Blind Date

[BreeBendi]

So, damit ihr einen Eindruck von meiner Art zu schreiben bekommt, hier Beitrag Nr. 1. Über Feedback würde ich mich freuen. Viel Spaß damit.

Blind Date

Ich weiß nicht, was mich geritten hat, mich dort anzumelden. Sowas habe ich noch nie getan. Meine Freundin Eva muss mir helfen, weil ich mit Technik jedweder Art immer auf Kriegsfuß stand und vermutlich auch für den Rest meines Leben stehen werde. Sie lädt ein Foto von mir hoch, auf dem ich nicht so schlimm aussehe wie auf den anderen.
„Ich weiß nicht, was du hast. Du siehst toll aus auf dem Bild“, behauptet sie dreist.
Nee, ist klar!
„Meine Haare sehen aus, als hätte mich ein Kleinkind frisiert“, nörgele ich. Ich kann nicht anders, meine Haare sind mein Schwachpunkt.
„Quatsch!“ Eva drückt ein paar Tasten, gibt meine Daten ein und sagt schließlich: „So, fertig. Du bist registriert und wirst dich bestimmt vor Anfragen nicht retten können.“
Ich tippe mir vielsagend an die Stirn.
Erstaunlicherweise hat sie Recht. Schon am nächsten Tag haben sich vier Männer gemeldet, die ausnahmslos finden, dass ich gut aussehe und einen sympathischen Eindruck mache. Alle vier möchten mich näher kennenlernen. Nach ein paar schriftlichen Annäherungen wird mir jedoch klar, dass diese Typen absolut nichts für mich sind. Der eine schwärmt für Leder, der nächste wohnt noch bei Mutti und so geht es munter weiter.
Als ich zwei Wochen und viel zu viele Spinner später beschließe, dem Ganzen ein Ende zu setzen, meldet sich ein Mann, der erst auf den zweiten Blick eine gewisse Attraktivität besitzt, jedoch vom ersten Wort an mit seinem Humor besticht. Ich bleibe also doch und wir schreiben uns regelmäßig und mit wachsender Begeisterung. Er heißt Paul, ist drei Jahre älter als ich und in der Immobilienbranche, was viele als Minuspunkt ansehen würden, ich jedoch nicht. Ich habe eine Schwäche für Immobilien.
Bald tauschen wir Telefonnummern und ich muss gestehen – seine Stimme ist wirklich sexy. Tief und rauchig. Sein dunkles Lachen geht mir durch und durch. Wir telefonieren täglich und mindestens eine Stunde. Wir haben in vielen Dingen denselben Geschmack, mögen die gleiche Musik und dieselben Serien. Er bringt mich zum Lachen und sorgt allein durch den Klang seiner Stimme für eine wohlige Gänsehaut auf meinen Unterarmen. Ich mag es, wie er meinen Namen ausspricht.
Paul wohnt nicht weit weg von mir, nur etwa zwei Stunden mit dem Auto, und so ist es nicht verwunderlich, dass er mich eines Tages um ein Treffen bittet. Ich bin nervös und einverstanden.  Was soll schon schiefgehen? Er ist stets nett und höflich gewesen, keine Spur aufdringlich.
Bis zu unserer Verabredung sind es nur ein paar Tage und ich habe noch alle Hände voll zu tun. Da wir uns in einem Restaurant in meiner Heimatstadt treffen wollen, könnte es ja durchaus passieren, dass er noch mit zu mir kommt. Also putze ich einfach alles, von den Fenstern bis zu den Regalen in den Küchenschränken.
Als ich mit der Wohnung fertig bin, geht es mit mir weiter. Klamotten. Was soll ich bloß anziehen? Ich muss noch einkaufen, daran führt kein Weg vorbei. Unmöglich, bei unserem ersten Date in Jeans und T-Shirt aufzutauchen.  Zum Friseur muss ich auch noch, unbedingt. Wenn Paul das Gestrüpp auf meinem Kopf sieht, das man gemeinhin als Haare bezeichnet, nimmt er gleich wieder Reißaus.
Neue Schuhe brauche ich auch. Und meine geliebte Schoko-Gesichtsmaske ist auch wieder fällig, nach dem Ganzkörperpeeling, versteht sich.
Am Abend vor dem großen Tag kommt Eva vorbei und staunt sich durch meine blitzsauberen zweieinhalb Zimmer. „Was ist denn hier passiert?“, will sie wissen. „Warst du auf Drogen?“
Unverschämtheit!
„Ich hatte einfach mal wieder Lust, gründlich sauberzumachen“, antworte ich verschnupft.
Eva lacht und zieht eine Flasche Prosecco aus ihrer riesigen Handtasche, in die sie auch schon mal Bücher, Klamotten für zwei Tage oder Einkäufe stopft. „So siehst du aus!“, grinst sie frech. „Du willst diesen Paul mit hierher nehmen, gib es zu.“
Im Wohnzimmer nehme ich zwei Sektgläser aus der funkelnden Vitrine. „Nein, das will ich nicht. Aber für den Fall der Fälle, ich meine, falls es sich ergeben sollte, ähm, na ja, es könnte doch sein, dass -“
Mit einem ‚Plopp‘ springt der Plastikkorken aus dem Flaschenhals gegen meine glänzende Hängelampe. Sie fängt an, sich zu drehen und hin und her zu schwingen. Panisch halte ich sie fest. „Ganz ruhig“, murmele ich beruhigend, „es ist gar nichts passiert.“
„Ich bin doch völlig ruhig“, wundert sich Eva.
„Ich rede mit der Lampe“, erwidere ich kühl. Eva rollt mit den Augen und füllt die Gläser. Nachdem wir uns gemütlich auf meine große Couch gekuschelt haben, fordert sie mich auf, ihr alles, einfach alles, von Paul zu erzählen. Ich komme der Aufforderung nur zu gern nach.
„Seit zwei Jahren ist er Single“, beginne ich. „Sein Sternzeichen ist Löwe. Die sind stark und leidenschaftlich.“
Eva grinst und nippt an ihrem Prosecco.
„Er hat eine eigene Immobilienfirma“, berichte ich weiter. „Und er ist Mitglied in einer karitativen Einrichtung, die sich um Obdachlose kümmert. Löwen sind ja auch sehr großherzig.“
„Ich habe dich lange nicht mehr so begeistert erlebt“, stellt Eva fest. „Bist du sehr aufgeregt?“
„Und wie“, gebe ich unumwunden zu. „Morgen früh ist mein Friseurtermin und mittags treffen wir uns. Ich hab seit einer Woche Herzrasen.“

Ich betrete mit weichen Knien das Restaurant und werfe an der Garderobe einen kurzen Blick in den Spiegel, der dort hängt. Heute ist ein Good-Hair-Day – dank meines Coiffeurs, der die Herausforderung liebt. Ermutigt gehe ich weiter. Mein Blick fällt fast sofort auf Paul. Er sieht gut aus, trägt einen grauen Blazer zu einem schwarzen Polohemd. Um den Hals hat er ein grau-rotes Tuch geschlungen. Sowas mag ich eigentlich nicht, aber ihm steht es. Als er mich erblickt, steht er lächelnd auf. Er ist kleiner als ich dachte. Als er mich anspricht, bekomme ich eine Gänsehaut.
„Hallo Jochen“, sagt er. „Schön, dass du gekommen bist.“

[Kristin B. Sword]

Hallo BreeBendi,

dann lasse ich dir mal ein paar Gedanken zu deinem Text da. Mir kommt es so vor, als wolltest du möglichst schnell an der Stelle vor der ersten Verabredung des Protagonisten mit seinemTraumtypen ankommen.
Folglich wirkt dein jetziger Einstieg sehr stereotyp/klischeehaft und daher ein wenig lasch.
Nach dieser Szene kommt dann eine möglichst knappe Raffung der Erlebnisse bis zum ersten Date, die dem Leser erst mal nichts geben, da sie wenig Emotion hervorrufen und er sich für eine Nacherzählung des Protagonisten ohne Dialog zu dem Zeitpunkt noch nicht interessiert.
Deinem Anfang würde es sicher gut tun, in Echtzeit zu starten und dort für den Verlauf der ersten Szene auch tatsächlich zu bleiben, vielleicht einfach bei der ersten Verabredung bzw. dem Gespräch mit der Freundin unmittelbar davor, also da, wo es richtig losgeht. Viele Informationen braucht der Leser aus der Vorgeschichte ja nicht, um dort abgeholt zu werden und die wenigen kannst du häppchenweise während des Dates einflechten.
Das hat allerdings den Nachteil, dass es dir die Pointe etwas versaut, weil sie zu früh kommt. Wenn es eine Kurzgeschichte sein soll, müsstest du halt alternativ den Teil vor dem Date etwas weniger stereotyp und ansprechender, das heißt, näher am unmittelbaren Geschehen, beschreiben. Sonst springt der Leser schon vor der Pointe gedanklich ab.

[Einar Inperson]

[lilaluna]

Hallo Bree,

dieses Kuchenstückchen enthält eine ganze Menge Rosinen - von der Beschreibung der Frisur(en) über das Ganzkörperpeeling, den Putzwahn bis hin zur Sorge um den Lampenschirm. Es ist auch ordentlich Zucker und Backpulver drin.

Aber leider ist Dir beim Backen das eine oder andere kleine Missgeschick passiert, und der Kuchen ist nicht so aufgegangen, wie man sich ihn vielleicht gewünscht hätte.

Das geht schon mit der Überschrift los - ein "Blind Date" ist ein Blind Date, und das heißt, dass man den Partner vorher noch nicht zu Gesicht bekommen hat. Bei Dir wissen sie ja nicht nur, wie sie aussehen, sondern kennen sich bis ins Innerste, haben ja sogar schon miteinander telefoniert. Es ist kein Blind Date, sondern ein Rendezvous.

Und dann, wie schon @Einar bemerkt hat: Die Zeiten! Meistens bist Du im Präsens, manchmal im (falschen) Perfekt. Entweder, oder. Warum machst du keinen Zeitschnitt, berichtest aus der Vergangenheit und gehst erst dann ins Präsens, wenn telefoniert wird? Oder noch später?

Dass am Ende "etwas" kommen wird, ahnt der aufmerksame Leser, als behauptet wird, die beiden hätten die gleichen Vorlieben für bestimmte Musik und bestimmte Serien(!). Spätenstens da schrillen beim kundigen Konsumenten die Alarmglöckchen, denn im öffentlichen Raum ist wohl kaum etwas heterogener gepolt als das Musik- und Fernsehprogramm.

Ob im Zeitalter des Putinismus und nach Herrn Sarrazins neuestem Amazon-Hit eine Pointe wie die Deine wirklich noch als lupenrein gelten darf und nicht doch schon unter der Rubrik "Auf Kosten von Minderheiten"-Witze zu buchen ist, weiß ich nicht so recht ("Aprilapril, die 'Sie' ist ein Schwuler, sie sind beide schwul, wie lustig, hihihi!"). Ich halte sie noch für harmlos, könnte mir aber vorstellen, dass das nicht jeder so sieht.

Liebe Grüße

lilaluna

[LeoModest]

Hier auch von mir zwei Punkte:

- ich finde die Pointe gelungen und schön. Es ist erfreulich, wenn man in seinen Erwartungen überrascht wird: natürlich meint man, dass dies eine Frau ist, die einen Mann kennen lernt, aber offenkundig ist das albern, da auch Männer Männer kennen lernen wollen. Das war also nett

- hinsichtlich der Hinführung zum Date: ich würde vorschlagen, die Überwindung hin zum Online-Dating, die Hilfe der Freundin und all das wegzulassen. Wie gefällt dir aber dies: lass die Freundin zu Besuch kommen und staunen, wie sauber alles ist - um daraufhin das Gespräch auf das Date mit Paul kommen zu lassen - und so stellst du alles ganz genauso vor

PS: Titel passt meines Erachtens auch. 'Blind' bleibt 'Blind', auch wenn man sich schon gehört hat...

[lilaluna]

Sie haben sich zuvor nicht nur gehört, sondern auch gesehen, Leo. Guck mal genau in den Text.

Es ist also ganz klar kein Blind Date, sondern ein Date. Der einzig Blinde in dem Stück ist der Leser, der (hach, wie lustig!) erst am Ende erfährt, dass es ein Junge ist, der sich wie ein Mädchen benimmt.

Jaja, die Schwulen! Aus denen werden nie g'scheite Fußballer, gell!

Liebe Grüße

lilaluna

[Jack Burns]

Hi Breebendi und Willkommen im Forum

Du schreibst in einem angenehmen Stil. Mir gefällt der dezente Humor.
Die Pointe kommt ganz gut. Es führt einen vor Augen, dass man in festen Kategorien denkt und bringt einen dazu, sich selbst zu hinterfragen.

 

[BreeBendi]

Vielen Dank, euch allen, für eure Feedbacks und hilfreichen Tipps.
Ich finde es bemerkenswert, wie unterschiedlich ein Text (sogar ein Titel) aufgefasst werden können.
Liebe @lilaluna, ich wollte keinesfalls irgendjemanden beleidigen. Wenn das so bei dir angekommen ist, tut es mir leid. Ich wollte einfach nur eine überraschende Pointe, mehr nicht. Es können ja nicht alle den gleichen Sinn für Humor haben.
Nochmals an alle ein Dankeschön fürs Lesen und Kommentieren. Werde eure Ratschläge beherzigen!

Liebe Grüße
Bree

[KeTam]

Hallo BreeBandi,

ich finde eine Stärke deines Textes ist wirklich die Pointe. Da blicke ich zurück und sehe die vermeintliche Protagonistin, die sich nun als Protagonist entpuppt, mit ganz anderen Augen. Aber das ist für mich auch eine große Schwäche deines Textes, denn ohne diese Pointe, die mich ja zwingt, den vorangegangenen Text aus einer anderen Perspektive zu betrachten, zieht der Text für mich nicht. Es ist eben wie immer. Ein Singel ist auf der Suche nach einem Partner, denkt über sein Aussehen nach und bereitet sich mehr oder weniger gekonnt auf ein Date vor ...

Ich frage mich, ob du nicht im Text schon anklingen lassen könntest, dass es sich eben um einen Mann dreht, aber so, dass der Leser drüber stolpert und denkt, hoppla, das ist aber eine seltsame Frau. Dann hättest du etwas mehr Originalität und einen Haken, der neugierig macht, in den ansonsten eher zig mal gelesenen Dingen. Vielleicht so was wie eine Andeutung auf eine behaarte Brust, oder die Schuhgröße. (Wär halt eine Sache der Umsetzung.)

Lg, KeTam.

[Nicnak]

Hallo BreeBendi,

für meinen Geschmack zu viel tell, das Thema ist auch nicht ganz meins.

Es liest sich auch etwas langatmig. Für eine Kurzgeschichte (falls sie das ist) fehlt mir da die Würze, gerade beim Mittelteil.

Aber (wie alles) ist das Geschmacksache. Sauber formuliert ist sie jedenfalls und fehlerfrei schein sie auch zu sein.

Gruß Nicnak

[Constantine]

Hallo BreeBendoi,

Vielen Dank für deinen Einstand. Insgesamt eine unterhaltsame, kurze Geschichte. "Blind Date" trifft eher auf den Leser zu, denn der Leser sieht am Ende erst das vollständige Bild. Deine Pointe ist meiner Meinung nach gleichzeitig Stärke und Schwäche deiner Geschichte. Die Pointe kommt unerwartet, aber du baust hauptsächlich auf deine Pointe auf und hast dabei einiges andere schleifen lassen. Vieles wird nacherzählt bzw. berichtet, hierbei wäre etwas mehr Ausarbeitung, z.B. was schreiben sich die Beiden per SMS, was macht den Humor von Paul aus, was gefällt Paul an Jochen vom Charakter her, prima gewesen. Beim Gespräch mit Eva könnte Jochen sein Sternzeichen nennen und in wiefern das Sternzeichen Löwe dazu passt oder nicht.

Du beschränkst dich auf Frisur, Schuhe und Wohnungputzen - typisch Frau, oder? Gerade hier könntest du etwas transparenter sein, was die Frauenrolle angeht - und spielst mit der Erwartungshaltung des Lesers. Nach einem weiteren Lesen fällt aber auf, was nicht passt oder der Pointe schaden würde, lässt du weg bzw handelst es berichtend kurz ab. Z.B. scheint Jochen keine Rasur nötig zu haben. Geht wahrscheinlich alles mit dem Gesichtspeeling weg

Insgesamt würde ich mir etwas mehr Transparenz wünschen, damit deine kurze Geschichte nicht wie ein ausgeweitet, erzählter Witz erschient, sondern als eigenständige Geschichte bestehen kann. Dabei bedarf es etwas mehr Ausarbeitung und schriftstellerischer Raffinesse, damit die Pointe weiterhin funktioniert.

LG,
Constantine

[BreeBendi]

Hallo Constantine, Nicnak und KeTam,

da waren viele gute Ideen und nützliche Anregungen dabei. Danke fürs Lesen!

Liebe Grüße
Bree

[Nicnak]

Nicht zu danken.

Ich schau gerne nochmal drüber, falls du den Text noch änderst.

Gruß nicnak