. mindestens einen intertextuellen bezug hab ich gefunden (oder: hineingelesen?)


Wenn ich davon absehe, dass ich (man) Gedichte wie "Der römische Brunnen" seit der Schulzeit im Gepäck trägt, nein: Ich habe hier keinen Bezug herstellen wollen. Ich glaube zwar zu verstehen, was du andeutest, finde jedoch selbst, dass Meyers Metaphorik zusammen mit der kunstvollen Gestaltung den Kreislauf, aber auch die wechselnde Dynamik von Ruhe und Strömen, Nehmen und Geben einen Kunstbegriff "verdinglicht" und auf eine Weise erfahrbar macht, die (auch durch den Verzicht auf ein Ich) über sich selbst hinausweist.
Nicht nur formal könnte ich hier wenig Parallelen ziehen.
Ich weiss nun nicht, ob du mit meinem Antwortversuch auf deinen spontanen Kurzkommentar "jetzt irgendetwas anfangen kannst".
Danke für's "gerne gelesen",
Lorraine
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Mettbrötchen
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Alter: 35
Beiträge: 490
Wohnort: Rheinland
Ei 1


Beitrag07.05.2015 11:38

von Mettbrötchen
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Hallo Lorraine,

Gedichte, die ganz stark über die lautliche Ebene arbeiten. Über Homophonien und Worttrennungen werden neue in den Wörtern verborgene Räume geöffnet, ohne dass der Bezug zum Ausgangswort verloren ginge. Die Semantik ist eher ein Aufleuchten, da ist etwas Träumerisches in den Gedichten, wie die Gedanken, die einem im Halbschlaf auf einer langen Reise kommen, wobei das jetzt eine sehr subjektive Assoziation ist. Grenzen verschwimmen, Sprachen verschwimmen und es bildet sich eine neue poetische Welt. Dabei ist das aber nicht bloße Traumtänzerei, sondern bewahrt immer den Bezug zur außersprachlichen Wirklichkeit. Da ist ein lyrisches Ich, das eine Grenzgängerin in verschiedener Hinsicht ist. Da ist auch ein großes Schweigen in diesen Texten, "bloß gestellte fragen" die "beschwiegen" werden, Schnitte in die Vergangenheit, in ein "großes kino", Fragmente einer Liebesbeziehung, die sie hinter sich gelassen hat, etwas, wofür sie die Sprache sucht, um festzuhalten, was vergangen ist. Es sind BefindLichter, die hier überall aufblitzen, emotionales und örtliches Befinden, ReflekTüren zurück in die Vergangenheit, die sich sprachlich öffnen und wieder schließen. Die Sprache sucht und findet und verliert wieder und wird Musik dabei.

Das ist brillante Lyrik, liebe Lorraine.

Beeindruckte Grüße
Mettbrötchen


_________________
I read somewhere how important it is in life not necessarily to be strong... but to feel strong.
(Christopher McCandless
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Lorraine
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Beiträge: 648
Wohnort: France
Das goldene Stundenglas Ei 10
Lezepo 2017 Pokapro 2016


Beitrag08.07.2015 19:13

von Lorraine
Antworten mit Zitat

Hallo,

ich bin, denke ich, hier Antworten schuldig geblieben, auch Dank.
Liebe firstoffertio, ich hätte gern mehr erfahren, was deine Assoziationen betrifft, aber gefreut hat mich deine Rückmeldung dennoch.
firstoffertio hat Folgendes geschrieben:
Das ist schön. Zumindest empfinde ich es so. Das ist aber trotzdem nicht einfach zu lesen, wobei jede Zeile ein Genuss ist, und ich meine, Lust mit eigenen Assoziationen haben zu dürfen.

Aranka,
dass dieses Gedicht Anlass für einen deiner (zu der Zeit) recht seltenen Kommentare gab, war eine (schöne) Überraschung. Deine Zeilen stehen für sich selbst, ich habe sie manches Mal wieder gelesen, es fiel mir und fällt mir auch jetzt aber schwer, hierauf etwas zu erwidern:
Aranka hat Folgendes geschrieben:
Lorraine, ich muss nicht sagen, dass mich dieses Gedicht begeistert und überzeugt. Da hat jemand einen neuen Ton gefunden. Bin gespannt auf Weiteres von dir.

Man begibt sich vielleicht mit jedem neuen Text, gerade in der Lyrik, weiter auf eine Suche, ich kann das Gefühl, einen Ton gefunden zu haben,
aber nicht bestätigen. Die Faszination, die Lyrik zu bestimmten Zeiten auf mich ausübt, hat damit zu tun, dass ich ganz konkret um "Fassung ringen" kann. Ich fürchte deshalb, dass es keinen Ton, oder eine Stimme als Konstante geben kann oder wird.
Hallo finis,
Zitat:
Da steckt so viel drin, dass ich mich gar nicht traue die Verse mit einer Lesart zu besetzen. Ich werde sie immer wieder neu lesen können.
Vielen Dank dafür.
Klemens, du weisst (hoffentlich), wie wertvoll mir dein Gefallen ist.
Mettbrötchen, dein einerseits subjektiv gefärbter, andererseits eloquent begründeter Kommentar macht mich verlegen - einer der Gründe, warum mir das Antworten so schwer fiel. Vielen Dank für das, was du geschrieben hast, ich behalte es.
L.
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