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Diese Werke sind ihren Autoren besonders wichtig Der Tanz des Einbeinigen


 
 
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Gaspode
Erklärbär
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Beiträge: 4



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Beitrag20.01.2014 19:11
Der Tanz des Einbeinigen
von Gaspode
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Ohne störendes Beiwerk: Der erste Teil des ersten Kapitels einer Geschichte die mir jetzt schon einige Monate im Kopf herumspukt.

Der Ozean war unendlich. Wasser, so weit das Auge reichte - kein Land in Sicht, weder in der Ferne, noch in der Tiefe. Darüber erstreckte sich, genau so unergründlich und fast wolkenlos, der Himmel. Wenn man keine Bezugspunkte hat, verlieren Größen und Entfernungen ihren Maßstab, alles ist eins, gleichzeitig überall und nirgendwo. Die Sonne stand tief am Horizont und tauchte alles in ein sanftrotes Licht. Seit ich in diesen Gewässern angekommen war, hing sie dort schon, wie die ewige Ankündigung einer Nacht, die nie einbrechen wird. Zumindest nicht in dieser Dimension. Ihr gegenüber erkenne ich, im Dunst versteckt, die Zwillingsmonde, ebenfalls auf ihrer Umlaufbahn erstarrt.
Auch das Meer war regungslos, nicht die kleinste Welle durchbrach seine glatte Oberfläche. Wäre da nicht die Schwerkraft gewesen, und das Gefühl des Wassers auf meiner Haut, hätte ich nicht zwischen Himmel und Ozean unterscheiden können, so perfekt war die Spiegelung.
Ich weiß nicht wie lange ich so in der Stille dahintrieb, ähnlich wie bei den Entfernungen, kommt einem das Gefühl für die Zeit abhanden, wenn es keine Ereignisse gibt an denen man ihr fortschreiten messen könnte. Es hätten Jahrtausende sein können, vielleicht aber auch nur wenige Stunden. Raum und Zeit hatten keine Bedeutung mehr für mich. Menschliche Bedürfnisse verspürte ich schon lange nicht mehr, sie waren mir fremd geworden und unwirklich. Schwach erinnerte ich mich an einen Zustand in dem es mehr gab als mich und die Unendlichkeit, doch dieses Leben verblasste mehr und mehr, je länger ich in dieser Ätherdimension dahin trieb. Eigentlich war es mir auch egal, denn was ich gerade erfuhr, war ein Zustand der Meditation, ich existierte einfach nur, befreit von den Zwängen der materiellen Welt und der Unersättlichkeit meines Egos.

Da liege ich auf dem Wasser und schlummere, weit entfernt von allem weltlichen, als plötzlich etwas weiches, kaltes mein Gesicht berührt. Die Emfindung ist fremd und ungewohnt; überrascht fokussiere ich meinen Blick, der bis jetzt verträumt in den endlosen Weiten des blauen Himmels weilte.
Zuerst sehe ich nichts ungewöhnliches, dann aber mache ich kleine Bewegungen aus, wie Funken vor meinen Augen. Kleine Stücke scheinen sich vom Firmament zu lösen; langsam taumelnd kommen sie mir entgegen. Eine flüchtige Erinnerung durchzuckt meinen Geist und ist sogleich wieder verschwunden, zurück bleibt nur ein einsames Wort: Schnee. Ich spüre die Veränderung, die Dimensionen verschieben sich. Ich bemühe mich die Zeichen zu deuten und heraus zu finden was geschieht, doch mein Geist ist wie leergefegt.
Mehr und mehr weiße Flocken fallen herab, verdichten sich zu einem Gestöber. Ein Zittern erfasst meinen Körper, die Lufttemperatur sinkt spürbar. Auch das Wasser um mich herum gefriert zunehmend, innerhalb weniger Sekunden bin ich von der Eisschicht eingeschlossen. Ich versuche mich zu bewegen, mich vom eisigen Untergrund zu lösen, doch meine Glieder gehorchten mir nicht mehr; zu lange sind sie überflüssige Anhängsel meiner Hülle gewesen. Unruhe ergreift mich, ich stemme mich mit aller Gewalt gegen die Lähmung. Vergeblich jedoch, ich bin steif wie das Eis das mich umgibt. Aufwallende Verzweiflung ergießt sich wie eine Lawine in mein Bewusstsein. Entschlossen mich ihr nicht zu ergeben bäume ich mich auf zu einem Schrei, der meinen Mund jedoch nur als trockenes Gurgeln verlässt.
Mein fruchtloser Akt scheint Gehör zu finden, eine starke Vibration erfasst die Welt und überträgt sich auch auf meinen Körper. Mit der Vibration kommt ein Rauschen, das langsam anschwillt und in ein gewaltiges Getöse übergeht. Dann, jäh und unspektakulär, bricht das Eis unter mir zusammen und ich tauche ins kalte Wasser. Das Rauschen verschwindet und wird durch ein tiefes Grollen ersetzt. Ich sinke immer tiefer, immerhin scheint der Schreck die Lähmung aus meinen Gleidmaßen zu vertreiben. Dunkelheit umfängt mich, nur das Loch, durch das ich ins Wasser eingedrungen bin, entsendet einen schwachen Lichtstrahl. Instinktiv beginne ich mit Armen und Beinen zu rudern, trotzdem scheine ich mich kaum vom Fleck zu bewegen. Die Luft geht mir zur Neige, entgegen aller Logik versuche ich zu atmen, doch meine Lungen sind versiegelt. Auf ein Mal, grad als die Panik überhand gewinnt, spüre ich eine Präsenz unter mir. Dumpfes Krachen ertönt und als ich den Blick nach oben wende, sehe ich wie die Eisdecke in massive Schollen zerbricht, die träge auseinander treiben. Etwas großes scheint sich aus der Finsternis zu nähern, das Wasser wie eine Wand vor sich herschiebend. Von einem Aufwärtswirbel erfasst, werde ich in die Höhe katapultiert. Die Eisschollen kommen mir entgegen, immer schneller und schneller. Ich begreife nicht, was gerade geschieht, aber solange es mich näher an die lebensrettende Atemluft bringt, lasse ich mich dankbar mitreißen. Das Licht wird heller, die Oberfläche ist jetzt nur noch wenige Augenblicke entfernt. Und da breche ich schon hindurch, es ist gleißend hell, gierig öffne ich den Mund und fülle meine Lungen mit wunderbarer, kalter Luft. Der plötzliche Sauerstoff wirkt wie ein Stromschlag der durch meinen ganzen Körper fährt und auf ein Mal wird mir bewusst, dass dies mein erster Atemzug seit langer Zeit ist.



Der Rest der Geschichte wird wie der erste Absatz im Präteritum erzählt, ich hatte nur das Gefühl, dass der Traum so unmittelbarer gelesen wird. Ist der Sprung komisch beim Lesen?

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MosesBob
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Beitrag21.01.2014 12:30

von MosesBob
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Hallo Gaspode und herzlich willkommen im dsfo! smile

Der Titel hat mich neugierig gemacht. Ich war überrascht und fast ein bisschen enttäuscht zu sehen, dass du die Geschichte als Science Fiction klassifiziert hast. Erwartet hatte ich eine Gegenwartserzählung. Nichtsdestotrotz finde ich den Einstieg vom Grundsatz her spannend, ebenso die Szenerie des offenen Meeres und die Ungewissheit über den Grund und die Begleitumstände dieses Aufenthalts. Leider kann dein Schreibstil diese Spannung nicht aufrecht erhalten.

Gaspode hat Folgendes geschrieben:
Der Rest der Geschichte wird wie der erste Absatz im Präteritum erzählt, ich hatte nur das Gefühl, dass der Traum so unmittelbarer gelesen wird. Ist der Sprung komisch beim Lesen?

Das Gefühl habe ich tatsächlich, allerdings weniger wegen der Zeitformen. Vielmehr fühlt es sich so an, als würden Traum und Gegenwart zumindest anfangs in halbwegs unterschiedlichen Worten dasselbe Szenario beschreiben. Die Folge davon: Es wird langweilig. Deine Beschreibungen erzeugen zu wenig Atmosphäre, zumal sie fast ausschließlich das Auge bedienen und andere Sinne außen vor lassen. Du beschreibst zu viel und zu ausschweifend, und dafür passiert zu wenig. Wenn dann am Ende des Traumes doch etwas passiert, sind mir die Ereignisse zu wirr und zu abstrakt. Gut, kann man sagen, es handelt sich ja immerhin um einen Traum. Richtig, würde ich sagen. Aber wenn der Leser den Ereignissen nicht mehr folgen kann, kann es nicht im Sinne des Autors sein. Und auch das ist schade, denn die Idee vom Schneefall auf dem offenen Meer ist wiederum sehr interessant und gut dafür geeignet, eine Atmosphäre zu erschaffen, die befremdlich zwischen Realität und Fiktion pendelt. Unterm Strich bleibt bei mir die Frage: Was soll mir dieser Einstieg vermitteln? Aus jetziger Sicht muss ich leider sagen, dass er mir nichts vermittelt. In welcher Verfassung möchtest du den Leser nach deinem Einstieg gerne zurücklassen? Worin siehst du die Stärken in deinem Text, wo vermutest du Schwächen?

Was würde ich verbessern? Zum einen würde ich den Einstieg radikal kürzen. Ich würde mich auf das beschränken, was der Leser an Informationen braucht. Nicht weniger und nicht mehr. Theoretisch ist mit der Unendlichkeit des Ozeans schon alles gesagt. Du schmückst dieses Bild aber so ausschweifend aus, bis von dem ursprünglichen Bild nichts mehr übrig bleibt: 1. Der Ozean ist unendlich. 2. Wasser, so weit das Auge reichte 3. – kein Land in Sicht 4. weder in der Ferne, noch in der Tiefe (?). Darüber erstreckt sich dann der Himmel, der 5. genauso unergründlich ist. Kurz darauf ist das Meer regungslos, Punkt 6. Gefolgt von Punkt 7: Nicht die kleinste Welle durchbrach seine glatte Oberfläche. Das geht knackiger. Ich weiß natürlich nicht, wie es in deiner Geschichte weitergeht oder was überhaupt passieren soll, aber aus der jetzigen Sicht würde ich sogar anzweifeln, ob dieser Einstieg so clever gewählt ist.

Was würde ich noch ändern? Den Schreibstil. Auf mich wirkt er unsicher. Rechtschreibung und Kommasetzung lasse ich mal außen vor, mir geht es hierbei ausschließlich um dein Sprachgefühl. Das hier könnte dir helfen. Überhaupt könnte das DSFOpedia sehr interessant für dich sein. Hast du schon mal einen Blick in unsere Schreibwerkstatt geworfen? Schau mal rein, pick dir heraus, was dir gefällt, lass es ein Weilchen sacken und lies dir deinen Text hinterher nochmal durch. Wie liest du ihn selbst, wir wirkt er jetzt auf dich?

Beste Grüße,

Martin


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Das Leben geht weiter – das tut es immer.
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Gaspode
Erklärbär
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Beiträge: 4



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Beitrag21.01.2014 13:37

von Gaspode
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Hallo Martin,

Danke für deine Antwort!
Ja, ich tu mich noch sehr schwer mit dem Schreiben einer längeren zusammen hängenden Geschichte. Mir fällt es nicht leicht zu unterscheiden zwischen den Dingen die unbedingt rein müssen um die richtige Atmosphäre zu erzeugen und denen, die ich einfach nur drin haben will, weil mir das sprachliche Bild gefällt. Manchmal sind das wohl auch nur literarische Klischees die ich irgendwo aufgeschnappt habe und von denen ich glaube, dass sie meinem Text mehr Seriosität verleihen. Da muss ich noch strenger mit mir werden.

Diesen Traum habe ich nur eingefügt, weil ich das Gefühl hatte, dem Leser einen sanften Einstieg gewähren zu müssen. Der Protagonist befindet sich im Kälteschlaf, deshalb auch diese unerhörte Langeweile. Diese Langeweile soll der Leser natürlich nicht miterleben müssen, nur erahnen. Ich werde den Text in dieser Hinsicht noch ein Mal komplett überarbeiten.

Trotzdem war es mir wichtig den Text im derzeitigen Stadium online zu stellen, da mir während des Schreibens schon einige Schwächen aufgefallen sind, ohne dass ich wirklich sagen konnte wo sie genau liegen. Das hat meine Motivation so sehr ins Wanken gebracht, dass es mir unmöglich war weiter zu schreiben.
Dein Feedback motiviert mich wieder, da ich jetzt weiß wo ich ansetzen kann.

Ich werde die von dir angesprochenen Punkte in Angriff nehmen und mich demnächst mit einer überarbeiteten Version und der Fortsetzung zurück melden.

Vielen Dank und liebe Grüße,
Gaspode
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Maph
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Beiträge: 16



M
Beitrag22.01.2014 11:05

von Maph
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Hallo Gaspode,

ich finde Deinen Text richtig super! Du hast es geschafft Deine doch recht abstrakte Geschichte so zu schreiben, dass sie mich nicht nur mitgenommen, sondern förmlich aufgesogen hat. Sie ist beim lesen wie ein Film in atemberaubenden Bildern vor meinem geistigen Auge vorbeigezogen.

Ich wünsche mir für Dich, dass der Rest der Geschichte auch so mitreißend ist.



Keep up the good work,

maph
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Gaspode
Erklärbär
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Beiträge: 4



G
Beitrag27.01.2014 19:14

von Gaspode
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Neue Version plus Fortsetzung:

Der Ozean ist unendlich. Darüber erstreckt sich, genau so unergründlich und fast wolkenlos, der Himmel. Wenn man keine Bezugspunkte hat, verlieren Größen und Entfernungen ihren Maßstab, alles wird eins, man ist gleichzeitig überall und nirgendwo. Die Sonne steht tief am Horizont und taucht alles in ein sanftrotes Licht. Seit ich in diesen Gewässern angekommen bin hängt sie dort schon, wie die ewige Ankündigung einer Nacht, die nie einbrechen wird. Ihr gegenüber erkenne ich, im Dunst versteckt, die Zwillingsmonde, ebenfalls auf ihrer Umlaufbahn erstarrt.
Auch das Meer ist regungslos und glatt wie ein Spiegel. Wäre da nicht die Schwerkraft, und das Gefühl des Wassers auf meiner Haut, könnte ich kaum zwischen Himmel und Ozean unterscheiden.

Ich weiß nicht wie lange ich schon so in der Stille dahin treibe, ähnlich wie bei den Entfernungen, kommt einem das Gefühl für die Zeit abhanden, wenn es keine Ereignisse gibt an denen man ihr fortschreiten messen könnte.
Menschliche Bedürfnisse verspüre ich schon lange nicht mehr, sie sind mir fremd geworden und unwirklich. Schwach erinnere ich mich an einen Zustand in dem es mehr gab als mich und die Unendlichkeit, doch dieses Leben verblasst mehr und mehr.

Jäh wird mein Schlummer gestört, als etwas weiches, kaltes mein Gesicht berührt. Die Emfindung ist fremd und ungewohnt; überrascht fokussiere ich meinen Blick, der bis jetzt verträumt in den endlosen Weiten des blauen Himmels weilte.

Zuerst sehe ich nichts ungewöhnliches, dann aber mache ich kleine Bewegungen aus, wie Funken vor meinen Augen. Kleine Stücke scheinen sich vom Firmament zu lösen; langsam taumelnd kommen sie mir entgegen. Eine flüchtige Erinnerung durchzuckt meinen Geist und ist sogleich wieder verschwunden, zurück bleibt nur ein einsames Wort: Schnee.
Ich spüre die Veränderung wie einen Schauer der den Rücken herab läuft, die Dimensionen verschieben sich.
Mehr und mehr weiße Flocken fallen herab, verdichten sich zu einem Gestöber. Ein Zittern erfasst meinen Körper, die Lufttemperatur sinkt spürbar. Auch das Wasser um mich herum gefriert zunehmend, innerhalb weniger Sekunden bin ich von der Eisschicht eingeschlossen.
Ich versuche mich zu bewegen, mich vom eisigen Untergrund zu lösen, doch meine Glieder gehorchen mir nicht mehr; zu lange sind sie überflüssige Anhängsel meiner Hülle gewesen.
Unruhe ergreift mich, ich stemme mich mit aller Gewalt gegen die Lähmung.
Vergeblich jedoch, ich bin steif wie das Eis das mich umgibt.
Aufwallende Verzweiflung ergießt sich wie eine Lawine in mein Bewusstsein. Entschlossen mich ihr nicht zu ergeben, bäume ich mich auf zu einem Schrei, der meinen Mund jedoch nur als trockenes Gurgeln verlässt.
Mein fruchtloser Akt scheint Gehör zu finden, eine starke Vibration erfasst die Welt und überträgt sich auch auf meinen Körper. Mit der Vibration kommt ein Rauschen, das langsam anschwillt und in ein gewaltiges Getöse übergeht. Dann, plötzlich und unspektakulär, bricht das Eis unter mir zusammen und ich tauche ins kalte Wasser. Das Rauschen verschwindet und wird durch ein tiefes Grollen ersetzt. Ich sinke immer tiefer, immerhin scheint der Schreck die Lähmung aus meinen Gleidmaßen zu vertreiben. Instinktiv beginne ich mit Armen und Beinen zu rudern, trotzdem scheine ich mich kaum vom Fleck zu bewegen. Die Luft geht mir zur Neige, entgegen aller Logik versuche ich zu atmen, doch meine Lungen sind versiegelt.
Auf ein Mal, grad als die Panik überhand gewinnt, spüre ich eine Präsenz unter mir. Dumpfes Krachen ertönt und als ich den Blick nach oben wende, sehe ich wie die Eisdecke in Schollen zerbricht, die träge auseinander treiben. Etwas großes scheint sich aus der Finsternis zu nähern, das Wasser wie eine Wand vor sich herschiebend. Von einem Aufwärtswirbel erfasst, werde ich in die Höhe katapultiert.
Ich begreife nicht, was gerade geschieht, aber solange es mich näher an die lebensrettende Atemluft bringt, lasse ich mich dankbar mitreißen. Das Licht wird heller, die Oberfläche ist jetzt nur noch wenige Augenblicke entfernt. Und da breche ich schon hindurch, es ist gleißend hell, gierig öffne ich den Mund und fülle meine Lungen mit wunderbarer, kalter Luft. Der plötzliche Sauerstoff wirkt wie ein Stromschlag der durch meinen ganzen Körper fährt und auf ein Mal wird mir bewusst, dass dies mein erster Atemzug seit langer Zeit ist.

Der Moment des Erwachens, diese absolute Gewissheit nicht mehr zu träumen, nie hatte ich sie intensiver erlebt als in diesem Moment. Zumindest nicht so weit ich mich erinnern konnte. Wie ich feststellen musste, war das nicht die einzige Lücke in meinem Gedächtnis, ich konnte mich kaum entsinnen wo ich mich gerade befand und wie ich hier her gekommen war. Auch der Traum, der so lange meine Realität gewesen war, verflüchtigte sich bereits wie Morgennebel bei den ersten Sonnenstrahlen.
Mein klopfendes Herz beruhigte sich langsam, trotzdem spürte ich noch das Adrenalin in meinem Kreislauf. Ich öffnete blinzelnd die Augen, konnte aber kaum mehr als Umrisse vor gleißendem Licht ausmachen. Meine Ohren nahmen eine Vielzahl von Geräuschen wahr, ein außeriridisches Brummen, Blubbern und Surren erfüllte die Luft. Es roch nach altem Maschinenöl und etwas das mich an Weihrauch erinnerte. Mein Körper selbst war kalt und steif, aber dank der warmen Umgebungsluft fror ich nicht mehr, im Gegenteil, ich spürte sogar langsam wieder Leben in meine Glieder strömen. Meine nackte Haut war von einer dünnen Schicht aus Kunststoff bedeckt, an Armen und Brust hingen Kabel, ein Schlauch war mit einer Injektionsnadel an meiner Armbeuge befestigt.
- So wie es aussieht, wurde ich soeben von den Toten erweckt. - schloss ich meine Erstanalyse. Haha. Meine mentalen Schutzmechanismen schienen bei bester Funktion zu sein. Überhaupt war mir auf ein Mal ganz leicht und unbeschwert zumute.
- Das sind die Drogen, Lux. Erst geben sie dir Adrenalin, um dich in die Gänge zu kriegen und dann Benzodiazepine, damit du dich nicht vor dir selbst erschrickst. -
Das kam aus dem Nichts, aus irgendeiner entlegenen Windung meines Gehirns, eine verloren geglaubte Erinnerung die nur darauf gewartet hatte durch das richtige Stichwort reaktiviert zu werden.  Anscheinend wusste zumindest mein Unterbewusstsein mit der Situation umzugehen. Sobald ich aber konkret versuchte, bewusst auf meine Erinnerungen zu zu greifen, fand ich nichts als gähnende Leere vor.
Ächzend setzte ich mich auf. Durch meine vom Schlaf verschleierte Sicht nahm ich eine eine Bewegung wahr, dann durchbrach eine Frauenstimme die Geräuschkulisse.

- Wilkommen auf der Eliyahu, Supervisor Kaplan. Der Hibernationsvorgang bringt einige kleinere Komplikationen mit sich, weshalb sie sich gerade in einem Zustand der Verwirrung befinden sollten. Aber seien sie ganz unbesorgt, solange sie sich in meiner Obhut befinden, kann ihnen nichts passieren. - Die Stimme schmeichelte sich sanft in mein Ohr, zwar konnte ich sie noch nicht ganz zuordnen, aber es war mir, als hätte sie in meinem vorigen Leben eine wichtige Rolle gespielt.
- Weitere erwartete Nebenwirkungen sind in absteigender Wahrscheinlichkeit: Orientierungslosigkeit, motorische Störungen, Antriebslosigkeit, Appetitlosigkeit,  Taubheitsgefühle, Amnesie, Gleichgewichts- und Wahrnehmungsstörungen, Schwächegefühle, Depressionen und in seltenen Fällen akute Psychosen. -
Die Stimme machte eine Pause. - Wir gehen davon aus, dass diese Symptome innerhalb weniger Tage oder Wochen vollständig verschwinden. Leider gibt es noch keine Studien, die sich mit derart langen Kälteschlafphasen befassen. -
Na das klang ja beruhigend.
- Wie... wie lange habe ich geschlafen? - presste ich hervor.
- Sie befanden sich 382 Jahre, 5 Monate und 14 Tage im Kälteschlaf, Supervisor. -
382 Jahre... ich rieb mir die Augen. Was hatte das alles zu bedeuten? Die Schleier lichteten sich langsam; auch die Beleuchtung des Raumes erschien mir nicht mehr ganz so grell. Tatsächlich befand ich mich in einer kleinen Insel aus Licht, alles andere lag zum größten Teil im Schatten. Ich konnte die Wände erkennen, aber keine Decke. Dem Hall nach zu urteilen, musste der Raum sehr hoch sein. Ich lag auf einer Bahre, darüber hing ein gewölbter Bildschirm wie eine altmodische Operationsleuchte. Erneut sah ich eine Bewegung und ein Metallarm an dem eine kopfgroße Metallkugel befestigt war, schwang sich elegant in mein Blickfeld. Das andere Ende des Arms verschwand oben in der Dunkelheit. In der Mitte der Kugel war in einer Vertiefung eine Linse eingelassen, die mich jetzt, obwohl der Arm ständig in Bewegung blieb, starr fixierte.
- Sobald sie sich bereit fühlen, möchte ich sie gern zu ihrer Landungskapsel führen. -
Die Stimme schien aus allen Richtungen zugleich zu kommen und nicht an einen Körper gebunden zu sein. Ich setzte mich vorsichtig auf und stellte die Beine auf den Boden. Sofort kamen aus der Dunkelheit Metallarme heran und stützten mich sanft, sodass ich mich mit geringem Aufwand von der Bahre erheben konnte. Weitere Arme zupften die Elektroden von meiner Brust und entfernten die Injektionsnadel aus meinem Arm. Ein Kribbeln in der Nähe meines Bauchnabels zog meine Aufmerksamkeit auf sich und ich sah einen Laser der sich in vertikaler Linie über meinen Bauch bewegte. Wo er die Haut berührte, löste sich die Kunststoffschicht und wurde sogleich von den Metallarmen ergriffen und entfernt. Sie gingen dabei sehr umsorglich, fast liebevoll vor.
Nach getaner Arbeit zogen sie sich geräuschlos wieder in die Finsternis zurück. Prüfend fuhr ich mit der Hand über mein Gesicht. Die Haut war glatt und ohne Makel. Als ich meinen kahlen Schädel strich, ertasteten meine Finger etwas hartes. Es schien aus Metall oder einem festem Kunststoff zu bestehen und direkt mit der Kopfhaut verwachsen zu sein. Nach kurzem Schreck öffneten sich erneut die Archive meiner Erinnerung und gaben preis worum es sich hier handelte: Es war das Außengehäuse eines neuronalen Implantats. Es ermöglichte mir mit meiner technischen Umwelt in Kontakt zu treten. Heutzutage wurde es jedem Menschen eingepflanzt, sobald sein Körper ausgewachsen war, es war ein universelles Werkzeug geworden. Ich allerdings war schon fast vierzig, als dieses Modell Serienreife erlangte. Mein intuitives Körpergefühl hatte sich noch nicht ganz an den Fremdkörper gewöhnt, obwohl ich es schon mehr als fünf Jahre trug. Ich schmunzelte. Inzwischen waren es wohl sogar schon 388 Jahre. Was "Heutzutage" mittlerweile bedeutete, musste ich auch erst noch heraus finden.
- Bitte kleiden sie sich an, damit wir fortfahren können. -
Ich drehte den Kopf, die Kugel war auf einen Meter an mich herangeschwebt, neben ihr hing, von zwei Greifarmen gehalten, ein matt schimmernder Ganzkörperanzug in der Luft. Zwar war mir in der Situation das Schamgefühl abhanden gekommen, zumal ich mich hier nur unter Maschinen befand, trotzdem hatte das Überstreifen des warmen Stoffes etwas beruhigendes an sich.
Ein leises Zischen ertönte und am Kopfende des Raumes öffnete sich eine Kreisrunde Tür. Die Kugel die mich bis jetzt aufmerksam beobachtet hatte, verschwand nach oben in die Dunkelheit und erneut ertönte die Stimme in meinem Kopf.
- Bitte betreten sie nun die Schwerkraftschleuse, Supervisor. -
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Assy
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Beiträge: 217
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Beitrag27.01.2014 22:03
Re: Der Tanz des Einbeinigen
von Assy
Antworten mit Zitat

Gaspode hat Folgendes geschrieben:
Ohne störendes Beiwerk: Der erste Teil des ersten Kapitels einer Geschichte die mir jetzt schon einige Monate im Kopf herumspukt.

Der Ozean war unendlich. Wasser, so weit das Auge reichte - kein Land in Sicht, weder in der Ferne, noch in der Tiefe. Darüber erstreckte sich, genau so unergründlich und fast wolkenlos, der Himmel. Wenn man keine Bezugspunkte hat, verlieren Größen und Entfernungen ihren Maßstab, alles ist eins, gleichzeitig überall und nirgendwo. Die Sonne stand tief am Horizont und tauchte alles in ein sanftrotes Licht. Seit ich in diesen Gewässern angekommen war, hing sie dort schon, wie die ewige Ankündigung einer Nacht, die nie einbrechen wird. Zumindest nicht in dieser Dimension. Ihr gegenüber erkenne ich, im Dunst versteckt, die Zwillingsmonde, ebenfalls auf ihrer Umlaufbahn erstarrt.
Auch das Meer war regungslos, nicht die kleinste Welle durchbrach seine glatte Oberfläche. Wäre da nicht die Schwerkraft gewesen, und das Gefühl des Wassers auf meiner Haut, hätte ich nicht zwischen Himmel und Ozean unterscheiden können, so perfekt war die Spiegelung.
Ich weiß nicht wie lange ich so in der Stille dahintrieb, ähnlich wie bei den Entfernungen, kommt einem das Gefühl für die Zeit abhanden, wenn es keine Ereignisse gibt an denen man ihr fortschreiten messen könnte. Es hätten Jahrtausende sein können, vielleicht aber auch nur wenige Stunden. Raum und Zeit hatten keine Bedeutung mehr für mich. Menschliche Bedürfnisse verspürte ich schon lange nicht mehr, sie waren mir fremd geworden und unwirklich. Schwach erinnerte ich mich an einen Zustand in dem es mehr gab als mich und die Unendlichkeit, doch dieses Leben verblasste mehr und mehr, je länger ich in dieser Ätherdimension dahin trieb. Eigentlich war es mir auch egal, denn was ich gerade erfuhr, war ein Zustand der Meditation, ich existierte einfach nur, befreit von den Zwängen der materiellen Welt und der Unersättlichkeit meines Egos.

Da liege ich auf dem Wasser und schlummere, weit entfernt von allem weltlichen, als plötzlich etwas weiches, kaltes mein Gesicht berührt. Die Emfindung ist fremd und ungewohnt; überrascht fokussiere ich meinen Blick, der bis jetzt verträumt in den endlosen Weiten des blauen Himmels weilte.
Zuerst sehe ich nichts ungewöhnliches, dann aber mache ich kleine Bewegungen aus, wie Funken vor meinen Augen. Kleine Stücke scheinen sich vom Firmament zu lösen; langsam taumelnd kommen sie mir entgegen. Eine flüchtige Erinnerung durchzuckt meinen Geist und ist sogleich wieder verschwunden, zurück bleibt nur ein einsames Wort: Schnee. Ich spüre die Veränderung, die Dimensionen verschieben sich. Ich bemühe mich die Zeichen zu deuten und heraus zu finden was geschieht, doch mein Geist ist wie leergefegt.
Mehr und mehr weiße Flocken fallen herab, verdichten sich zu einem Gestöber. Ein Zittern erfasst meinen Körper, die Lufttemperatur sinkt spürbar. Auch das Wasser um mich herum gefriert zunehmend, innerhalb weniger Sekunden bin ich von der Eisschicht eingeschlossen. Ich versuche mich zu bewegen, mich vom eisigen Untergrund zu lösen, doch meine Glieder gehorchten mir nicht mehr; zu lange sind sie überflüssige Anhängsel meiner Hülle gewesen. Unruhe ergreift mich, ich stemme mich mit aller Gewalt gegen die Lähmung. Vergeblich jedoch, ich bin steif wie das Eis das mich umgibt. Aufwallende Verzweiflung ergießt sich wie eine Lawine in mein Bewusstsein. Entschlossen mich ihr nicht zu ergeben bäume ich mich auf zu einem Schrei, der meinen Mund jedoch nur als trockenes Gurgeln verlässt.
Mein fruchtloser Akt scheint Gehör zu finden, eine starke Vibration erfasst die Welt und überträgt sich auch auf meinen Körper. Mit der Vibration kommt ein Rauschen, das langsam anschwillt und in ein gewaltiges Getöse übergeht. Dann, jäh und unspektakulär, bricht das Eis unter mir zusammen und ich tauche ins kalte Wasser. Das Rauschen verschwindet und wird durch ein tiefes Grollen ersetzt. Ich sinke immer tiefer, immerhin scheint der Schreck die Lähmung aus meinen Gleidmaßen zu vertreiben. Dunkelheit umfängt mich, nur das Loch, durch das ich ins Wasser eingedrungen bin, entsendet einen schwachen Lichtstrahl. Instinktiv beginne ich mit Armen und Beinen zu rudern, trotzdem scheine ich mich kaum vom Fleck zu bewegen. Die Luft geht mir zur Neige, entgegen aller Logik versuche ich zu atmen, doch meine Lungen sind versiegelt. Auf ein Mal, grad als die Panik überhand gewinnt, spüre ich eine Präsenz unter mir. Dumpfes Krachen ertönt und als ich den Blick nach oben wende, sehe ich wie die Eisdecke in massive Schollen zerbricht, die träge auseinander treiben. Etwas großes scheint sich aus der Finsternis zu nähern, das Wasser wie eine Wand vor sich herschiebend. Von einem Aufwärtswirbel erfasst, werde ich in die Höhe katapultiert. Die Eisschollen kommen mir entgegen, immer schneller und schneller. Ich begreife nicht, was gerade geschieht, aber solange es mich näher an die lebensrettende Atemluft bringt, lasse ich mich dankbar mitreißen. Das Licht wird heller, die Oberfläche ist jetzt nur noch wenige Augenblicke entfernt. Und da breche ich schon hindurch, es ist gleißend hell, gierig öffne ich den Mund und fülle meine Lungen mit wunderbarer, kalter Luft. Der plötzliche Sauerstoff wirkt wie ein Stromschlag der durch meinen ganzen Körper fährt und auf ein Mal wird mir bewusst, dass dies mein erster Atemzug seit langer Zeit ist.



Der Rest der Geschichte wird wie der erste Absatz im Präteritum erzählt, ich hatte nur das Gefühl, dass der Traum so unmittelbarer gelesen wird. Ist der Sprung komisch beim Lesen?


Hallo Gaspode,

im Laufe deines Textes entstanden drei unterschiedliche Szenen in meinem Kopf, die jeweils jäh zerstört wurden. Irre, oder!

Die erste Szene, die entstand, war ein Schiffbrüchiger, der alleine bei glühender Hitze auf dem Ozean herum treibt.

Abrupter Abriss und eine weitere Szene erscheint vor meinem geistigen Auge: Ein Mann, der auf einem gefrorenen See liegt und gelähmt ist...
Mein erstes ungläubiges "Hä" schwirrt in meinem Kopf umher.

Und zum Schluss der Bruch der Eisplatte, das eiskalte Wasser, in dem sich der gelähmte Mann plötzlich bewegen kann?

Als ich das Wort "Traum" las hatte ich ein "A-Ha" Erlebnis und ich verstand die bizarren, in schneller Abfolge handelnden Bilder, aber ist das gewünscht?
Vielleicht solltest du direkt in den ersten Zeilen dem Leser einen Wink mit dem Zaunpfahl verpassen, damit er weiß, womit er rechnen muss.

Ansonsten fand ich deine Geschichte recht gut zu lesen, mal abgesehen von dem bildlichen Wirrwarr.....

Ich habe gesehen, dass du die Überarbeitung bereits online gestellt hast. Leider habe ich jetzt keine Zeit mehr, aber ich lese es noch die nächsten Tage...

Viele Grüße
Assy
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MosesBob
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Beitrag28.01.2014 11:58

von MosesBob
Antworten mit Zitat

Hallo Gaspode!

Wie lange hast du an der neuen Version gearbeitet und wie lange im Vergleich zu der Fortsetzung? Zwischen beiden Beiträgen liegt nur eine knappe Woche. In der Zeit kann man natürlich keine großen Schritte erwarten. Allerdings finde ich, dass sich die Fortsetzung wesentlich unverkrampfter liest als der überarbeitete Anfang. Der Anfang klingt für mich nach wie vor zu wirr und zu gewollt bedeutungsschwer. Ich habe den Eindruck, als sollte er sich qualitativ vom Rest abheben. Dadurch wirkt das alles sehr pathetisch und in der Ausdrucksweise unglaubwürdig. Von solchen Anwandlungen und Absichten ist in der Fortsetzung kaum etwas zu finden. Klar, der eine oder andere Ausreißer versteckt sich auch dort. Ein Beispiel: "Aufwallende Verzweiflung ergießt sich wie eine Lawine in mein Bewusstsein." Nun ja ... du spielst halt noch ein bisschen mit Worten und Metaphern. Das ist auch völlig in Ordnung, solange man sich die Weitsicht bewahrt, solche spielerischen Versuche aus der Distanz heraus zu betrachten und sie dann als verbalen Käse abzutun. Aus der Distanz heraus bist du vielleicht auch der Meinung, dass dieser Satz sehr dick aufträgt? Was ich an deiner Fortsetzung aber hervorheben möchte, ist die Leichtigkeit. Nehmen wir als Beispiel diese Passage:

Gaspode hat Folgendes geschrieben:
Der Moment des Erwachens, diese absolute Gewissheit nicht mehr zu träumen, nie hatte ich sie intensiver erlebt als in diesem Moment. Zumindest nicht so weit ich mich erinnern konnte. Wie ich feststellen musste, war das nicht die einzige Lücke in meinem Gedächtnis, ich konnte mich kaum entsinnen wo ich mich gerade befand und wie ich hier her gekommen war. Auch der Traum, der so lange meine Realität gewesen war, verflüchtigte sich bereits wie Morgennebel bei den ersten Sonnenstrahlen.
Mein klopfendes Herz beruhigte sich langsam, trotzdem spürte ich noch das Adrenalin in meinem Kreislauf. Ich öffnete blinzelnd die Augen, konnte aber kaum mehr als Umrisse vor gleißendem Licht ausmachen. Meine Ohren nahmen eine Vielzahl von Geräuschen wahr, ein außeriridisches Brummen, Blubbern und Surren erfüllte die Luft. Es roch nach altem Maschinenöl und etwas das mich an Weihrauch erinnerte. Mein Körper selbst war kalt und steif, aber dank der warmen Umgebungsluft fror ich nicht mehr, im Gegenteil, ich spürte sogar langsam wieder Leben in meine Glieder strömen. Meine nackte Haut war von einer dünnen Schicht aus Kunststoff bedeckt, an Armen und Brust hingen Kabel, ein Schlauch war mit einer Injektionsnadel an meiner Armbeuge befestigt.

Das ist im Großen und Ganzen klar verständlich und flüssig zu lesen. Und es verzichtet nahezu auf bedeutungsschwangeren Ballast. Wenn du auf diese Art und Weise schreibst, wird die Übung auf lange Sicht auch die Qualität steigern. Qualitativ ist das nicht schlecht. Es fehlt halt noch ein bisschen der Rundschliff, das Gespür für's Wort. Ich an deiner Stelle würde mich nicht mehr mit dem pomadigen Anfang aufhalten und stattdessen einfach die Geschichte weiterschreiben. Bleib kritisch bei der Sache, beiß dir in die Finger, wenn dein Bauch sagt, dass du wieder zu dick aufträgst. Schreib lieber einfach und prägnant als zu ausdrucksvoll, dramatisch oder überschwänglich kryptisch. Den Anfang kannst du immer noch überarbeiten, wenn du die Geschichte fertiggeschrieben hast. Was du jetzt brauchst, ist learning by doing. So zumindest sehe ich das.

Hau rein & beste Grüße,

Martin


_________________
Das Leben geht weiter – das tut es immer.
(James Herbert)

Die letzte Stimme, die man hört, bevor die Welt untergeht, wird die eines Experten sein, der versichert, das sei technisch unmöglich.
(Sir Peter Ustinov)

Der Weise lebt still inmitten der Welt, sein Herz ist ein offener Raum.
(Laotse)
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Gaspode
Erklärbär
G


Beiträge: 4



G
Beitrag28.01.2014 15:04

von Gaspode
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Hey Martin,

Es freut mich dass du so schnell wieder geschrieben hast, danke für deine Mühe! Jetzt wo ich es so hervorgehoben lese, klingt das in der Tat sehr gestelzt. Weniger ist wohl meistens mehr.
"Gewollt bedeutungsschwer" und "pathetisch" sind ein hartes Urteil, aber ich denke ich verstehe was du meinst. Das ist so ziemlich das letzte was mein Text sein soll. Ich weiß noch nicht ob ich die Einleitung komplett weglasse sollte... zumal ich sie zu Beginn gar nicht haben wollte.
Darüber werde ich mir später Gedanken machen, fürs Erste werde ich deinen Rat beherzigen und mich daran machen die Rohfassung weiter zu schreiben.


Danke Assy, danke Maph! Es freut mich dass euch mein Text gefällt. Das motiviert mich weiter daran zu arbeiten. Ich halte euch auf dem Laufenden wink
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