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Leseprobe: Gladiatrix


 
 
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TheVeto
Geschlecht:weiblichErklärbär


Beiträge: 4
Wohnort: Sturmland


Beitrag29.01.2014 23:03
Leseprobe: Gladiatrix
von TheVeto
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo zusammen! Ich bin neu hier und nehme demnächst am "Bundeswettbewerb junger Autoren" teil. Eine meiner Einsendungen ist "Gladiatrix", ein Historischer Roman zur Zeit um das Jahr 0. (So genau weiß ich das noch nicht). Es geht um eine keltische Fürstentochter namens Edana, die nach dem Tod ihres Vaters und der Unterwerfung ihres Stammes (die für ihren Rebellionsgeist bekannten Icener) von einer römischen Adelsfamilie adoptiert wird. Als Marcus Caelius, das Oberhaupt der Familie, stirbt, beschuldigt man sie des Mordes. Edana landet als eine der wenigen Frauen in der Arena von Ravenna und schafft es, vier Kämpfe zu überleben - bis der Waffenmeister des ludus einen Aufstand plant...

Hier ist schon mal der erste Teil, den ich einsenden werde. Bin offen für Verbesserungsvorschläge!
Veto

Domina, seid Ihr wach?“
Ich drehte mich auf die Seite. Natürlich war ich wach. Wie auch nicht.
Der Morgen war warm und sonnig, und die ersten Sonnenstrahlen schienen bereits durch die geschlossenen Schlagläden.
Meine Dienerin kam mit kleinen Schritten näher. Sie hat weniger Glück gehabt als ich.
Trotzdem zeigte sie niemals eine Spur von Neid, sondern lächelte mich stets an, ganz ohne  erkennbare Missgunst.
Ich nahm mir vor, sie eines Tages freizulassen, sofern mein Familienvater dies erlaubte, denn irgendetwas von ihrem zu bewundernden Großmut musste ich ihr zurückzahlen.
Ich streifte die dünne Decke ab.
Meine Haut sah blass aus, doch sie war einmal braun von der Sonne gewesen, als ich noch dort war, wo ich hingehörte.
Auch der Vater, den so zu nennen ich gezwungen bin, ist nicht mein Vater. Mein richtiger Vater war ein Inselkelte, ein Icener, genau wie durch meine Adern das Blut der Krieger Andartas fließt.
Die Erinnerung an ihn ist beinahe verblasst, doch ich erinnere mich an seine Augen, braun wie meine. Schon Jahre sind vergangen seit seinem Tod.
Am Anfang hasste ich die Römer abgrundtief, besonders die Caelier, die mein Leben auf so grausame Weise umgekrempelt hatten, und ich besitze den rebellischen Geist, der offenbar allen Icenern innewohnt. Kein anderer Keltenstamm hat so oft gegen die romanischen Besatzer revoltiert, und keiner ist so blutig geschlagen worden.
Doch im Lauf der Jahre lernte ich, meinen Freigeist zu zähmen und meine Zunge zu hüten.
Die Caelier waren gnädig gewesen, als sie mich adoptiert hatten, denn sie konnten nicht ahnen, dass dies eine Demütigung ohnegleichen für eine Icenierin ist. Wobei es allemal noch besser ist als das Dasein als Sklavin zu fristen.
„Caelia?“
Ich setzte mich auf.
„Ich weiß, wie sehr diese Sprache dir widerstreben muss. Benutze deine eigene, es steht dir frei, Eara.“
Sie zögerte, als sie ihren richtigen Namen hörte. Ich glaubte zu wissen, dass sie aus Gallien stammte.
„Was wird der Herr sagen, wenn es mich so sprechen hört?“, fragte sie leise, aber immerhin, sie benutzte ihre Muttersprache.
„Ich bete zu Andarta, sooft ich kann, und gebe vor, ihre dekadenten Scheußlichkeiten von Göttern zu verehren. So schwer ist das nicht, und wir sind allein.“
Sie zog angesichts dieser offenen Blasphemie scharf die Luft ein. Dann entspannte sie sich ein wenig. „Wie Ihr wünscht, Herrin.“
Eara misstraute mir offenbar immer noch ein wenig, auch wenn ich ihr seit mehreren Monaten klarzumachen versuchte, dass ich ihre Verbündete war.
„Ich werde versuchen, auch meinen Göttern die Ehre zu erweisen. Soll ich euch behilflich sein?“
„Nein, danke.“
Ich würde mich niemals dazu herablassen, mir beim Ankleiden helfen zu lassen.
Eara schloss die Tür hinter sich.
Ich stand auf, ohne meine Hände zu benutzen, und öffnete die schwere Kleidertruhe ohne Mühe. Zumindest hatte Eara oft gesagt, sie sei schwer.
Ich wählte eine korallfarbene Tunika und schloss die Spangen über den Schultern. Mein Haar ließ ich offen.
Dies war der Hauch von Widerstand, den ich mir erlaubte. Die römischen Damen trugen ihre Haare stets geflochten oder hochgesteckt, ich jedoch wollte, dass man mich nicht für eine von ihnen hielt.
Mein kleiner, stiller Protest brachte mir stets strafende Blicke der Matrona ein, doch sie mochte mich ohnehin nicht leiden, genau wie meine kleine sogenannte Schwester.
Und ebenjene, auch eine Caelia, wie es die Namenstradition der Römer verlangte, trat soeben ungefragt über meine Türschwelle.
„Deine faule Sklavin hat dir wieder den Dienst verweigert?“, fragte sie, was überhaupt nicht zu ihrer niedlichen Kinderstimme passte. Ich überragte sie um mindestens drei Kopfgrößen, wie ich auch größer als der Rest dieser Familie bin.
Fast alle Römer sind eher klein.
„Nein, sie hat mir den Dienst nicht verweigert.“, korrigierte ich sie müde, „Ich habe sie weggeschickt.“
Sie betrachtete mich kritisch aus ihren wässrigen Augen.
„Dafür ist sie aber da. Eine Tochter aus gutem Haus macht so etwas nicht selbst, sagt Mutter. Sehen deine Haare darum immer so hässlich aus?“
Ich fuhr herum.
„Du hast mir nichts zu sagen, kleine Schwester. Lass mich in Frieden und verschwinde.“
„Rede nicht so mit mir, Barbara!“
„Ich rede mit dir, wie ich will“, gab ich zurück.
Caelia zog eine Schnute, die aber allmählich wieder zu einem hämischen Grinsen wurde.
„Davon wird Mutter erfahren!“, verkündete sie triumphierend, drehte sich um und ließ mich endlich allein.
„Soll sie“, murmelte ich meinem Spiegelbild zu und schickte ein paar gedämpfte, aber höchst unanständige Flüche in meiner Muttersprache hinterher.
Mein Temperament war ohnehin schwer zu bändigen, aber am frühen Morgen war dies beinahe unmöglich.
Dann strich ich mir die Tunika glatt und verließ mein Quartier.

Der Mosaikboden fühlte sich uneben an unter den dünnen Sohlen meiner Sandalen. Ich lief durch den quadratischen Säulengang, der den kleinen Garten einrahmte, und grüßte den Sklaven, der dort das Laub des einzigen Baumes entfernte, einen Germanier namens Silvanus. Seinen richtigen Namen wusste ich nicht.
Die Bibliothek lag an einer der abzweigenden Gänge, und die Tür war reich verziert.
Ich vertrieb mir die Zeit gern in der Bibliothek, denn es war immer schattig und kühl, und es lagerten viele interessante Schriften dort. Heute morgen jedoch sollte ich Lateinunterricht erhalten,was eigentlich vollkommen überflüssig war, denn ich sprach fast ununterbrochen Latein. Dennoch bestand die Mutter darauf, dass ich lernte, eine höfliche und gepflegte Kommunikation zu führen. Ihres Erachtens war ich darin nicht gut genug und würde es auch niemals sein, doch sie konnte nicht ahnen, dass dies nicht an mangelnder Sprachbegabung, sondern meiner schlichten Weigerung lag.
Mich wunderte schon die Mühe, die sie dafür aufbrachte.
Vielleicht wollte sie jemandem beweisen, dass man aus einer „unzivilisierten Barbarin“ eine ausgesucht höfliche und gebildete römische Dame machen konnte, sofern man es nur richtig anging. Ich würde wohl niemals erfahren, was im Kopf dieser Frau vorging.
Als ich die Tür öffnete, wehte mir der vertraute Geruch nach Staub und Tinte entgegen. Ich trat ein und bemerkte, dass ich nicht allein war.
Julius Caelius, der jüngste Sohn der Familie, saß im Schneidersitz auf dem Boden, über ein paar Schriftrollen gebeugt, und bemerkte mein Eintreten nicht. Mir wurde oft gesagt, ich könne mich leise bewegen, doch dieses Mal lag es eher daran, dass seine Aufmerksamkeit vollkommen an den Schriften hing. Julius war einer der wenigen Menschen, die nur mit den Augen lasen.
„Salve.“
Er fuhr zusammen.
„Bei allen Göttern, Schwester, wie kannst du mich so erschrecken?“
Ich verzog die Lippen zu einem leichten Lächeln. „Es ist schwer, dich nicht zu erschrecken, wenn du derart gefesselt von diesen Zeilen bist. Als würde man dich aus einer anderen Welt holen müssen.“
Er lächelte zurück. „Das sagen alle. Und manchmal frage ich mich, ob es nicht stimmt. Hast du Seneca gelesen?“
Ich schüttelte den Kopf.
„Je mehr wir in uns aufnehmen, umso größer wird unser geistiges Fassungsvermögen.“, zitierte Julius, „Wenn er Recht hat, kann man nur klüger davon werden, wenn man viel liest. Und wer klug ist, hat es deutlich leichter in dieser Welt.“
„Vielleicht liegst du richtig. Ich kenne mich mit Philosophie nicht aus.“
„Das solltest du aber. Wenn du dir Mutters Meinung zu Herzen genommen hast, Philosophie gehe die Frauen nichts an, kann ich dir nur das Gegenteil predigen. Noch nie etwas von Musonius gehört?“
Seine Augen flackerten auf, wie immer, wenn er über sein Lieblingsthema redete. Julius war der Einzige unter den Caeliern, mit dem ich mich nicht nur arrangiert, sondern angefreundet hatte.
„Nein, wer war das?“
„Er war ein stoischer Philosoph und beharrt darauf, dass Mädchen wie Jungen in der Ph...“
In diesem Augenblick flog die Tür auf, und energisch wie immer marschierte Flavius, mein Lehrer herein.
„Musonius hat den Kaiser verraten und wurde getötet, er gehörte zu den Verschwörern um Piso.“, erklärte er ungefragt, „Es könnte sehr ungesund sein, mit der Philosophie eines Verbrechers zu sympathisieren.“
„Ein Verbrecher mag er gewesen sein, doch seine Philosophie war trotzdem weise.“, protestierte Julius.
Flavius bedachte ihn mit einem strafenden Blick.
„Ich würde es begrüßen, wenn Ihr uns nun allein lassen würdet.“, grollte er.
Julius kapitulierte, räumte die Schriften zur Seite und ging.
„Wir sehen uns später, Schwester.“, sagte er noch beim hinausgehen.
Ich nickte.
Flavius blickte ihm missbilligend hinterher, bis die schwere Holztür ins Schloss gefallen war, dann holte ich meine Wachstafel  aus dem Regal.

Am Nachmittag war der Unterricht beendet und ich verließ die Bibliothek. Ich wusste nicht, was ich tun sollte, darum ging ich in den Garten und setzte mich auf eine der Steinbänke, die um die kleine Grünfläche herum platziert waren. Langeweile war eines meiner steten Probleme, da ich mich immer irgendwie beschäftigen musste. Der Garten lag friedlich da, und ein kleiner Springbrunnen sprudelte beständig. Auf dem glatt geschnittenen Gras lag ein reflektierender Gegenstand und ich stand auf, um ihn besser sehen zu können.
Es war ein Schwert.
Das kleine, stumpfe Übungsschwert, dass einst Marius Caelius, dem zweitältesten Sohn der Familie, gehört hatte, wirkte eine erstaunliche Anziehung auf mich aus.
Ich zog die Sandalen aus, um die Grünfläche nicht zu beschädigen, und trat auf den Rasen.
Das Schwert blitzte im durch das offene Dach einfallenden Sonnenlicht. Ich bückte mich und nahm es in die Hand, spürte das Gewicht und den Geruch des Stahls.
Es rief  seltsame Erinnerungen in mir wach. Meine kleine Hand um den Griff des Schwertes geklammert, es ist zu schwer für mich, doch mit beiden Händen kann ich es heben. Die Klinge ist so lang wie mein Arm.
Ich imitiere den Kampflehrer, führe das Schwert langsam von oben nach unten, von rechts nach links. Präzision ist die tödlichste Waffe.

Das Schwert in meiner Hand war eines der ungeheuer hässlichen römischen Kurzschwerter, ohne Reichweite, ohne Schärfe. Wie konnten sie nur mit so etwas die ganze Welt erobert haben?
Ich führte den Streich von oben nach unten, von rechts nach links. Langsam, ohne Eile, aber präzise und gleichmäßig, wie es der Kampflehrer immer getan hatte.
Die Hand meines Vaters auf meiner Schulter, er sagt etwas mit Wärme in der Stimme. Meinen wahren Namen, ich bin das Feuer. Wild und unzähmbar.
Er nimmt mir sein Schwert aus der Hand, vorsichtig, damit ich mich nicht verletze, denn ich bin noch klein und unvorsichtig. Dann lächelt er, ich lächle zurück...

„Was tut ihr da?“
Eine Kammerdienerin der Matrona sah mich schockiert an. Als hätte sie mich bei einem Diebstahl ertappt. „Ich habe das Schwert auf dem Rasen liegen sehen. Wer hat es dort gelassen?“, fragte ich sie, mehr um von mir abzulenken. Offenbar hatte ich irgendeine Regel gebrochen, als ich das Schwert berührte.
Die Kammerdienerin schüttelte ungläubig den Kopf und murmelte etwas, dann ging sie weiter. Bevor noch jemand vorbeikommen konnte, legte ich den stumpfen Stahl wieder ins Gras. Was auch immer ich getan hatte, die Dienerin nahm es mir übel, und ich zweifelte nicht daran, dass sie es der Matrona erzählen würde.
Rasch bat ich Andarta, mich vor ihrem Zorn zu schützen, dann verließ ich den Garten. Ich ließ dem Vater durch einen Dienstboten die Nachricht zukommen , dass ich für die nächste Stunde außer Haus war, und machte mich auf den Weg durch die Stadt.
Ravenna. Eine hässliche, aber fortschrittliche Stadt, denn man musste den Römern schließlich lassen, dass sie Meister der Baukunst und Architektur waren. Leider waren die Baumeister, die Ravenna errichtet hatten, ein wenig voreilig gewesen, denn da sie fast keinen festen Untergrund besaß und die Mehrzahl der Gebäude auf Stützpfeilern über dem Wasser gebaut worden war, musste man ständig damit rechnen, dass ganze Häuser versanken oder einstürzten. Vor ein paar Jahren war das halbe Forum wegen ein paar maroder Stützen eingesackt, und der Statthalter hatte Wochen gebraucht, um es wiedererrichten zu lassen.
Trotzdem besaß Ravenna jedes Merkmal einer römischen Stadt, öffentliche Bäder, hauptsächlich intakte Straßen, mehrere Tempel, Wasserleitungen und sogar ein Amphitheater. Jeden zweiten Tag fand dort Programm statt, griechisches Theater  zum Beispiel sah ich mir sehr gern an. Mehrmals hatte ich mit Julius solche Stücke besucht, die teilweise sogar musikalisch unterlegt waren.
Und Gladiatorenkämpfe.
Diese fanden zwar nur ein paar Mal im Jahr statt, doch an diesen Tagen pilgerte die gesamte Stadtbevölkerung zum Amphitheater, um den Kämpfern beim Leben und Sterben in der Arena zuzusehen. Zu dieser Art von Schauspiel hatte mich der Vater einmal mitgenommen, doch ich fand es abscheulich. Den verrückten Kult, den die Römer um das blutige Ende hauptsächlich unfreiwilliger Todgeweihter machten, konnte ich nicht verstehen. Kämpfe, so hatte man mir in frühester Kindheit beigebracht, wurden geführt, wenn es nötig war, und nicht zur Volksbelustigung. Doch die Römer schienen auf solcherlei Grundsätze wenig Wert zu legen.
Und die Icener nannten sie unzivilisiert.
Ich schüttelte den Kopf vor Verachtung, während ich in das tägliche Getümmel der Stadt eintauchte.
Der Gestank der Kanäle nach totem Fisch und anderen Dingen, die man besser nicht betiteln wollte, wurde an manchen Stellen überdeckt vom Geruch der Waren der Bäckereien und Obsthändler.
Auch Gewürze waren hier und da zu riechen, wenn man sich anstrengte, und zu den Gerüchen mischten sich der geschäftige Lärm und die farbenfrohe Menge aus bunter Kleidung.
Ich bog in eine Gasse ein, an deren Ende ein kleiner Park angelegt worden war. Eine Zypresse wuchs dort ebenso wie hohe Gräser und kleine Blumen mit unzähligen, weißen Blüten.
Ich mochte diesen Ort. Hier war ich fast immer allein und diese kleine Wildnis inmitten der Stadt erinnerte mich an meine Heimat.
Als ich mich mit untergeschlagenen Beinen auf die Bank setzte, dachte ich darüber nach, welche Anziehung das kleine, stumpfe Schwert im Garten der Caelier-Residenz auf mich ausgeübt hatte. Nachdem ich mich jahrelang – hauptsächlich – wie eine römische Dame benommen hatte, war es nicht weiter verwunderlich, dass ich ein derart unfeines Ventil brauchte.
Die römische Kultur hatte nur sehr wenig Verständnis dafür, wenn eine Frau irgendetwas anderes zu tun gedachte als sich mit Nadeln, Musik oder ihrem äußeren Erscheinungsbild zu beschäftigen, und dies hatte mich schon immer eingeschränkt. Zwar konnte es durchaus Spaß machen, sich neue Lieder für die Lyra auszudenken oder alte nachzuspielen, doch meine mangelnde Feinmotorik verhinderte, dass ich beim Nähen oder Sticken irgendetwas anderes  zustande brachte als schiefe Stiche und verunstaltete Muster. Daher hatte die Matrona gnädigerweise darauf verzichtet, mich zu dieser Art Beschäftigung zu zwingen, solange ich hin und wieder brav auf meiner Lyra klimperte.
Ich hasste die römische Gesellschaft nicht nur darum, weil sie mein Volk unterjocht hatte, sondern auch, weil sie nur einem ungeheuer geringen Anteil ihrer Mitglieder Bedeutung zusprach.
Mit diesen Gedanken kam meine alte Wut wieder in mir auf, und wie so oft verspürte ich den vertrauten Drang  nach Widerstand.
Ich nahm einen Ast der Zypresse vom Boden, schloss die Augen und ließ ihn im Geiste wieder zu einem beeindruckenden Schwert werden.
Die Augen der Krieger sind auf mich gerichtet. Sie alle habe ich gefesselt mit den flammenden Worten meiner Schlachtrede, ich sehe die Entschlossenheit in ihnen, die auch in mir brennt.
Ich bin das Feuer.

Diese Geschichte hatte ich früh gehört, und leider wusste ich, wie sie ausging. Doch ich gab mich ihr noch einen Augenblick lang hin und schlüpfte noch einmal in die Rolle der großen Kriegerkönigin Boudicca.
Ich hebe das Schwert, mein schwarzes Pferd seine Vorderbeine und mit einem Kampfschrei stürzen wir uns in die Schlacht. Die römischen Truppen, die uns gegenüberstehen, sind verängstigt, auch wenn sie den Ruf haben, auf offenem Feld ungeschlagen zu sein. Doch dem brennenden Zorn der Icener können sie nicht standhalten. Niemand kann uns standhalten.
Sie versuchen, sich zu formieren, doch schon brechen wir über sie wie eine Springflut, wie ein Waldbrand, wie ein Orkan. Ich drücke meinem schwarzen Pferd die Fersen in die Flanken und galoppiere mitten in die Menge der überraschten Soldaten, schwinge mein Schwert nach ihnen.
Ein verhasster Besatzer nach dem anderen fällt unter meiner Klinge und das Blut versetzt mich in einen Rausch. Mein Schlachtross und ich schlagen eine Bresche in die Reihen der Römer, die sie auseinanderstreben lässt, hinter mir meine Krieger, die ihre Formation vollständig brechen. Mein Schwert ist nur noch ein Wirbel aus blitzenden Klingen, überall zugleich, und der metallische Geschmack feindlichen Blutes auf meiner Zunge gibt mir Kraft und zügellose Energie.
Ich bin das Feuer.
Präzise führe ich meine Klinge, dennoch schnell und tödlich, und schon bald steht es fest: Wir werden siegen. Die Römer haben mit dem Feuer gespielt, und wir werden sie lehren, es nie wieder zu tun. Wir sind die Urgewalt dieses Landes, und niemand, niemand wird uns jemals zähmen, genau wie niemand eine Feuersbrunst zu zähmen vermag. Das werden sie noch heute zu spüren bekommen. Denn wer mit dem Feuer spielt, wird sich verbrennen.

Ich öffnete die Augen, senkte die Arme, und schon war ich wieder ich, das Schwert ein Stock, das Schlachtfeld nur ein kleiner  Park, in dem ich allein war.
Diese Illusion eines Kampfes verlieh mir innere Stärke, wie immer, und ich fühlte Boudiccas Entschlossenheit in mir. Warum ich mich derart gut in die Kriegerkönigin hineinversetzen konnte, vermochte ich nicht zu sagen, doch ich hatte das Gefühl, sie besser zu kennen als jeder andere.
Das Szenario der Schlacht, kurz bevor Boudicca und ihre Rebellen Londinium niedergebrannt hatten, war ein Sieg gewesen, ein Sieg für die Gerechtigkeit. Sie hätten es fast geschafft, die Besatzer zu vertreiben. Doch das hatte bisher niemand geschafft.
Ich wurde immer ein wenig melancholisch, wenn ich an das Ende dieser Heldin, Kriegerin und Rebellin dachte, dass sie nach der Niederlage erwartet hatte.
Sie hatte sich vergiftet, um mit ihrem Tod von den besiegten Icenern Vergebung zu erbitten.
Auch dieses Reich wird fallen.
Das waren ihre letzten Worte gewesen, bevor sie zu Andarta gegangen war. Die Siegesgöttin nahm auch die Verlierer bei sich auf, wenn diese tapfer gekämpft hatten, und Boudicca war ihre Tapferkeit kaum streitig zu machen.
Diese Revolte hätte den Kaiser beinahe zum Rückzug von den Inseln bewegt, denen die Römer den Namen Brittania gegeben hatten.
Ich bemerkte die roten Abdrücke in meinen Handflächen, wo ich den Stock offenbar so gehalten hatte, als würde ich ein schweres Schwert schwingen. Ein Lächeln huschte über mein Gesicht.
Dann machte ich mich auf den Heimweg.

Die Häuser in Ravenna waren sehr hoch, und eher sparsam als nachhaltig gebaut. Es gab nur wenig Platz in dieser überbevölkerten Stadt, und es wurde stets in die Höhe gebaut, statt in die Breite und damit in mehr Stabilität zu investieren. Dies widersprach, sofern ich es recht verstanden hatte, zwar den Grundsätzen römischer Baukunst, aber scheinbar konnte man nicht jede Colonia mit Rom vergleichen.
Während ich mich durch die Masse schob, um dem Forum einen Besuch abzustatten, hatte ich die ganze Zeit das Gefühl, beobachtet zu werden. Dieser Anflug von Verfolgungswahn veranlasste mich, meine Schritte etwas zu beschleunigen, obwohl ich infolgedessen ein paar Mal beinahe einen Passanten angerempelt hätte.
Ich drehte mich um, sah jedoch niemanden. Wahrscheinlich spielte mein Kopf mir einen Streich.
Das Forum, welches sich nun vor mir erstreckte, war um diese Zeit komplett überfüllt. Wenn die unerbittliche Mittagssonne gewichen war, wagten sich Ravennas Einwohner wieder auf die Straßen, der Markt eröffnete und die Redner nahmen ihre Plätze ein. Philosophen, Wissenschaftler, Priester, Aufrührer, Denker, Kritiker und Propagandisten versuchten, ihre Stimmen durchzusetzen und wandten sich von ihren Podien, Gemüsekisten und Fässern herab an das einfache Volk und den betuchten Stand gleichermaßen.
Das Forum war der eine Ort der Gleichberechtigung, den ich in der römischen Gesellschaft zu finden imstande war. Hier dürfte jeder reden, ob Arme oder Reiche, Ob Ritter, Senatoren oder einfache Handwerker, ob Römer oder Ausländer, ob Männer oder Frauen. Wenngleich es nicht viele Frauen taten.
Ich ging gerne dorthin und hörte ihnen zu, manchmal gab es sogar heftige Diskussionen zwischen den Rednern, die jeweils ihre Ansichten gegenüber dem anderen verteidigen wollten.
Ein gelb gekleideter Befürworter aus dem höheren Stand berichtete von den ach so glorreichen Taten Kaiser Neros, den ich jedoch gepflegt ignorierte und zum nächsten weiterging. Es war ein nervös dreinblickender junger Mann, der sich immer wieder umsah, während er seine Rede hielt.
„Bürger von Ravenna, hört mich an.“
Ich blieb stehen und lauschte interessiert. Einige andere Taten es mir gleich, die von den Vorträgen des Nero-Propagandisten und des bärtigen Griechen auf der anderen Seite des Platzes offenbar gelangweilt waren. „Ich möchte euch heute etwas erzählen, das vielen nicht gefallen wird. Doch ich hoffe, dass ihr die Wahrheit hinter meinen Worten erkennen werdet und mir glaubt.“
Er holte noch einmal Luft, um sich zu beruhigen.
„Ihr habt sicher von dem geachteten Philosophen Gaius Musonius gehört.“
War das nicht der Philosoph, von dem Julis mir am Vormittag erzählt hatte?
„Er hat den Kaiser hintergangen!“, rief ein Fischhändler aus einer hinteren Reihe.
„Hört mich an, bitte.“, fuhr der Redner fort, „Musonius war ein Teil der Pisonischen Verschwörung, jene, die zum Ziel hatte, den Princeps zu stürzen. Und infolgedessen wurde er hingerichtet.“
Er machte eine Pause, um die Zuhörer in den Bann seiner Worte zu ziehen.
„Viele der Verschwörer entkamen, obwohl einige ihrer Brüder der Folter nachgaben. Und sie trugen die Wahrheit, die sie erkannt hatten, in die Welt hinaus.“
„Holt die Wache!“, schrie eine hagere Sklavin von einem  Obststand aus, „Er ist einer von ihnen!“
Doch der Redner ließ sich nicht beirren.
„Nero, unser geliebter Princeps“, rief er mit unverhohlener Verachtung, „Hat seine eigene Mutter vergiftet!“
„Verhaftet diesen Lügen spinnenden Verräter“, keifte die Sklavin.
„Hat euch Agrippinas rätselhafter Tod nie Rätsel bereitet?“, wandte der Aufrührer sich an die Menge, „Diese energetische Witwe, die keine Anzeichen ihrer Krankheit zeigte, bevor sie an ihr verstarb?“
Ich blickte umher. Am Rande des Forums begannen einige Soldaten, sich durch die Menge zu schieben. Ohne Zweifel würden sie den rebellischen Redner verhaften.
„Ich sage euch, ihr Sohn hat sie getötet!“, rief er, „Was hat Nero euch jemals Gutes getan? Er sitzt in seinen Gemächern, klimpert auf seiner Harfe und schreibt Gedichte! Er interessiert sich einen Dreck für sein Volk, er lässt das Erbe seines Vorgängers einfach verrotten!“
Die Soldaten drängten sich mithilfe der stumpfen Seite ihrer Speere voran.
„Denkt nach über meine Worte!“, schloss er, während er von seinem Fass sprang und  die Flucht vor der Stadtwache antrat.
Ich blickte ihm nachdenklich hinterher, während die Soldaten ihm hinterher hasteten. Sie kamen allerdings wesentlich langsamer voran als der flinke Rebell, da  ihre Schilde und Rüstungen sie behinderten. Schon nach ein paar Sekunden war der Redner hinter einer Straßenecke verschwunden, und die normalerweise notorisch betrunkenen Soldaten wollten sich offenbar nicht die Mühe machen, ihn weiter zu verfolgen.
Ich lächelte.
Offenbar war ich nicht die einzige mit heißem Blut in dieser Stadt.

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Beitrag30.01.2014 13:29
Re: Leseprobe: Gladiatrix
von Drakenheim
Antworten mit Zitat

24.000 Zeichen, das ist ein bißchen zu lang für meine Mittagspause. Hast du auch eine kürzere Leseprobe?

Ich schau mal, wie weit ich komme.

TheVeto hat Folgendes geschrieben:
Hallo zusammen! Ich bin neu hier und nehme demnächst am "Bundeswettbewerb junger Autoren" teil. Eine meiner Einsendungen ist "Gladiatrix", ein Historischer Roman zur Zeit um das Jahr 0. (So genau weiß ich das noch nicht). Es geht um eine keltische Fürstentochter namens Edana, die nach dem Tod ihres Vaters und der Unterwerfung ihres Stammes (die für ihren Rebellionsgeist bekannten Icener) von einer römischen Adelsfamilie adoptiert wird. Als Marcus Caelius, das Oberhaupt der Familie, stirbt, beschuldigt man sie des Mordes. Edana landet als eine der wenigen Frauen in der Arena von Ravenna und schafft es, vier Kämpfe zu überleben - bis der Waffenmeister des ludus einen Aufstand plant...

(Historienroman ist schon mal was Feines. ^^ Ich hoffe, du hast gute Geschichtsbücher für deine Recherche. Haben die Römer damals ihre Adoptivkinder auch einfach umbenannt wie später die Christen? Ist Edana dann ihr keltischer oder ihr römischer Name?)

Hier ist schon mal der erste Teil, den ich einsenden werde. Bin offen für Verbesserungsvorschläge!
Veto

Domina, seid Ihr wach?“
Ich drehte mich auf die Seite. Natürlich war ich wach. Wie auch nicht. (Oha, Ich-Perspektive. Umstritten, aber interessant.)
Der Morgen war warm und sonnig, und die ersten Sonnenstrahlen schienen bereits durch die geschlossenen Schlagläden.
Meine Dienerin kam mit kleinen Schritten näher. Sie hat weniger Glück gehabt als ich.
Trotzdem zeigte sie niemals eine Spur von Neid, sondern lächelte mich stets an, ganz ohne  erkennbare Missgunst. (Ein Leerzeichen zu viel.)Ich nahm mir vor, sie eines Tages freizulassen, sofern mein Familienvater dies erlaubte, denn irgendetwas von ihrem zu bewundernden Großmut musste ich ihr zurückzahlen.
Ich streifte die dünne Decke ab.
Meine Haut sah blass aus, doch sie war einmal braun von der Sonne gewesen, als ich noch dort war, wo ich hingehörte.
Auch der Vater, den so zu nennen ich gezwungen bin, ist nicht mein Vater. Mein richtiger Vater war ein Inselkelte, ein Icener, genau wie durch meine Adern das Blut der Krieger Andartas fließt.
Die Erinnerung an ihn ist beinahe verblasst, doch ich erinnere mich an seine Augen, braun wie meine. Schon Jahre sind vergangen seit seinem Tod.
Am Anfang hasste ich die Römer abgrundtief, besonders die Caelier, die mein Leben auf so grausame Weise umgekrempelt hatten, und ich besitze den rebellischen Geist, der offenbar allen Icenern innewohnt. Kein anderer Keltenstamm hat so oft gegen die romanischen Besatzer revoltiert, und keiner ist so blutig geschlagen worden.
Doch im Lauf der Jahre lernte ich, meinen Freigeist zu zähmen und meine Zunge zu hüten.
Die Caelier waren gnädig gewesen, als sie mich adoptiert hatten, denn sie konnten nicht ahnen, dass dies eine Demütigung ohnegleichen für eine Icenierin ist. Wobei es allemal noch besser ist als das Dasein als Sklavin zu fristen.
„Caelia?“
Ich setzte mich auf.
„Ich weiß, wie sehr diese Sprache dir widerstreben muss. Benutze deine eigene, es steht dir frei, Eara.“
Sie zögerte, als sie ihren richtigen Namen hörte. Ich glaubte zu wissen, dass sie aus Gallien stammte.
„Was wird der Herr sagen, wenn es mich so sprechen hört?“, fragte sie leise, aber immerhin, sie benutzte ihre Muttersprache. (Dann müsste sie doch wissen, woher sie stammt, oder? Sonst könnte sie sie nicht verstehen.)
„Ich bete zu Andarta, sooft ich kann, und gebe vor, ihre dekadenten Scheußlichkeiten von Göttern zu verehren. So schwer ist das nicht, und wir sind allein.“
Sie zog angesichts dieser offenen Blasphemie scharf die Luft ein. Dann entspannte sie sich ein wenig. „Wie Ihr wünscht, Herrin.“
Eara misstraute mir offenbar immer noch ein wenig, auch wenn ich ihr seit mehreren Monaten klarzumachen versuchte, dass ich ihre Verbündete war.
„Ich werde versuchen, auch meinen Göttern die Ehre zu erweisen. Soll ich euch behilflich sein?“
„Nein, danke.“
Ich würde mich niemals dazu herablassen, mir beim Ankleiden helfen zu lassen.
Eara schloss die Tür hinter sich.
Ich stand auf, ohne meine Hände zu benutzen, und öffnete die schwere Kleidertruhe ohne Mühe. Zumindest hatte Eara oft gesagt, sie sei schwer.
Ich wählte eine korallfarbene Tunika und schloss die Spangen über den Schultern. Mein Haar ließ ich offen.
(Tunika mit Schulterspange? Ich kenne Tuniken als weiße kleiderähnliche Wäschestücke, meist weiß und als Unterwäsche, darüber dann einen Peplos mit Schulterspangen. Wobei ich jetzt aber nicht weiß, was die Römerinnen im Jahre 0 zu tragen pflegten.)
Dies war der Hauch von Widerstand, den ich mir erlaubte. Die römischen Damen trugen ihre Haare stets geflochten oder hochgesteckt, ich jedoch wollte, dass man mich nicht für eine von ihnen hielt.
Mein kleiner, stiller Protest brachte mir stets strafende Blicke der Matrona ein, doch sie mochte mich ohnehin nicht leiden, genau wie meine kleine sogenannte Schwester.
Und ebenjene, auch eine Caelia, wie es die Namenstradition der Römer verlangte, trat soeben ungefragt über meine Türschwelle.
„Deine faule Sklavin hat dir wieder den Dienst verweigert?“, fragte sie, was überhaupt nicht zu ihrer niedlichen Kinderstimme passte. Ich überragte sie um mindestens drei Kopfgrößen, wie ich auch größer als der Rest dieser Familie bin.
Fast alle Römer sind eher klein.
„Nein, sie hat mir den Dienst nicht verweigert“, korrigierte ich sie müde, „Ich habe sie weggeschickt.“
Sie betrachtete mich kritisch aus ihren wässrigen Augen.
„Dafür ist sie aber da. Eine Tochter aus gutem Haus macht so etwas nicht selbst, sagt Mutter. Sehen deine Haare darum immer so hässlich aus?“
Ich fuhr herum.
„Du hast mir nichts zu sagen, kleine Schwester. Lass mich in Frieden und verschwinde.“
„Rede nicht so mit mir, Barbara!“
„Ich rede mit dir, wie ich will“, gab ich zurück.
Caelia zog eine Schnute, die aber allmählich wieder zu einem hämischen Grinsen wurde.
„Davon wird Mutter erfahren!“, verkündete sie triumphierend, drehte sich um und ließ mich endlich allein.
„Soll sie“, murmelte ich meinem Spiegelbild zu und schickte ein paar gedämpfte, aber höchst unanständige Flüche in meiner Muttersprache hinterher.
Mein Temperament war ohnehin schwer zu bändigen, aber am frühen Morgen war dies beinahe unmöglich.
Dann strich ich mir die Tunika glatt und verließ mein Quartier.



So, bis hier hin erstmal. Zwei Dinge sind mir aufgefallen; Du neigst zu komplizierten Satzkontrukten, und ich bin durcheinandergeraten, wie die Junge Dame jetzt in ihrer "Familie" heißt. Heißen jetzt beide Caelia?

Die Satzkontrukte, ich greif mal ein paar Beispiele raus.

Zitat:
Ich nahm mir vor, sie eines Tages freizulassen, sofern mein Familienvater dies erlaubte, denn irgendetwas von ihrem zu bewundernden Großmut musste ich ihr zurückzahlen.

"Ich nahm mir vor" in dem Moment, wo sie sie morgens zwischen den sonnendurchstrahlten Fensterläden stehen sieht? "Eine Tages konnte ich ihr hoffentlich ihre Freiheit schenken. Ich brauchte nur das Vertrauen und die Erlaubnis des Familienvaters. Ihr Großmut war bewundernswert, ich wollte ihn ihr zurückzahen."
Uns so wurde aus einem Satz drei. Man kann noch an Wörtern und Formulierungen feilen, damit es runder klingt, aber wenigstens verknoten sich die Nebensätze nicht mehr.
Zitat:
Auch der Vater, den so zu nennen ich gezwungen bin, ist nicht mein Vater.

... den so zu nennen ich gezwungen bin ... Vielleicht "Der Mann, der mich gegen meinen Willen in seine Familie aufnahm..." "Der Mann, den ich heute Familienvater nennen soll, hat mich gegen meinen Willen in seine Familie aufgenommen."
Zitat:
Mein richtiger Vater war ein Inselkelte, ein Icener, genau wie durch meine Adern das Blut der Krieger Andartas fließt.

"Mein wahrer Vater war ein Inselkelte, ein Icener." Der inhalt des Nebensatzes erschließt sich mir gerade nicht.

So, das waren meine ersten Gedanken beim ersten Lesen. Weiter als den ersten Absatz habe ich noch nicht, aber ich hoffe, dass dir das schon mal weiter hilft.
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TheVeto
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Beitrag31.01.2014 21:13

von TheVeto
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Ja, danke smile Caelia Britannica ist ihr römischer Name, Edana keltisch. Da die Icener (wie man allgemein annimmt) die selbe Sprache benutzten wie viele der gallischen Kelten, kann sie Eara verstehen. Sie selber kommt, wie schon im Namen enthalten, aus Britannien.

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timcbaoth
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Beitrag01.02.2014 12:10
Re: Leseprobe: Gladiatrix
von timcbaoth
Antworten mit Zitat

Hallo Veto

Ich finde, du hast dir hier ein spannendes Thema ausgesucht und bin schon gespannt, wie es weitergehen wird. Stilistisch will ich den ersten Absatz einmal ansehen. Rot streiche ich an, was gestrichen werden kann. Orange, was mir schräg oder falsch vorkommt und blau schreibe ich meine Kommentare dazu. Ich hoffe du fühlst dich nicht angegriffen, das ist bloss meine eigene höchst subjektive Meinung. Wink

TheVeto hat Folgendes geschrieben:

Domina, seid Ihr wach?“
Ich drehte mich auf die Seite. Natürlich war ich wach. Wie auch nicht.
Der Morgen war warm und sonnig, und die ersten Sonnenstrahlen schienen bereits durch die geschlossenen Schlagläden.
Meine Dienerin kam mit kleinen Schritten näher. Sie hat weniger Glück gehabt als ich.

Das Perfekt kommt mir hier unpassend vor. Die Erzählung ist im Präteritum, daher muss etwas Vorangegangenes im Plusquamperfekt stehen. Meiner Meinung nach müsste es hier heissen: Sie hatte weniger Glück gehabt als ich.

Trotzdem zeigte sie niemals eine Spur von Neid, sondern lächelte mich stets an, ganz ohne  erkennbare Missgunst.

Diesen Satz sollte man in zwei teilen.

Ich nahm mir vor, sie eines Tages freizulassen, sofern mein Familienvater dies erlaubte, denn irgendetwas von ihrem zu bewundernden Großmut musste ich ihr zurückzahlen.

Besser würde passe: Ich hatte vor,... Immerhin nehme ich nicht an, dass sie den Vorsatz erst jetzt fasst. Gerund-Konstruktionen ("zu bewundernden") würde ich nur in Übersetzungen vom Lateinischen verwenden, jedenfalls nicht in deutscher Prosa. Den Satz könnte man ebenfalls in mehrere unterteilen.

Ich streifte die dünne Decke ab.
Meine Haut sah blass aus, doch sie war einmal braun von der Sonne gewesen, als ich noch dort war, wo ich hingehörte.
Auch der Vater, den so zu nennen ich gezwungen bin, ist nicht mein Vater.

Besser: Auch der Mann, den ich Vater nennen musste, war nicht mein Vater. Hier wechselst du ausserdem in der Zeit. Vom Präteritum ins Präsens.

Mein richtiger Vater war ein Inselkelte, ein Icener, genau wie durch meine Adern das Blut der Krieger Andartas fließt.

Das Simile ergibt hier keinen Sinn. Du schreibst hier wieder im Präsens. Besser: Mein Vater war Inselkelte, ein Icener. Ebenso floss durch meine Adern das Blut der Krieger Andartas.

Die Erinnerung an ihn ist beinahe verblasst, doch ich erinnere mich an seine Augen, braun wie meine. Schon Jahre sind vergangen seit seinem Tod.
Am Anfang hasste ich die Römer abgrundtief,

Das Wort passt für mich nicht in diese Zeit. Besser: von ganzem Herzen

besonders die Caelier, die mein Leben auf so grausame Weise umgekrempelt hatten, und ich besitze Zeit! den rebellischen Geist, der offenbar allen Icenern innewohnt. Kein anderer Keltenstamm hat so oft gegen die romanischen Besatzer revoltiert, und keiner ist so blutig geschlagen worden.
Doch im Lauf der Jahre lernte ich, meinen Freigeist zu zähmen und meine Zunge zu hüten.
Die Caelier waren gnädig gewesen, als sie mich adoptiert hatten, denn sie konnten nicht ahnen, dass dies eine Demütigung ohnegleichen für eine Icenierin ist. Wobei es allemal noch besser ist als das Dasein als Sklavin zu fristen.

Die Zeiten sind nicht korrekt. "Dasein zu fristen" klingt in meinen Ohren schon recht abgedroschen.

„Caelia?“
Ich setzte mich auf.
„Ich weiß, wie sehr diese Sprache dir widerstreben muss. Benutze deine eigene, es steht dir frei, Eara.“
Sie zögerte, als sie ihren richtigen Namen hörte. Ich glaubte zu wissen, dass sie aus Gallien stammte.
„Was wird der Herr sagen, wenn es er mich so sprechen hört?“, fragte sie leise, aber immerhin, sie benutzte in ihre Muttersprache.
„Ich bete zu Andarta, sooft ich kann, und gebe vor, ihre dekadenten Scheußlichkeiten von Göttern zu verehren. So schwer ist das nicht, und wir sind allein.“
Sie zog angesichts dieser offenen Blasphemie scharf die Luft ein. Dann entspannte sie sich ein wenig. „Wie Ihr wünscht, Herrin.“
Eara misstraute mir offenbar immer noch ein wenig,

"Offenbar, immer noch, ein wenig" Drei Beschreibungen sind einfach zu viel.

auch wenn ich ihr seit mehreren Monaten klarzumachen versuchte, dass ich ihre Verbündete war.
„Ich werde versuchen, auch meinen Göttern die Ehre zu erweisen. Soll ich euch behilflich sein?“
„Nein, danke.“
Ich würde mich niemals dazu herablassen, mir beim Ankleiden helfen zu lassen.
Eara schloss die Tür hinter sich.
Ich stand auf, ohne meine Hände zu benutzen,

Ist das relevant?

und öffnete die schwere Kleidertruhe ohne Mühe. Zumindest hatte Eara oft gesagt, sie sei schwer.
Ich wählte eine korallfarbene Tunika und schloss die Spangen über den Schultern. Mein Haar ließ ich offen.
Dies war der Hauch von Widerstand, den ich mir erlaubte. Die römischen Damen trugen ihre Haare stets geflochten oder hochgesteckt, ich jedoch wollte, dass man mich nicht für eine von ihnen hielt.

So hast du einen erklärenden Satz, was den Fluss der Erzählung bremst. Besser: Ich wollte nicht, dass man mich für eine der römischen Damen hielt, die ihre Haare stets geflochten oder hochgesteckt trugen.

Mein kleiner, stiller Protest brachte mir stets strafende Blicke der Matrona ein, doch sie mochte konnte mich ohnehin nicht leiden, genau wie meine kleine sogenannte Schwester. Besser: meine sogenannte kleine Schwester.
Und ebenjene die (kein Mensch sagt ebenjener) , auch eine Caelia, wie es die Namenstradition der Römer verlangte, trat soeben ungefragt über meine Türschwelle.
„Deine faule Sklavin hat dir wieder den Dienst verweigert?“, fragte sie, was überhaupt nicht zu ihrer niedlichen Kinderstimme passte. Ich überragte sie um mindestens drei Kopfgrößen, wie ich auch größer als der Rest dieser Familie bin. Den Satz würde ich teilen.
Fast alle Römer sind eher klein.
„Nein, sie hat mir den Dienst nicht verweigert.“, korrigierte ich sie müde, „Ich habe sie weggeschickt.“
Sie betrachtete mich kritisch aus ihren wässrigen Augen.
„Dafür ist sie aber da. Eine Tochter aus gutem Haus macht so etwas nicht selbst, sagt Mutter. Sehen deine Haare darum immer so hässlich aus?“
Ich fuhr herum. Wohin?
„Du hast mir nichts zu sagen, kleine Schwester. Lass mich in Frieden und verschwinde.“
„Rede nicht so mit mir, Barbara!“
„Ich rede mit dir, wie ich will“, gab ich zurück.

Ein Inquit ist nicht immer notwendig. Hier zum Beispiel ist klar, wer spricht.

Caelia zog eine Schnute, die aber allmählich wieder zu einem hämischen Grinsen wurde.

Wieder ergibt hier keinen Sinn, da das Grinsen zuvor schon kein hämisches Grinsen war.

„Davon wird Mutter erfahren!“, verkündete sie triumphierend, drehte sich um und ließ mich endlich allein.
„Soll sie“, murmelte ich meinem Spiegelbild zu und schickte ein paar gedämpfte, aber höchst unanständige Flüche in meiner Muttersprache hinterher.
Mein Temperament war ohnehin schwer zu bändigen, aber am frühen Morgen war dies beinahe unmöglich.

Besser: Am frühen Morgen war mein Temperament noch schwerer zu bändigen als sonst.


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Liebe Grüsse
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Murmel
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Beitrag01.02.2014 16:38

von Murmel
Antworten mit Zitat

Kleiner Tipp vorneweg: Bitte nicht mehr als ca. 500 Wörter Ausschnitte posten. Immerhin ist dieses Board keine Veröffentlichungsplattform, sondern dient zum Zwecke des Feedbacks.

Das Thema Gladiatrix ist nicht neu, aber sicher spannend. Schlecht für dich ist allerdings, dass die Antike total out ist, und es daher nur wenig Veröffentlichungswege gibt. Ab und zu gibt es mal einen Versuchsballon, der dann leider meistens schnell sinkt. Schade eigentlich.

Anfangs bin ich etwas durcheinandergeraten mit den Beziehungen der Figuren zueinander. Das "Ich" ist hier etwas im Wege. Es verleitet dich auch dazu, zu sehr ins Telling zu geraten. Du lässt sie zu oft über sich als "rebellisch", "heißes Blut", u.ä. nachdenken. Du willst eine Heldin zeichnen, es wäre besser, dies zu zeigen. Etwas weniger wäre hier mehr. Der Dialog der Schwestern zum Beispiel transportiert viel mehr, als du offensichtlich denkst. Rückblicke nur, wenn sie unbedingt notwendig sind - und das sind sie erst ab Normseite 100, sprich, du sollst zuerst deine Geschichte aufbauen, bevor du zurückgehst.

Zitat:
Auch der Vater, den so zu nennen ich gezwungen bin, ist nicht mein Vater. Mein richtiger Vater war ein Inselkelte, ein Icener, genau wie durch meine Adern das Blut der Krieger Andartas fließt.

Das trägt dich nämlich eine ganze Weile, da es alle Infos enthält, die ich als Leser brauche.

Zitat:
Am Anfang hasste ich die Römer abgrundtief, besonders die Caelier, die mein Leben auf so grausame Weise umgekrempelt hatten, und ich besitze den rebellischen Geist, der offenbar allen Icenern innewohnt. Kein anderer Keltenstamm hat so oft gegen die romanischen Besatzer revoltiert, und keiner ist so blutig geschlagen worden.
Doch im Lauf der Jahre lernte ich, meinen Freigeist zu zähmen und meine Zunge zu hüten.
Die Caelier waren gnädig gewesen, als sie mich adoptiert hatten, denn sie konnten nicht ahnen, dass dies eine Demütigung ohnegleichen für eine Icenierin ist. Wobei es allemal noch besser ist als das Dasein als Sklavin zu fristen.

Das hier kann weg.

Trotzdem, ganz gut für den Anfang. Dranbleiben!


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