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Brömsesommer


 
 
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LaUrbanista
Geschlecht:weiblichSchneckenpost
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Beiträge: 11



L
Beitrag11.03.2014 23:54
Brömsesommer
von LaUrbanista
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Hallo ihr Lieben,

ich hab ja noch einen zweiten Einstandstext offen.
Den hab ich heut abend zusammen gebastelt. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob nicht einige Stellen zu kurz kommen und andere zu ausführlich sind.

Ich hab auch kurz überlegt, ob ich den Mittelteil aus Erzählerperspektive schreibe, aber ich fand es dann zu schade, Brömse nicht selbst erzählen zu lassen. Was denkt ihr?
Freue mich über Anregungen und Kritik!

Viele Grüße!

Brömsesommer

Onkel Brömse fuhr mit quietschenden Reifen vor um ihn zu retten. Jonas musste öfter mal gerettet werden. Und in seiner Funktion als Patenonkel fühlte Brömse sich da eindeutig hauptverantwortlich.
Brömse hatte nachmittags am Telefon festgestellt, dass Jonas viel zu viel lernte. Das konnte nicht gut sein, auch wenn die Abiturprüfungen ziemlich nahe gerückt waren. Also Rettungsaktion.

Die Brömserettungen liefen immer gleich ab: Jonas wurde auf den Beifahrersitz von Onkel Brömses klapprigem Mercedes geschoben, dann ging es raus auf´s Land, wo Brömse eine Pinte ansteuerte, die seiner Meinung nach als „ehrlich“ zu bezeichnen war. Hieß: Man durfte rauchen, und die Küche bot maximal Würstchen mit Kartoffelsalat an. Zur Bedienung sagte Onkel Brömse dabei den immer gleichen Satz „Ein Pilsken für mich, zwei für ihn hier.“, wobei er mit dem Zeigefinger auf Jonas zeigte. Das ging noch zwei, drei Runden so weiter, bis Jonas nicht mehr scharf sehen und Brömse noch einigermaßen den Wagen lenken konnte.

Brömse sah aus wie ein Bauer mit eingekreuztem Dandy. Zur grobporigen Knollennase kombinierte er gern kleingemusterte Seidenschals. Beruflich drehte er den Leuten Immobilien an. Das lief ganz gut, aber nicht zu gut, denn nicht alle Kunden waren Brömses Fall, wie er zu sagen pflegte. Jonas vermutete, dass es eher umgekehrt war.

Jonas hatte seine zwei Biere vor sich stehen und begann sofort zu trinken. Warm und schal schmeckte es nicht, Erfahrungswert.
„Was haste nach den Prüfungen vor?“ fragte Onkel Brömse.
„Bis jetzt noch nichts.“
„Ich sach dir eins: Egal, was bis jetzt war, und egal, was noch kommt, auch wenn du Kaiser von China wirst - das jetzt, das wird der beste Sommer deines Lebens. Den genießt du, jede einzelne Sekunde lang, klar?“
„Klar.“ Jonas nickte und nahm einen weiteren Schluck.
„Diesen einen Sommer lang liegt dir die ganze Welt zu Füßen. Danach is nur wieder Stress mit Uni oder Arbeit oder was weiß ich.“
Jonas nickte mit dem Glas an den Lippen. Er schluckte das Bier herunter.
„Und, Onkel Brömse, was hast du in dem Sommer nach dem Abi gemacht?“
„Och.“
„Wie jetzt? Der beste Sommer deines Lebens war nur och?!“
Brömse grinste, lehnte sich zurück und zündete sich eine Zigarette an. Nach einem langen Zug fing er an zu erzählen.

„Ich war ja ein clever Kerlchen und hab mich ausmustern lassen. So hatte ich den Sommer nach dem Abi nix weiter zu tun und musste erst im Oktober zum Studium nach Marburg.“
„Du hast in Marburg studiert?!“
„Keine Angst, das ging schnell in die Hose. Aber Ruhe jetzt, Onkel Brömse ist dran. Dieser ganze lange Sommer lag vor uns wie ein gold schimmernder See in der Augustdämmerung - und wir mit Anlauf und Arschbombe rein. Erstmal wurde natürlich kräftig gefeiert. Wir waren fast jeden Abend unterwegs und haben die Kneipen und Clubs unsicher gemacht. Wir waren die Kings. Die Schule hatten wir hinter uns gebracht, das ganze Leben lag noch vor uns. Die Welt hat natürlich nur auf uns gewartet, klar. Tagsüber haben wir im Freibad gelegen. Kater auskurieren und den Mädchen nachgucken. Da haben wir uns schön die Pelze verbrannt, aber war egal. Meine Erinnerung verarscht mich nach Strich und Faden, aber wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sogar sagen: Meine Frau Mutter hat mir jeden Tag Pfannkuchen zum Frühstück gemacht, so gut war die Zeit.“
Brömse zeigte der Bedienung drei weitere Pilsken-Finger.
„Zwei, drei Monate ging das nur so, ich und die Jungs aus meiner Klasse. Manchmal haben wir uns mit den Mädchen getroffen, aber da war nix. Wir waren feige kleine Lümmel. So gegen August lief das dann alles irgendwie aus. Ein paar sind noch in den Urlaub, einige wurden vom Bund einkassiert, andere sind in die Lehre. Wir anderen fingen an, nach Studentenbuden und so zu suchen. Musste ja alles organisiert werden. Jedenfalls war ich mehr zuhause.
Meine Mutter hatte ihren Garten, da war sie stundenlang zugange, die alte Brömserin. Ich hab mir ein Buch geschnappt und mich auf´s Dach vom alten Ziegenstall gelegt. Da auf der Teerpappe war es schön mollig warm. Nach drei Seiten bin ich meist weg gedöst. Das kam ja bei den Mädels gut an, wenn man die ganze Zeit mit einem zerknödelten Taschenbuch unter´m Arm rumlief. War aber nix für mich, hab ich dann später im Leben auch noch eingesehen. Also, das mit den Büchern, nicht das mit den Mädels.“
Brömse lachte und kümmerte sich ein bisschen um sein Bier.
„Jedenfalls hatten wir seit Winter das Fräulein Reiling als Mieterin oben in der kleinen Mansardwohnung. Wie ein Fräulein sah die überhaupt nicht aus, aber meine Mutter hat das immer gesagt, weil die ja nicht verheiratet war. Das war so eine eher kompakte Frau, bisschen schwammig im Gewebe, wildes, struppiges Haar, und die Haut auch nicht mehr ganz lupenrein. Wenn das Fräulein Reiling von der Arbeit nach Hause kam, hat sie sich meist umgezogen und ist runter um meiner Mutter im Garten ein bisschen zu helfen. Das Frühjahr über hat man die nicht zu Gesicht bekommen, aber wie ich da so lag zwischen Dachpappe und Buch, konnte ich da mal einen näheren Blick drauf werfen. Das Fräulein Reiling war ungefähr doppelt so alt wie ich. Eigentlich ja kein Hingucker, schon gar kein Vergleich zu den Weibern aus meiner Klasse mit ihrer Buttermilchhaut und den kurzen Röckchen, aber irgendwie hatte die was. Die sprühte vor Leben, die reinste Spraydose. Wenn die Damen kurz Pause gemacht haben um einen Schluck zu trinken und sich den Dreck aus dem Gesicht zu wischen, hat sie mich oft aufgezogen, wie ich da so lag mit meiner Weltliteratur auf dem Gesicht. Recht hatte sie. Jedenfalls gab es dann mal den ein oder anderen Blick mehr, der auch das ein oder andere Mal ein bisschen länger ausfiel.“
Patenonkel Brömse machte eine Pause und läutete beim Personal die dritte Runde ein.
„Irgendwann abends ist sie nach der Gartenarbeit zu mir auf die Dachpappe geklettert. Sie war jetzt auch nicht die beweglichste, und sie hat die ganze Zeit so herrlich über sich selbst gelacht, wie sie da in den Seilen hing. Als sie oben war, hab ich angefangen, über Literatur zu quatschen. Sie hat das gleich durchschaut. Hatte ne riesige Sammlung oben in ihrer Mansardbude stehen, die hat gemerkt, dass das bei mir nur Show ist. Aber dann sind wir auf Musik gekommen. Das war mehr so unser Thema. Na ja, es lief dann drauf raus, dass sie mich zu sich eingeladen hat, Platten hören. Junge, die ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Nachts hab ich angefangen, von ihr zu träumen, auf die klebrige Art. Einen Sonntag bin ich aufgewacht, so nen Traum im Kopf, draußen nur Geniesel. Den halben Tag hab ich im Bett gelegen und über mir ihre Schritte gehört und wie sie gesummt hat. Ich bin fast verrückt geworden. Nachmittags hab ich es nicht mehr ausgehalten und bin zu ihr hoch. Die hat mir die Tür aufgemacht, und da war gleich klar, was los ist, wie ich da stand mit meiner wehenden Fahne. Das Fräulein Reiling hat nix gesagt, nur Platz gemacht, damit ich reinkommen kann. `Bier?“´, hat sie mich dann gefragt. Eins hatte sie noch im Kühlschrank. Sie macht die Flasche auf und nimmt einen langen Schluck, dann gibt sie mir die Pulle. Ich glaub, so rot im Gesicht war ich nie wieder.“
Jonas kämpfte mit dem sechsten Bier. Brömse schüttelte die letzte Zigarette aus der Packung.
„Willste jetzt wissen, wie es weitergeht?“
Er grinste. Jonas hielt dem Blick stand; das war ja nicht sein erster Abend mit Onkel Brömse.
„Ja, aber nicht alle Details, bitte. Du bist schließlich mein Patenonkel!“
„Sie hat mich an der Hand genommen und ins Wohnzimmer geschleppt. Rolladen und Klamotten runter. Wie gut die sich angefühlt hat! Ich hab dann später doch noch von den Buttermilchmädchen probiert, aber das war mir alles zu glatt gebügelt. Auf mein Fräulein Reiling lass ich nix kommen. Jedenfalls hat sie gleich alles glatt gezogen, kein Wort zu deiner Mutter, wir treffen uns nur heimlich und so. Zwei, drei Mal die Woche hab ich mich hochgeschlichen, jeden Tag drei Mal so verschossen wie noch am Abend zuvor. Drei Wochen vor Marburg hab ich ihr dann gesagt, dass ich nicht weggehen würde und wir lieber durchbrennen sollten. Sie hat mich gleich vor die Tür gesetzt und mir vorher noch verboten Marburg sausen zu lassen. Feierabend. Ich bin dann natürlich doch hin, vorrangig, weil ich es in der Wohnung unter ihr nicht mehr ausgehalten hab. In Marburg hab ich vier Wochen lang abwechselnd gesoffen und geheult. Und dann wurde mir schlagartig klar, wie Recht sie gehabt hat. Mit 19 musst du für den Augenblick leben, sonst nix.“

Jonas konnte nicht mehr richtig gucken und grinste glückselig. Auf Onkel Römses Rettungen war einfach immer Verlass.
„So, Junge, jetzt kauf ich dir noch nen Kümmel, und dann bring ich dich nach Hause, Schlafenszeit. Du musst dich schön ausruhen. Der beste Sommer deines Lebens steht vor der Tür.“

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lilaluna
Gänsefüßchen
L


Beiträge: 35



L
Beitrag12.03.2014 00:38

von lilaluna
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Eine hübsch beschriebene Szene ist das, Urbanista. Da sitzt alles dort, wo es hingehört. Das Bier, der Onkel, die Sprache und die Sprüche. Bei Szenerien wie dieser da denke ich an Hafenkneipen, an Hans Albers und an Schwarzweißfilme und an das Bauchweh, das man als junger Mensch hat, wenn man nicht so genau weiß, wo’s hingeht.

Die Alten wissen‘s auch nicht. Der Onkel redet viel, weil er es gut meint, aber bewegt hat er offenbar nichts in seinem Leben und er wird auch nichts bewegen. Als Vorbild taugt er eher nicht, er ist mehr der Kümmerer. Kümmert sich um seinen Neffen auf seine Art. Das ist sympathisch und ziemlich altmodisch. Jonas scheint ihn zu mögen, aber es wird nicht recht klar, warum. Muss es auch nicht. Es genügt, zu ahnen, dass in vierzig Jahren, wenn sich Onkel Bröme längst zu Tode getrunken, geraucht und schwadroniert haben wird, Jonas mit seinem Neffen genau dort angelangt sein wird, wo er mit seinem Onkel jetzt steht, und dem angebläuten Kleinen erzählen wird, dass ihm eigentlich die ganze Welt offenstünde. Wenigstens einen kurzen Augenblick lang.

Es ist keine wirklich lustige Nummer, weil man, wie der Onkel, ein bisschen um Jonas kümmert, der gerade eben nicht „gerettet“ wird für einen Sommer im Süden, der wirklich grenzenlos sein könnte, sondern eingenordet. Mit sechs Pils und einem Korn. Es wird immer wieder so sein. Das ist traurig und tröstlich zugleich.

Wie schon eingangs gesagt: Hübsch tadellos! Es sitzt wirklich alles dort, wo es hingehört.

Liebe Grüße

lilaluna
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Klemens_Fitte
Geschlecht:männlichSpreu

Alter: 41
Beiträge: 2934
Wohnort: zuckerstudio waldbrunn


Beitrag12.03.2014 10:30

von Klemens_Fitte
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Hallo Jessica,

eine eigenartige Sympathie, wenn man das so sagen kann, die dein Text bei mir weckt. Diese seltsame, problematische Sympathie, die man gegenüber der Verwandtschaft empfindet, von der man irgendwie nicht loskommt; die Einem Geschichten erzählt, deren Pointe sie selbst nicht kapiert - weil sie im Grunde auch gar nicht wichtig ist, vielleicht (und in diesem 'vielleicht' steckt eine ziemlich große Entscheidung, die manch Einer nie treffen wird).

Worum geht's? Um einen Text? - ach so, ja: Das passt schon, sprachlich. Eine Sache: Der Anfang
Zitat:
Onkel Brömse fuhr mit quietschenden Reifen vor um ihn zu retten.

ist sehr schön, aber dann folgt, nach einem kurzen Exkurs:
Zitat:
Jonas hatte seine zwei Biere vor sich stehen und begann sofort zu trinken.


Da ist doch ein Sprung, oder? Vielleicht wäre der erste Satz so besser:

Zitat:
Onkel Brömse war mit quietschenden Reifen vorgefahren, um ihn zu retten.


Was meinst du?

Fazit: Nee doch, gefällt mir. Morgen trinke ich ein paar Bier auf Onkel Brömse, versprochen.

Gruß,
Klemens
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timcbaoth
Leseratte


Beiträge: 114



Beitrag12.03.2014 13:00

von timcbaoth
Antworten mit Zitat

Hallo Laurbanista

Gefällt mir gut, deine Geschichte. Inhaltlich ist das alles top und großteils auch gut vermittelt.

An zwei Stellen bin ich etwas gestolpert:

Zitat:
Jonas hatte seine zwei Biere vor sich stehen und begann sofort zu trinken. Warm und schal schmeckte es nicht, Erfahrungswert.


Den Satz habe ich zuerst falsch gelesen. Das liegt wohl daran, dass der Konjunktiv nicht sofort als solcher erkennbar ist. Vielleicht könnte man das so umschreiben: Jonas hatte seine zwei Biere vor sich stehen und begann sofort zu trinken, bevor sie warm und schal würden.

Die zweite Stelle beinhaltet recht viele Wortwiederholungen. Ich glaube, darin keine Absicht zu erkennen:

Zitat:
Zwei, drei Mal die Woche hab ich mich hochgeschlichen, jeden Tag drei Mal so verschossen wie noch am Abend zuvor. Drei Wochen vor Marburg hab ich ihr dann gesagt, dass ich nicht weggehen würde und wir lieber durchbrennen sollten. Sie hat mich gleich vor die Tür gesetzt und mir vorher noch verboten Marburg sausen zu lassen. Feierabend. Ich bin dann natürlich doch hin, vorrangig, weil ich es in der Wohnung unter ihr nicht mehr ausgehalten hab. In Marburg hab ich vier Wochen (= 1 Monat) lang abwechselnd gesoffen und geheult.


_________________
Liebe Grüsse
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scopie
Geschlecht:weiblichLeseratte


Beiträge: 152



Beitrag12.03.2014 18:02

von scopie
Antworten mit Zitat

Hallo LaUrbanista,

Dir widme ich meine allererste Rezension in diesem Forum.

Ich bin begeistert von Deiner Geschichte. Der Titel macht neugierig, "Was ist das denn für ein Wort?", und von Anfang an hattest du mich schon, ich wollte weiterlesen. Häufig musste ich grinsen oder sogar ein bisschen lachen, zum einen wegen einzelner Wortkreationen wie "Pilsken-Finger", vor allem aber natürlich wegen der Sprechweise, die Du Onkel Brömse gekonnt in den Mund gelegt hast.

Die Atmosphäre kann ich auch hier vor dem Bildschirm förmlich spüren, hatte auch die rauchige, hochprozentige Kneipenluft in der Nase.
Onkel Brömse ist so einer, dem man irgendwie gespalten gegenübersteht. Einerseits hat er halt dieses "Komma her, der Onkel erzählt dir ma wat"-Format, was die Augen etwas rollen lässt, weil man als Teenager ja so gerne den Weisheiten von angetrunkenen Erwachsenen gelauscht hat. (; Andererseits hat er etwas Gemütliches. Die (vermutliche) Ereignislosigkeit in seinem Leben ist hier nicht unbedingt trist, eher strahlt er dadurch etwas Ruhiges, Konstantes aus. Im Vergleich hat Jonas den Großteil seines Lebens noch vor sich, ein guter Kontrast.

Zwischendurch dachte ich: Beschreib den Onkel Brömse doch ein kleines bisschen ausführlicher, die Knollennase und der Seidenschal wecken eher die Lust auf mehr als dass sie ganz zufriedenstellen. Selbst die klischeehafte Bierplauze würde überhaupt nicht stören, auch weil Du mit Deiner Wortgewandtheit den Fokus sicher mehr auf den Humor als auf "Klischee!" legen könntest.
Vielleicht müsstest du dann aber auch noch ein, zwei weitere Sätze zu Jonas schreiben, einzig und allein damit es nicht zu unausgeglichen wirkt. Denn an sich muss ich sagen, dass ich auch trotz der nur spärlich gesäten Beschreibungs-Häppchen ein Bild vom Jonas im Kopf hatte.

Optisch bzw. von der Textformatierung her finde ich es auch sehr treffend, dass eine "wall of text" erscheint, sobal Onkel Brömse zu erzählen beginnt.

Zwei Punkte fielen negativ auf (wobei "negativ" hier eigentlich ein viel zu starkes Wort ist):

Die Formulierung "kümmerte sich ein bisschen um sein Bier" klingt zu unscharf und nicht schön.

Der Text lässt sich zwar wunderbar fließend lesen, aber während Onkel Brömses Erzählung vermisse ich hier und da den Jonas, auch wenn er nur eine Nebenfigur ist. Man merkt, Brömse gibt wohl ganz gerne mal ein paar Anekdoten zum Besten, bloß sollte man den Zuhörer nicht komplett vergessen. Jonas kann auch mal an seinem Bier nippen und mit interessiert hochgezogenen Brauen über den Rand zu Onkel Brömse gucken. Es wird mir sonst zu unrealistisch, Brömse hält ja keine Rede. Nur wenige verstreute Sätze über Jonas würden es für mich schon auflockern.

Ich hoffe, ich habe nichts Wesentliches vergessen oder einen groben Fehler gemacht. Falls dem so sein sollte, weist mich bitte darauf hin. Bin ja noch nicht so vertraut mit allen Gepflogenheiten hier.

Herzliche Grüße
scopie
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lilaluna
Gänsefüßchen
L


Beiträge: 35



L
Beitrag12.03.2014 18:25

von lilaluna
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Bevor @Urbanista selber antwortet und sich zu rechtfertigen versucht, sag ich als Außenstehender: Das hier will bestimmt kein Erlebnisaufsatz sein, sondern der Beschrieb eines "Onkels", der es gut meint, aber nicht wirklich kann. Ob Jonas zwei oder drei Beine hat, spielt überhaupt keine Rolle. Es ist nur wichtig, dass Brömmse eine Projektionsfläche findet.

Und deshalb berührt diese Nummer. Würde man sie so aufplustern, wie Du wohlmeinend vorschlägst, scopie, wär sie ruiniert.

Liebe Grüße

lilaluna
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Jack Burns
Geschlecht:männlichReißwolf

Alter: 54
Beiträge: 1444



Beitrag12.03.2014 19:59

von Jack Burns
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Hallo

Eine gelungene Charakterzeichnung. Du arbeitest mit griffigen Formulierungen - da ist (fast) kein Wort zu viel oder zu wenig. Ich sehe den Typ deutlich vor mir: Einer der Schaumschläger, die vorgeblich andere "retten" aber in Wirklichkeit nur ihre beschränkte Weltsicht aufdrücken. Spätestens der Kommentar, dass der Onkel besoffen mit seinem Neffen Auto fährt, lässt jede Sympathie bei mir verschwinden. Ein ewig Pubertierender, der den Schuss nicht gehört hat - ich kenne solche Leute.

Die (Un)Moral der Onkel-Geschichte wird durch die seltsame Logik am Ende verstärkt: Seine Geliebte sagt ihm, er solle an die Zukunft denken und studieren, er gibt ihr Recht und lebt nur für den Augenblick.

Das ist ein sehr guter Text.
Der Form halber, möchte ich erwähnen, dass es bei wenigen Formulierungen, Unstimmigkeiten gibt.

Grüße
Martin


_________________
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scopie
Geschlecht:weiblichLeseratte


Beiträge: 152



Beitrag12.03.2014 20:26

von scopie
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Hallo lilaluna,

zwei, drei weitere Sätze empfinde ich nicht als "Aufplustern". Weiterhin müssten diese Sätze schon sehr unglücklich platziert und formuliert werden, um die Geschichte komplett "ruinieren" zu können. Das sind unnötig starke Worte für so einen kleinen Vorschlag, zumal dessen Umsetzung m.E. alles andere als ein Muss ist und mir ein "Danke, aber ich bin schon zufrieden" von der Autorin nicht wehtun würde. Ich denke, in meinem Beitrag wurde deutlich genug, dass ich die Geschichte auch so, wie sie jetzt ist, für ausgesprochen gelungen halte.

Grüße
scopie
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Gast







Beitrag12.03.2014 22:35

von Gast
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Hallo LaUrbanista,

Dein zweiter "Einstand" und eine weitere Kostprobe. Bis jetzt habe ich es versäumt, bei "Commis de rang" einen Kommentar zu hinterlassen, obwohl ich ziemlich beeindruckt war, aber auch zu kritisieren hätte. Und nun diese Geschichte, die so anders ist und dadurch ein wenig mehr von der Bandbreite dessen zeigt, was du so schreibst und auch, welche Ansprüche du an dich stellst.
Kurz und knapp: Mir gefällt diese Geschichte gut. Sie liefert genügend Anstösse zum Weiterdenken, zwingt andererseits niemand dazu - man kann sie auch schlicht zur Unterhaltung lesen, es gibt ein paar glanzlichtrige Formulierungen, gut!

Zitat:
Brömse sah aus wie ein Bauer mit eingekreuztem Dandy.
Laughing

Zitat:
„Du hast in Marburg studiert?!“
„Keine Angst, das ging schnell in die Hose. Aber Ruhe jetzt, Onkel Brömse ist dran.


Das hat erstens Witz, zweitens wird nebenbei klar, dass er sich nicht unterbrechen lassen wird.

Einen Protagonisten nehmen wie er ist. Das fällt mir als Leser dann leicht, wenn ich ihn als echt erlebe. Ich wünsche mir die erzählte Welt nicht anders, bloss weil mir einer darin nicht passt. Das passiert mir nur dann, wenn der Autor es nicht schafft, mich einfach nur dabei sein zu lassen, sondern versucht, mich zu manipulieren (Zeigefinger, moralischer zB), und das womöglich noch ziemlich plump.

Hier habe ich kein solches Gefühl. Klasse Einstand, schön, dass du hier bist.

Lorraine
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Constantine
Geschlecht:männlichBücherwurm


Beiträge: 3311

Goldener Sturmschaden Weltrettung in Bronze


Beitrag13.03.2014 16:34

von Constantine
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Hallo LaUrbanista,

vielen Dank für deine tolle Geschichte. Sie hat mir sehr gefallen und erinnert mich ein wenig an "Die Stripperinnen vom Burbank".
Du erzählst deine Story gekonnt mit einem Augenzwinkern, dabei stellst du deine Protas nicht bloß und urteilst nicht über sie. Onkel Brömse als Type kommt sehr gut rüber. Jonas ist mir einen Ticken zu passiv bei dieser "One-Man-Show".

Der ein oder andere kleine Vertipper und Interpunktionsfehler sind drin in deiner kurzen Story, ansonsten ist sie prima geschrieben.

Ob du anstelle der langen "Rede" vom Brömse lieber den Erzähler hättest wählen sollen, gestört hat es mich nicht. Vielleicht eine kleine Überlegung, ob du deine Story nicht aus Sicht eines Ich-Erzählers, vielleicht Jonas, hättest gestalten können?

Danke fürs Einstellen. Sehr gerne gelesen.

LG,
Constantine
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LaUrbanista
Geschlecht:weiblichSchneckenpost
L


Beiträge: 11



L
Beitrag14.03.2014 18:30

von LaUrbanista
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Hallo ihr Lieben,

vielen Dank für eure ermunternden Kommentare und Anregungen zum Text. Ich bin grad ganz schön viel mit weltlichen Dingen beschäftigt und werde das in den nächsten Tagen hoffentlich mal in Ruhe durchackern können.

Liebe Grüße und ein schönes Wochenende!
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