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Damn.


 
 
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Karla K.
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen

Alter: 50
Beiträge: 29



Beitrag21.02.2014 13:05
Damn.
von Karla K.
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Ich wurde im Vorstellungsthread nach einer Textprobe gefragt - jetzt habe ich den Bereich dafür gefunden. smile

Folgendes ist der Beginn einer satirischen Kurzgeschichte, die meinen Distributor und einen meiner Romane persifliert. (Mein Roman heißt: "FUCK - ein mechatronikerotischer Roman" - die Kurgeschichte heißt: "DAMN - ein masturbatorischer Roman")
____________________________________________________________

Montag, zehn Uhr. Meine Motivation ist am Tiefpunkt. Noch hundertundvier Stunden bis zum Wochenende. Neununddreißig davon werde ich im Büro verbringen, fünf in der Kantine, zehn in U- und Eisenbahn. Ich werde vier Mal schlecht schlafen, insgesamt kaum vierundzwanzig Stunden, zirka achtunddreißig Tassen Kaffee trinken und jedem, der dahinter eine Korrelation vermutet, gnadenlos mit einem dicken, schwarzen Filzstift einen Schnauzbart malen. Die langweilige statistische Wochenprognose in meinem trägen Hirn abarbeitend, schlurfe ich über den Flur zu der jeden Montag um diese Zeit anberaumten Buchbesprechung. Nein, ich bin kein Autor, ich bin lediglich jemand, der so tut, als würde ihn der Käse interessieren, mit dem er das Geld verdient, das ihm die Miete zahlt.

Ah, meine Kollegen sind schon da, die Jalousien hat schon jemand in weiser Voraussicht halb zugezogen, es riecht ein bisschen nach Kabelbrand und Magensäure. So sehr sich der Innenarchitekt auch Mühe gegeben hat, diesem Raum Struktur zu verleihen – die Liebesmüh stirbt einen zähen Tod durch die Art, wie hier alle herumlungern. Ein motivationsloser Haufen, der jedem, aber auch wirklich jedem reindrückt, wie total toll dieser Job ist. Ja, man würde ihn sogar ohne Gehalt machen … nur, dass jeder von uns im Abstand von drei Monaten beim Chef sitzt und damit droht, zur Konkurrenz abzuwandern, wenn sich da auf dem Gehaltszettel nicht bald was tut.

Träge plumpse ich auf einen Stuhl und verschütte, wie immer, ein bisschen Kaffee auf meine mitgebrachten Unterlagen. Nun, es sind einfach irgendwelche Zettel, die ich von meinem Schreibtisch gerafft habe um vorbereitet auszusehen. Der Chef mag das und daher haben wir uns angewöhnt, Zeug hin und her zu transportieren. Am meisten mag er Klemmbretter und daher haben sie bei uns eine ähnliche Statuswirkung, wie draußen in der Welt Autos oder Kinder. Meines ist aus giftgrünem Acryl, hart, robust und durchsichtig – wirkt edel und hat einen gewissen 80er Jahre Flair, der meine ganz persönliche Individualität unterstreicht. Gespielt abschätzig erspähe ich das billige Ding meines Kollegen, ein schwarzer Plastikeinband, biegsam und gewöhnlich. Will man es daran festmachen – müsste ich einen Minipimmel haben und er eine Monsterkeule – aber an derart freudianische Erklärungsmodelle glaube ich nicht. Mein Pimmel kann sich mit seinem messen!

Während die Kollegen untereinander eine Art Wettstreit darum anstellen, wer der bescheuertste unter ihnen ist – was sie damit herauszufinden versuchen, voreinander damit zu prahlen, wie viel Promille nötig waren, um am Wochenende die peinlichste Show abzuziehen – sitze ich da und male kleine Penisse auf meine Unterlagen. Mit Augen und Mündern. Dabei träume ich davon, was wäre, wenn sich im Internet statt Smilies kleine lachende Penisse durchgesetzt hätten, die zufrieden auf ihren Eiern sitzen. Definitiv hätten sie mehr Ausdruckskraft. Welche tollen Mutationen mir dazu einfallen, verewige ich auf irgendeinem Vertrag oder Memo oder Gehaltszettel. Egal. Ist es Papier und hat eine freie Stelle, dann wird es bestückt.

Der Chef kommt herein – er sieht nicht aus wie ein Chef, aber er meint, sich so zu verhalten wie einer. Weil wir dafür Geld bekommen tun wir so, als wäre er damit erfolgreich und tun weiters so, als hätten wir Respekt vor ihm. Er weiß, dass wir nur so tun aber er weiß auch, dass wir wissen, dass er es ist, der uns die Kohle gibt. Wir hängen hier alle in einer Pattsituation fest und machen das Beste daraus.

So demotiviert meine Kollegen und ich sind, so hochmotiviert tut unser Chef. Er klatscht in die Hände, nervt mit lustigen Anekdoten, gibt sich lässig, leger, fragt pro Forma, wie es uns geht und dann legt er endlich los. Wir haben einen Haufen E-Books, die unsere Klienten für den Verkauf angemeldet haben und wir 'überprüfen' sie, bevor wir sie 'rausschicken'. Vermutlich, wie immer, haben wir es mit achtzig Prozent Vampirschmonzetten zu tun, einigen Autoren, die sich für Nobelpreisträger halten, weil sie langweilig schreiben können und der Rest der Texte ist der übliche Schrott. Echte Talente haben wir so viele, wie es Einhörner auf der Welt gibt, aber wir geben unseren Klienten gerne das Gefühl, sie hätten eine echte Chance auf dem Markt. Ja, schießt uns tot, wir haben uns unser zynisches Weltbild hart erarbeitet.

Mir persönlich sind die homoerotischen Geschichten am liebsten, was nicht primär daran liegt, dass ich schwul bin. Es liegt eher daran, dass da keine Vampire vorkommen und keine Traumata, die man besser in einer Therapie aufarbeiten sollte, anstatt in einem Buch. Aber das ist nur meine Meinung. Da ich nicht weniger zynisch bin als meine Kollegen, besteht die wahre Faszination darin, mich über die Sexszenen dieser Werke lustig zu machen. In erster Linie schreiben da Weiber und es lesen in erster Linie Weiber – und was die so fabrizieren geht meilenweit an dem vorbei, was schwule Realität ist. Ja, manchmal sitze ich mit meinem Kollegen (dem mit dem billigen, schwarzen Plastikklemmbrett – er ist auch schwul) beisammen und wir lachen uns dumm und dämlich.

Gelegentlich versuchen wir, eine der abenteuerlich beschriebenen Stellungen nachzuäffen und zu errechnen, wie viele zusätzlichen Gelenke und Meter unsere Körperteile haben müssten, die beschriebene Akrobatik auch auszuführen. Und ja, unsere geschätzten Autorinnen glauben wohl, wir Schwule heulen dauernd und wollen nach dem ersten Fick eine lebenslange Beziehung. Spätestens da kippen mein Kollege (sein Name ist kein Geheimnis – er heißt Richard) und ich unseren ersten Whiskey – da ist es dann so etwa elf Uhr dreißig.

Leider besteht unsere Arbeitszeit nicht nur aus herumalbern. Unsere Beteiligung an diesen Besprechungen hat eher rituellen Charakter. Wir bringen alles raus, egal in welcher Qualität – rechtlich haben wir uns da abgesichert – alles Risiko liegt beim Autor (und der begreift in der Regel den Vertragstext nicht). 'Man' – das ist die Geschäftsleitung – und die wiederum existiert als Körper nicht – fühlt sich besser, wenn die Werke 'im Team' abgesegnet wurden. Für mich und meine Kollegen bedeutet das, eifrig nicken, gelegentlich eine provokante Pseudofrage stellen, wie:

„Darf der Charakter eines nicht jugendfreien Werkes minderjährig sein?“ Solche Sachen geben uns Aufschwung. Wir sind gefragt, wir können 'einschreiten' und das tun wir auch. Der Sinn dahinter? Spannung! Abenteuer! Ertragt selbst mal eine Woche in diesem Job und ihr sehnt euch nach einem Tsunami.

Meine Aufgabe ist, die Profilbilder unserer Klienten auf versteckte Botschaften durchzusehen oder im Dschungel der Kommunikation nach passiv aggressiven Beiträgen zu fahnden, die uns indirekt mitteilen sollen, wie wir die Klientinnen mit dem prämenstruellen Syndrom glücklich machen können. Auch genug Männer leiden unter dem prämenstruellen Syndrom und stellen abstruse Vergleiche an – beispielsweise erkennen sie den Unterschied zwischen einer Website und einem Auto nicht. Arme Gestalten – für diese halten wir am Anfang und am Ende jeder Sitzung eine Gedenkminute, dann lesen wir Fürbitten – damit sich Gott um unsere Klienten kümmert, weil wir keine Zeit dafür haben. Wir müssen nämlich monatelang Zahlen hin und her schieben.

Diese Besprechung aber gerät außer Kontrolle. Einer unserer Klienten hat eine Geschichte von einer schwulen Fee geschrieben, die erscheint, wenn man seinen Pimmel reibt. Sie erfüllt einem dann drei Wünsche – danach sei man für immer in Sachen Wichsen impotent. Als mein Kollege die entsprechende Kurzfassung vorgelesen hat (Damn – ein masturbatorischer Roman), herrscht erst einmal betretenes Schweigen. In den Köpfen der männlichen Mitarbeiter tobt eine rege Schlacht der Möglichkeiten: Man könnte sich 'alles' wünschen – wäre dann aber nicht mehr in der Lage, zu onanieren … könnte man ohne Wichsen glücklich werden, wenn einem dafür drei Herzenswünsche erfüllt werden?

„Ich halte das für ein politisch unkorrektes Werk, weil frauenfeindlich. Den nichtmännlichen Mitgliedern der Gesellschaft wird auf diese Weise Glück von vornherein versagt, weil sie keinen Penis haben. Indirekt unterstellt man uns damit, unzufrieden zu sein und nicht in der Lage, Glück zu erlangen!“ Die streitbare Kollegin drückt dabei mit dem Zeigefinger immer wieder energisch auf einen imaginären Knopf auf der Tischplatte. Unbestimmtes Brummen unter den Kollegen.

„Es ist doch nur Fiktion“, wirft jemand schüchtern ein. Schweigen. Irgendjemand stöhnt. Rasch flitzen die Blicke im Raum hin und her – man möchte den Unzüchtigen ausfindig machen, um ihn des Raumes zu verweisen. Mir ist sofort klar, dass das nur Richard sein kann – wir hatten schon Sex miteinander und ich kenne sein Stöhnen, aber ich verrate ihn nicht. Vielmehr bin ich gespannt, ob gleich eine schwule Fee …

„Ich bin Damn, du hast mich gerufen?“, ertönt plötzlich die affektierte Stimme eines Mannes, der sich auf dem Besprechungstisch materialisiert. Er ist an allen Ecken rund und hat einen Spitzbart. Sein Anzug besteht aus purpurnem Samt, die schwarzen Haare kräuseln sich im Nacken und fehlen auf dem Scheitel. Alle starren ihn an. Mit offenem Mund. Nur Richard grinst. Wie immer hat er einfach nur etwas umgesetzt, was eine unserer Homo-Autorinnen verfasst hat.

...
____________________________________________________________

Und nun schießt los. Ich ziehe mich schon Mal warm an und freue mich auf Kritik.

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Mishka
Geschlecht:weiblichWortedrechsler

Alter: 56
Beiträge: 54
Wohnort: NÖ


Beitrag21.02.2014 13:38

von Mishka
Antworten mit Zitat

Hallo Karla,

dein Text ist ein herrlich sarkastischer Einblick in einen Teil der "Verlags"-Welt.
Originelle Bilder, sprachlich und stilistisch eine Freude für mich.
Ich finde auf Anhieb kein Haar in der Suppe. Und ich will auch garnicht danach suchen, weil sie mir geschmeckt hat, so wie du sie zubereitet und angerichtet hast.  
Richtig lecker - ich würde jederzeit Nachschub bestellen.

LG,
Mishka
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Lupo
Geschlecht:männlichEselsohr


Beiträge: 364
Wohnort: Pegnesien


Beitrag21.02.2014 15:22
Penismiley
von Lupo
Antworten mit Zitat

Eine Kurzgeschichte? Nö! Ach so - der Beginn einer Kurzgeschichte.

Liebe Karla,
ob ich Deine Zuordnung zum Begriff Satire teilen kann, vermag ich erst einzuschätzen, wenn ich den angekündigten Text vorliegen habe. Desgleichen: Erotik.
Die Vorstellung eines Broterwerbs, dessen Ausführender montags die Stunden bis zum Wochenende zählt, lässt mich ein Gruselkabinett erwarten, wobei mir das Anliegen der Geschichte in den ersten drei Abschnitten hinreichend umrissen erscheint.
Deswegen möchte ich unter Auslassen der Einzelheiten zum eigentlichen Beginn vordringen, finde keinen, und fürchte Demotivationen am laufenden Band.
Für eine Weile mögen die Bilder, falls in ähnlich schnodderiger Weise dargeboten, mich schmunzeln lassen, bald aber gelüstet es mich nach einem Konflikt, nach Spannung, oder etwas Ungewöhnlichem.
Immerhin: ein rundes Spitzbartwesen.
Also: Ich möchte deutlich rascher an das angekündigte Geschehen geführt werden. Keineswegs wäre ich böse, wenn wichtige Auskünfte erst nach und nach einflössen, so dass ich sie, anhaltend gespannt, nebenher mitnehmen kann.
Gerne verzichte ich auch auf kommentierende Wertungen, selbst wenn sie dem Ich-Erzähler als Gedanken in den Kopf gelegt werden:
"Meine Motivation ist am Tiefpunkt.",
" wie hier alle herumlungern. Ein motivationsloser Haufen,",
"Arme Gestalten ",
" In den Köpfen der männlichen Mitarbeiter tobt eine rege Schlacht "
).
Beeindruckt haben mich die Formulierungen:
"es riecht ein bisschen nach Kabelbrand und Magensäure.",
"die ich von meinem Schreibtisch gerafft habe um vorbereitet auszusehen. Der Chef mag das ",
"statt Smilies kleine lachende Penisse ",
"wir geben unseren Klienten gerne das Gefühl, sie hätten eine echte Chance auf dem Markt",
" Kollegin drückt dabei mit dem Zeigefinger immer wieder energisch auf einen imaginären Knopf ",
" Er ist an allen Ecken rund und hat einen Spitzbart."


Missmutig aber lese ich:
"irgend",
"gnadenlos",
"dumm und dämlich",
"kein Geheimnis – er heißt",
"besteht aus"

 - meine persönlichen Undinge.

Weiteres Reflektieren Deiner Werke kündige ich hiermit an,
Lupo.
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Constantine
Geschlecht:männlichBücherwurm


Beiträge: 3311

Goldener Sturmschaden Weltrettung in Bronze


Beitrag21.02.2014 21:05
Re: Damn.
von Constantine
Antworten mit Zitat

Hallo Karla,

vielen Dank für deine Leseprobe. Sauber und flüssig geschrieben. Sprachlich und vom Erzählton her hat mir deine kurze Geschichte gut gefallen. Einige wenige Erbsen sind vorhanden:

Karla K. hat Folgendes geschrieben:

Montag, zehn Uhr. Meine Motivation ist am Tiefpunkt. Noch hundertundvier Stunden bis zum Wochenende. Neununddreißig davon werde ich im Büro verbringen, fünf in der Kantine, zehn in U- und Eisenbahn. Ich werde vier Mal schlecht schlafen, insgesamt kaum vierundzwanzig Stunden, zirka <-- circa achtunddreißig Tassen Kaffee trinken und jedem, der dahinter eine Korrelation vermutet, gnadenlos mit einem dicken, schwarzen Filzstift einen Schnauzbart malen. Die langweilige statistische Wochenprognose in meinem trägen Hirn abarbeitend, schlurfe ich über den Flur zu der jeden Montag um diese Zeit anberaumten Buchbesprechung. Nein, ich bin kein Autor, ich bin lediglich jemand, der so tut, als würde ihn der Käse interessieren, mit dem er das Geld verdient, das ihm die Miete zahlt.

Ah, meine Kollegen sind schon da, die Jalousien hat schon jemand in weiser Voraussicht halb zugezogen, es riecht ein bisschen nach Kabelbrand und Magensäure. So sehr sich der Innenarchitekt auch Mühe gegeben hat, diesem Raum Struktur zu verleihen – die Liebesmüh stirbt einen zähen Tod durch die Art, wie hier alle herumlungern. Ein motivationsloser Haufen, der jedem, aber auch wirklich jedem reindrückt, wie total toll dieser Job ist. Ja, man würde ihn sogar ohne Gehalt machen … nur, dass jeder von uns im Abstand von drei Monaten beim Chef sitzt und damit droht, zur Konkurrenz abzuwandern, wenn sich da auf dem Gehaltszettel nicht bald was tut.

Träge plumpse ich auf einen Stuhl und verschütte, wie immer, ein bisschen Kaffee auf meine mitgebrachten Unterlagen. Nun, es sind einfach irgendwelche Zettel, die ich von meinem Schreibtisch gerafft habe um vorbereitet auszusehen. Der Chef mag das und daher haben wir uns angewöhnt, Zeug hin und her zu transportieren. Am meisten mag er Klemmbretter und daher haben sie bei uns eine ähnliche Statuswirkung, wie draußen in der Welt Autos oder Kinder. Meines ist aus giftgrünem Acryl, hart, robust und durchsichtig – wirkt edel und hat einen gewissen 80er Jahre Flair, der meine ganz persönliche Individualität unterstreicht. Gespielt abschätzig erspähe ich das billige Ding meines Kollegen, ein schwarzer Plastikeinband, biegsam und gewöhnlich. Will man es daran festmachen – müsste ich einen Minipimmel haben und er eine Monsterkeule – aber an derart freudianische Erklärungsmodelle glaube ich nicht. Mein Pimmel kann sich mit seinem messen!

Während die Kollegen untereinander eine Art Wettstreit darum anstellen, wer der bescheuertste unter ihnen ist – was sie damit herauszufinden versuchen, voreinander damit zu prahlen, wie viel Promille nötig waren, um am Wochenende die peinlichste Show abzuziehen – sitze ich da und male kleine Penisse auf meine Unterlagen. Mit Augen und Mündern. Dabei träume ich davon, was wäre, wenn sich im Internet statt Smilies kleine lachende Penisse durchgesetzt hätten, die zufrieden auf ihren Eiern sitzen. Definitiv hätten sie mehr Ausdruckskraft. Welche tollen Mutationen mir dazu einfallen, verewige ich auf irgendeinem Vertrag oder Memo oder Gehaltszettel. Egal. Ist es Papier und hat eine freie Stelle, dann wird es bestückt.

Der Chef kommt herein – er sieht nicht aus wie ein Chef, aber er meint, sich so zu verhalten wie einer. Weil wir dafür Geld bekommen tun wir so, als wäre er damit erfolgreich und tun weiters so, als hätten wir Respekt vor ihm. Er weiß, dass wir nur so tun, aber er weiß auch, dass wir wissen, dass er es ist, der uns die Kohle gibt. Wir hängen hier alle in einer Pattsituation fest und machen das Beste daraus.

So demotiviert meine Kollegen und ich sind, so hochmotiviert tut unser Chef. Er klatscht in die Hände, nervt mit lustigen Anekdoten, gibt sich lässig, leger, fragt pro Forma <-- pro forma , wie es uns geht und dann legt er endlich los. Wir haben einen Haufen E-Books, die unsere Klienten für den Verkauf angemeldet haben, und wir 'überprüfen' sie, bevor wir sie 'rausschicken'. Vermutlich, wie immer, haben wir es mit achtzig Prozent Vampirschmonzetten zu tun, einigen Autoren, die sich für Nobelpreisträger halten, weil sie langweilig schreiben können, und der Rest der Texte ist der übliche Schrott. Echte Talente haben wir so viele, wie es Einhörner auf der Welt gibt, aber wir geben unseren Klienten gerne das Gefühl, sie hätten eine echte Chance auf dem Markt. Ja, schießt uns tot, wir haben uns unser zynisches Weltbild hart erarbeitet.

Mir persönlich sind die homoerotischen Geschichten am liebsten, was nicht primär daran liegt, dass ich schwul bin. Es liegt eher daran, dass da keine Vampire vorkommen und keine Traumata, die man besser in einer Therapie aufarbeiten sollte, anstatt in einem Buch. Aber das ist nur meine Meinung. Da ich nicht weniger zynisch bin als meine Kollegen, besteht die wahre Faszination darin, mich über die Sexszenen dieser Werke lustig zu machen. In erster Linie schreiben da Weiber und es lesen in erster Linie Weiber – und was die so fabrizieren geht meilenweit an dem vorbei, was schwule Realität ist. Ja, manchmal sitze ich mit meinem Kollegen (dem mit dem billigen, schwarzen Plastikklemmbrett – er ist auch schwul) beisammen und wir lachen uns dumm und dämlich.

Gelegentlich versuchen wir, eine der abenteuerlich beschriebenen Stellungen nachzuäffen und zu errechnen, wie viele zusätzlichen Gelenke und Meter unsere Körperteile haben müssten, die beschriebene Akrobatik auch auszuführen. Und ja, unsere geschätzten Autorinnen glauben wohl, wir Schwule heulen dauernd und wollen nach dem ersten Fick eine lebenslange Beziehung. Spätestens da kippen mein Kollege (sein Name ist kein Geheimnis – er heißt Richard) und ich unseren ersten Whiskey – da ist es dann so etwa elf Uhr dreißig.

Leider besteht unsere Arbeitszeit nicht nur aus herumalbern <-- Herumalbern. Unsere Beteiligung an diesen Besprechungen hat eher rituellen Charakter. Wir bringen alles raus, egal in welcher Qualität – rechtlich haben wir uns da abgesichert – alles Risiko liegt beim Autor (und der begreift in der Regel den Vertragstext nicht). 'Man' – das ist die Geschäftsleitung – und die wiederum existiert als Körper nicht – fühlt sich besser, wenn die Werke 'im Team' abgesegnet wurden. Für mich und meine Kollegen bedeutet das, eifrig nicken, gelegentlich eine provokante Pseudofrage stellen, wie:

„Darf der Charakter eines nicht jugendfreien Werkes minderjährig sein?“ Solche Sachen geben uns Aufschwung. Wir sind gefragt, wir können 'einschreiten' und das tun wir auch. Der Sinn dahinter? Spannung! Abenteuer! Ertragt selbst mal eine Woche in diesem Job und ihr sehnt euch nach einem Tsunami.

Meine Aufgabe ist, die Profilbilder unserer Klienten auf versteckte Botschaften durchzusehen oder im Dschungel der Kommunikation nach passiv aggressiven Beiträgen zu fahnden, die uns indirekt mitteilen sollen, wie wir die Klientinnen mit dem prämenstruellen Syndrom glücklich machen können. Auch genug Männer leiden unter dem prämenstruellen Syndrom und stellen abstruse Vergleiche an – beispielsweise erkennen sie den Unterschied zwischen einer Website und einem Auto nicht. Arme Gestalten für diese halten wir am Anfang und am Ende jeder Sitzung eine Gedenkminute, dann lesen wir Fürbitten <-- die Positionierung der Gedankenstriche verstehe ich nicht. damit sich Gott um unsere Klienten kümmert, weil wir keine Zeit dafür haben. Wir müssen nämlich monatelang Zahlen hin und her schieben.

Diese Besprechung aber gerät außer Kontrolle. Einer unserer Klienten hat eine Geschichte von einer schwulen Fee geschrieben, die erscheint, wenn man seinen Pimmel reibt. Sie erfüllt einem dann drei Wünsche – danach sei man für immer in Sachen Wichsen impotent. Als mein Kollege die entsprechende Kurzfassung vorgelesen hat (Damn – ein masturbatorischer Roman), herrscht erst einmal betretenes Schweigen. In den Köpfen der männlichen Mitarbeiter tobt eine rege Schlacht der Möglichkeiten: Man könnte sich 'alles' wünschen – wäre dann aber nicht mehr in der Lage, zu onanieren … könnte man ohne Wichsen glücklich werden, wenn einem dafür drei Herzenswünsche erfüllt werden?

„Ich halte das für ein politisch unkorrektes Werk, weil frauenfeindlich. Den nichtmännlichen Mitgliedern der Gesellschaft wird auf diese Weise Glück von vornherein versagt, weil sie keinen Penis haben. Indirekt unterstellt man uns damit, unzufrieden zu sein und nicht in der Lage, Glück zu erlangen!“ Die streitbare Kollegin drückt dabei mit dem Zeigefinger immer wieder energisch auf einen imaginären Knopf auf der Tischplatte. Unbestimmtes Brummen unter den Kollegen.

„Es ist doch nur Fiktion“, wirft jemand schüchtern ein. Schweigen. Irgendjemand stöhnt. Rasch flitzen die Blicke im Raum hin und her – man möchte den Unzüchtigen ausfindig machen, um ihn des Raumes zu verweisen. Mir ist sofort klar, dass das nur Richard sein kann – wir hatten schon Sex miteinander und ich kenne sein Stöhnen, aber ich verrate ihn nicht. Vielmehr bin ich gespannt, ob gleich eine schwule Fee …

„Ich bin Damn, du hast mich gerufen?“, ertönt plötzlich die affektierte Stimme eines Mannes, der sich auf dem Besprechungstisch materialisiert. Er ist an allen Ecken rund und hat einen Spitzbart. Sein Anzug besteht aus purpurnem Samt, die schwarzen Haare kräuseln sich im Nacken und fehlen auf dem Scheitel. Alle starren ihn an. Mit offenem Mund. Nur Richard grinst. Wie immer hat er einfach nur etwas umgesetzt, was eine unserer Homo-Autorinnen verfasst hat.
<-- Die Pointe gefällt mir leider überhaupt nicht und verläuft im Sande. Sie wechselt in plumpe Fantasy-Gefilde, die nicht nötig wären. Meiner Meinung nach wird  damit Potential verschenkt und alles Vorherige ad absurdum geführt und unbefriedigend beendet. Ich würde mir eine Fortführung der Satire wünschen, eine entlarvende Diskussion über Sinn und Unsinn der Geschichte(n) und damit verbunden innerbetrieblichen Prozeduren wünschen. So bleibt für mich nur eine stilistische Fingerübung übrig, ohne zufriedenstellendem Abschluss.

...


Ich finde, im Mittelteil könntest du einiges Abkürzen, weil sich dein Prota in selbstgefälligem blabla verliert, und dir dafür ein besseres Ende überlegen. Das Fantasyelement am Ende erinnert mich eher an einen erzählten Witz als an eine sinnvolle Beendigung deiner Geschichte. Vorallem stelle ich mir vor, das deine Protas bestimmt schon vorher mit Masturbation ihre Erfahrungen gemacht haben, somit ergibt das Erscheinen der schwulen Fee für mich keinen Sinn. (Außer der Meetingraum ist magisch oder das Erschienen der Fee ist mit dem Lesen des Ebooks gekoppelt, was aber wahrlich den Rahmen der Geschichte sprengen würde und eine Geschichte für sich selbst wäre.) Smile
In diesem Sinne.

LG,
Constantine
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lilaluna
Gänsefüßchen
L


Beiträge: 35



L
Beitrag22.02.2014 09:47

von lilaluna
Antworten mit Zitat

Liebe Karla,

Geschichten, in denen das lyrische Ich selbst als Taugenichts herbeischlurft, nichts Besonderes kann oder an sich hat, aber dennoch im Rest der Welt Minderwertiges erkennen möchte, von dem abzuheben es sich verlohnte, sind mühsam und lesen sich mühsam. Ansätze von Witzigkeit, stets natürlich auf Kosten Dritter, fallen in solchen Systemen leider in sich zusammen oder auf den Protagonisten selbst zurück.

Dass ein Verlag so strukturiert sei wie dargestellt und die skizzierten Arbeitsabläufe erforderte, ist Fantasy. Es gibt keine „Klienten“, die etwas „für den Verkauf anmelden“. Sondern einen Posteinlauf, in dem sofort alles ungelesen ausgesondert wird, was unaufgefordert eingeschickt wurde. In ganz, ganz seltenen Fällen bekommt der Empfänger eine normierte Zurückweisung, in noch selteneren Fällen eine dezidierte Ablehnung. Angenommen (i. e.: gelesen) werden unaufgefordert eingesandte Manuskripte von einem seriösen Verlag nie.

Der unseriöse besteht aus einem Hinterzimmer, einem Laptop, einem Internetanschluss und einer Bankverbindung. Es sind Ein-Mann oder Ein-Frau-„Betriebe“, die gegen eine Gebühr jedes elektronische Manifest ins Nichts des Cyberwaldes schicken, in dem inzwischen Billionen von Raumschiffen, Hexen, Liebespaaren und Kinderreimen herumgeistern, ohne sich je zu begegnen oder gar einen so genannten „Leser“ zu finden.

So weit, so banal. Natürlich ließe sich aus dem „Leben eines Taugenichts“ etwas machen – etwa Lustiges wie in der Novelle Eichendorffs, oder etwas grausig-deprimierendes wie im „Wendekreis des Krebses“, zum Beispiel, aber das setzte beim schreibenden Bobachter an erster Stelle Distanz voraus.

An der lässt Du es leider fehlen, Karla. Wir erfahren ziemlich Langweiliges über den Ich-Protagonisten und ebenso Langweiliges über die Karikatur eines Verlages und seiner „Mitarbeiter“, die zudem allesamt recht unstimmig herüberkommen. Es klingt ein bisserl nach Kindergarten, Schul- oder Lehrerzimmer.

Die Idee, sich ein Ekel vor der Welt ekeln zu lassen, ist grundsätzlich nicht schlecht. Aber der Ekel sollte stimmig sein und sich nicht, so wie in Deinem Text, aus grundloser Überheblichkeit speisen wollen. Kritischen Lesern, die auf den Gesamtzusammenhang blicken und sich nicht mit ein paar hübschen Formulierungen begnügen wollen, fällt das auf, und wenn sie Dir nicht übel meinen, so wie @lilaluna, sagen sie es Dir.

Ich empfehle Dir, Dein Lyrich vom Dünkel zu befreien und so unbedarft in die grausame Zeit zu schicken, wie Grimmelshausen damals seinen „Simplizissimus“. Denn schreiben, glaube ich, könntest du.

Erzählen, nicht kommentieren oder beurteilen. Und schon gar nicht verurteilen!

Liebe Grüße

lilaluna
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