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du bist ich nicht (lyrik)

 
 
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MrPink
Geschlecht:männlichLyromane

Alter: 53
Beiträge: 2431
Wohnort: Oberbayern
Der Bronzene Wegweiser


Beitrag24.11.2013 22:00
du bist ich nicht (lyrik)
von MrPink
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

du bist ich nicht

du sagst ich liebe dich
und ich sehe mich versagen
weil meine worte gegen
reißverschlusslippen branden
und meine fingerkuppen
an buchstabentasten kleben
hörst du mich nicht

hörst du mich nicht
weil deine ohren nach innen
lauschen und deine augen
projizieren was sie hören
auf mich werfe ich einen stein
weil der stein mich nicht wirft
du sagst ich liebe dich

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Stimmgabel
Geschlecht:männlichPapiertiger


Beiträge: 4370
Wohnort: vor allem da
Bronzener Sturmschaden Der goldene Spiegel - Lyrik (2)



Beitrag25.11.2013 14:50
Re: du bist ich nicht (lyrik)
von Stimmgabel
Antworten mit Zitat

-

du bist ich nicht

du sagst ich liebe dich
und ich sehe mich versagen
weil meine worte gegen
reißverschlusslippen branden
und meine fingerkuppen
an buchstabentasten kleben
hörst du mich nicht

hörst du mich nicht
weil deine ohren nach innen
lauschen und deine augen
projizieren was sie hören
auf mich werfe ich einen stein
weil der stein mich nicht wirft
du sagst ich liebe dich

---------------------------------------------------------


Hallo Inko,


ehrlich gesagt weiß ich nicht, was mir der Text sagen will Wink / ... vllt, dass Li spürt, dass es sein "I" LD nicht fühlen lassen kann ???

Ein LD sagt zu LI: LD liebt LI / ... aha

(mal ganz egal, ob es sich hierbei um zwei verschiedene Personalien handelt, oder LI = LD selbst.)

Dann erzählt der gesamte Text, dass LI quasi keinen Zugang zum LD findet ... aha ???
Zum anderen wird mMn sinnigerweise dem LD ein Innen-Reflektieren dem LI gegenüber unterstellt - was nun scheinbar Li missfällt ... aha???

Und dann dieses eigenartige Wortespiel:

auf mich werfe ich einen stein
weil der stein mich nicht wirft


was wohl einem Chiasmus gleichkommen soll ??? / ... hier sehe ich keinerlei Chiasmus umgesetzt Wink ... diese Konjunktion "weil" stimmt hier mMn nicht!!

auf mich werfe ich einen stein / weil der stein mich nicht wirft / Chiasmus (Paar) hier wäre: der stein wirft sich nicht auf mich, oder so ähnlich - was vor allem auch derart einen tieferen und auch textalen Sinn hätte, mMn. Wink


Den Titel "du bist ich nicht" bekomme ich hier auch nicht unter den Texthut ???



lieben Gruß, Stimmgabel



-


_________________
Gabel im Mund / nicht so hastig...
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firstoffertio
Geschlecht:weiblichShow-don't-Tellefant


Beiträge: 5854
Wohnort: Irland
Das bronzene Stundenglas Der goldene Spiegel - Lyrik (1)
Podcast-Sonderpreis Silberner Sturmschaden


Beitrag25.11.2013 22:38

von firstoffertio
Antworten mit Zitat

Auch dies bleibt mir etwas rätselhaft, aber ich meine, hier setzt sich jemand mit seinem Schreiben und gleichzeitigem Unvermögen, zu reden, auseinander? 'Ich sehe mich versagen'. Und mit jemand, der anders tickt.
Also LI als jemand, der sich viel Gedanken um Sprache macht, und LDU jemand, der sie, im Gegensatz zu LI,  einfach benutzt? Und darum, was sich daraus ergibt und abspielt zwischen den beiden?
Sprachlich finde ich das schön einfach, aber genau der Stein-Chiasmus ist mir zu artifiziell.
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Eredor
Geschlecht:männlichDichter und dichter

Moderator
Alter: 32
Beiträge: 3415
Wohnort: Heidelberg
Das silberne Stundenglas DSFx
Goldene Harfe Pokapro III & Lezepo I


Traumtagebuch
Beitrag26.11.2013 00:52

von Eredor
Antworten mit Zitat

Hallo Du!

eine "echte" Befederung darf ich dir als Organisator leider nicht geben, aber wenn ich sowieso schon drübergelesen habe, schenke ich dir liebend gern einen Eindruck von deinem Text.


***

Themenbezug: Vorhanden. Er stellt sich nicht klar in den Vordergrund, jedoch ist deutlich, dass hier eine gescheiterte Kommunikation in der Beziehung behandelt wird, die sicherlich auf die Reflexion des Partners zu adaptieren ist. Ich hätte mir dennoch mehr Reflektion gewünscht.

Vorgaben: Glückwunsch! Du bist der einzige Autor, der den Chiasmus so umgesetzt hat wie er gedacht und laut Literatur-Definition gefordert war. Hierfür schenke ich dir Respekt. Viel Respekt. Die Spiegelung wurde gut umgesetzt und trägt zur Aussage des Textes bei.

Formalien: Der Text ist sehr stabil, hat seinen eigenen Rhythmus. Das groovt. Struktur ist ebenfalls zu erkennen - generell habe ich dich und deine Lyrik sofort erkannt, du Schlingel. Alles super.

Wirkung&Fazit: Ein wirklich starkes Ding. Es beginnt mit einem Liebesgeständnis und endet mit einem Liebesgeständnis, doch dazwischen brodelt eine Menge hoch. Das ist wunderbar in Szene gesetzt und gefällt mir ausnehmend gut. Ich hätte dir gern die volle Punktzahl gegeben, aber der Themenbezug ist mir hier noch zu schwach ausgeprägt. Das ist eine sehr vage Interpretation vom Spiegelkabinett.


lg Dennis


_________________
"vielleicht ist der mensch das was man in den/ ersten sekunden in ihm sieht/ die umwege könnte man sich sparen/ auch bei sich selbst"
- Lütfiye Güzel
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Oliver.Twist
Leseratte

Alter: 38
Beiträge: 123
Wohnort: Hamburg


Beitrag26.11.2013 01:57

von Oliver.Twist
Antworten mit Zitat

Kleinschreibung und Verzicht auf Interpunktion sorgen dafür, dass der Text offener wird, mehr wie ein Bimsstein: der Sinn kann in ganz verschiedenen Richtungen hindurchpfeifen.
Allein der Titel kann so als Paraphrase von "du bist nicht ich" oder als "du bist - ich (jedoch bin) nicht" gelesen werden.
Geschildert wird eine Szenerie von scheiternder zwischenmenschlicher Kommunikation. Technische Vehikel (Reißverschluss, Schreibtastatur) treten als Barrieren des zueinander Findens in Erscheinung. Worte und Fingerkuppen sind die Mittel von höchster Bedeutungshaltigkeit, Feinfühligkeit und Innervation, die an diesen Barrieren scheitern. (Wobei auch Lippen sehr feinfühlige Orte sind - ihre Transformation zum Reißverschluss ist ein Schreckbild vom technisch gewordenen, entmenschlichten Menschen!)

Während also im ersten Abschnitt des Gedichts das Barrierenhafte von äußerlicher oder ins eigene Fleisch gewachsener Technik die Kommunikation vereitelt, sind es im zweiten Abschnitt autistische Charakterzüge. Jemand ist mit sich selbst beschäftigt, hat keine Kapazitäten für die Welt da draußen. Bemerkenswert ist die Vermengung von "augen" und "hören": entweder handelt es sich um Synästhesie, oder, was ich für wahrscheinlicher halte, um einen Verlust an Trennschärfe in der Wahrnehmung. Jemand ist in sich gefangen ohne ausreichende Brücken zur Außenwelt, und verliert darüber das Gefühl für sich selbst, seine Empfindungen und ihre Klarheit. So projiziert er denn seine Innenwelt auf die Außenwelt, anstatt die Außenwelt (und somit den anderen Menschen) zu erkennen.

Hiermit ist die Vorgabe des "Spiegelkabinetts" also als detaillierte Studie der autistischen Misskommunikation zwischen (lyrischem) "ich" und "du" ausgeführt worden. Wie "buchstabentasten" und "reißverschluss" ist auch der Spiegel eine technische Instanz. Sie hält den Blick auf (man kann nicht durch ihn hindurchsehen!) und verweist ihn zurück auf den Ausgangspunkt (den Betrachter und sein eigenes Auge). Somit ist der Spiegel sowohl die Barriere, die den Blick (wie "worte" und "fingerkuppen" im ersten Abschnitt) aufhält, als auch das Mittel, um sich selbst zu betrachten und somit bei sich selbst zu verweilen (wie die "ohren nach innen" des zweiten Abschnitts).
Umrahmt ist all dies von "ich liebe dich" als der reinsten Äußerung von Empathie und Zugewandtheit. Es sind diese "ich liebe dich", die durch das jeweils vorangestellte "du sagst" zum Zitat abgekühlt werden - und die durch das Dazwischenliegende als ins Leere laufend entlarvt werden!

"auf mich werfe ich einen stein / weil der stein mich nicht wirft" ist wohl eingefügt, um der Anforderung, es solle ein Chiasmus enthalten sein, gerecht zu werden. Leider haftet dies den Versen an, wenn ich sie im Rahmen dieser Wettbewerbs-Aktion lese. Schwer zu sagen, wie es wäre, wenn ich das Gedicht unbedarft, ohne dieses Vorwissen, lesen dürfte. So wie es jetzt ist, erscheint es mir ein wenig eckig. Auch wenn das Bild an sich seinen Reiz hat, und mit der semantischen Überschneidung bei "auf mich" angenehm in den Fluss der vorhergehenden Worte eingebunden ist.

Ein Gedicht, an dem ich viel wahres und schönes finde!
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Kissa
Geschlecht:weiblichKlammeraffe


Beiträge: 630
Wohnort: Saxonia
Der silberne Spiegel - Lyrik Silberne Neonzeit


Beitrag27.11.2013 00:25

von Kissa
Antworten mit Zitat

Ein hervorragendes Gedicht über eine virtuelle? und deshalb unerwiderte Liebe.

Gefällt mir sehr gut, vor allem die Reißverschlusslippen - tausend Mal schon gesehen, aber noch nie gelesen.

Alles Liebe
Kissa
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gold
Geschlecht:weiblichPapiertiger


Beiträge: 4943
Wohnort: unter Wasser
DSFo-Sponsor


Beitrag27.11.2013 23:22
Re: du bist ich nicht (lyrik)
von gold
Antworten mit Zitat

Guy Incognito hat Folgendes geschrieben:
du bist ich nicht

du sagst ich liebe dich
und ich sehe mich versagen
weil meine worte gegen
reißverschlusslippen branden
und meine fingerkuppen
an buchstabentasten kleben
hörst du mich nicht

hörst du mich nicht
weil deine ohren nach innen
lauschen und deine augen
projizieren was sie hören
auf mich werfe ich einen stein
weil der stein mich nicht wirft
du sagst ich liebe dich


"deine Augen projizieren was sie hören"- das verstehe ich nicht: Augen sehen, mit dem Hören kann ich hier nichts anfangen.
Versuch einer Interpretation:
Das LI wirft auf sich einen Stein aus Verzweiflung, weil es versagt und nicht ausdrücken kann, was es gerne sagen möchte "weil meine Worte gegen Reißverschlusslippen branden und meine Finger an Buchstabentasten kleben" (diese Metaphern gefallen mir sehr gut!)
"weil der Stein mich nicht wirft" könnte heißen: weil das Li es nicht schafft, auszudrücken, was es eigentlich sagen möchte (s.o.)

LG gold

Edit: der Titel- ich habe den Titel vergessen! Den Titel finde ich sehr gut!
Versuch einer Interpretation:
"Du bist ich nicht"   Das LD ist ganz bei sich, in sich, es steht zu seinen Gefühlen, es ist mit sich im Reinen, sodass es ausdrücken kann, was es empfindet, da ist kein: "Ich trau mich nicht", "ich weiß nicht, wie ich es sagen soll," "wenn ich es sage, verlässt, er /sie mich"
dagegen steht das LI: dieses traut sich nicht, im Gegensatz zum LD hat es Ängste, es möchte und kann doch nicht.


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es sind die Krähen
die zetern
in wogenden Zedern

Make Tofu Not War (Goshka Macuga)

Es dauert lange, bis man jung wird. (Pablo Picasso)
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Stimmen
Geschlecht:männlichWortedrechsler


Beiträge: 74



Beitrag28.11.2013 00:51

von Stimmen
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Ich habe im Wettbewerb nicht mitgemacht, leider verpasst. Dennoch gebe ich mal meinen Senf dazu. Also dieses Gedicht gefällt mir ausgesprochen gut, besonders die erste strophe ist traumhaft. Die zweite wäre gut geworden, wenn sie nicht diesen bescheuerten Rechtschreibfehler von "projizieren" und diesen doch sehr wenig zum Text passenden Chiasmus drinne hat. Leider meiner Meinung nach sind die letzten 3 Verse mit Abstand die schwächsten. Der Chiasmus ist ziemlich ausgelutscht und die letzte Zeile als "Erklärung" ebenfalls. Sehr sehr schade, das ist mein Top Favorit, um ehrlich zu sein.

Der Dichter darf sich dennoch über 7 Punkte freuen!


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Gedichtssadist.
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Lapidar
Geschlecht:weiblichExposéadler

Alter: 61
Beiträge: 2699
Wohnort: in der Diaspora


Beitrag30.11.2013 16:11

von Lapidar
Antworten mit Zitat

hier erkenne ich leider den Sinn nicht ganz. Formell sicher gut gelöst, aber inhaltlich bzw. emotional berührt es mich nicht.

_________________
"Dem Bruder des Schwagers seine Schwester und von der der Onkel dessen Nichte Bogenschützin Lapidar" Kiara
If you can't say something nice... don't say anything at all. Anonym.
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Mardii
Stiefmütterle

Alter: 64
Beiträge: 1774



Beitrag01.12.2013 14:58

von Mardii
Antworten mit Zitat

An sich ein schönes Gedicht, kann ich mir lebhaft vorstellen, wie LI am Computer sitzt und keine Worte heraus bekommt, e.t.c.
Zitat:

auf mich werfe ich einen stein
weil der stein mich nicht wirft


Beim Chiasmus Subjekt und Objekt überkreuzt, ist mal was anderes. Obwohl durch das Bibelzitat eine Dramatik ins Spiel kommt, die ich in der Szene nicht sehe.


_________________
`bin ein herzen´s gutes stück blech was halt gerne ein edelmetall wäre´
Ridickully
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Kateli
Geschlecht:weiblichEselsohr

Alter: 47
Beiträge: 256
Wohnort: D-Süd
Das goldene Gleis


Beitrag01.12.2013 22:56

von Kateli
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Hier habe ich nicht das Gefühl, den Text bis ins Detail verstanden zu haben. Jemand fühlt sich missverstanden, hat Angst, zu scheitern, fühlt sich schuldig, weil er sich nicht darstellen und als das verstanden werden kann, was er ist?
Die Liebe gilt nicht dem, was er/sie (hab ein "er-Gefühl") tatsächlich ist, denn sie/er (hier das passende "sie-Gefühl") sieht nur, was sie/er sehen will?
Die Reißverschlusslippen implizieren dass ebenso wie die Projektionen der Augen. Die Buchstabentasten führen ins Internet - Social Networks?
Ich assoziiere nur wild, weiß nicht, ob ich auch im Entferntesten in die Richtung gehe, die du vorgezeichnet hast.
Da kommt mir eine Idee: Jemand, der sich im Internet als jemand anderes darstellt, eine fake-Identität, auf die das Gegenüber hereinfällt? Das Netz als Zerrspiegel ...
Du siehst, in jedem Fall tritt dein Text eine Menge Gedanken bei mir los.

Zitat:
auf mich werfe ich einen stein
weil der stein mich nicht wirft


In meiner Unbedarftheit würde ich hier den Chiasmus vermuten, wobei ich nicht weiß, ob hier die Satzstellung nicht schlicht dem Bau eines untergeordneten Nebensatzes geschuldet ist - und warte auf die Auflösung.

Schöner Text, gefällt mir.

LG
Nina


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Zombies just want hugs
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Aranka
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A


Beiträge: 3106
Wohnort: Umkreis Mönchengladbach
Lezepo 2017 Pokapro und Lezepo 2014



A
Beitrag02.12.2013 14:16

von Aranka
Antworten mit Zitat

Ich werde versuchen mit kurzen Kommentaren, die nur benennen, was ich gelungen finde und was nicht, alle Texte aus meiner Sicht zu werten. Hier grob meine Bewertungsschwerpunkte:

*Die recht vielen, auch erst mal rein formalen Bedingungen dieses Wettbewerbs wirklich in den Inhalt einzuarbeiten und sie nicht nur formal einzuhalten (Wiederholung der Zeilen  und Chiasmus), war eine echte Herausforderung in der kurzen Zeit. Wem das gelungen ist, der hat bei mir einen Bonuspunkt.

*Texten denen es gelungen ist das Thema: „Die Menschheit ein Spiegelkabinett“ mit einem wirklich eigenen Gedanke, einer Fragestellung oder gar einer Geschichte/einem Moment zu füllen, und dieses nicht nur in Worten abzuwickeln (ich bin der ich nicht bin und auch noch ein anderer dazu), vor den Texten ziehe ich meinen Hut. Anders gesagt, wer es schafft, mit seinem Text mich etwas länger als die reine Lesezeit „reich“ zu beschäftigen, der bekommt das nächste Federpaar.

*Wem es dann noch gelungen ist, seine Textidee lyrisch umzusetzen, dem steck ich weitere Federn ans Dichterhemd: erkennbar gestaltete Zeilen und Strophen, Bilder die greifen, eine Sprache die überzeugt.

*Allein für das Mitmachen und den Mut sich der Anforderung des Wettbewerbs in zwei Stunden zu stellen, ist eine Feder wert.

*Ich erwarte in zwei Stunden keinen Text, an dem es keine Ecken und Kanten gibt, an dem man nicht noch feilen müsste, es sei denn man hätte schon was thematisch Brauchbares in der Schublade gehabt, das sich auf die formalen Wettbewerbsbedingungen hin umändern ließ. Daher ziehe ich für solche kleinen letzten Unebenheiten, die deutlich einer mangelnden Endüberarbeitung zum Opfer gefallen sind, auch keine Punkte ab. Ob ein Text etwas zu bieten hat und mit zwei Stunden mehr Zeit rund geworden wäre, glaube ich zu erkennen.

Und nun zum Wettbewerbstext:

*die Spiegelung ist für mich hier im positiven Sinne versteckter umgesetzt

*der entwickelte Gedankengang hat seinen Reiz

*der Chiasmus (auf mich werfe ich einen stein, weil der stein mich nicht wirft) erscheint mir etwas herbeigezaubert. Der Steinwurf will mir nicht so recht aus dem Kontext von „lauschen und sehen“ erwachsen. Andererseits ist es eine Stelle, die mich mal aufhorchen lässt, auch wenn sie mir mit dem "weil" nicht ganz einleuchten will.

*sprachlich fällt diese Formulierung heraus: reißverschlusslippen branden

inhaltlich lässt mich der Text dürftig zurück.


_________________
"Wie dahingelangen, Alltägliches zu schreiben, so unauffällig, dass es gereiht aussieht und doch als Ganzes leuchtet?" (Peter Handke)

„Erst als ihm die Welt geheimnisvoll wurde, öffnete sie sich und konnte zurückerobert werden.“ (Peter Handke)
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Einar Inperson
Geschlecht:männlichReißwolf


Beiträge: 1675
Wohnort: Auf dem Narrenschiff


Beitrag02.12.2013 23:36

von Einar Inperson
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Einen Gruß ins Versteck,

oh, die Lyrik bewerten.

Auf mich wirkt der Chiasmus seltsam gezwungen.

3 Federn


_________________
Traurige Grüße und ein Schmunzeln im Knopfloch

Zitat: "Ich habe nichts zu sagen, deshalb schreibe ich, weil ich nicht malen kann"
Einar Inperson in Anlehnung an Aris Kalaizis

si tu n'es pas là, je ne suis plus le même

"Ehrfurcht vor dem Leben" Albert Schweitzer
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Gast







Beitrag06.12.2013 15:55

von Gast
Antworten mit Zitat

Hallo!
Ich habe es mir leicht gemacht: Wie auch im richtigen Leben habe ich nur zu wenigen Gedichten etwas zu sagen, es muss da schon etwas „passieren“, beim Lesen – wenn mich nichts aufmerken lässt, in einem Text, wenn ich Inhalt und Form als ineinander gezwungen erlebe, wenn mir beim Lesen die Aufmerksamkeit weg rennt kurz: Wenn ein Gedicht es nicht schafft, mich festzuhalten, dann zwinge ich mich nicht, wieder zu kommen und nach etwas zu suchen. Dieser Wettbewerb hat etwas Paradoxes … er erlaubt einem Gedicht nicht, zu „entstehen“, zwei Stunden von der Befruchtung zur Geburt, was soll da für ein Wesen herauskommen? Wenn man hier mitmacht, akzeptiert man diese etwas seltsamen Bedingungen, man kann es als Spiel sehen oder als sportliche Herausforderung. Interessant ist dann der Vergleich: Was bekommen andere „gebacken“, in der selben Zeit, wenn sie mit demselben Thema konfrontiert sind. Schafft es jemand, trotzdem etwas Gutes zu fabrizieren, gehört dann etwa Routine dazu oder so etwas wie ein „Vorrat“ an Reflexionen zu den großen Themen?


Lang hat es gedauert, bis ich mich aufraffen konnte, oft genug hier war ich ja ...
Je öfter ich es lese, dieses Gedicht, desto mehr mag ich es. Zuerst fand ich, dass es zu direkt ist, dann wieder, dass der Chiasmus dem Gedicht zu schwer im Magen liegt und ich weiss immer noch nicht, ob ich es verstehe, oder ob das Gute daran ist, dass es die Projektion des Lesers spiegelt, das heisst, dass es gewollt mit demselben Effekt spielt, mit dem LI nicht klarkommt, der Reflexion und der Unmöglichkeit, ein Bild oder Worte zurück zu "werfen", das nur einer möglichen Wahrnehmung entspricht und dass es dem Leser eben genau so gehen kann. Im Leben wie beim Lesen.

Zitat:
hörst du mich nicht
weil deine ohren nach innen
lauschen und deine augen
projizieren was sie hören
auf mich


Ich lese das als die Frage LIs an sich selbst, denn es ist ja sprach-los und kann auch schreibend nicht antworten. Fragt sich LI, ob das Du zu einem WunschLI spricht, das innen wohnt, eine Vorstellung von LI, die der (von LI) gefühlten Wirklichkeit des eigenen Seins gar nicht entspricht?

Zitat:
auf mich werfe ich einen stein
weil der stein mich nicht wirft


Hier lief ich gegen Hürden, bis ich den Chiasmus (ich glaube, es ist der deutlichste im Wettbewerb, ich kann mich aber täuschen) und diesem seltsamen Zeilenpaar einem Experiment der Spiegelung unterzog.

Wenn LI das Bild, das LD von ihm hat, als Ergebnis einer Wunsch-Rückspiegelung versteht, dann kann er nun versuchen, diese Illusion zu zerstören, also
ich zerstöre mein Bild (das LD von mir hat)
weil das Bild es nicht selbst kann (es ist nur die Idee von etwas/jemand - ein "falsches" Bild?

Irgend etwas Entscheidendes habe ich vielleicht übersehen und du musst jetzt grinsen, wegen meiner Verkopfungen, aber was ich lese, meine Rezeption ist das, was der Text mir zurückwirft, ist mit grösster Wahrscheinlichkeit etwas ganz anderes als das, was der oder die über mir geschreiben haben?

Eine Projektion kann sich als unzerstörbar erweisen,
Zitat:
weil der stein mich nicht wirft


um so ein Bild zu ändern, muss die Vorlage anders gesehen werden können
Zitat:
auf mich werfe ich einen stein


Ich glaube, ich schreibe unverständliches Zeugs, ich höre wieder auf, ich werd das im Auge behalten, auf jeden Fall freue ich mich, mal ein paar mehr Federn zu lassen,

Lorraine
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Zinna
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Beitrag06.12.2013 16:47

von Zinna
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Hallo Inko,

ein Gedicht, das mit mir spricht. Aber auch hier sind die tickenden zwei Stunden spürbar…In Strophe 1 hauptsächlich vom Klang her.
Brandende Reißverschlusslippen und an Tasten klebende Fingerkuppen sind angenehm bildhaft.
Die Doppelzeile zwischen den Strophen gefällt mir, da sich das hörst du mich nicht als Aussage oder Frage lesen lässt.
Die letzten drei Zeilen fallen für mich ab.

auf mich werfe ich einen stein.... <- OK
weil der stein mich nicht wirft....<- (?) (hat noch weitere Bedeutung als für den Chiasmus?)
du sagst ich liebe dich....<- Spiegelzeile, ok, aber sie wirkt nicht mit den vorigen Versen zusammen, sondern wie unten angepinnt, weils Vorgabe ist.

Lieber Gruß
Zinna


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Nihil
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Beitrag07.12.2013 20:56

von Nihil
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Aus Zeitgründen leider nur noch ein Platzhalterkommentar.
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MrPink
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Der Bronzene Wegweiser


Beitrag08.12.2013 14:01

von MrPink
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guten tag

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dermitdemWorttanzt
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Beitrag08.12.2013 19:52

von dermitdemWorttanzt
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Neutraler Kommentar, um federn zu können.

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Shalom, Mr.
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MrPink
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Der Bronzene Wegweiser


Beitrag08.12.2013 21:37

von MrPink
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schönen guten Abend,

vielen Dank für eure ausführlichen Kommentare. Ich werde jetzt noch nicht auf einzelne eingehen, sondern erstmal ne Erklärung für das Verbrochene liefern.

Zitat:
du sagst ich liebe dich
und ich sehe mich versagen
weil meine worte gegen
reißverschlusslippen branden
und meine fingerkuppen
an buchstabentasten kleben
hörst du mich nicht


Das Li äußert seine Gefühle/Gedanken dem Ldu gegenüber nicht. Das Li hängt lieber am PC ab (eine Möglichkeit) das Li schreibt Gedichte, die das Ldu nicht versteht (eine andere). Oder irgendwas dazwischen.

Zitat:
hörst du mich nicht
weil deine ohren nach innen
lauschen und deine augen
projizieren was sie hören
auf mich werfe ich einen stein
weil der stein mich nicht wirft
du sagst ich liebe dich


Das Ldu nimmt sich über den Partner wahr. Da es aber keine Signale empfängt, hört es auf die innere Stimme, und deutet die Aktion und Reaktionen des Li nach seiner Wahrheit. Das Li empfindet sich als Spiegel und wirft den Stein auf sich. "Weil der Stein mich nicht wirft" soll hier bedeuten, dass Passivität an der Situation nichts ändert, Li muß das Schiksal quasi in die eigene Hand nehmen.

Am Schluß gibt es 2 (mindestens) Möglichkeiten:
1. Das Li zerstört den Spiegel und schafft, dass Ldu es wahrnimmt wie es ist. Ich liebe dich....Happy End.

2. Das Li zerstört sich und ist als Partner nicht mehr vorhanden. Das Ldu spricht den letzten Satz zu sich selbst.

entsprechend kann man dann auch den Titel lesen:

du bist, ich nicht
oder
du bist nicht, ich

So, das mal zu Erklärung. Mir hat die Aufgabenstellung viel Spaß bereitet, und herzlichen Dank an die FFF-Macherinnen und -Macher. Sehr gut gemacht.


_________________
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