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Lorraine Klammeraffe
Beiträge: 648 Wohnort: France
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22.01.2014 08:44 Stoff von Lorraine
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Stoff
Ich entließ die Namen der Plätze, Brunnen und Brücken aus meinem Gedächtnis. Dies war umso einfacher, je verschwommener die Bilder wurden, die noch lose mit ihnen verknüpft waren. Manche dieser Namen wehrten sich gegen das Vergessen, also behielt ich sie und übte mit ihnen das Verbiegen von Erinnerung, malte mir nie stattgefundene Szenen, Begegnungen aus und erfand sprechende Gestalten, ritzte Spuren meiner Krallen um ihre Worte, damit ich sie hören konnte. Neue Stimmen! Endlich übertönten sie das Flüstern und Murmeln aller Variationen des Schwalls, der jede Nacht neu gespeist mit seinem leise lärmenden Ergießen meinem Schlaf die alten Träume verwehrte hatte.
Neuland. Eine künstliche Zukunft erdenken, ihnen, den nie Geborenen. Falsche Figuren, Maskenträger sollten die Erinnerung an mich mit ihren Worten belegen, ihre Lügen würden zu meiner Wahrheit werden.
Das geschah gestern vor Jahren. Niemand kann mich mehr unterscheiden von ihr, dieser Gestalt, die mein Leben gelebt, ihre statt meiner Schritte gesetzt, fremde Spuren als meine ausgegeben hat. Als einer meinen Weg kreuzte, glaubte er, dass ich es wäre, die er getroffen habe. Ich weiß von ihm, denn sie hat meine Fragen gestohlen und mir seine Antworten diktiert. Als sie mich sterben ließ, lachte sie über seinen Gleichmut und schrieb mir Verfall und Agonie in der Gegenwart.
Heute morgen brachte sie mir neue Geschichten aus meinem Leben. „Arbeit für dich! Nähe mir ein Kleid daraus, nimm die besten Stoffe. Und lass es schillern ...“
Sie drohte mir. Als ich zur Frage ansetzte, was mit den Resten geschehen sollte, winkte sie ab. „Du kannst nicht mehr sprechen, hast du nicht bemerkt, dass ich deine Stimme gestrichen habe?“
Mit zitternden Händen nahm ich das oberste Blatt vom Stapel, schon summte kaum hörbar das Licht der Maschine. Es stimmte! Die Krallen. Jemand hatte in einer der Nächte mit Häme meine Krallen gestutzt.
Die Arbeit geht mir leicht von der Hand. Keine Krallen hindern. Die Maschine ist tüchtig und die Verkleidung wird gut sitzen. Mit ihrer Hilfe werde ich noch heute die Insel verlassen. Am Festland warten neue Zeichen. Sie werden mich die Sprache lehren, mit der ich die Maskenträger töten kann. Geblendet vom Schillern werden sie keinen Widerstand leisten.
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12Wie es weitergeht »
Weitere Werke von Lorraine:
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Jenni Bücherwurm
Beiträge: 3310
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22.01.2014 10:51
von Jenni
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Plotplotplot.
Jetzt verstehe ich, was du meintest. Glaube ich. Das jedenfalls mache ich auch ständig, also mit meinem eigenen Leben und mit den Personen und Orten, denen ich begegnet bin. Und den Personen und Orten, denen ich (wieder) zu begegnen hoffe – Stopp, da geht’s schon los ...
Lorraine spricht mir wie immer aus der Seele, selbst mit ihrem Trash (oder was sie so als solchen deklariert).
Meine (Spontan-)Assoziationen: Es geht darum, was passiert und wie sich das anfühlt, wenn diese Phantasien, das umgeplottete eigene Leben, sich (transzendental ) verselbstständigen und auf eine Weise mit dem wahren Leben vermischen oder sich einmischen, es beeinflussen und es irgendwann nicht mehr leicht oder nicht mehr möglich ist, beide auseinanderzuhalten bzw. zu trennen. Das Schlimme ist, dass man das an diesem Punkt auch nicht mehr will, oder? Das Gefühlschaos was dabei herauskommt, diese gefühlte Dissoziation der Realität, ist aber nicht gerade das, was man sich erdacht (oder erträumt) hat ...
Eben wie beim Plotten, die Geschichten halten sich ja auch nie genau an den Plot (jedenfalls meine nicht), aber trotzdem werden sie in gewissem Sinne wirklich und wenn man Glück hat (Glück? Oder Können? Oder ... „es“?), auch wahrhaftig und (auf irgendeine Weise) bedeutsam. Oder wenigstens unterhaltsam.
Rede ich Quatsch? Das hat der Text zu mir gesprochen. Vielleicht wollte der Text mir ja ganz was anderes sagen. Dann kriegt er natürlich noch eine Chance oder zwei. Oder drei ...
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Gast
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22.01.2014 15:14
von Gast
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Ms Jenni,
das Licht deines erhellenden Kommentars lässt die Halde in einem geradezu unwirklichen Glanz erstrahlen ... ich danke dir sehr und darf dir hiermit die freudige Nachricht überbringen, dass du an der Verlosung der Freikarten für meine erste Lesung teilnimmst, und das, ohne dass du noch einen Finger rühren musst!
Wir wissen nicht, was dir der Text sagen wollte, aber er hat zu dir gesprochen, und was du gehört hast, finde ich sehr aufschlussreich.
Jenni hat Folgendes geschrieben: | Es geht darum, was passiert und wie sich das anfühlt, wenn diese Phantasien, das umgeplottete eigene Leben, sich (transzendental wink) verselbstständigen und auf eine Weise mit dem wahren Leben vermischen oder sich einmischen, es beeinflussen und es irgendwann nicht mehr leicht oder nicht mehr möglich ist, beide auseinanderzuhalten bzw. zu trennen. Das Schlimme ist, dass man das an diesem Punkt auch nicht mehr will, oder? Das Gefühlschaos was dabei herauskommt, diese gefühlte Dissoziation der Realität, ist aber nicht gerade das, was man sich erdacht (oder erträumt) hat ... |
"Das umgeplottete eigene Leben" ist der Punkt: Im vorliegenden Text versucht ein Ich, die Kontrolle über den Verlauf der Geschichte zurück zu gewinnen. Mich interessiert, ob das möglich ist, bezogen auf die Frage, in welcher oder wessen Gegenwart sich das Ich befindet, und ob die Identität dieser Figur hinreichend geklärt ist ... oder nicht. Ist eine Wirklichkeit hier feststellbar, oder muss sie eine Frage der Perspektive bzw. der jeweils gewählten Zeitform bleiben? Wer ist die Gestalterin der jeweils anderen Figur?
Was das nun über unser Seelenleben aussagt, dass ich dir aus ihr (der Seele) spreche, ist ein anderes Thema Hier bleibe ich hart am Text, aber wie du schon erwähnst, halten sich Geschichten ja nicht unbedingt genau an einen Plot, manche wünschten ja, dass sie sich (gefälligst) von selbst plötten. Ja, aber ... wer will schon von daher gelaufenen Protagonisten in die Verbannung geschickt werden?
vglG,
L
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firstoffertio Show-don't-Tellefant
Beiträge: 5854 Wohnort: Irland
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24.01.2014 00:38
von firstoffertio
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Das ist ein interessanter Text, den ich als hervorragend geschrieben empfinde. Sicher bin ich mir nicht mit meiner Lesart.
Aber es scheint mir, als ob die erzählende Protagonistin sich ihrer selbst als Person nicht sicher ist, als ob sie sich nicht über die Zeit hinweg als ein und dieselbe betrachten kann. Mehr noch, als ob sie eine Person, die sie auch einmal war, ablehnt, sie vergessen will. Doch sie kehrt immer wieder und krallt sich fest. Am Ende ein neuer Versuch, ihr zu entkommen.
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MrPink Lyromane
Alter: 53 Beiträge: 2431 Wohnort: Oberbayern
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24.01.2014 01:05
von MrPink
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nabend Lorraine,
weißt du wo ich gestern Abend war? Nein? In München im Residenztheater.
Shakespeare: Was ihr wollt. Gute Inzenierung mit einem gnadenlos guten Soundtrack. Hach!
Und jetzt, wo ich deinen Text las, ist mir zu fast jeder deiner Zeilen eine passende Szene aus dem Theaterstück eingefallen. Ich finde auch, dass die Grundaussagen relativ deckungsgleich sind.
Vorzüglicher Stoff, dein Text. Meine liebe.
_________________ „Das Schreiben wird nicht von Schmerzen besorgt, sondern von einem Autor.“
(Buk) |
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Sun Wukong Eselsohr
S Alter: 44 Beiträge: 459
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S 24.01.2014 17:30
von Sun Wukong
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Na sowas, und ich hatte beim Lesen weniger Shakespeare, sondern Burroughs Geschichte vom sprechenden After im Kopf, ausgelöst durch das mit dem "ich habe deine Stimme gestrichen" und anschließend die Schilderung, wie Frau Autor mit gestutzten Krallen nun die Dienstmagd gibt.
Anfangs hatte ich ein anderes Bild, also, dass da in einer Menschenhülle eine Figur steckt, die sich eine frühere Figur in dieser selben Hülle ausgedacht hatte - doch, lohnender Gedanke, - auch wieder Burrough-esk - wie man sich selbst schreibt, sein zukünftiges Ich entwirft, auch mal vergisst, wer der frühere Autor seiner selbst ... aber ich werde redundant
Alles sehr komprimiert bei Dir, tue mich (also generell) manchmal mit den abstrakten Dingen schwer (wie auch bei "Archegonie" damals im Wettbewerb) - aber einen bunten Reigen von Lesarten hat dieser Text ausgelöst, da ist also genug Konkretes zum sich persönlich daran entlanghangeln.
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Lupo Eselsohr
Beiträge: 364 Wohnort: Pegnesien
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24.01.2014 19:37 stöffchen von Lupo
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gras pfeife paff paff leiser lärm erwartung wünsche.
Nach dem Geschwindlesen verkoste ich bedächtig, schmause die Worte, zerkaue und schlucke sie.
Zartes Aufstoßen, der Nachgeschmack: eigenartig.
Liebe Lorraine,
Du schlägst bei mir einen Klangkörper an, dessen Ton wie eine rückwärts laufende Aufzeichnung anschwillt, statt abzuebben.
Im Höhepunkt durchdröhnt das Schwingen den Ballen meiner angehäuften Versatzstücke und wirbelt die Teile auf zu einem Schwall, der nunmehr den Magnetlinien des von Dir aufgebauten Kraftfelds folgt.
Jedoch empfinde ich beim Stutzen der Krallen weder Häme noch Falschheit, vielmehr ein Ahnen der Befreiung von den verbackenen Sprachklumpen.
Ohne schillernde Verkleidung will ich angesichts Deiner tröstlichen Darstellung den Vorrat umsetzen in verständliche Zeichen.
Denn dank Deines Weckrufs fließt mir wieder die eingedickte Tinte.
Sag an! Wann und wo willst Du lesend auftreten?
Neugierig, Lupo.
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Gast
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25.01.2014 14:00
von Gast
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firstoffertio hat Folgendes geschrieben: | Das ist ein interessanter Text, den ich als hervorragend geschrieben empfinde. Sicher bin ich mir nicht mit meiner Lesart.
Aber es scheint mir, als ob die erzählende Protagonistin sich ihrer selbst als Person nicht sicher ist, als ob sie sich nicht über die Zeit hinweg als ein und dieselbe betrachten kann. Mehr noch, als ob sie eine Person, die sie auch einmal war, ablehnt, sie vergessen will. Doch sie kehrt immer wieder und krallt sich fest. Am Ende ein neuer Versuch, ihr zu entkommen. |
Hallo firstoffertio,
Danke für deine klare, zusammenfassende Beschreibung einer Lesart, der ich sehr gut folgen kann.
Ein Punkt scheint mir wichtig zu betonen: Sie ist eine Protagonistin, also nicht wirklicher als die Erzählerin. Stoff zu verarbeiten ohne zu wissen, unterscheiden zu können, woher die Rohstoffe stammten, woraus er gewebt, womit er bedruckt wurde; Teile zuzuschneiden, den Fadenlauf zu bestimmen, sich/ein Kostüm neu zu erfinden und dabei fürchten zu müssen, gar nicht aktiv zu sein sondern einer Illusion zu erliegen, das alles treibt sie um, sie will der Verbannung entkommen, der Passivität, braucht dazu eine neue (Zeichen-)Sprache, mit der sie alles Fremdbestimmte, Unsichere besiegen will. Dazu bedient sie sich der Gegenwart und einer List, einer Illusion.
Sie weiß jedoch nicht, ob die Vergangenheit, in der sie geschrieben wurde, in die Zukunft hinein reicht. Ob es möglich ist, die Geschichte neu zu schreiben.
Mr. Pink, mein Lieber, auch gut nachvollziehbar, dass du hier nach deinen frischen Eindrücken bei den Gauklern Verbindungen herstellen konntest. Das Vortäuschen, Verkleiden, Schiffbruch oder nicht ...
Dieses Stoffstück, das ich hier gepostet habe, ist ein Teil vom vielen Verschnitt, von dem, was abfällt beim Schreiben, immer mal wieder. Mit anderen Worten: Es gibt sie schon, diese Protagonistin, nur sind solcherart Exkurse gar nicht verwendbar, fallen normalerweise unter den Tisch.
Durch deine Meldung hier wurde ich wieder an die Rauhnächte erinnert, deren Ende (wie ich gelernt habe) durch "die zwölfte Nacht" markiert wird, der andere Titel des Shakespeare-Stückes.
Diese Zeit der Rauhnächte und ihr vorchristlicher Hintergrund spielt dort eine Rolle, wo dieser Stoffrest herstammt. So schließt sich ein Kreis ...
Hallo Sun Wukong,
Sun Wukong hat Folgendes geschrieben: | Anfangs hatte ich ein anderes Bild, also, dass da in einer Menschenhülle eine Figur steckt, die sich eine frühere Figur in dieser selben Hülle ausgedacht hatte - doch, lohnender Gedanke, - auch wieder Burrough-esk - wie man sich selbst schreibt, sein zukünftiges Ich entwirft, auch mal vergisst, wer der frühere Autor seiner selbst ... |
Das liest sich gar nicht, als hättest du es mit abstrakten Dingen schwer ... auch deine Assoziationen bis zu der Geschichte aus "Naked Lunch" (danke für den Link) - nachvollziehbar.
Das hier freut mich: Sun Wukong hat Folgendes geschrieben: | da ist also genug Konkretes zum sich persönlich daran entlanghangeln. |
Danke!
Hallo Lupo ... der du die bloße Sicht auf den Stoff oder auch die Berührung durch ihn um eine Möglichkeit, ihn zu schmecken, erweitert hast.
Mir gefällt (wie so oft) deine Art zu kommentieren sehr, darf ich mir doch hier, je nach (meiner) Tagesform, Hautstärke o.ä. aussuchen, welche Wirkung deine Worte bei mir haben.
Deine optimistische Lesart des Schlussabschnitts sollte auch mir Mut machen:
Lupo hat Folgendes geschrieben: | Ohne schillernde Verkleidung will ich angesichts Deiner tröstlichen Darstellung den Vorrat umsetzen in verständliche Zeichen.
Denn dank Deines Weckrufs fließt mir wieder die eingedickte Tinte.
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Da kommt Freude auf ... vielen Dank fürs Herkommen.
Lieber Lupo, die Lesung, auf die ich in der Antwort auf Jennis Kommentar anspielte, die *hust* dürfte frühestens ... 2018 stattfinden
Vielen Dank an euch alle, habe mich sehr über eure Meldungen gefreut. Es scheint etwas angekommen zu sein.
Lorraine
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holg Exposéadler
Moderator
Beiträge: 2396 Wohnort: knapp rechts von links
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27.01.2014 12:49
von holg
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Hi Lorraine.
Beinahe hätte ich nach dem ersten Satz aufgehört. Der Klang mit seiner melancholischen Puppenstubenlogik zu sehr nach auf altenglischen Adel in Italien gemachtem Quark-Salbader. Von wegen ich vergesse, weil ich es will, was eine beinahe paradox-hafte Unmöglichkeit ist. Gerade an das, was wir am meisten vergessen wollen erinnern wir uns so lange um so deutlicher, bis wir es schaffen, diesen Platz mit etwas anderem zu besetzen und das Erinnerte umzudeuten.
Ich bin froh, dass ich weiter gelesen habe, denn was danach kommt, ist ein sprachlich hochfeinstes Stück über, ich weiß nicht welches von den beiden und ob du es selbst getrennt haben willst. Da bietet sich die Autorin an, die von ihrer selbstausgedachten Geschichte vereinnahmt und zur Schreibsklavin gezwungen wird. Oder die wirkliche oder erdachte Dame, die ihre Geschichte, ihre eigene Geschichte entsprechend der vermuteten Anforderungen so häufig neu erfindet, bis sie weder wahr und falsch, noch die einzelnen Phantasien auseinander halten kann.
Ich weiß, das ist redundant. Aber dennoch
holg
_________________ Why so testerical? |
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Gast
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05.02.2014 10:01
von Gast
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Guten Morgen, holg
und Entschuldigung für die späte Antwort.
holg hat Folgendes geschrieben: | Ich bin froh, dass ich weiter gelesen habe, denn was danach kommt, ist ein sprachlich hochfeinstes Stück über, ich weiß nicht welches von den beiden und ob du es selbst getrennt haben willst. Da bietet sich die Autorin an, die von ihrer selbstausgedachten Geschichte vereinnahmt und zur Schreibsklavin gezwungen wird. Oder die wirkliche oder erdachte Dame, die ihre Geschichte, ihre eigene Geschichte entsprechend der vermuteten Anforderungen so häufig neu erfindet, bis sie weder wahr und falsch, noch die einzelnen Phantasien auseinander halten kann. |
Danke für das. Und ...
tja, der Einstiegssatz, der deinen Widerspruchsgeist weckte ... wer weiß, ob du nicht gerade seinetwegen weiter gelesen hast.
holg hat Folgendes geschrieben: | Beinahe hätte ich nach dem ersten Satz aufgehört. Der Klang mit seiner melancholischen Puppenstubenlogik zu sehr nach auf altenglischen Adel in Italien gemachtem Quark-Salbader. |
Wow.
Da bekomme ich Lust, dich nach einem Textausschnitt zu fragen, der einen solchen Klang ein wenig deutlicher illustriert ...
Inhaltlich:
holg hat Folgendes geschrieben: | Von wegen ich vergesse, weil ich es will, was eine beinahe paradox-hafte Unmöglichkeit ist. Gerade an das, was wir am meisten vergessen wollen erinnern wir uns so lange um so deutlicher, bis wir es schaffen, diesen Platz mit etwas anderem zu besetzen und das Erinnerte umzudeuten.
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Dass es u.U. schwer bis unmöglich sein kann, etwas aus dem Gedächtnis zu entlassen, bestreite ich gar nicht. Es kann aber durchaus Verdrängungsmechanismen geben, die das Zuordnen von Namen zu Schauplätzen durcheinander bringen, Prioritäten verschieben und, wie hier geschehen, gerade Eindringlichstes übrig lassen, welches im Laufe literarischer Verarbeitungsprozesse so verbogen wird, dass neue Geschichten entstehen, Erinnerungen erst gültig werden, vielleicht sogar allgemeingültig und somit übertragbar?
Aus solchen StoffResten können Romane entstehen, die Kunst des Autors besteht darin, das Flickwerk sorgfältigst zu schneidern, Quilt ist nicht gleich Quilt.
Einen Gruß,
Lorraine
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holg Exposéadler
Moderator
Beiträge: 2396 Wohnort: knapp rechts von links
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05.02.2014 13:09
von holg
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Zitat: | Es kann aber durchaus Verdrängungsmechanismen geben, ... | Ja, die gibt es zweifellos. Nur passieren die nicht (oder in der Regel nicht) bewußt. Das sind (in der Regel) nicht steuerbare Mechanismen, die unbewusst traumatische Ereignisse filtern, um unsere Seele zu schützen, oder Erlebtes durch überlagernde Assoziationen "quer verschalten" (so wie am Schluss der überarbeiteten Version von Star Wars - die Rückkehr der Jedi-Ritter (der eigentlich des Jedi-Ritters heißen müsste) der Geist des "alten Anakin" durch den dümmlich grinsenden Hayden Christensen ersetzt wurde).
Es ging mir nur um die Formulierung des ersten Satzes. Den Rest beschreibst du in dem Text gut und für mich schlüssig geheimnisumwittert.
Zitat: | Da bekomme ich Lust, dich nach einem Textausschnitt zu fragen, der einen solchen Klang ein wenig deutlicher illustriert ... |
Bitte nicht. Da müsste ich zu meinen Eltern fahren und dieses böse Regal durchsuchen. Da stehen Austen, die Brontes, Groult, Forster, Sparks und so weiter drin. Ein echtes Gruselkabinett.
Salü aach.
holg
_________________ Why so testerical? |
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Sun Wukong Eselsohr
S Alter: 44 Beiträge: 459
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Lorraine Klammeraffe
Beiträge: 648 Wohnort: France
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Klemens_Fitte Spreu
Alter: 41 Beiträge: 2939 Wohnort: zuckerstudio waldbrunn
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24.03.2016 22:51
von Klemens_Fitte
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Lorraine hat Folgendes geschrieben: | _____
Es kann mir doch gelogen bleiben, welche Heimat einer sucht. Schon im Fortgehen begriffen, blieb ich hängen und der Stoff zerriss - das ist das einzig Wahre. Bin dann gelaufen, hab mich später nochmals umgedacht: nichts
als Gewäsch auf Blau. Wie schmutzig will ein Himmel sein, hätte ich dann fast gewagt, lief aber weiter, gewinnen konnte ich ja nicht. Distanz. Klingt ähnlich wie der Name dieser Stadt, wo sich die Wörter treffen, die verlorenen, die überflüssigen. Welche Heimat einer sucht?
_____
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Ich möchte das gern nach oben holen. Nicht, weil ich etwas besonders Schlaues dazu zu sagen habe (mir bleibt bei jedem Lesen erneut die Spucke weg), sondern weil es ein umwerfender Text ist, der in diesem Forum nicht untergehen darf.
Möchte ich auswendig lernen!
_________________ 100% Fitte
»Es ist illusionär, Schreiben als etwas anderes zu sehen als den Versuch zur extremen Individualisierung.« (Karl Heinz Bohrer) |
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Eredor Dichter und dichter
Moderator Alter: 32 Beiträge: 3415 Wohnort: Heidelberg
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25.03.2016 23:40
von Eredor
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Oh Danke für's nach oben holen, Klemensi! Oder Fitti? Naja, Wurst. (wasser)
- ich liebe das.
_________________ "vielleicht ist der mensch das was man in den/ ersten sekunden in ihm sieht/ die umwege könnte man sich sparen/ auch bei sich selbst"
- Lütfiye Güzel |
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Sue Rovia Klammeraffe
Alter: 30 Beiträge: 586 Wohnort: Metronom
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25.03.2016 23:46
von Sue Rovia
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Jetzt hast du getan, was ich die ganze Zeit tun wollte, während du und dein Reden (oder Schweigen) mich davon abgehalten haben.
Und ich habe wahrlich noch tagelang darüber nachgedacht, ob ich nicht doch irgendwo irgendwie Worte finde, die dem Text würdig sind -genaugenommen seit Dienstag. Dass ich nicht fündig geworden bin, ist aber wahrscheinlich nicht Fittis (!) Schuld.
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