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Arbeitstitel - Die Kapsel


 
 
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Mark_Brandis
Geschlecht:männlichWortedrechsler
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Alter: 52
Beiträge: 86
Wohnort: München


M
Beitrag12.12.2013 23:40

von Mark_Brandis
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O.K., den Punkt in Sachen offiziell angesprochen/ nicht offiziell sehe ich ein. Vielleicht ist Peter Klein auch noch keine Respektsperson wie ein gestandener Commander.

Aber dann müsste es doch konsequenterweise statt "Im selben Augenblick beschlich Klein wieder ein ungutes Gefühl" heißen:

"Im selben Augenblick beschlich Peter wieder ein ungutes Gefühl".

Und nur, um Wiederholungen zu vermeiden ... mmh.

Mal was anderes, ist der Name "Klein" eigentlich mit Absicht so gewählt, in Sachen Antiheld oder so?
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markoose
Wortedrechsler
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Beiträge: 54



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Beitrag13.12.2013 16:22
Klein
von markoose
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Vielleicht kommt die Anspielung später noch heraus, aber so ungefähr.

:-)
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Fahrender Gaukler
Geschlecht:männlichGrundgütiger

Alter: 40
Beiträge: 2697
Wohnort: Irgendwo in meinem Geiste
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Beitrag13.12.2013 17:57

von Fahrender Gaukler
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Hallo markoose!

Nochmal ich, nochmal Off-Topic. Embarassed

Das Häkchen für Fortsetzungen idealerweise nur dann setzen, wenn du einen weiteren Textabschnitt einstellst. Dadurch können Neu- und Quereinsteiger die Geschichte in einem Rutsch lesen, ohne sich durch die Kommentare wühlen zu müssen, oder sie können auch zwischendurch zurückspringen und nachlesen im Sinne von "Wie war das noch gleich?".

Bei deinen letzten Beiträgen habe ich dir das Häkchen daher entfernt, weil sie ja nicht unmittelbar Teil der Geschichte sind. smile


_________________
Trenne dich nicht von deinen Illusionen. Wenn sie verschwunden sind, wirst du weiter existieren, aber aufgehört haben zu leben.

(Mark Twain)
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Drakenheim
Geschlecht:weiblichEselsohr

Alter: 44
Beiträge: 386
NaNoWriMo: 50166
Wohnort: Burg Drakenheim Gelehrtenturm


Beitrag16.12.2013 12:09

von Drakenheim
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love
Hat Haare, Musik, Verstand, Herz ... Ich glaub, ich werde Gaukler-Groupie!


Zur Story noch mal... Die Szene, wo Peterle in die Kapsel einsteigt, da stört mich im Nachhinein die Fahrt durch die Rutsche. Ich halte die für ein wenig übertrieben.

Ob du den Wechsel zwischen Nach- und Vornamen so beibehalten willst, überlasse ich mal dir.

Aber vom Schreibstil her bist du so gut, dass ich ohne was zum Meckern zu finden glatt drüberlesen kann. Ist mir schon lange nicht mehr passiert.
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markoose
Wortedrechsler
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Beiträge: 54



M
Beitrag20.12.2013 19:44
Die Rutsche
von markoose
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Hallo Drakenheim,
herzlichen Dank für das Stilkompliment. Das mit dem Tunnel könntest du mir genauer erklären. Würde mir helfen.
Meinst du mit 'übertrieben', dass er zu lange ist oder was genau?

Gruß
Markoose
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markoose
Wortedrechsler
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Beiträge: 54



M
Beitrag26.12.2013 13:20
»Start«
von markoose
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»Testreihe 2-17, drei Minuten bis zum Start. Alle Systeme auf Grün.«
Ein Jammer. Peter flog ins All und sah außer einem schwach leuchtenden Monitor und einer winzigen Standbydiode nichts. Plötzlich erwachte der Bildschirm wieder zum Leben. Der sekundengenaue Countdown wurde angezeigt. Er war überrascht, wie glücklich ihn ein wenig Licht machen konnte. Mittlerweile war es aber richtig kühl geworden in der Kapsel, sodass er sich schließlich auf seine Hände setzte, um sie zu wärmen. Wann würde nur dieses Notfallprogramm endlich wieder aktiv?
Die Countdownanzeige schwebte in die obere rechte Ecke des Schirms und ein schlichter unformatierter Text erschien.

‚You are using a Cheapsky Rescue Pod © Modle No. 6 B. Please fasten your seatbelt and follow the further instructions. Keeping your tongue behind your teeth will avoid injury. Thank you for trusting our product. Good luck and have a good day. For further information you may visit us at www.Cheapsky-rescue-pods.com.’

Darunter war die Piktogrammfolge zu sehen, die ihm schon einmal gezeigt hatte, wie die Gurte zu schließen waren.
Mit wachsender Nervosität öffnete er die Gurte noch einmal, richtete seinen Overall und gurtete sich dann wieder an.
»Testreihe 2-17, zwei Minuten bis zum Start. Zündung der Triebwerke in fünf, vier, drei, zwei, eins.«
Peter musste sich irgendwie beschäftigen, um seine Nerven zu beruhigen. Er hätte in diesem Moment viel um einen Kaugummi gegeben. Er begann schließlich selbst mit geschlossenen Augen, die Sekunden herunterzuzählen, nur um festzustellen, dass er viel zu schnell war.
»Testreihe 2-17, eine Minute dreißig Sekunden. Triebwerke bei vierzig Prozent.« Das Vibrieren nahm wieder zu und überall, wo sein Körper das Polster berührte, regte es die Durchblutung an. Ihm wurde wieder wärmer.
»Testreihe 2-17, eine Minute bis zum Start. Triebwerke bei siebzig Prozent. 54 ... 53 ... 52 ...«
Wieder schossen Peter Zweifel durch den Kopf. Was machte er hier nur? Dieser verdammte Minzig hatte ihn über den Tisch gezogen. Zwei Tage! Dann würde er neu anfangen. Nur zwei Tage. Komm schon!
»... 41 ... 40 ... 39 ...«
Seine Hände begannen zu zittern, sodass er sich krampfhaft an den Gurten festhalten musste, um sie unter Kontrolle zu bringen. Er hatte den Mund die ganze Zeit geschlossen, um die Zunge hinter seinen Zähnen zu lassen und dabei auch noch die Luft angehalten. Explosionsartige atmete er aus. Oh, Gott!
»... 24 ... 23 ... 22 ... 21 ... Triebwerke bei neunzig Prozent.«
Peter Klein fühlte sich winzig und ausgeliefert. Er schnappte nach Luft wie ein Fisch, der auf dem Trocknen lag.
»... 13 ... 12 ...«
Lieber Gott, mach, dass ich hier heil wieder rauskomme!
»... 10 ... 9 ... 8 ... 7 ... 6 ...«
Scheiße, ich werde sterben!
»... 3 ... 2 ... 1 ... Start.«
Mit einer Gewalt, die er so nicht erwartet hätte, presste ihn die Beschleunigung der Rakete in den Sitz. Er konnte spüren, wie seine Wangen und alle anderen beweglichen Teile seines Gesichtes in Richtung Ohren gedrückt wurden. Es fühlte sich an, als würde ein Riese einen Fuß auf seinen Brustkorb setzen und langsam das Gewicht verlagern. Seine Blase fing an, zu schmerzen. Er verlor jedes Gefühl für die Zeit.
»Höhe, 18,9317 Kilometer, Geschwindigkeit 2198,52 km/h.«
Klein hätte nicht sagen können, wie lange es dauerte, bis der Druck nachließ, aber er war sehr dankbar darum.
»Höhe, 443,25 Kilometer, Geschwindigkeit 10.638 km/h.«
Was das Ganze besonders unangenehm machte, war die Tatsache, dass er außer dem Bildschirm mit den wenigen Daten und der völlig teilnahmslosen Computerstimme nichts hatte, an dem er sich gedanklich festhalten konnte. Peter spürte nur die extremen Belastungen und vergaß darüber beinahe, wer er war oder wo es hinging.
Plötzlich trat für einen kurzen Moment so etwas wie eine absolute Stille ein. Die Raketenmotoren hatten gestoppt oder waren irgendwie an den Rand seines Bewusstseins getreten. Die Erschütterungen und die Belastung durch die Beschleunigung hatten ausgesetzt. Peter atmete auf.
»Höhe, 2145,33 Kilometer, Geschwindigkeit 23403,6 km/h. Beginn der Testreihe 2-17 in - drei – zwei – eins – Zündung.«
Mit einer Beschleunigung, die die Erste beinahe in den Schatten stellte, wurde Klein erneut in den Sitz gepresst.
»Erfolgreicher Start der Rettungskapsel. Wiedereintrittswinkel wird berechnet.« Auf dem Monitor begann die Uhr erneut bei Null.
Peter verlor jede Orientierung.
»Wiedereintrittswinkel berechnet. Kurs der Kapsel wird angepasst.« Zu dem Rauschen in seinen Ohren gesellte sich ein Brummen, das die ganze Kapsel erzittern ließ. Es stockte mehrmals, um gleich wieder von Neuem zu beginnen.
»Gehe in Gravitationsmodus.« Das Brummen veränderte sich und wurde schwächer.
Jetzt kam ein Gefühl hinzu, als säße er in einer Berg- und Talbahn, nur dass diese in absoluter Dunkelheit fuhr. Peters Magen rebellierte und sein Sichtfeld flimmert, als wurde jemand an der Helligkeit eines Monitors herumspielen.
Jetzt allerdings ließen die Belastungen schneller als beim ersten Mal nach.
Hatte ihn der Simulator vorhin beeindruckt, so war die Realität noch einmal um einiges eindrücklicher und nicht mehr mit einem Vergnügungspark zu vergleichen.
»Sicherheitsabstand zum Mutterschiff erreicht in fünf, vier, drei, zwei, eins. Herzlichen Glückwunsch! Sie haben soeben die Zerstörung ihres Mutterschiffes überlebt. Scanner zeigen keine lebensgefährlichen Verletzungen. Beginne nun mit der Kalibrierung des Systems anhand der bestehenden Körperdaten. Sie hören nun zu ihrer Entspannung das Stück ‚Ave Maria’ von Bach/Gounod interpretiert von Maria Callas.«
Auf dem Monitor war wieder der langsam wachsende Statusbalken zu sehen. Peters Abneigung gegen jene langsam wachsenden Balken wuchs in diesem Moment beträchtlich.
Der Monitor erleuchtete das Innere der Kapsel immer noch nur schwach, und obwohl es dieselben Klavierakkorde waren, die sich beim ersten Mal so wundervoll angehört hatten, schien es Peter, als wolle Maria Callas ihn verhöhnen. Er wartete darauf, dass sich endlich die Panzerung öffnete, sodass er wenigstens etwas zu sehen hatte. Der erwartete leichte Ruck ging durch die Kapsel, die Wände wurden transparent und durch die sich klärenden Scheiben konnte man wieder Teile der Fensterpanzerung sehen, die gerade wegklappte. Dahinter tat sich dieses Mal allerdings nicht das All in seiner unbegreiflichen Weite auf.
Peter wurde beinahe schlecht, da sich seine Augen, jedes Mal, wenn sie sich gerade an etwas festgehakt hatten, losgerissen wurden, um nur einen Augenblick später am nächsten Punkt festzuhaken und wieder losgerissen zu werden.
Er erkannte nur fahle Streifen aus Licht, die sich über die Fenster zogen. Sie wurden immer wieder von einem schrecklich grellen Licht und dann von einem blauen Schatten unterbrochen. Peter kniff die Augen zusammen und es lief ihm wieder heiß und kalt über den Rücken, dieses Mal aber nicht durch die empfundene Rührung sondern durch die aufkommende Übelkeit. Was war hier los?
»REKA, was ist hier los? Warum sehe ich das All nicht?«
Als Antwort sang Maria Callas gerade ‚Wir wollen uns still dem Schicksal beugen’.
Peter Klein war es übel und er war verärgert, wobei die unterschwellige Angst und die gereizten Magennerven den Ärger schnell verdrängten. Er blickte absichtlich auf seinen Schoß, um die Übelkeit zu niederzuzwingen. Endlich kamen das Musikstück und auch der Statusbalken zum Ende und es erschien wieder das Wort REKA und darunter das Logo des Raumfahrtzentrums.
»Kalibrierung abgeschlossen. Ich hoffe, sie haben die Havarie seelisch gut überstanden. Wenn sie Zuspruch brauchen sollten, sagen sie einfach SEELSORGE.«
Kleins Ärger wuchs wieder ein wenig.
»Mein Name ist REKA. Ich bin das Kommunikationsprogramm dieser Rettungskapsel und meine Aufgabe ist es, ihnen ihre Rettung so angenehm wie möglich zu machen. In Zukunft werde ich von der Rettungskapsel und mir in einer Person sprechen. Wie darf ich sie nennen?«
Peter fühlte sich wie in einem schlechten Film oder als müsste jeden Augenblick irgendwo eine Klappe aufgehen, aus der ein grinsender Fernsehmoderator hervorlugte, nur um ihm zu sagen, dass das ja alles ein ganz toller Scherz gewesen sei. Frustriert starrte ins Leere, atmete desillusioniert aus und fluchte leise vor sich hin. »Fuck ...«
»Hallo, Fuck. Darf ich ...«
»Nein, nein, Scheiße noch mal, mein Name ist Peter, einfach nur Peter!«
»Oh, Entschuldigung. Hallo, Peter. Darf ich mich ihnen nun vorstellen?
»Ja.« Peter war sichtlich genervt und wollte das alles nur schnell hinter sich bringen.
»Ich bin eine Rettungskapsel, Modell Nummer 6 der Baureihe Beta. Für den weiteren Gebrauch ist es sicherlich von Vorteil, genau über mich Bescheid zu wissen. Soll ich fortfahren?«
»Mh, nein. Das hab ich doch schon alles gehört. Warum seh’ ich hier kein All und was sind das für Streifen?«
»Peter, das ist das All. Es stellt sich ihnen jedoch in Streifen dar, da die ich rotiere.«
»Rotieren? Wieso rotierst du, also wir?«
Auf dem Bildschirm wurde erneut eine Schemadarstellung der Kapsel eingeblendet. »Ich verfüge über ein externes Antriebsmodul, das beim Abschuss automatisch abgekoppelt wird. Es ist dann nur noch über ein hundert Millimeter starkes Teleskopversorgungskabel mit mir verbunden.« Der Bildschirm zeigte nun eine Art Bola, aber statt der Steine hing an der einen Seite die Kapsel und an der anderen ein Raketenmotor. »Beim Start werde ich so aus dem Mutterschiff geschleudert, dass durch die Rotation eine künstliche Schwerkraft an Bord erzeugt wird. Wenn sie diese Rotation unterbrechen wollen, muss ich den externen Antrieb zu Bremsung zünden. Ich rate aber davon ab. Länger anhaltende Schwerelosigkeit kann zu Formen der Raumkrankheit führen, außerdem kostet das Bremsmanöver einen Großteil meiner Energievorräte.«
»So viel zur schönen Aussicht. Dann schließ die Fenster wieder.« Augenblicklich setzten sich die Panzerschotte in Bewegung. »Wo kann man den hier mal pinkeln, verdammt?«
»Ja, Peter, fluchen sie ruhig. Fluchen kann ein gutes Ventil für angespannte Menschen sein. Lassen sie alles heraus, ich höre es mir gerne an.«
»Was ist jetzt mit meiner Notdurft?«
»Die Notdurft verrichten sie mit dem Hygieneadapter. Er befindet sich unter ihrem Sitz.«
Peter griff tastend unter den Sitz, während sich in seinem Kopf sein urmenschliches Bedürfnis und der Begriff HYGIENEADAPTER in einem unüberwindbaren Widerspruch gegenüber standen. Schließlich fühlte er einen Plastikbeutel, den er hervorholte. Darin befanden sich verschiedenste eingeschweißte Utensilien vom Taschenmesser über eine Notfalldecke bis hin zu wasserfesten Streichhölzern, die alle wohl für das Leben nach einer Notlandung gedacht waren. Peter spürte seine Blase nun sehr deutlich und rutschte immer unruhiger auf dem Sitz hin und her.
Endlich hielt er einen Beutel mit eingeschweißten Gegenständen in der Hand, auf dem groß und breit HYGIENEADAPTER stand. Leicht schockiert und skeptisch hielt Peter die Ansammlung von Gummiringen und Schläuchen vor seinem Gesicht und besah sich die Piktogramme auf der Packung. Diese beschrieben eindeutig unangenehme Tätigkeiten und versprachen ein Gefühl von Krankenhaus. Seine Blase allerdings ließ kein Zögern mehr zu.
Fahrig riss er die Packung auf und nestelte die Kabel und Schläuche heraus. Als Peter jedoch nach unten auf seinen Schoß sah, wurde ihm schlagartig bewusst, dass der Overall zwar einen zweiten Reißverschluss besaß, der unten angebracht war, aber die ganze Aktion wohl doch ein größeres Unterfangen werden würde.
Nach mehreren schweißtreibenden Minuten, in denen seine Blase immer stärker rebellierte, saß Klein nun mit entblößtem Geschlecht und dem Overall auf Knöchelhöhe in der Kapsel und begann den grafischen Anweisungen auf der Verpackung zu folgen. Alle Verbindungen waren schließlich hergestellt.
»Hygieneadapter aktiviert, Peter. Notdurft kann jetzt verrichtet werden.«
Peter begann, sich zu entspannen.
»Achtung, Peter! Hygieneadapter abgekoppelt, bitte prüfen sie die Anschlüsse.« Zusehends hektischer fummelte er erneut an den Kabeln und Schläuchen.
»Hygieneadapter aktiviert, Peter. Notdurft kann jetzt verrichtet werden.«
Wieder lehnte sich Peter ausatmend zurück.
»Achtung, Peter! Hygieneadapter abgekoppelt, bitte prüfen sie die Anschlüsse.«
Schwer fluchend und beinahe wie von Sinnen prüfte er erneut die Anschlüsse.
»Hygieneadapter aktiviert, Peter. Not ... Achtung, Peter! Hygieneadapter abgekoppelt, bitte prüfen sie die Anschlüsse.«
Dann ging das Licht aus. »Bitte Piloteninterface anlegen ... Bitte Piloteninterface anlegen ... Bitte Piloteninterface anlegen ...« Die andere Frauenstimme quäkte wieder unablässig durch die Kapsel.

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markoose
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Beitrag10.01.2014 16:56
»Essen«
von markoose
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Dumpf starrte Peter auf die Patience, die er sich auf dem Bildschirm gelegt hatte. Das Kartenspiel wollte nicht recht vorangehen und, wenn er es sich recht besah, hatte er es sowieso nur angefangen, um auf andere Gedanken zu kommen. Das war ihm nicht wirklich gelungen, aber wenigsten hatte er sich wieder beruhigt.
Nachdem zusätzlich zum Hygieneadapter auch noch des Piloteninterface ausgefallen war, hatte er sich in seiner Not entschieden, einfach in den Verpackungsbeutel des Hygieneadapters zu pinkeln. Im wahrsten Sinne des Wortes notdürftig verknotet lag dieser jetzt im Fußraum zwischen seinen Beinen und gluckerte gefährlich, wenn er ihn zufällig berührte.
Doch der Beutel machte ihm nicht wirklich Sorgen. Was ihn viel mehr beschäftigte, war die Frage, wohin beziehungsweise wohinein er das nächste Mal machen sollte, denn eines war klar - den Hygieneadpater würde er nie wieder benutzen. Zudem hatte er keine Lust, die nächsten zwei Tage zwischen mit seinen eigenen Exkrementen gefüllten Beuteln zu verbringen.
»Herr Klein, hier Groundcontrol, Minzig spricht.« Das Gesicht des ernsten Mannes erschien in einem kleinen Fenster am oberen Rand des Schirmes. Peter tippte darauf, dann nahm es den ganzen Bildschirm ein.
»Ja, hier ist Klein.«
»Herr Klein, wie haben sie den Start überstanden. Alles in Ordnung?«
»Na ja, so weit so gut. Ich bin unverletzt, aber ich muss gestehen, die Bordtoilette ist weit schwieriger zu überstehen als der Start.«
»Schön, dass sie noch scherzen können, Herr Klein.« Das Lächeln Minzigs wirkte aufgesetzt.
»Das war eigentlich nicht als Scherz gedacht. Um es mal auf Deutsch zu sagen, der Hygieneadapter funktioniert nicht und ich weiß nicht, wo ich hier hinpinkeln soll. Von schwereren Fällen will ich hier noch gar nicht anfangen.«
Bei der geknurrten Antwort Kleins wurde Minzig schlagartig wieder ernst. »Ich verstehe. Ich werde veranlassen, dass die Fehlerdaten ausgelesen werden. Vielleicht bringt uns das weiter.«
Peter starrte finster auf den Schirm.
»Herr Klein. Ich muss ihnen da noch etwas sagen.«
Die Nackenhaare des unfreiwilligen Raumfahrers stellten sich augenblicklich und seine Miene wurde, obwohl es kaum möglich war, noch finsterer.
»Wir haben hier auf den Schirmen einen kleinen Schwarm aus hoch beschleunigten Teilchen. Sie stammen vielleicht von einem Satelliten oder es sind besonders große Meteoride.«
»Und das heißt?«
»Die bewegen sich genau auf sie zu. Sie sollten alle Schutzschotten schließen und ... beten.«
»Wie bitte? Sie meinen, diese Dinger können mich treffen?«
»Ja, nur sehen sie, es ist so, die Außenhülle ihrer Kapsel ist aus besonders gehärtetem Material und hält den normalen Belastungen im Raum durchaus stand. Diese Teilchen sind meist äußerst klein, aber man weiß eben nie und es handelt sich bei ihrer Kapsel ja genau genommen um ein nicht einsatztaugliches Modell. Deshalb war es ja in der Simulatorhalle installiert.«
»Aber sie haben doch gesagt, sie sei einsatztauglich. Das ist euer Verschulden! Außerdem hat die Robotsonde die Kapsel doch geprüft und sie selbst haben gesagt, dass … Ach, ich weiß immer noch nicht, warum ich überhaupt hier oben bin. Habt ihr wenigsten den Fehler gefunden?« Peters Stimme war kurz davor, sich zu überschlagen und seine Stimmung kurz davor, ins Haltlose zu kippen.
»Um ehrlich zu sein, Herr Klein, das gibt uns noch Rätsel auf, aber ein hochqualifiziertes Team von Technikern hat sich der Sache bereits angenommen.« Minzig versuchte dieses Mal ein zuversichtliches Lächeln, das ihm aber nicht gelingen wollte.
»Na toll. Ich dachte, ihr alle da unten seid hochqualifiziert.« Klein machte eine Pause, in der sein Ärger noch deutlich nachschwang. »Wie lange habe ich noch bis zum Eintreffen der Meteoriden?«
Minzig sah auf etwas, das wohl neben seiner Kamera stand. »Noch genau dreiundvierzig Minuten. Ich synchronisiere ihren Bordcomputer. Dann können sie die Daten jederzeit abrufen. Wegen der Notdurftfrage melde ich mich, sobald ich etwas Neues habe. Ach, Herr Klein? Ich glaube nicht, dass es durch die Meteoride zu einer Verzögerung kommt, also, immer dran denken, nur noch eine knappe Stunde bis zur Landung, viel Glück. Minzig, Ende.« Dann zeigte der Bildschirm wieder das Kartenspiel, das einfach nicht aufgehen wollte.
Das Wort Verzögerung hallte noch in Peters Bewusstsein nach, als er sich wieder seiner Ablenkung zuwenden wollte. Schon war unter der Missionsuhr, die mittlerweile auf 01:04:38 stand, eine zweite zusehen, die von rückwärtslief – 42:38, 42:37, 42:36 ...
Misstrauisch besah er sich die beiden Zahlenreihen, die auf einander zuzulaufen schienen. Er hob die Hand, um auf Neues Spiel zu tippen, als ein Knurren das leise Rauschen der Klimaanlage übertönte. Sein Magen hatte sich zu Wort gemeldet und Peter musste sich eingestehen, nicht ganz zu unrecht, hatte er doch seit heute Morgen nichts mehr gegessen. Es war wohl an der Zeit, einmal die Bordküche auszuprobieren. Die Vorfreude auf ein Essen wurde dem Astronauten wider Willen allerdings ziemlich verdorben, als er an das dachte, was die Nahrungsaufnahme und die damit verbundene Verdauung für Konsequenzen mit sich brachte. Zweifelnd schaute er sich das kluckernde Etwas zwischen seinen Füßen an. In Tüten pinkeln war eine Sache.
»Reka?«
»Ja, Peter?«
»Reka, wie war das noch gleich mit dem Essen?«
»In dem Fach mit der Aufschrift VERSORGUNG befinden sich verschiedene Lebensmittelkonserven, die sowohl in warmem wie auch in kaltem Zustand verzehrt werden können. Die Zubereitung ist außen auf der Packung aufgedruckt. Sie können dazu den Induktionsofen halbrechts vor ihnen nutzen. Die Vorräte sind für den Bedarf eines durchschnittlichen Erwachsenen ausgelegt und sollten etwa zwei Wochen reichen.«
Neugierig öffnete Peter das besagte Fach und ihm bot sich der Blick auf eine ganze Auswahl an verschiedensten Lebensmittelkonserven. Ein zweiter Blick ließ ihn allerdings ernüchtert zurücksinken. Beim größten Teil handelte es sich lediglich um Platzhalter aus Pappe, die einem nur Appetit aber keine Sättigung verschaffen konnten.
»Na toll.« Lustlos beugte er sich wieder nach vorne, um zu prüfen, was denn überhaupt vorhanden war. Seine Ausbeute war nicht gerade groß, zwei Beutel mit Kartoffelpüree und Bratensoße, ein Müsli, drei Packungen Kekse und ein Päckchen Kaugummis. »Kartoffelpüree oder Kartoffelpüree? Hm, dann nehmen wir eben Kartoffelpüree.«
Nach der Anleitung musste man die Packung öffnen, etwas Wasser hinzugeben, wieder verschließen, schütteln und dann für fünf Minuten in den Induktionsofen stecken. Alles verständlich, aber woher bekam er Wasser.
»Trinken ...« Schon surrte das Röhrchen neben seinem Kopf herunter. Peter zog die Hülle vom Mundstück. Nach einem erfolglosen Versuch, die Packung einfach an das Röhrchen zu halten, wandte er sich wieder an den Bordcomputer.
»Reka, wie soll ich Wasser aus der Leitung in den Speisebeutel bekommen?«
»Sagen sie einfach TRINKEN und das Versorgungsinterface steht ihnen zur Verfügung. Bei sparsamem Verbrau ...«
»Nein, nein, nein. Ich will wissen, woher ich das Wasser für das Essen bekomme.« Peter wurde ungeduldig.
»Verzeihung. In dem Fach mit der Aufschrift VERSORGUNG befinden sich verschiedene Lebensmittelkonserven, die sowohl in warmem wie auch in kaltem Zustand verzehrt werden können. Die Zubereitung ist außen auf der Packung aufgedruckt. Sie ...«
»Herrgott, Reka! Woher bekomme ich Wasser für die Lebensmittelkonserven?«
»Wünsche Sie religiösen Zuspruch?«
»Nein, aaah! Wo gibt’s hier Wasser?«
»Sagen sie einfach TRIN ...«
»Reka, ich brauche Wasser für meinen Speisebeutel.«
»Bitte als Frage formulieren.«
»Wie kommt das Wasser in den Speisebeutel?«
»Frage nicht verstanden.«
»Ich brauche Wasser zum Kochen.«
»Diese Option ist nicht vorgesehen, wenden Sie sich bitte an den Hersteller.«
Frustriert saß Peter Klein in der nur spärlich beleuchteten Kabine und starrt auf die aufgerissene Packung Kartoffelpüreegranulat. Schließlich kam ihm eine Idee. »Also gut. Sieht ja keiner zu.«
Mühselig nahm er immer einen Schluck Wasser aus dem Röhrchen und spuckte ihn in den Beutel, bis das Wasser die Markierung erreicht hatte. Er verschloss das Ganze sorgfältig und schüttelte kräftig. Schließlich öffnete er den Ofen und stellte den Beutel hinein. Die Bedienung schien denkbar einfach. Zeit einstellen, Startknopf betätigen, warten.
Zu dem unterschwelligen Rauschen der Klimaanlage gesellte sich das Summen des Induktionsofens. Skeptisch schaute Peter durch die Ofenscheibe und dann auf den Bildschirm, noch zweiunddreißig Minuten. Das sollte wohl für ein Essen reichen.
Ein leises ‚Ping’ verriet ihm, dass der Ofen am Ende seiner Arbeit war. Hungrig griff er nach dem Beutel nur, um festzustellen, dass er für seine bloßen Finger viel zu heiß war. Mit dem Öffnen der kleinen Tür war neben dem Duft nach Bratensoße auch der Geruch nach angebrannten Kartoffeln und Kabelbrand bemerkbar geworden. Halbenttäuscht und halbrätselnd sah Peter auf den dampfenden Beutel. Schließlich nahm er mehrere der Pappschilder aus dem Verpflegungsfach. Diese ergaben auf seinem Schoß gestapelt einen ganz passablen Hitzeschutz. Mit spitzen Fingern holte er das Kartoffelpüree rasch aus dem dampfigen Fach. Wenigstens war eine Plastikgabel außen auf die Verpackung aufgeklebt gewesen. Es dauerte einwenig, bis Peter die erste Gabel mit dem gelblich verbrannten Brei herausbalanciert hatte. Der Geruch war durchaus angenehm, der Geschmack aber eher durchschnittlich.
Kaum hatte er ein paar Gabeln verspeisen können, musste Peter feststellen, dass der Rest des Breis entweder an der Innenwand der Packung festgebacken, noch granuliert oder nicht fertig war. Im Grund hungriger als zuvor beendete er sein erstes Mahl im All äußerst unbefriedigt.
»Reka, wie ist das mit dem Müll hier an Bord?«
»Oberhalb des Piloteninterface befindet sich eine Klappe mit einem Ausrufezeichen. Das ist eine Minischleuse. Hier können Sie Müll entsorgen. Achtung! Alles, was einmal weggeworfen wurde, kann nicht wieder hergeholt werden. Es befindet sich dann im All.«
Peters Blick wanderte zwischen den Überresten des Pürees und dem Urinbeutel im Fußraum hin und her. »Und wie ist das, wenn ich ein großes Geschäft erledigen muss?«
»Ich habe nicht verstanden. Frage bitte neu formulieren.«
»Oh, Mann! Kot, Kacke, Exkremente, was mache ich damit?«
»Für diesen Fall gibt es die großen Hygienebeutel. Diese befinden sich ebenfalls unter ihrem Sitz.«
Einigermaßen zufrieden, sein Anliegen verdeutlicht zu haben, aber nicht glücklich über die Antwort öffnete Peter die Abfallschleuse und blickte hinein. Ein Hohlraum von der Größe eines Schuhkartons. Er packte die Essensreste hinein und schloss die Klappe. Die Taste daneben leuchtete grün. Als er den Knopf betätigen wollte, kam ihm eine Idee. Peter nahm den geöffneten Beutel heraus und tauschte ihn mit dem Urinbeutel. Jetzt betätigte er den Knopf. Sofort wurde die Taste rot und die Tonbandstimme, die ihn schon mehrfach auf den Wackelkontakt am Piloteninterface aufmerksam gemacht hatte, quäkte wieder los. »Achtung! Schleuse in Betrieb. Achtung! Schleuse in Betrieb.« Gleichzeitig hörte man das Geräusch einer Pumpe und ein roter LED-Balken wurde nach und nach länger. Bei der zehnten LED hörte man ein leises Klack. Als die Luft offenbar wieder in die Schleusenkammer drang, erloschen die roten LEDs wieder nacheinander und die Taste wurde zum Schluss auch wieder grün.
Neugierig öffnete der frischgebackene Schleusenwärter die Klappe. Der Müll war weg.

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markoose
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Beitrag10.01.2014 17:00
»Meteoride«
von markoose
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Meteoriden, Meteoriden. Das klang wie Hämorriden. Von Meteoriten hatte Peter schon gehört, aber Meteoride? »Reka, was sind Meteoride?«
»Meteoroide sind meist Staubteilchen, kleine Metall- oder Gesteinskörner aus dem interplanetaren Raum, von denen pro Tag etwa 10 Milliarden vom Weltall aus mit einer Gesamtmasse von 1.000 bis 10.000 Tonnen in die Atmosphäre der Erde einfallen. Wegen ihrer enormen Geschwindigkeit von etwa 11,2 bis 72 km/s – je nach Einfallswinkel zur Bahnbewegung der Erde – verdampfen die meisten in etwa 80 Kilometer Höhe durch Luftreibung; dabei ionisieren sie die Luftmoleküle, was helle Leuchtspuren hervorruft.«von Wiki kopiert (nachweis)
»Wie groß sind diese Dinger eigentlich?«
»Dinge ist der Plural eines Sammelbegriffs. Eine Größe kann hier n...«
»Wie groß sind Meteoride genau?« Seiner Wut entsprechend qualmten die Worte aus Peters Mund.
Wie erwartet reagierte Reka aber in keiner Weise auf seine heißerzornige Stimme. »Meteoride können kleiner als ein zehntel Millimeter sein. Ihre Größe variiert bis über einen Zentimeter hinaus.«
Peter wurde schlecht bei der Vorstellung, dass die Kapsel von gewehrkugelgroßen Teilen mit einer irrwitzigen Geschwindigkeit durchlöchert werden könnte.
»Und du hast alle Schutzmaßnahmen, die diese Kapsel zu bieten hat, ergriffen?« Peter wurde plötzlich bewusst, mit welch großen Worten er die kläglichen Schilde der Kapsel umschrieben hatte.
»Ja.«
Er schaute auf den Bildschirm. Die berechnete Aufschlagszeit stand bei 21 Minuten. Wieder lief ihm ein Schauer über den Rücken und nicht zum ersten Mal fragte er sich, ob dies alles das Geld wert war, dass sie ihm versprochen hatten. Doch es half nichts. Er war gefangen nächste halbe Stunde, dann wäre laut Minzig der ganze Zauber vorbei und er wieder sicher gelandet.
»Also, mach’s Beste draus.«
»Formulieren Sie die Frage neu.«
»Ich hab’ nicht mit dir geredet.«
»Verzeihung.«
Dieses Programm hatte offensichtlich noch einige Macken und Kinderkrankheiten, aber Reka war hier oben die einzige, mit der er reden konnte. Wenn er ehrlich war, hätte Peter, selbst wenn er die Möglichkeit dazu gehabt hätte, nicht einmal gewusst, mit wem er daheim auf der Erde hätte reden sollen. Mit Christiane vielleicht?
Besser nicht. Hätte wohl keinen guten Eindruck hinterlassen, wenn der Exmann sie aus einer Raumkapsel angerufen und ihr erzählt hätte, dass er es ja nur wegen des Geldes machte und bald ein Meteoridenschwarm auf ihn träfe. Peter entschied sich, die Wartezeit bis zum Aufschlag mit einem Gespräch zu verkürzen.
»Reka, wer bist du?«
»Frage bitte neu formulieren.«
»Na, ich meine, woher stammt zum Beispiel deine Stimme?«
»Prüfe meine Dateien.« Es entstand eine kurze Pause. »Die Stimme stammt von Anna Sidolski und wurde digital überarbeitet. Weitere Einträge zu meiner Stimme sind nicht verzeichnet.«
»Wer hat dich programmiert?«
»Der Chefprogrammierer heißt Sven Schmiedkopf. Weitere Einträge sind nicht vorhanden.«
»Kannst du denken?«
»Ich habe 101883 Subroutinen gespeichert, um Prozesse selbständig zu initiieren und zu überwachen.«
»Nein, ich meine, stellst du dir auch manchmal Fragen?«
»Was für Fragen?«
»Na, zum Beispiel, woher komme ich?«
»Als die Systeme der Kapsel hochgefahren wurden, waren sie bereits an Bord. Ich kann keine Aussage darüber treffen, woher sie kommen.«
Peter blies frustriert die Backen auf. »Stellst du dir manchmal die Frage, woher du kommst?«
»Nein.«
»Oder willst du wissen, was passiert, wenn du ausgeschaltet wirst?«
»Nein.«
Peter schwieg eine ganze Weile.
»Soll ich mir die Frage stellen?«
»Was ... Wie bitte?«
»Soll ich mir die Frage stellen, woher ich komme, Peter?«
»Äh, von mir aus.«
»Anwort nicht verstanden.«
»Ja. Meinet wegen.«
»Berechnung der Antwort läuft. Dauer noch unbekannt.«
Peter ärgerte sich über den Einfall, mit Reka ein richtiges Gespräch führen zu wollen. Das hatte ihn lediglich weiter frustriert und mit seinem vielleicht nahen Ende konfrontiert. Was hatte er denn erwartet? Seit Jahrzehnten versuchten die Menschen, künstliche Intelligenz zu erzeugen, waren aber bis jetzt nie über hochkomplexe Roboter, die aufgrund geregelter Abläufe handelten, hinausgekommen.
Ein Bewegung auf dem Bildschirm zog Peters Blick an, eine Zahl war umgesprungen - noch 18 Minuten. Für einen kurzen Moment flackerte in Peter der Gedanke an ein Testament auf, eine Art Abschiedsbrief für den Fall seines Todes. Er könnte die Logbuchfunktion dazu verwenden. Doch so schnell, wie der Gedanke gekommen war, verwarf er ihn auch wieder. Nahe Verwandte oder Freunde hatte er keine. Ehemalige Arbeitskollegen oder gar Christiane mit einem solchen Brief zu behelligen, schien ihm unangebracht. Zu vererben hatte er auch nichts, also kein Abschiedsbrief.
Peter wurde bewusst, wie allein er war und dass nichts von ihm zurückblieb. Nichts erinnerte an ihn, wenn er einmal fort war. Betrachtete man seine Situation ganz nüchtern, so war da niemand mehr außer einem unzureichenden Kommunikationsprogramm und einem offensichtlich inkompetenten Versuchsleiter. Ihm blieb nur er selbst. Und wer war er schon? Ein arbeitsloser Betriebswirt ohne Familie aber mit hoher Flexibilität. Der Raumfahrer wider Willen lächelte bitter. Was würde es schon ausmachen, wenn er sterben würde? Da war nichts und niemand, der ihn hielt oder für den es Wert gewesen wäre, zu leben. Mit einem Mal fühlte er eine unendliche Müdigkeit über sich hereinschwappen. Peter schloss die Augen, die sich schmerzhaft mit Tränen füllten. Was war nur geschehen?
Im wurde klar, dass es keinen Unterschied machte, ob er jetzt zuhause in seiner beschissenen Einzimmerwohnung auf dem Bett lag und die Decke anstarrte oder hier oben vor sich hinsinnierte. Er war ein Niemand und niemand würde ihn vermissen. Peter musste an seine Mutter denken und dann waberten wieder unzählige Bilder seiner Kindheit in sein Bewusstsein,  glühende Überreste seines Lebenswillens. Momente, in denen er Wettkämpfe gewonnne, Geburtstage gefeiert oder gute Noten nachhause gebracht hatte. Er roch die Wärme und den Kücheduft, der sich mit der Handcreme mischte, als seine Mutter ihn einmal tröstend in den Arm genommen hatte. Bilder großer Momente und auch kleiner zogen an ihm vorüber und Peter weinte.
Ein Piepsen drang mühsam zu ihm durch. Mit verschwommenem Blick starrte er auf den Bildschirm. Von dem Countdown waren nur noch sechse Sekunden übrig – fünf – vier – drei – zwei – eins.
Stille, nur das leise Rauschen der Klimaanlage. Nichts passierte, während ihn die vier Nullen der Uhr verständnislos anblickten. Peter begann, langsam zu zählen. Die Augenblicke verstrichen und es geschah nichts. Hatten ihn die Meteoride verfehlt? Er wischt sich unbeholfen die tränennassen Augen mit den Ärmeln. 36 – 37 – 38. Sollte das vielleicht ein Wink des Schicksals sein? 40 – 41 – 42.
»Reka? Ist der Countdown kor ...« Ein Klopfen unterbrach ihn. Deutlich war es zu hören gewesen. Da noch eins und noch eins. Dann prasselte es, als säße er bei Hagel in einem Auto. Instinktiv zog Peter den Kopf unter die Arme und zog die Beine an.
»Bitte Piloteninterface anlegen ... Bitte Piloteninterface anlegen ... Bitte Piloteninterface anlegen ...«
Es war schrecklich laut. Er hatte das Gefühl, es würde immer lauter. Minute um Minute. Er konnte die Erschütterungen der Aufschläge immer deutlicher spüren. »Oh, Gooooott! Ich will noch nicht sterben!«
Dann gab es einen lauten Knall. Schwarz.
Peter tauchte durch die Weiten einer tiefen, hoffnungslosen Dunkelheit. Er mühte sich, seine Bewegungen zu koordinieren, aber es war, als ob sein Körper gar nicht mit ihm verbunden wäre. Schließlich gab er alle Bewegung auf. Dann mit einem Mal, als ob ihn eine Strömung ergriff, trieb Peter auf etwas zu. Ihm wollte nicht klar werden, was es genau war, aber es war hoch, ja schrill.
Er spürte seine Arme wieder, die er zum Schutz vor das Gesicht hielt. Seine Ohren hatten begonnen zu pfeifen.
»Bitte Piloteninterface anlegen ... Bitte Piloteninterface anlegen ... Bitte Piloteninterface anlegen ...«
Immer noch prasselte es auf die Kapsel ein. Er konnte die Augen nicht öffnen, hatte jegliches Gefühl für Zeit verloren. Er wusste nur, dass es unendlich dauerte. Schließlich gleich einem Sommergewitter verebbten die Aufschläge bis nur noch vereinzelt welche zu hören waren. Was zurückblieb, war das Pfeifen in den Ohren und die ewig quäkende Stimme. »Bitte Piloteninterface anlegen ... Bitte Piloteninterface anlegen ... Bitte Piloteninterface anlegen ...«
Langsam hob Peter den Kopf und ließ die Arme sinken. Ein Schütteln des Handgelenks und die Tonbandstimme verstummte. Er schaute sich misstrauisch um, als könnte ihm jeden Moment die Decke auf den Kopf fallen.
»R ... Reka?«
»Ja Peter?«
»Hat die Kapsel irgendwelche Schäden davon getragen?«
»Prüfung initiiert.« Sofort erschien ein Statusbalken auf dem Bildschirm, der bei 0,3% Prozent stand. Die Missionsuhr stand bei 01:58:07. Bald würde es vorbei sein.
Peter begann, sich zu entspannen. Behutsam setzte er die Beine wieder in den Fußraum.
Die Luft war stickig und verbraucht.

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markoose
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Beitrag22.01.2014 19:40
»Pfeifen«
von markoose
Antworten mit Zitat

Der Statusbalken stand seit Minuten auf 56 Prozent, als hätte sich das System aufgehängt. Peter hatte zu schwitzen begonnen, was nicht zuletzt auf die stehende Luft in der Kabine und seinen erhöhten Herzschlag zurückzuführen war. In einem Akt wütender Verzweiflung riss er sich den Overall vom Oberkörper. Das graue T-Shirt darunter war bereits völlig von Schweiß durchdrungen. Seine Füße hingegen waren eiskalt.
Während er eins der Pappschilder aus dem Vorratsfach nahm, die mehr versprachen, als das Fach halten konnte, tippte er ungeduldig auf den Bildschirm. Nichts tat sich. Er zog die Füße an, um sie zu wärmen. Dieser verdammte Minzig. Die Missionsuhr stand schon bei 02:38:54 und von einem Wiedereintritt in die Erdatmosphäre hatte er nichts mitbekommen. Zwei Stunden, von wegen zwei Stunden.
Das Schild „Jägertopf mit Spätzle“ wedelte in Peters Hand wild durch die Luft, um ihm wenigstens etwas Kühlung zu verschaffen. »Reka, was ist nun? Hat die Kapsel einen Schaden erlitten oder nicht?«
»Schadenskontrollroutine bei 56 Prozent, bitte haben sie noch etwas Geduld.«
Peter war verwirrt. Offensichtlich hatte die Kapsel keinen bedrohlichen Schaden davongetragen, aber irgendetwas war nicht in Ordnung. Oben war es stickig und unten eiskalt. Prüfend senkte er seine Rechte in den Fußraum. Er spürte einen leichten Zug auf dem verschwitzten Rücken seiner Hand.
»Reka, können einzelne Bereiche vor anderen geprüft werden?«
»Ja, Peter.«
»Dann prüfe bitte jetzt die Klimaanlage.«
»Verstanden, unterbreche Routine 576 und prüfe das Belüftungssystem.«
Der Statusbalken flackerte kurz, blieb bei 56 Prozent und ein weiterer Balken erschien. Dieser allerdings bewegte sich weitaus schneller und war bereits nach kurzer Zeit am Anschlag.
»Prüfung des Belüftungssystems abgeschlossen. Es wurde in Folge der einschlagenden Meteroide aus Sicherheitsgründen abgeschaltet. Funktion bei 100 Prozent.«
»Dann schalte es wieder an, Reka. Mir ist heiß.«
»Belüftungssystem aktiviert. Fahre mit Routine 576 fort.« Ein gedämpftes Brummen, das immer mehr an Höhe gewann, bis nur noch das leise Rauschen der Anlage zu hören war, bestätigte Rekas Angabe. Peter atmete gierig die kühle Luft ein, die augenblicklich aus den Lüftungsschlitzen drang. Der Geruch, der mit der künstlich riechenden Luft eindrang, ließ ihn jedoch sofort erschaudern. Es roch nach verschmortem Kunststoff.
»Reka, ich rieche so etwas wie einen Schmorbrand. Kannst du das dann auch überprüfen, wenn die Überprüfung abgeschlossen ist?«
»Schmorbraten ist nicht als Bordgericht verzeichnet. Es gibt ...«
»Nein, ich meinte, es riecht nach einem SCHMORBRAND! Prüfe das bitte.«
»Schmorbrand, verstanden, prüfe die Zusammensetzung der Kabinenluft, sobald Rechenressourcen frei werden.«
Nicht beruhigt, aber froh, etwas getan zu haben, lehnte sich der verschwitzte Astronaut zurück. Peter schloss die Augen und versuchte, zu entspannen. Okay, die Meteoride hast du anscheinend überstanden. Er hörte das monotone Rauschen der Klimaanlage und seinen Atem. Von Zeit zu Zeit drangen Geräusch aus dem Armaturenbrett, die wohl dem Bordcomputer entstammten. Das Pfeifen in den Ohren war mittlerweile zu einem dünnen, hohen Sirren verblast. Peter sog die trockene Luft in großen Zügen ein und spürte, wie sein Kreislauf sich langsam aber sicher beruhigte. »Trinken.«
Sofort senkte sich surrend der Trinkhalm neben seinem Kopf und Peter gönnte sich einen großen Schluck Wasser. Es schmeckte nicht einmal so abgestanden, wie er es in Erinnerung hatte.
Wieder lehnte er sich zurück und wollte gerade behaglich seufzen, als ihm etwas auffiel. Während des Trinkens hatte er den Kopf leicht drehen müssen und das Sirren hatte sich verändert. Wie konnte das sein, wenn das Pfeifen in seinem Kopf war?
Augenblicklich schreckte Peter nach vorn und drehte panisch den Kopf. Das Sirren veränderte sich wieder. Im fuhr es in den Magen. Schließlich beugte er sich mit dem Kopf weit in den Fußraum und das Geräusch wurde lauter. Kaum merklich zwar, aber doch so, dass er sich sicher war. Es kam aus dem Fußraum. Irgendetwas war undicht. Er blickte auf den Bildschirm – 83 Prozent.
Wieder tippte Peter erfolglos auf den Bildschirm, um die Routine zu unterbrechen. »Reka, irgendetwas pfeift hier in der Kabine. Es ist ein Geräusch, das vor der Kollision mit den Meteoriden nicht da war.«
»Schadenskontrollroutine bei 83 Prozent. Zurzeit keine zusätzliche Rechenleistung verfügbar.«
»Unterbrich die Routine jetzt, Reka! Prüfe das Geräusch im Fußraum.«
»Routine unterbrochen. Prüfe Atemluft, Geräuschpegel und Kabinendruck.«
Diesmal erschienen drei weitere Statusbalken, die unterschiedlich schnell wuchsen. Nervös rieb Peter seine verschwitzen Hände an seinen Oberschenkeln ab.
»Geräuschpegel 0,08 Prozent über Normal. Zuordnung Fußraum.« Peter wurde schlecht. Was war es dieses Mal? Die Sekunden zogen sich wie kleine Ewigkeiten. Er hatte einmal etwas über Schwarze Löcher gelesen, in denen alles schier unendlich in die Länge gezogen würde. So musste es sich wohl anfühlen in einem Schwarzen Loch.
»Atemluft innerhalb der normalen Parameter.« Das war zumindest eine gute Nachricht. Peter atmete aus und merkte erst jetzt, wie lange er die Luft angehalten hatte.
»Kabinendruck 3 Prozent unter Normal, weiter fallend. Achtung! Undichte Hülle. Lebenserhaltungssysteme werden beeinträchtigt.«
Sofort erschien eine Piktogrammanweisung auf dem Bildschirm, wie eine Sauerstoffmaske aufzusetzen wäre. Jetzt erinnerte sich Peter auch an den lauten Knall, den er während des Meteoridenschauers gehört hatte.
»Reka, wir wurden offensichtlich schwer getroffen! Wir müssen das Loch finden!«
»Sensormöglichkeiten ausgeschöpft. Ich verfüge über keine weiteren Suchoptionen. Setzte Schadenskontrollroutine fort.«
Peter öffnete seinen Gurt und duckte sich einem Taucher gleich in den Fußraum. Er tastete hektisch die Wände ab. In den Tiefen seines Bewusstseins wunderte er sich, dass der Wackelkontakt des Interface ihm diesmal nicht in die Quere kam. Fahrig betastete er die Oberfläche des Fußraums. Nichts, überall nur Teppich.
Da! Er spürte die Kälte und den Sog an einer Stelle ganz deutlich.
Instinktiv drückte er mit dem rechten Zeigefinger darauf und spürte sofort einen stechenden Schmerz in der Fingerspitze. Rückartig nahm er den Finger wieder weg und nahm ihn in Augenschein. Ein kleiner rötlicher Punkt war dort entstanden, wo die Haut eben noch die kalte Stelle berührt hatte. Widerwillige aber entschlossen suchte er die Stelle wieder und drückte den Finger erneut darauf. Dieses Mal schmerzte es sogar noch mehr. Peter wusste ganz genau, dass er neben Wasser und Wärme Atemluft brauchte, um zu überleben. Er konnte sich hier keine Großzügigkeiten erlauben. Schweiß drang ihm auf dir Stirn und die unnatürliche Körperhaltung begann, äußerst unbequem zu werden.
Er starrte auf seinen Finger, dessen Spitze tiefrot und dessen Rest weiß war. Abdichten. Er musste das Loch irgendwie abdichten.
»Reka, gibt es an Bord einen Reparaturset oder was ähnliches?«
»Ich verfüge über ein Dichtungsgel. Es befindet sich neben den Hygienebeuteln unter dem Sitz.«
Peter versuchte seinen Kopf in Richtung des Sitzes zu drehen, was sich als äußerst schwierig erwies. Er bog seinen Hals bis an die Grenze des Möglichen, sah unter Schmerzen aber nur den linken Rand der Hygienebeutel. Er brachte seinen freien Arm unter den Sitz und nach mehreren Ansätzen spürte er eine kleine Nylontasche. Durch die gebeugte Haltung drückte er sein Zwerchfell ab und die Atmung war sehr schwer. Peter schloss die Augen, atmete noch einmal, so tief es ging, ein und zerrte die Tasche dann in sein Blickfeld. Während er sie mit der linken festhielt, biss er mit den Zähnen auf die Griffplatte des Reißverschlusses und zog die Tasche auf.
Entsetzt starrt er auf den Inhalt, ein Trockenbeutel und ein Zettel mit der Aufschrift „Dichtmasse“.
Peter entfuhr ein unflätiger Ausdruck, worauf Reka sofort antwortete. »Die Hygienebeutel befinden sich unter dem Sitz.«
Peter schrie vor Wut.
»Ja, Peter. Schreien befreit.«
Wild keuchend dachte er fieberhaft nach. Abdichten, abdichten! Die Kaugummis!
Wieder veranlasste er seinen linken Arm zu einer schmerzhaften Verrenkung in Richtung Versorgungsfach, während sein Rechte immer noch auf das Loch drückte und immer stärker schmerzte.
Nach endlosen Augenblicken spürte er die Packung, führte sie zum Mund und riss sie unwirsch auf. Sein Zwerchfell schmerzte nun auch. Peter stopfte sich zwei Kaugummis, die noch halb in der Aluminiumfolie hingen in den Mund und begann trotzig schmatzend zu kauend. Das unangenehme Gefühl des Metalls im Mund mischte sich mit dem künstlichen Zucker. Das Blut lief ihm mittlerweile in den Kopf und er musste des Kauens wegen durch die Nase atmen. Mit einem Mal wurde ihm klar, in welcher Haltung er hier völlig verkrampft saß und mit hochrotem Kopf wild kaute. Ein Teil seines Bewusstseins fand das urkomisch, doch der Lachimpuls verebbte an seinem eingeklemmten Zwerchfell und an einer Mauer aus Wut und Verzweiflung.
Schließlich fingerte er die weich gekaute Masse aus Aluminiumfetzen und Kaugummi aus seinem Mund. Er riss den Zeigefinger von dem unsichtbaren Loch. Dieser begann sofort zu bluten. Peter presste die Masse mit aller Gewalt auf die Stelle, dann deckte er das Ganze mit einem größeren Fetzen der Kaugummipackung ab und ließ los.
Stille. Außer seinem gepressten Atem und der Klimaanlage hörte er nichts mehr. Nur mit größten Mühen richtete Peter seinen Körper wieder auf und ließ sich schwer atmend in den Sessel zurückfallen. Er war schweißnass. Teile seines Körpers begannen unangenehm zu kribbeln, als sie wieder mit Blut versorgt wurden.
Plötzlich fiel etwas von oben herab und baumelt direkt vor seinem Gesicht. Wie zum Hohn schwang ein Pappschild in Form einer Atemschutzmaske mit der Aufschrift „Dummy“ vor seinem Gesicht.
»Kabinendruck 4 Prozent unter Normal, kein Druckverlust.« Peter atmete schwer. Er konnte hören, wie die Klimaanlage mit mehr Leistung fuhr und nur wenig später kam eine weitere Meldung.
»Kabinendruck innerhalb der normalen Parameter.«
Peter war klar, dass Reka nicht darauf programmiert war, einen Kaugummi in ihre Berechnungen mit einzubeziehen. Er konnte nur hoffen, dass dieses Universalhilfsmittel der menschlichen Kultur dichthielt, bis er gerettet wurde. Nachdenklich betrachtete er seinen blutenden Finger und steckte ihn dann in den Mund. Der Geschmack des eigenen Blutes vermengte sich mit den Resten des Kaugummis und den Aluminiumfetzen zu einem Gemisch, dass Peter frösteln ließ. Spontan schossen ihm Bilder von blutverschmierten, metallenen Trümmerteilen durch den Kopf.

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Drakenheim
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Beitrag01.02.2014 10:48

von Drakenheim
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Zitat:
"Ja, Peter. Schreien befreit."

Sich kaputt lachen

Der arme Kerl kann einem echt leid tun.

lol

Schön, dass du weitergeschrieben hast. Du hast so eine herrlich flüssige Art zu schreiben, angenehm zu lesen. Hast du Kurse besucht oder bist du ein Naturtalent? Ich will einfach nur wissen, wie es weitergeht, so dass ich die paar Erbsen glatt links liegen lasse beim Lesen.
Ok, im Kapitel Meteoriden sind es ein paar viele Erbsen, da bin ich beim Lesen doch drüber gestolpert. Ich glaube, da hattest du es eilig, oder?
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timcbaoth
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Beitrag01.02.2014 14:37

von timcbaoth
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Hallo Markoose

Deine Geschichte gefällt mir schon ganz gut. Man müsste sie zwar noch einmal korrekturlesen aber stilistisch finde ich sie gut, sehr flüssig und spannend geschrieben. Für die Story selbst würde ich mir wünschen, dass langsam ein bisschen mehr Fahrt aufkommt. Der Kampf des Protagonisten gegen die Raumkapsel, ist mittlerweile schon fertig gespielt, denke ich.

Was mich interessieren würde: Schreibst du das direkt heraus, oder musst du das ein paar Mal überarbeiten, bevor es sich so flüssig liest?


_________________
Liebe Grüsse
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markoose
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M
Beitrag01.02.2014 15:37
Zu den beiden neuesten Beiträgen
von markoose
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Vielen Dank für das Lob. Es handelt sich hier um die absolute Rohfassung. Einzig beim Schreiben des einzelnen Kapitels doktere ich manchmal an einem Satz herum. Ich würde nie vorwärts kommen, wenn ich mich selbst ständig korrigiere. Ich brauche erst mal einen Textkörper, an dem ich arbeiten kann.
Aber zwingen muss ich mich jedes Mal, nicht irgendwo vorne zu korrigieren, sondern lieber weiter zu schreiben.

Im Augenblick überarbeite ich es zum ersten Mal, dann gebe ich es meinen Betalesern. Nach eurem und deren Feedback gehe ich dann in die harte Überarbeitung, die sich in drei bis vier kompletten Lesungen des Buches äußert. Und zum Abschluss bekommt es meine Mom zum Korrekturlesen, da ist die unschlagbar.

Zu der Frage, ob das Buch noch Fahrt aufnimmt:
Das müsst ihr entscheiden. Im Augenblick gehe ich davon aus (und hoffe), dass es spannend bleibt.

Zu der Frage, ob ich Kurse besucht habe:
Nein, bin aber Deutschlehrer an einer Realschule, wobei ich mir nicht sicher bin, ob das für eine Autorenschaft viel bringt.

Ich habe vor Jahren mal das Buch "Wie man einen verdammt guten Roman schreibt" von James N. Frey gelesen. Gutes Buch. Das Einzige, was ich mir allerdings daraus gemerkt habe, ist in etwa Folgendes.
Der Protagonist braucht Probleme, die er lösen muss. Sonst wird es langweilig. Probleme, Probleme, Probleme.

Das Nächste, das ich zu beherzigen versuche, ist der Absatz. Ich meine, Stephen King hat mal etwas dazu gesagt, so von wegen 'Nicht nur der Satz ist eine Sinneinheit, sondern auch der Absatz.' Ich bekomme es nicht mehr ganz hin.

Außerdem (Achtung: Werbung für mein anderes Buch!) habe ich bereits einen Roman veröffentlich, der sich trotz kaum vorhandener Werbung ganz nett verkauft. An dem bin ich drei Jahre gesessen. Vielleicht habe ich da die Übung her.

Ich hoffe sehr, dass ich euch bei mit dem Buch bei der Stange halten kann. Da ich es im Mai veröffentlichen will, weiß ich noch nicht, ob ich alles verraten werde. Vielleicht breche ich auch ab und die ersten Fünf, die mir mailen, bekommen den Rest, oder so ähnlich. Muss noch drüber nachdenken.
Vielen Dank auf jeden Fall für eure Komplimente, Kritiken und Kommentare, die mich immer weiterbringen.

Gruß
Markoose
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timcbaoth
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Beitrag01.02.2014 15:50

von timcbaoth
Antworten mit Zitat

Hallo Markoose

Meinen allergrössten Respekt, dass du das auf Anhieb so flüssig hinbekommst. Ich habe normalerweise nicht die nötige Selbstbeherrschung, um nicht ewig an meinen Sätzen rumzudoktoren und freue mich, wenn es am Ende des Tages eine ganze Seite wird.

Dass die Story an Fahrt aufnehmen sollte habe ich wohl unglücklich formuliert. Fahrt hat sie meins Erachtens genug Smile Ich meinte eher eine Veränderung der Grundsituation.

Nur weiter so! Mich hast du als Leser jedenfalls gewonnen.


_________________
Liebe Grüsse
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M
Beitrag01.02.2014 19:15
Satzdoktor
von markoose
Antworten mit Zitat

Hallo, Timcbaoth!
Um die Kirche im Dorf zu lassen ... ich bekomme meist auch nicht mehr als eine bis max drei Seiten pro Tag hin, wenn mich die Mühen des Alltags nicht gerade in die Motivationslosigkeit drängen oder an die Couch fesseln.

 :wink:

An was schreibst du?

Gruß
Markoose
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markoose
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M
Beitrag01.02.2014 23:03
»Der Referenzrechner« und »Kursänderung«
von markoose
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»Schadenskontrollroutine abgeschlossen. Lebenserhaltungssysteme arbeiten einwandfrei. Sauerstoff bei 78 Prozent. Wasser bei 65 Prozent. Energie bei 23 Prozent. Antriebseinheit ohne Schadensmeldung, Status inaktiv. Hülle und Struktur bei 98 Prozent, keine Einschränkung der Stabilität. Zentrale Recheneinheit ohne Schadensmeldung, Status aktiv.  Periphergeräte bei 72 Prozent: Optik des Referenzrechners defekt, externe Wartung nötig ...«
»Warte mal, Reka.« Der Bordcomputer verstummte augenblicklich. Bei den Worten externe Wartung hatte er aufgehorcht, und obwohl ihm schon dämmerte, was dies bedeutete, wollte er es genau wissen. »Reka, was bedeutet ‚externe Wartung’?«
»Ich muss mich im Atmosphären-Dock befinden, sodass Techniker auch an meiner Außenhülle arbeiten könne.«
»Was ist das, ein Re ... Referenzrechner?«
»Der Referenzrechner ermittelt die Entfernung zu Bezugspunkten, wie zum Beispiel einem Fixstern. Diese Daten werden benötigt, um meine exakte Position zu bestimmten.«
Peter beschlich ein ungutes Gefühl. »Mach mit dem Schadensbericht weiter.«
»Optik des Referenzrechners defekt, externe Wartung nötig. Exakte Positionsbestimmung nicht möglich. Kollision hatte eine Kursänderung zur Folge. Kursabweichung bei 87 Prozent. Induktionsofen antwortet nicht, interne Revision möglich. Schadensbericht Ende.«
»Moment, Moment. Wir sind nicht mehr auf Kurs?« Peter schaute auf die Missionsuhr – 2:57:37. Schlagartig wurde ihm klar, dass er eigentlich schon gelandet sein und von den Rettungskräften in der algerischen Wüste gesucht werden müsste. Die Abdichtaktion hatte ihn vollkommen abgelenkt.
Nicht auf Kurs – die verdammten Meteoride hatten ihn tatsächlich vom Kurs abgebracht und jetzt war die Verzögerung, die Minzig nicht erwartet hatte, doch eingetreten. Die blasse Erinnerung an die Worte des Testleiters hallten durch sein Gedächtnis.
Dieser Hintertreppenwissenschaftler hatte vorher kurz etwas über einen Eintrittswinkel gefaselt. Eintrittswinkel, Eintrittswinkel. Wenn er es richtig verstand, dann hing es vom Eintrittswinkel ab, ob die Kapsel verglühte oder nicht.
»Reka, ist der neue Eintrittswinkel zu steil?«
»Nein.«
Peter fiel ein Stein vom Herzen.
»Zurzeit gibt es keinen Eintrittswinkel.« Auch, wenn das unmöglich war, glaubte Peter, einen sarkastischen Unterton in Rekas Stimme zu hören.
»Hei ... Heißt das, wir fliegen nicht in Richtung Erde?«
»Korrekt. Der momentane Kurs führt von der Erde weg. Der erste Himmelskörper, der sich mit meinen Kursdaten deckt, ist der Mond. Geschätzte Ankunftszeit 40,3 Stunden. Hüllenstabilität nach Ankunft unter 1 Prozent. Die mögliche Ungenauigkeit meiner Berechnungen liegt bei 5,7 Prozent, da ich durch den Verlust des Referenzrechners weniger valide Daten habe.«
Peter stockte der Atem. Bilder von berstendem Metall und Mondstaubwolken schossen wieder durch sein Bewusstsein. Er zog die Beine an wippte auf dem Sitz vor und zurück. Das leise Rauschen der Belüftung mischte sich mit seinem Wimmern.

»Kursänderung«
»Hier Bodenstation, Klein, können sie mich hören?«
Peter starrte ungerührt vor sich hin und wippte. Er hatte jegliches Gefühl für die Zeit verloren.
»Hier Bodenstation, Herr Klein, hallo?«
Peter senkte seinen Blick langsam auf den Bildschirm, wo Minzig zu sehen war.
»Herr Klein, ist alles in Ordnung?«
Die groteske Frage riss Peter wieder zurück in die Realität. »Ja, hier.« Seine Stimme war tonlos. »Alles in Ordnung.«
»Ich habe gute Neuigkeiten.« Minzigs Euphorie verdampfte in Peters Bewusstsein wie ein Tropfen Wasser in der Sahara.
»Herr Klein, wir wissen, dass sie durch die Kollision mit den Meteoriden den Kurs gewechselt haben.«
»Ja, und ich rausche auf den verdammten Mond zu. Was ist daran gut?«
»Sie haben noch genug Energie, um einen Kurswechsel durchzuführen.«
»Ich dachte, Reka hätte über zehn Megawatt Energie. Was ist damit?«
»Nun reaktives Brennmaterial ist teuer. Der Reaktor hat gerade mal soviel, dass es für einen regulären Rückflug reicht. Und der Rest muss in Reserve gehalten werden, um bei der Landung bremsen zu können. Sie verstehen doch, Herr Klein, uns bringt der genaueste Kurswechsel nichts, wenn sie am Ende ungebremst aufschlagen.«
Peter nahm die Beine herunter und lehnte sich nach vorn. »Es sind doch bestimmt Fallschirme eingebaut, oder nicht?«
»Natürlich, Herr Klein. Die sind allerdings nur für die letzte Phase des freien Falls innerhalb der Atmosphäre gedacht. Sie sind da oben aber ein bisschen schneller als im freien Fall. Im Zuge der Zeit sollten wir jetzt wirklich weiter machen.«
»Weitermachen? Wie meinen sie dass? Reka soll den Kurs neu berechnen. Sie klingen so, als wäre da noch etwas.«
»Ja, Herr Klein. Da der Referenzrechner gestört ist, müssen wir einen manuellen Kurswechsel vornehmen.«
»Wir? Wie soll das gehen?«
»Sie werden Reka selbst steuern müssen.«
Peters Gesichtszüge entglitten.
»Keine Sorge, ich sage ihnen alles nötige und Reka wird ihnen dann den genauen Zeitpunkt der einzelnen Aktionen sagen.«
»Das klingt, als wäre das alles ganz einfach. Warum werden dann Astronauten jahrelang ausgebildet und haben zudem noch mehrere Universitätsabschlüsse?«
»Aber Herr Klein. Das war gestern. Die heutige Astronautenausbildung ist weitaus kürzer, außerdem handelt es sich hier um unser neuestes Produkt. Die Rettungskapsel wurde ja genau für solche Fälle konzipiert.«
»Sie meinen dafür, unausgebildet und gegen seinen Willen in einem Stück Laborschrott durchs All zu fliegen?«
»Ihr Sarkasmus hilft uns jetzt auch nicht weiter, Herr Klein.« Minzig nahm wieder einmal seine Brille ab. »Ich weiß, dass sie unter großem Druck stehen, aber glauben sie mir, gemeinsam können wir das schaffen und sie nach Hause bringen.«
Das Wort ‚gemeinsam’ störte Peter wie der Knorpel in einem Bissen Fleisch, der einfach nicht weicher werden wollte. Ihm war aber klar, dass Minzig Recht hatte. Er musste da durch, ob er wollte oder nicht. »Was ist also zu tun?«
»Das ist die richtige Einstellung, Herr Klein. Bravo. Nun, zuerst müssen sie die manuellen Bedienungselemente aktivieren. Unterhalb des Monitors muss eine kleine Klappe sein. Öffnen sie diese und drücken sie auf den Knopf darunter.«
Peter fuhr mit der Hand an der Kante unterhalb des Monitors entlang. Da war nichts. Erst beim zweiten Mal spürte er die feinen Rillen. Er drückte auf den Deckel, worauf sich dieser mit einem Klicken senkte um dann aufzuspringen. Seine Fingerkuppen schimmerten rot, also musste da wohl etwas leuchten. Er ertastete den Knopf und drückte ihn. Der Bildschirm wechselte seine Anzeige. Minzig wurde auf ein kleines Fenster in der rechten oberen Ecke verbannt, während sich der Hauptbildschirm mit einem Menü füllte. Nach einem kurzen mechanischen Rumoren erschien unterhalb des Armaturenbretts eine Tastatur und ein kleiner Joystick, allerdings blieb beides auf halber Strecke stehen.
Peter rüttelt etwas daran. »Die Tastatur ist hängengeblieben. Ich kann nicht alle Tasten erreichen.«
»Einmal kräftig ziehen. Das ist eine Kinderkrankheit, die wir der Kapsel noch nicht austreiben konnten.« Das Lächeln, das Minzig zeigte, wirkte wie das eines Lausbuben und wollte nicht zu dem sachlichen Wissenschaftler passen.
Nach mehreren gewalttätigen Versuchen löste sich die Tastatur schließlich und kam weiter nach vorne, allerdings hatte sie sich jetzt verkantet und hing etwas schräg vor Peter. Ihm war sofort klar, dass er sie wohl bis zum Ende der Fahrt nicht wieder würde einfahren können. »Also gut, hier ist die Tastatur und der Joystick. Und was jetzt?«
»Als Erstes müssen sie die Koordinaten und Vektoren ihrer Position eingeben. Die Schwierigkeit besteht darin, dass wir zum einen hier unten eine etwa 0,2 Sekunden verzögerte Angabe ihrer Position haben und unsere Rechenergebnisse mit eben dieser Verzögerung zu ihnen nach oben schicken müssen. Dann kommt noch die Verzögerung durch ihre Reaktionszeit und ihre Eingabezeit hinzu. Unterm Strich heißt das, wir müssen ihnen vorausberechnete Daten schicken, damit die Synchronisation auch so genau wie möglich ist.«
»Wie viel Zeit habe ich, um die Daten einzugeben?«
»Je kleiner das Zeitfenster ist, umso genauer ist der Abgleich der Daten, allerdings müssen wir das Zeitfenster vorher festlegen, sonst können wir hier nichts berechnen.«
»Wie lange habe ich Zeit zum Üben?«
»Um ehrlich zu sein, läuft uns die Zeit davon, da das Zeitfenster, in dem eine angemessene Kurskorrektur möglich ist, immer kleiner wird. Wenn wir es verpassen, müssen sie weiter vierundzwanzig Stunden da oben bleiben und sind schon auf dem Weg zum Mond.«
»Sagen sie das doch gleich, verdammt. Lassen sie uns endlich anfangen.«
»Ich setze den Zeitversatz auf 1,5 Sekunden. Rufen sie zuerst das Navigationsmenü auf.«
Peter griff nach dem kleinen Joystick und schoss erst einmal völlig unkoordiniert mit dem Zeiger über den Bildschirm. Bildschirmzeiger, dass wusste er noch aus der Schule, waren in den zwanziger Jahren vom Markt verschwunden. Heutzutage benutzte man nur noch Eye- und Voicecontrol und den Touchscreen. Und selbst der Touchscreen wurde schon nach und nach vom Hologrammcube abgelöst. Der kleine schnelle Zeiger trieb ihm die ersten Schweißperlen auf die Stirn. »Das ist ja schlimmer als den Küchencomputer zu justieren.«
»Herr Klein, beeilen sie sich. Wählen sie als erstes das Vektorfeld an. Ihren Vektor kennen wir und der hat sich ja seit dem Aufschlag nicht geändert.«
Endlich gelang es Peter, das besagte Feld anzusteuern und auszuwählen. Der Kursor blinkte ungeduldig im ersten der vier Felder. »Okay, ich bin soweit, Geschwindigkeit?«
»Ich schicke ihnen die Daten jetzt nach oben.« Sofort waren die Daten über Minzigs Gesicht zusehen. Peter konnte sie kaum entziffern. Er begann zu tippen.
Minzig lehnte sich etwas zur Kamera. »Eingabebestätigung ... jetzt.«
Peter hatte zwar den Zahlenblock auf der Tastatur gleich gefunden, aber wie bestätigte man die Eingabe? »Welche Taste verdammt?«
»Rechte Hand, Enter.« Minzig blieb routiniert.
Endlich fand Peter die Taste und drückte sie nieder. Der Kursor sprang ins nächste Feld. Die Zahlenreihen waren nun deutlich länger. Peter brach der Schweiß aus. Ihm blieb nicht einmal Zeit, seine Eingabe zu kontrollieren.
»Eingabebestätigung der Koordinaten ... jetzt.« Minzig klang beinahe wie ein Roboter aus einem Science-Fiction-Filmen des vorigen Jahrhunderts. Peter bestätigte wieder. Minzig verschwand vom Bildschirm.
»Herr Minzig? Was ist? Haben wir’s geschafft?« Er hörte, wie sich Minzig im Hintergrund mit einer weiteren Person unterhielt, verstand jedoch nichts. Zäh tropften die Sekunden.
Minzig erschien wieder auf dem kleinen Abschnitt des Bildschirms. »So, Herr Klein. Alles in Ordnung. Wählen sie nun den Schubregler des Triebwerkes an.«
Während Peter mit dem ungewohnten Pfeil über den Bildschirm schoss, sprach Minzig weiter.
»Bevor das Triebwerk eine Kursänderung vornehmen kann, muss es die Rotation der Kapsel bremsen und eingeholt werden. Die Schwerkraft wird also für einen Moment ausetzen. Dann müssen sie die Kursänderung aktivieren. Sie verstehen doch, Herr Klein?«
»Triebwerk bremst, wird eingezogen und ich muss einen Knopf drücken.«
»Nein, Herr Klein, sie müssen dann die Kursänderung mit dem Kursor anwählen und bestätigen.«
»Okay.« Peter lief der Schweiß in Strömen über sein Gesicht und tropfte ihm vom Kinn.
»Rotationsbremsung einleiten in ... drei ... zwei ... eins ... jetzt.«
Peter hatte gerade noch die Bestätigungstaste erwischt. Ein leichtes Vibrieren war zu spüren, dann hörte man einen Motor. Ein sonderbares Gefühl durchströmte ihn. Er hatte sich nur ein bisschen bewegt und schon löste er sich vom Sitz. Der Gurt hing ungenutzt an den Seiten. Peter schwebte in der kleinen Kabine und blieb sogleich mit den Knien an der Nottastatur hängen. Ein hohes surrendes Geräusch verriet, dass das Triebwerk eingeholt wurde.
»Kursänderung aktivieren in zwei ...«
Peter hatte sich für einen kurzen Moment von der Schwerelosigkeit ablenken lassen. Seine nun folgende hektische Bewegung endete damit, dass er sich den Kopf heftig an der Decke stieß.
»... eins ...«
Der Schmerz durchzuckte seine Schädeldecke. Verdammt, wo war oben, wo war unten? Wo war die Eingabetaste?
»... jetzt!« Minzig klang wie ein Feldwebel.
Peter schwebte direkte unter der Kabinendecke und sein Arm reichte nicht ganz zur Tastatur. Er drückte den Kopf in den Nacken und stieß sich so von der Decke ab. Sein ausgestreckter linker Zeigefinger schoss in Richtung Tastatur. Die Rechte griff nach dem Joystick. Er wählte das Feld an und drückte die Taste herunter.
Der plötzliche Schub drückte Peter seitlich auf die Armlehne seines Sitzes und klemmte dabei seine linke Hand ein. Der Schmerz stach bis in die Schulter. Peter zwang sich, die Augen offen zu halten und verfolgte die zitternden Zahlen auf dem Bildschirm. Momente zogen sich wie Kaugummi.
Dann plärrte die unliebsame Tonbandstimme durch die Kabine. »Bremsmanöver eingeleitet.« Dieses Mal wurde Peter in die obere rechte Seite der Kapsel gedrückt und stieß sich den Kopf dabei erneut, als er den Wasserspender streifte. Die Nerven der aufgeschürften Haut brüllten durch sein Bewusstsein. Nach weiteren zähen Momenten des Schmerzes blieben die Zahlen dann stehen. Wieder begann Peter durch die Kabine zu schweben, durch die Schmerzen konnte er der Schwerelosigkeit allerdings nichts abgewinnen.
»Schwerkraftschleuder initiiert.« Ein weiteres Mal hatte die blecherne Frauenstimme Unheil verkündet.
Peter fiel an die hintere Wand, so dass ihm die Kopfstütze in den Rücken donnerte. Als die Rotationsgeschwindigkeit mehr und mehr zunahm, sank dem Sitz entgegen. Am Ende hing er schwer atmend und Schweiß überströmt in seinem Sitz. Dann schwanden ihm die Sinne.

***

Peter erwachte und hielt sich sofort Kopf und Hand. Benommen sah er sich um. »Reka, wie ist der Kurs?«
»Neuer Kurs wird geprüft.«
Während sich Peter nach und nach sammelte, betrachtete er zweifelnd seinen linken Arm. Der bereitete ihm vor allem im Schulterbereich bei entsprechender Bewegung starke Schmerzen. Was ihn aber am meisten ärgerte, war die Tatsache, dass das Piloteninterface trotz Wackelkontakt die gesamte Aktion über einwandfrei funktioniert hatte.
»Kurs geprüft. Der momentane Kurs führt in Richtung Erdtrabant. Der erste Himmelskörper, der sich mit meinen Kursdaten deckt, ist der Mond. Geschätzte Ankunftszeit 39,1 Stunden. Hüllenstabilität nach Ankunft bei 71 Prozent. Die mögliche Ungenauigkeit meiner Berechnungen liegt bei 6,9 Prozent, da ich durch den Verlust des Referenzrechners weniger valide Daten habe.«
Peter stutzte. Er war immer noch auf dem Weg zum Mond. »Reka, bist du dir sicher, dass das nicht der alte Kurs war.«
Wieder verstrichen einigen Sekunden, in denen nur die Lüftung zu hören war. »Neuer Kurs wurde aufgrund der vorhandenen Daten korrekt berechnet.«
Hektisch schossen Peters Augen von links nach rechts und wieder zurück. »Nein, nein, NEIN! Du musst dich irren. Ich habe doch den Kurs geändert! Es muss sich etwas verändert haben!«
»Ja, Peter, die Ankunftszeit, die Hüllenstabilität und die Ungenauigkeit meiner Rechnung.«
»Moment, Hüllenstabilität?« Wieder schossen Peter Bilder von Mondstaub, Metall und gefrorenem Blut durch den Kopf.
»Die voraussichtliche Hüllenstabilität zum Rendezvouszeitpunkt liegt jetzt bei 71 Prozent. Beim alten Kurs lag sie noch unter einem Prozent.«
Peter riss Mund und Augen auf. Er würde auf dem Mond landen oder besser bruchlanden. Wie hätte er auch als unausgebildeter Astronaut die Kursänderung richtig vornehmen sollen? Dieser Minzig war ein Schwätzer. Doch Peter war noch am Leben.
Er hatte schon oft von der Mondbasis gehört. 2051 hatte man begonnen, sie zu bauen. Wenn er sich recht erinnerte, hatte sie eine Rumpfmannschaft von 70 Personen und ständig waren mehrere Teams von Wissenschaftlern zu Gast, so dass dort oben fast hundert Menschen lebten. Doch der Mond war nicht eben klein. Was, wenn er zu weit von der Basis landete?
»Minzig, hören sie mich. Minzig? Hallo?«
Der Bildschirm zeigte weiterhin nur das Steuermenü. Von Minzig war weder etwas zu sehen noch zu hören.
Peter versuchte, seine Gedanken zu sortieren. Die Kapsel war anscheinend dicht. Er hatte noch genug Luft, Wasser und Energie. Das mit dem Essen konnte knapp werden. Und er, Peter Klein, war verdammt nochmal auf dem Weg zum Mond. Seine Verzweiflung war groß und der Schmerz, der in seiner Schulter pochte, ließ sie noch wachsen.
»Reka, kannst du mich untersuchen?«
»Ja, mir stehen verschiedene medizinische Standardmessinstrumente zur Verfügung.«
»Ich glaube, ich habe mich an der Schulter verletzt.«
»Deine Angaben decken sich mit deiner Wärmesignatur in diesem Bereich. Außerdem ist dein Puls erhöht und die Leitfähigkeit deiner Haut deutet auf Stress hin. Ist dein Arm nur eingeschränkt bewegungsfähig?«
»Ja.« Peter begann langsam, seinen verletzten Arm zu bewegen.
»Bitte bewege ihn in jede Richtung so weit wie möglich.«
Peter tat, wie ihm geheißen und schon nach kurzer Zeit stellt Reka die Diagnose. »Es handelt sich nach meinen Daten um eine mittelstarkes Muskelhämatom zwischen Schulterdach und Humeruskopf.«
Einmal mehr verzog Peter frustriert sein Gesicht. Er ließ sich lustlos in den Sessel fallen und wollte ein Bein anziehen, als er sich sogleich das Knie an der immer noch verklemmten Tastatur stieß. Fluchend schlug er dagegen, nur um einen Augenblick später kreideweiß auf den Bildschirm zu starren. Ein Fenster hatte sich geöffnet und es bot die Option, abzubrechen oder zu bestätigen. In dem Fenster stand ‚Alle Systeme herunterfahren.’
Konzentriert und vorsichtig betätigte Peter die Pfeiltasten, bis ‚Abbrechen’ markiert war und bestätigte dann. Erleichtert sah er, dass sich das Fenster ohne Weiteres schloss. Er besah sich die verkeilte Tastatur und rüttelte prüfend daran. So klapprig, wie sie war, so kantig und so verklemmt war sie auch. Er sah keine Möglichkeit, sie wieder einzufahren, ohne Gewalt anzuwenden. Das schien ihm im Augenblick zu riskant. Genervt arrangierte er seine Beine unter der Tastatur und versuchte sich zu entspannen.
»Reka, Musik.«
Fast augenblicklich ertönten Gitarrenakkorde und Johnny Cash begann mit den Worten ‚Come on, bad news’, was Peter ein kleines Lächeln abrang. Wenn nicht der Inhalt, so passte wenigstens der Titel und die Stimmung ganz gut zu seiner Lage. Er hatte seit heute morgen nicht mehr geraucht und wünschte sich jetzt sehnlichst eine Zigarette.
Es funktionierte allerdings auch ohne sie. Peter beruhigte sich und ließ sich seine Lage durch den Kopf gehen. Vielleicht konnte er den Kurs noch etwas verändern, um die Chance, heil auf dem Mond zu landen, noch zu verbessern. Die Musik wurde ausgeblendet.
»Peter, soll ich sie behandeln?«
Die Alt-Stimme Rekas hatte ihn schnell wieder aus seinen Gedanken gerissen.
»Meine Messungen ergeben bei der Anwendung einer Nemec-Spezialtherapie eine Prognose einer 96 prozentigen Chance auf Heilung. Soll ich die Behandlung einleiten?«
Peter war dem Gedanken einer Heilung nicht abgeneigt und doch machten ihn die Fachbegriffe skeptisch. »Was ist eine Nemec-Spezialtherapie?«
»Die Nemec-Spezialtherapie ist eine Unterform der herkömmlichen Nemec-Therapie benannt nach dem österreichischen Physiker Hans Nemec. Die weiterentwickelte Form der Interferenzstromtherapie arbeitet auf Basis ...«
»Schon gut, Reka, ich glaub’s dir. Du kannst anfangen. Was soll ich tun?«
»Lehnen sie sich zurück, trinken sie noch einen Schluck Wasser und entspannen sie sich. Während der Behandlung werden sie etwas schläfrig werden. Ich bin mit entsprechenden integrierten Strahlern ausgestattet und kann die Therapie unverzüglich starten.«
Peter lehnte sich zurück und wollte gerade etwas trinken, als er Bedenken hatte. »Wie lange wird das dauern?«
»Ich werde sie in Intervallen von einer Stunde je fünfzehn Minuten behandeln, dann sollte die Prellung in weniger als vierundzwanzig Stunden abgeklungen sein.«
»Also gut.« Peter entspannte sich und nahm einen Schluck Wasser. Das Licht wurde schwächer und mit den ersten Akkorden eines weiteren Songs von Johnny Cash begann es in seiner Schulter zu kribbeln - I can see a darkness. Peter wurde tatsächlich etwas träge und seine Gedanken begannen sich in der großen schwarzen Leere, von der er nur wenige Zentimeter getrennt war, zu verlieren.

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timcbaoth
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Beitrag03.02.2014 13:29

von timcbaoth
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Hallo Markoose

Wie heisst denn dein erster Roman und wo kann man den beziehen? (Darf ich das in diesem Forum überhaupt fragen?) Wink

Bisher schreibe ich vor allem Kurzgeschichten, die mir irgendwie immer ins Surreale abgleiten. Ich arbeite im Moment auch daran, ein längeres Projekt zu planen - ein so grosses Wort wie Roman möchte ich noch nicht in den Mund nehmen. Er wird in die Richtung Humor / Tragikomik / Fantasy (eher im Sinne eines Terry Pratchett) gehen. Den ungefähren Plot und die Erste Seite habe ich schon (fast). Very Happy


_________________
Liebe Grüsse
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markoose
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Beitrag03.02.2014 22:44
Schleichwerbung
von markoose
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Hallo Timcbaoth,
schreib mir einfach an markoose-migher(at)gmx.net eine Mail und ich sag's dir.

Lieber [b]Administrator[/b], falls du das liest, ich hoffe, das ist keine verbotene Werbung. Ich möchte nämlich nicht aus dem Forum fliegen.
Außerdem werde ich, obwohl ich es nach meinem Wissen eingestellt habe, nicht informiert, wenn ich Antworten erhalte.

Wieder an Timcbaoth:
Surreal muss nicht schlecht sein. Ist vielleicht die Frage, ob du wirklich surreal schreibst (hm, nettes Wortspiel), ob du viel mit Symbolen arbeitest oder ob es eben Fantasy ist. Ich finde, beim Schreiben ist alles erlaubt, das zum Gesamtergebnis beiträgt und die Geschichte unterstützt.

Vielleicht zu Ermutigung.
Ich hab vor etwa fünfzehn Jahren neben ein paar Kurzgeschichtchen schon mal angefangen, einen Fantasyroman zu schreiben. Der ist aber nach ungefähr 70 Seiten versandet bzw. wurde mir Thematik selbst zu heftig. Meine Ideen brauchen auch immer ne Weile, bis sie reif sind. Bleib dran, das ist alles. Manche Bücher brauchen eben Zeit.

Wenn du wissen willst, wie deine Geschichten ankommen, dann stell halt mal was hier ein, gib es einem Freund oder schick es mir.

Gruß
Markoose
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markoose
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Beiträge: 54



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Beitrag21.02.2014 09:36
»Nochmal Püree«
von markoose
Antworten mit Zitat

Etwas flog auf und ab, hin und her, nach links, dann wieder nach rechts. Er öffnete sein zweites Auge und ihm wurde wieder klar, wo er sich befand. Im All.
»Reka. Verdammt ... ich muss eingeschlafen sein.« Peter hatte gesprochen als hätte er eine Wolldecke im Mund und rieb sich jetzt die schweren Augen. Er lag bequem seitlich in den Sessel gelehnt da und atmete träge. Die Kabinenbeleuchtung war immer noch herunter gedimmt und auf dem Bildschirm flog das Logo des Raumfahrtzentrums wie eine betäubter Gummiball langsam hin und her.
»Die Therapie ist zu 75 Prozent abgeschlossen. Der vierte Durchgang beginnt in elf Minuten.«
Aus dem dumpfen Bewusstsein heraus, etwas Wichtiges verpasst zu haben, schreckte Peter nach vorn. Ungebremst schoss ihm der Schmerz in die Schulter, verteilte sich über den Rücken und trieb ihm einen Anflug von kaltem Schweiß auf die Stirn. Er fluchte inbrünstig während der Schmerz sich mit einem hässlichen Echo entfernte. Von dem Erfolg der Therapie war nichts zu spüren.
»Fluchen  befreit, Peter.«
»Wie viel Zeit ist vergangen, seit du mit der ersten Therapie angefangen hast?«
»Jetzt sind es 3:35 h.«
Ungläubig starrte Peter auf den Bildschirm und die Ziffern der Missionsuhr. Es gelang ihm erst nach einiger Anstrengung, sie klar zu sehen. Der Mond kam ihm wieder in den Sinn und sein möglicher Aufprall.
»Wie viel Zeit noch bis zum Aufschlag auf den Mond?«
»Noch 36 Stunden und 25 Minuten.«
Peter lief es kalt über Rücken.
»Hier Minzig, hallo Herr Klein. Na wieder wach?«
»Warum haben sie mich nicht geweckt? Sie hätten mir ruhig sagen können, dass die Schwerkraft bei der Kursänderung aussetzt. Ich habe mir die Schulter gestoßen, außerdem bin ich immer noch auf Mondkurs. Verdammt noch mal, ich ...« Peter redete sich in Rage, während Minzig ihm auf dem Bildschirm ungerührt zusah.
»Immer langsam, Herr Klein. Zum einen haben sie ja unterschrieben, dass sie alle Unterlagen genauestens studiert haben. Da stand unter anderem auch drin, dass bei Kurswechseln Schwerkraftausfälle unabdingbar sind. Geweckt habe ich sie nicht, weil wir sie da oben möglichst fit brauchen und eine Mondlandung wohl nicht mehr zu ändern ist. Herr Klein, sie werden auf dem Mond landen.« Minzig bemerkte, wie Kleins Ärger wieder in Fassungslosigkeit und Angst umschlug. Für Peter war es etwas anderes, von einem Computer über eine mögliche Mondlandung zuhören, als von einem Menschen bestätigt zu bekommen, dass dies die einzige Möglichkeit und somit Tatsache war.
»Herr Klein. Immer mit der Ruhe. Wir haben bereits mit Shakleton gesprochen und, wenn alle Daten stimmen, landen sie ganz in der Nähe des Kraters Malapert. Dort befindet sich eine Relaisstation für die Hauptbasis. Sie ist mit zweiundzwanzig Mann besetzt und hat auch zwei Mondfahrzeuge, mit denen sie dann gerettet werden können. Die Notfallfrequenz ihrer Kapsel wurde bereits an das Bergungsteam weitergegeben.«
Klein wurde weiß und Minzig lächelte, als hätte er einem Fünfjährigen einen Lolli versprochen. Nach einem seltsam unwirklichen Moment fuhr Minzig fort. »Bei unserer Fehlersuche haben wir bei der Kapsel einen Druckabfall ausgelesen. Sie hatten ein Leck und haben es gestopft, richtig?«
Peter wusste nicht recht, was gerade jetzt mit dieser Fragen anfangen sollte. »Ja ...«
»Respekt, mein Lieber. Das war eine beachtliche Leistung.« Minzig beugte sich am Monitor vorbei und schien die Unterhaltung beenden zu wollen, drehte sich aber dann noch einmal zum Monitor. »Eine Sache wäre da noch. Uns ist es von hier unten nicht möglich, das defekte Hygieneinterface zu ersetzen. Das hat allerdings zur Folge, dass ihre Wasservorräte schneller zur Neige gehen, als geplant. Machen sie sich deswegen aber keine Sorgen. Sie landen ja bald auf dem Mond.« Minzig machte eine Pause und sah Peter ernst an. »Herr Klein, ich denke, sie brauchen jetzt erst einmal etwas Raum für sich, um die Dinge zu sortieren.« Er schaute kurz prüfend auf eine Uhr außerhalb des Blickfelds. »Wir haben ja noch über 36 Stunden. Minzig Ende.«
Bald klang ganz ähnlich wie keine weitere Verzögerung. Hatte Minzig nicht schon einmal bald gesagt? Peter starrte noch eine ganze Weile auf den Bildschirm, auf dem sich wieder das Firmenlogo hin und her bewegte. Seine Gedanken schwebten zwischen Kindheitserinnerungen und verschiedenen Bildern der Mondlandungen der dreißiger und vierziger Jahre. Er war jetzt völlig ruhig, was der Tatsache geschuldet war, dass sich die in ihm wachsenden Angst noch nicht recht gegen die bereits vorhandene Mutlosigkeit durchsetzen konnte. Apathisch nahm er das Knurren seines Magens zur Kenntnis, schlug kurz mit den Augenlidern und sein Blick wurde wieder klarer.
Zu essen schien ihm im Augenblick die beste Idee. Umständlich wühlte er im Versorgungsfach herum, bis er die zweite und auch letzte Packung Kartoffelpüree herausgefischt hatte.
Mit den Erfahrungen des letzten Essens gelang es Peter recht schnell, das Wasser in den Beutel zu befördern und den Induktionsofen zu aktivieren. Die Vorfreude auf das Essen wurde nur ein wenig von der verkanteten Tastatur gedämpft, die ihm immer noch die Bewegungsfreiheit einschränkte.
Der Ofen summte wieder und das leise ‚Ping’ ließ ihm dieses Mal tatsächlich das Wasser im Mund zusammenlaufen. Peter war es gelungen, die Tastensperre für das Keyboard zu aktivieren und so hatte er selbige mit etwas Pappe aus dem Versorgungsfach abgedeckt und zu einem passablen Klapptisch umfunktioniert.
Mit spitzen Fingern zog er den dampfenden Beutel aus dem Ofen. Als er die erste Gabel in den Mund steckte, verbreitete sich der deftige Geschmack schlagartig in seiner Mundhöhle und Peter entfuhr ein leises Summen. Er schloss die Augen.
Zu dem entspannenden Rauschen der Klimaanlage gesellte sich ein sonderbares Knistern. Es erinnerte Peter an Fett in einer Pfanne oder Mikrowellen-Popcorn. Er genoss dass mittelmäßige Püree, das dieses Mal wenigstens fertig zubereitet war. Zwiebelsoße und sämiger Kartoffelbrei vermengte sich in seinem Mund zu einer angenehmen Mischung. Er dachte an das letzte Mal, als er Popcorn gegessen hatte. Es musste ein Kinobesuch gewesen sein. Der Film wollte ihm nicht mehr einfallen. Er war mit viel Action, Explosionen und Feuer.
Peter stockte im Kauen, dann riss er die Augen auf. Instinktiv starrte er auf den Induktionsofen und nahm den intensiven Geruch von verschmortem Kunststoff wahr. Ein dünner Rauchfaden stieg aus der noch halb geöffneten Klappe auf. Es flackerte und mit einem Mal schlug eine gelb blaue Flamme oberhalb des Ofens aus dem Armaturenbrett.
Noch ehe der Raumfahrer wider Willen etwas tun konnte, war die Frauenstimme vom Band zu hören. »Achtung, Bordbrand! Lebensgefahr! Halten sie sich von den Flammen fern! Löschmaßnahmen werden eingeleitet! Schließen sie die Augen und halten sie den Atem an! Schließen sie die Augen und halten sie den Atem an! Drei – zwei – eins!«
Die Gabel immer noch in der Rechten kniff Peter die Augen zusammen, der Atem war ihm schon vorher gestockt. Er konnte für einen kurzen Moment eine gigantische Rasierschaumdose hören, dann herrschte dumpfe Stille. Sein Haut wurde kühl. Zögerlich öffnete er ein Auge, sah jedoch nur einen milchig weißen Schimmer.
Wieder sprach die Frau vom Band, doch sie klang sehr dumpf. »Löschschaum wird in zwanzig Sekunden zerfallen. Noch nicht atmen. neunzehn – achtzehn – siebzehn  ...«
Obwohl Peter mit dieser Bandstimme nur schlechte Erinnerungen verband, hielt er sich doch an ihre Anweisungen. Da er durch die Überraschung und den vollen Mund aber keine Möglichkeit zum Luftholen gehabt hatte, sehnte er das Ende des Countdowns herbei.
» ... vier – drei – zwei – eins. Sie können jetzt die Augen wieder öffnen und atmen. Notfallroutine beendet.«
Peter öffnete die Augen und sah sich um. Der gesamte Innenraum war mit einer dünnen weiß metallischen Schicht überzogen. Auf der noch dampfenden Kartoffelpüreetüte und seiner Gabel sah er die letzten Reste eines glitzernden Schaumes in sich zusammenfallen. Wie zum Hohn roch es nach alter Seife, Schmorbrand und Zwiebeln.
Er hatte die Situation noch nicht recht erfasst, als sich Reka meldete. »Sauerstoffgehalt in der Kabine unter einem Prozent.« Ein Zischen verriet, dass neuer Sauerstoff eingeleitet wurde. »Meine Sensoren melden, dass sie den Brand unverletzt überstanden haben. Die Fehlersuchroutine läuft bereits. Es handelte sich mit einer vierunddreißigprozentigen Wahrscheinlichkeit um einen Kabelbrand, der durch einen Defekt im Induktionsofen ausgelöst wurde. Der Ofen ist nicht mehr funktionsfähig. Eine Reparatur kann nur von Fachpersonal durchgeführt werden. Durch den Brand und die damit verbundenen Maßnahmen ist der Sauerstoffvorrat weiter gesunken. Genaue Werte folgen noch.«
Peter starrte regungslos auf seine glitzernde Gabel.
»Aufgrund der akuten Krisensituation und der Werte ihrer Körperfunktionen errechne ich eine neunundachtzigprozentige Wahrscheinlichkeit eines psychischen Schocks. Ich aktiviere das Seelsorgeprogramm.«

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Beitrag24.02.2014 14:45

von Drakenheim
Antworten mit Zitat

Gelesen und genossen.
Du bist ein ganz schöner Sadist. Der arme Peter.  Twisted Evil


An zwei Stellen bin ich gestolpert:
Zitat:
Minzig bemerkte, wie Kleins Ärger wieder in Fassungslosigkeit und Angst umschlug.
Warum wechselst du an dieser Stelle zu Minzigs Perspektive?

Zitat:
[...] verbreitete sich der deftige Geschmack schlagartig in seiner Mundhöhle und Peter entfuhr ein leises Summen.
Das klingt seltsam unbeholfen geschrieben. So schreibe ich, wenn ich erschöpft bin und die Wörter in meinem Kopf Karussel fahren. War das bei dir auch so?
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Beitrag24.02.2014 14:50

von Drakenheim
Antworten mit Zitat

Ich habe eben noch mal geguckt wegen deines ersten Romans. Du kannst ihn doch auch in deinem Profil angeben.

"meine Buchempfehlungen:
Hier kannst Du die ISBN-10 Nummer Deines eigenen Buches oder Deines Lieblingsbuches, oder Deiner Lieblings-CD eintragen."

Und es gibt im Forum einen Bereich für Publikationen und Buchvorstellungen, guckst du hier:
http://www.dsfo.de/fo/viewforum.php?f=28
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Beitrag24.02.2014 18:21
Buchwerbung
von markoose
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Hallo Drakenheim,
vielen Dank für die Hinweise. Ich werde mir die entsprechenden Stellen genauer anschauen. Mag sein, dass du Recht hast.

Zu der Buchwerbung:
Vielen Dank. Ich habe mal den Admin angeschrieben, weil ganz unten unter "Achtung" sind ein paar Einschränkungen, die mich vielleicht betreffen. Bin mal gespannt.

Und ja ... als Autor muss man kein Sadist sein, aber es erleichtert die Sache ungemein.

Gruß
Markoose
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markoose
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Beitrag15.03.2014 19:43
»Seelsorge«
von markoose
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Reka sprach in gleichmäßigem Ton weiter. »Atmen sie tief ein. Es wird alles gut. Hören sie auf das Rauschen der Wellen und schließen sie die Augen.« Entgegen Rekas Äußerung war aber kein Meeresrauschen zu hören. Statt dessen sang Johnny Cash Peace in the valley.
Peter war zu müde, um sich von dem seltsamen Kanon aus Cashs Gesang und Rekas Anweisungen irritieren zu lassen.
»Lehnen sie sich zurück und entspannen sie. Lassen sie los. Ja, lassen sie ihren Gefühlen freien Lauf. Weinen reinigt die Seele. …« Rekas Stimme war weich und gütig. Für einen Moment meinte Peter einen weiblichen Geruch, eine Mischung aus Parfüm und Handcreme, wahrzunehmen, dann war der Eindruck schon wieder verflogen. Seit er in den Tunnel gesprungen war, waren gerade mal acht Stunden vergangen und Peter hatte das Gefühl, bereits drei Tage lang geweint zu haben. Er fühlte sich ausgetrocknet und leer, als wäre keine Träne in ihm übrig. Das letzte Mal hatte er sich so gefühlt, als ihm Christiane die Scheidungspapiere geschickt hatte.
»… jeder Schrecken hat auch sein Gutes. Ich bin bei Ihnen. Sie sind nicht allein.« Reka machte eine kurze Pause und Johnny sang ‚And I will be changed from this creature that I am’. »Peter, wenn dir ... Ich darf doch Du sagen? ... Wenn dir also zum Reden zumute ist, dann erzähl’s mir, wirf all deine Sorgen auf mich.«
Johnnys Backroundchor füllte die Pause mit There'll be no sadness, no sorrow, no trouble I see und die gesamte Kapsel mit Mitgefühl. Peter war es, als wolle tatsächlich etwas aus ihm heraus, doch er hatte nicht den leisesten Schimmer, was das war oder wie er es hätte artikulieren können. Ihn befiel nur ein tiefverwurzeltes Gefühl der Schwere. Seine Augen brannten und als der alte Countrysänger zum Ende seines Liedes kam und ‚for me’ sang, hätte Peter am liebsten einfach alles losgelassen und seinen Geist aufgegeben.
»Schadenskontrollroutine abgeschlossen.« Reka hatte schlagartig wieder ihren professionellen Ton. »Lebenserhaltungssysteme arbeiten einwandfrei. Sauerstoffvorrat bei sechsunddreißig Prozent. Wasservorrat bei dreiundvierzig Prozent. Energiereserven bei 32 Prozent. Antriebseinheit ohne Schadensmeldung, Status inaktiv. Hülle und Struktur bei 98 Prozent, keine Einschränkung der Stabilität. Zentrale Recheneinheit ohne Schadensmeldung, Status aktiv.  Periphergeräte bei 61 Prozent: Optik des Referenzrechners defekt, externe Wartung nötig, Induktionsofen defekt, externe Wartung nötig, Löschschaum bei 45 Prozent, noch eine Brandbekämpfung möglich ...«
Peter hatte die Daten in einer sonderbaren Zweiteilung gehört. Er saß völlig regungslos und entspannt in seinem Sitz und bewegte nichts. Seine Geist schien auf einem riesigen Wattepolster zu liegen. Nur ein winziger Teil seines Bewusstseins nahm die Informationen des Bordcomputers auf und versuchte einen Sinn darin zu finden.
Rekas Stimme war nun wieder weicher. »Versuch zu schlafen Peter. Schlafen lässt die Seele fliegen.«
Peter presste die Lider aufeinander. Seine Augen brannten und tränten. Er würde jetzt nicht schlafen können, doch ihm war klar, dass er sich irgendwie beschäftigen musste, um nicht durchzudrehen. Für einen weiteren Kursänderungsversuch hatte er im Augenblick nicht die Nerven. Schließlich fasste er einen Entschluss.
»Reka!«
»Ja, Peter?«
»Mehr Licht.« Augenblicklich wurde das Licht in der Kapsel heller. Ironischer Weise kam Peter ausgerechnete jetzt in den Sinn, dass das angeblich einmal Goethes letzte Worte gewesen waren. Der Tod war ganz in der Nähe.
Leise sprach er vor sich hin. »Der Vorteil einer guten Allgemeinbildung.« Dann begann er, sein Zwangsrefugium systematisch zu durchsuchen. So verging die Zeit und er fand vielleicht etwas, dass ihm weiterhalf.

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